colore 27 - SANDBEIGE

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Farbbetrachtungen

Höhle und Bühne –zwei Innenraumtypen wie Tag und Nacht: ein Wechselspiel aus physischer Umgebung und innerer Befindlichkeit

Vertikaler Urbanismus Die Facetten einer grünen Architektur: neue Ansätze für klimafreundliches Leben in Städten

Ein Meilenstein der etwas anderen Art

Eine Schule, die in vielerlei Hinsicht Menschlichkeit und Nachhaltigkeit lehrt

APR 2023
FARBRÄUME colore
FARBRÄUME
colore

Brillux Scala 06.06.06

„Siehe eine Sanduhr: Da läßt sich nichts durch Rütteln und Schütteln erreichen, du mußt geduldig warten, bis der Sand, Körnlein um Körnlein, aus dem einen Trichter in den andern gelaufen ist.“

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

etwas in den Sand setzen oder etwas auf Sand bauen – häufig ist Sand nicht unbedingt ein Synonym für Stabilität. Und dennoch bedarf es paradoxerweise gerade bei dem beliebten Baumaterial Beton Sand als Zusatzstoff, um die notwendige Festigkeit zu erzielen.

Dass Sand sehr unterschiedliche Einsatzweisen und Assoziationen mit sich bringen kann, zeigen auch die vielfältigen Projekte in unserer aktuellen Ausgabe. Ob nun seine Farbe, Form, Struktur oder seine Eigenschaften –die Auswahl an „sandigen“ Kunstwerken, Architekturprojekten und Mehrwertthemen verkörpert das breite Spektrum an Möglichkeiten und Intentionen, die mit dem mineralischen Material in Korngrößen von 0,06 mm bis 2 mm entwickelt und umgesetzt werden können.

Dem eindrucksvollen GYAAN Center in Indien bietet Sand in seiner Urform vor allen Dingen eine spektakuläre Kulisse, während er als Sandstein die elliptische Form des Bauwerks prägt. Dabei ist der Einsatz dieses Baumaterials nicht nur typisch für die Region, sondern zudem eine Möglichkeit, die ortsansässigen Handwerksbetriebe zu fördern.

Auch unsere Referenzen thematisieren stark ihren jeweiligen Ort inklusive seiner Geschichte und seines Charakters. Sie bestechen mit einem harmonischen Zusammenspiel aus Alt und Neu und zeigen, wie Visionen Bestehendem ein neues Erscheinungsbild verleihen können.

Visionen kennzeichnen ebenfalls unser Fokusthema „Vertikales Bauen“. Gestapeltes Wohnen und Arbeiten kombiniert mit maximaler Vegetation – ein neues Modell der vertikalen Stadt – ist im asiatischen Raum bereits Standard und im europäischen Raum auf dem Vormarsch.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Lesen, visionäre Ansätze über das Bauen einer spektakulären Sandburg hinaus und die Gelassenheit, einfach einmal nur dem Sand in der Sanduhr beim „Rieseln“ zuzuschauen.

Ihr colore Team

EDITORIAL
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Ein Meilenstein der etwas anderen Art

Eine Schule, die in vielerlei Hinsicht Menschlichkeit und Nachhaltigkeit lehrt

Der Sand der Gezeiten

Sand ist allgegenwärtig – als Rohstoff und Symbolträger – in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Zeit und Raum

Künstliche Intelligenz als Schnittstelle zwischen freier Kreativität und gebautem Raum

Rotierende Kunstwerke

Wie eine kinetische Skulptur auf faszinierende Weise Ruhe und Gelassenheit transportiert

Architektur, die nachhaltig bewegt

Ein spanischer Pavillon wird inspirativer Drehund Angelpunkt von Tradition und Moderne

Aufgestöbert

Eine Architektur, die buchstäblich den Blickwinkel verändert

sandbeige

Brillux Scala-Farbtonfamilie 06

INHALT
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SAND BEIGE

Farbbetrachtung und Farbräume

Höhle und Bühne – zwei Innenraumtypen wie Tag und Nacht: ein Wechselspiel aus physischer Umgebung und innerer Befindlichkeit

Karl Schawelka

Neue Ordnung alter Steine Kinder- und Jugendpsychiatrie, Trier

Ein kreatives Grün Kindergarten, Waldmünchen

Historisch

Historische Fassade, Münster

Ein Stück Heimat

Hotel Domizil, Tübingen

Neu interpretiert

Haus L, Alsenbrück-Langmeil

Weil Radio Zuhause

gestalten kann!

Brillux Radio

Dialog in Farbe

Architektenfragen an das Beraterteam von Brillux

FOKUS
MEHR ALS FARBE
Architektur:
Ansätze für klimafreundliches Leben in Städten 28 44 18 34 40 54 64 68 70
Vertikaler Urbanismus Die Facetten einer grünen
neue
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SANDBEIGE
„ Diese ovale Schule, die sich aus den Dünen erhebt, gibt den Mädchen in der Wüste Thar eine Chance.“
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DIANA KELLOGG

Ein Meilenstein der etwas anderen Art

Eine Schule mitten in der Wüste ist kein leichtes oder alltägliches Projekt. Umso überraschender, dass die Errichtung der RajkumariRatnavati-Mädchenschule in der Nähe von Jaisalmer nur knapp zehn Monate gedauert hat. Im indischen Bundesstaat Rajasthan hat die gemeinnützige Organisation CITTA bereits seit vielen Jahren versucht, dieses Projekt auf die Beine zu stellen. In Zusammenarbeit mit der New Yorker Architektin Diana Kellogg konnte die Schule nun realisiert und fertiggestellt werden. Ein beeindruckendes Modell für Menschlichkeit und Nachhaltigkeit.

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Die Rajkumari-Ratnavati-Mädchenschule schafft durch den Einsatz des typischen Baumaterials und charmanter Details einen Bezug zur Dünenlandschaft, zur Regionalität, zur traditionellen Handwerkskunst und ermöglicht zugleich, ortsansässige Handwerker und notwendige Aktivitäten für Mädchen zu fördern.

Das GYAAN Center in der Wüste Thar soll zukünftig Frauen in Indien eine Ausbildung und wirtschaftliche Unabhängkeit ermöglichen. In der Wüstenstadt Jaisalmer mit etwa 70.000 Einwohnern ist die Alphabetisierungsrate nicht sehr hoch und gerade Frauen übernehmen vielerorts einen Großteil der Arbeitskraft. Aufgrund des Kastensystems werden Töchter hier leider weniger wertgeschätzt, als es bei Söhnen der Fall ist. Eine einzelne Schule kann diesen Zustand selbstverständlich nicht grundlegend ändern. Allerdings war es Diana Kellogg als verantwortliche Architektin ein Anliegen, mit dem Projekt der internationalen gemeinnützigen Organisation CITTA ein Zeichen zu setzen und einen Raum zu schaffen, „der Töchter aufwertet und ehrt und als Beispiel dafür dienen soll, dass nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen wertvoll sind.“ Als erster fertiggestellter Teil des GYAAN Centers können in der Rajkumari-Ratnavati-Mädchenschule nun 400 Mädchen bis zur zehnten Klasse unterrichtet werden. Zwei weitere Gebäude für Ausstellungen und eine Bibliothek sowie ein Ausbildungszentrum für traditionelles Kunsthandwerk speziell für Frauen sollen in den nächsten Jahren folgen. Sowohl funktional als auch gestalterisch soll der Komplex aus drei Gebäuden dann schlussendlich einem Unendlichkeitssymbol ähneln und damit einen Kreislauf sowie die Weiblichkeit versinnbildlichen.

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Eine goldene Stadt

Bereits die ausladende Ellipsenform der Schule – als erster Baukörper des künftigen GYAAN Centers – ist in ihrer Autarkheit sehr beeindruckend. Inspiriert von weiblichen Symbolen und Fruchtbarkeit, war für Diana Kellogg vor allen Dingen auch der Einbezug des Ortes relevant. „Es war mir wirklich wichtig, dass das Gebäude sehr viel von der Wüste und von Jaisalmer in sich hat. Ich wollte, dass das Gebäude die wandernden Sanddünen und den Wind widerspiegelt – Elemente, die man in einem Wüstengebäude sieht, in dem überwiegend der Himmel und der Horizont im Fokus stehen.“ Doch nicht nur der starke Symbolcharakter und der Bezug zur Dünenlandschaft prägen die Architektur. Betritt man das Gebäude, offenbart sich unmittelbar eine starke kulturelle Verbundenheit. Das beginnt bereits bei der Verwendung des gelben Sandsteins, der klimatisch eine gute Wärmekapazität mit sich bringt und innerhalb der Konstruktion, der Gestaltung und des gesamten Bauwerks vorherrschend ist. Der Einsatz dieses Baumaterials ist nicht nur typisch für die Region, sondern bot auch die Möglichkeit, die ortsansässigen Handwerker an dem Projekt zu beteiligen und ihre Handwerkskunst zu fördern. Auch das Raumprogramm, das sich um einen ausladenden Innenhof orientiert – unter dem wiederum eine Zisterne als Wasserauffangbecken verbaut wurde –, entspricht der klassischen indischen Typologie eines Atriumhauses. Charmante Details wie kleine Schnitzereien und Aussparungen in den Wänden für sogenannte Diyas – traditionelle Öllampen, die zum indischen Lichterfest Diwali angezündet werden – begleiten bereits den Eingangsbereich und vermitteln so von Anfang an eine angenehme (Lern-)Atmosphäre.

„Ich glaube, es gibt einen Trend, zu Systemen, von denen viele in Indien nicht mehr verwendet werden – wie alte Wassergewinnungstechniken –, zurückzukehren.“
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DIANA KELLOGG

Mehr als Handwerkskunst

Ein weiterer besonderer Aspekt ist die bemerkenswerte Interpretation und Umsetzung der typischen „Jalis“. Gerade in der indischen Architektur fungiert die kunstvoll ausgearbeitete gitterartige Struktur als Verkleidung von Fenstern oder als Raumteiler – häufig zur Trennung geschlechterspezifischer Bereiche. „Ein starkes kulturelles Element, das sich in der hiesigen Architektur niederschlägt, ist tatsächlich die Verschleierung der Frauen. Es gibt vielerorts diese Paravents, die sogenannten Jali-Wände, die ich modern interpretiert habe“, erklärt Diana Kellogg. „Auf diese Weise konnte ich die Bescheidenheit der Mädchen wahren, ihrer Kultur gegenüber respektvoll sein und ihnen zugleich Aktivitäten ermöglichen, die meiner Meinung nach für Mädchen sehr wichtig sind und die im Allgemeinen häufig übergangen werden.“ Darüber hinaus werden auch in der modernen indischen Architektur

Jalis zunehmend nicht mehr nur als Formelement verwendet, sondern auch aufgrund der klimatischen Vorteile. Beide Aspekte finden bei der Rajkumari-RatnavatiMädchenschule Anwendung. Denn durch den Versatz der Jali-Wände wird der Wind kanalisiert und die erhöhte Windgeschwindigkeit erzeugt kühlere Temperaturen. „Zusätzlich habe ich mit hohen Decken gearbeitet, damit die Wärme nach oben steigt. Außerdem gibt es in dieser Höhe Sprossenfenster, durch die der Wind die Wärme von den Klassenzimmern in den Innenhof ableitet. Mit diesen Methoden ist es tatsächlich gelungen, die Hitze in den Klassenzimmern manchmal um 30 Grad zu reduzieren“, so die Architektin. Ein Aspekt, der von großer Bedeutung ist, da die hohen Temperaturen ein entscheidender Faktor in Bezug auf die Schaffung einer angenehmen Lernatmosphäre sind.

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Als ich anfing, über die Ellipse zu recherchieren, stellte ich fest, dass sie in vielen Kulturen die Form der Weiblichkeit und der weiblichen Stärke ist, sie ist ein Ei, eine Gebärmutter.“

Durch die Kombination aus höher gelegenen Sprossenfenstern und der Verwendung des gelben Sandsteins lässt sich die Hitze in den Klassenzimmern reduzieren, da der Wind die Wärme in den Innenhof ableitet.

DIANA KELLOGG
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„ Als die Mädchen das erste Mal reinkamen, haben sie angefangen, im Kreis zu spielen. Die Frauen arbeiten oft im Kreis. Es gibt einfach eine natürliche Verbindung durch die Form.“

Ein architektonisches Wunderwerk

Nicht nur weil die meisten Beteiligten hier ihre Arbeit pro bono eingebracht haben, lässt sich hier von einem wirklichen Vorbildprojekt sprechen. Es ist die perfekte Kombination aus Design und Technik, die bis ins kleinste Detail umgesetzt wurde und die sich im eindrucksvollen Endergebnis widerspiegelt. „Wir haben Solarstrom, der im Grunde den gesamten Strombedarf deckt, und wir haben eine Pumpe, weil wir ein Wasserauffangsystem haben. Das Dach ist also ein Kollektor und der Hof ein Wassersammler, mit dem wir während des Monsuns das Wasser sammeln können“, führt die New Yorker Architektin an. Neben vielfältigem technischen Know-how dieser Art und der Umsetzung verschiedener Bautechniken ist schlussendlich selbst die Schuluniform Teil des Gesamt(kunst)werks. Niemand Geringeres als der berühmte indische Modedesigner Sabyasachi Mukherjee hat sich des Designs der Uniform angenommen und sich dabei ebenfalls von der traditionellen Kultur und der handwerklichen Kunstfertigkeit inspirieren lassen. So können die Mädchen in einer Kombination aus indigoblauen Kurtas und burgunderroten Churidars ungezwungen und dennoch mit einem gewissen Stolz lernen, spielen und heranwachsen. Zauberhaft – beinahe wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.

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Als Komplex aus drei Gebäuden soll das GYAAN Center in seiner Gestaltung schlussendlich einem Unendlichkeitssymbol ähneln. Auch innerhalb seiner Funktion soll es den Kreislauf der Weiblichkeit versinnbildlichen und neben der Mädchenschule Raum für Ausstellungen, eine Bibliothek sowie ein Ausbildungszentrum für traditionelles Kunsthandwerk speziell für Frauen bieten.

Zeichnungen:

Marktplatz und Ausstellung

OBJEKT | STANDORT

GYAAN Center, Jaisalmer, Indien

ARCHITEKTIN

Diana Kellogg, New York

RENDERINGS

Diana Kellogg, New York

FOTOGRAFIE

Vinay Panjwani, Ahmedabad, Indien

Ausbildungs-

RajkumariRatnavatiMädchenschule zentrum
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Diana Kellogg Architects

Der Sand der Gezeiten

UNAUFHÖRLICH RINNT DER SAND DURCH DIE UHR. KORN FÜR KORN. EIN STROM DER ZEIT, BEI DEM DAS ENDE STETS IM BLICK VERBLEIBT. EIN URALTES SEDIMENT, DAS FÜR UNS VIEL MEHR ALS NUR VERGANGENE SEKUNDEN FESTHÄLT.

Echte Sanduhren sind heute anachronistische Überbleibsel und zumeist eine Mahnung für gründliches Zähneputzen. Ihr „Laufwerk“ kann aber genauso gut an den traumhaften Strand des letzten Urlaubs erinnern. An das Gefühl, die Zehen in den warmen Sand zu bohren und zwei Wochen später die letzten Körner wehmütig zu Hause aus dem Koffer zu schütteln. Sand ist so vielfältig. Das mineralische Material ist Rohstoff, Lebensraum und Symbolträger – der Sandmann lässt grüßen.

Was bleibt, ist Quarz

Sand ist nicht gleich Sand. Die mineralische Zusammensetzung unterscheidet sich von Ort zu Ort. Zahlreiche der weltweiten Sandvorkommen bestehen jedoch zu großen Teilen aus Quarzkörnern, da das – auch Siliziumdioxid genannte – Mineral besonders widerstandsfähig und verwitterungsbeständig ist. Somit bleiben von ihm, nachdem anfälligere Bestandteile im Laufe der Zeit längst zermahlen wurden, sichtbare Körner übrig. Sande können tatsächlich Millionen von Jahren alt sein. Ihre Korngröße beträgt zwischen 0,063 mm und 2 mm. Alles darüber wird in der Regel als Kies, alles darunter als Schluff bezeichnet, es gibt jedoch auch alternative Eingrenzungen.

Sand in der Zahnpasta? Sicher.

Sand ist ein Alleskönner in der Industrie. Er ist der Grundstoff für die Glasherstellung, wird für Zement und Beton benötigt und findet sich als Silizium in Mikrochips und als Putzkörper in Zahnpasta wieder. So unglaublich verfügbar er scheint, ist er doch eine endliche Ressource und deshalb weltweit begehrt. Das liegt auch daran, dass sich nicht

jede Sorte Sand als Rohstoff eignet. Wüstensand ist beispielsweise zu fein, um der Betonherstellung zu dienen, und ist daher für Bauwerke ungeeignet.

Kunst aus der Wüste

The Foundry, eine Kreativgemeinschaft des in Dubai ansässigen Designstudios Tinkah, hat eine besondere Verwendung für diese Art von Wüstensand erforscht. Inspiriert von den umgebungstypischen Wanderdünen, haben die Designer ein neues Material mit dem Namen „Ramel“ entwickelt, das die Eigenschaften von Wüstensand in ein formbares Medium verwandelt. The Foundry hat daraus Kaffeebecher kreiert, die die traditionelle Kaffeegeschichte der Region aufgreifen und dem allgegenwärtigen Sand eine neue Rolle zuweisen.

In den Sand gesetzt

Allgegenwärtig ist Sand auch in unserer Sprache. Was im Sande verläuft, wird nichts Konkretes mehr. Wer den Kopf in den Sand steckt, verschließt sich vor der (empfundenen) Realität. Was es wie Sand am Meer gibt, kann nichts Exklusives sein. Positiv aufgeladene Redewendungen sind selten, was überrascht, da Sand als Naturmaterial – und Farbe – häufig als harmonisch, einladend und beruhigend empfunden wird.

Gigantische Bilder am Strand Harmonische Strukturen finden sich auch in den Strandkunstwerken von Andres Amador. Der in San Francisco lebende Künstler harkt bei Ebbe geometrische, manchmal mehr als ein Fußballfeld umspannende Muster in den Sand. Seine Kunstwerke hat Andres Amador bereits an Stränden

SANDBEIGE
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in der ganzen Welt kreiert, hauptsächlich entstehen seine „playa paintings“ aber im Norden Kaliforniens. Er genießt es, Menschen mit ihnen zu begeistern und an den Wert des Augenblicks zu erinnern. Denn nach etwa zwei Stunden Arbeit kommt unwiderruflich die Flut und löscht seine Bilder wieder aus. Für ihn ein konstantes Memento, die Gegenwart zu schätzen, während sie geschieht. Die Planung für seine „Gemälde“ ist komplex, die Ausführung letztendlich jedoch minimalistisch: Seil, Harke und sich selbst, mehr braucht Amador nicht.

Winziges Leben zwischen den Körnern

Die riesigen Kunstwerke könnten größentechnisch nicht im stärkeren Gegensatz zu den Lebewesen stehen, die den Sand derweil bevölkern. Denn in den Lücken zwischen den Körnern wohnen tat-

sächlich Tausende Arten mikroskopisch kleiner, teils bizarrer Lebensformen – die Sandlückenfauna. Wer hier lebt, ist widerstandsfähig. Denn extreme Temperaturschwankungen und Wechsel zwischen Nässe und Trockenheit sind völlig normal. Bärtierchen, Plattwürmer und viele andere Bewohner haben sich daran angepasst. So winzig sie sind, ihre Bedeutung für das Ökosystem ist enorm. Ohne ihre Fressleistung würden Strände an organischem Material „ersticken“.

Gnomenhaft und monumental – Industrie und Kunst – Zeit und Raum – Sand vereint Gegensätze. Er beeinflusst große Teile des Lebens, oft völlig unbemerkt. Und manchmal eben doch ganz bewusst als realer, aber auch mentaler Rückzugsort. In diesem Sinne: schöne Fünf-Minuten-Auszeit am Gedanken-Strand – mit oder ohne Sanduhr.

FOTO Andres Amador
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Neue Ordnung alter Steine

MEHR ALS FARBE
FOTOS
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Guido Erbring, Köln

Generell gilt es, denkmalgeschützte Gebäude zu erhalten. Doch wenn die Bausubstanz zu schlecht ist, führt bedauerlicherweise manchmal kein Weg an einem Abriss vorbei. So auch bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier. Bei der entsprechenden Sanierung hat das verantwortliche Architekturbüro Heinrich Lessing Architekten jedoch ein Höchstmaß an Fingerspitzengefühl bewiesen. Mit der Integration eines Erweiterungsbaus in die bestehende Gebäudestruktur gelingt den Architekten eine harmonische Verbindung von Historie und Moderne, getragen von einer Sensibilität, die nicht nur dem Gebäude-Ensemble, sondern auch der gesamten Thematik mehr als gerecht wird.

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„Wir verwenden viel Zeit darauf, Farbstudien zu machen, Varianten zu untersuchen, eine Auswahl zu treffen.“
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STEFAN PAULUS, ARCHITEKT

Großes für die Kleinsten

Ausgangspunkt des Projekts war die Erweiterung der Kinder- und Jugendpsychiatrie um zehn Betten, mehrere Therapie- und Untersuchungsräume sowie um eine Tagesschule. Der historische Bau von 1780 war für diese neue Nutzung jedoch hinsichtlich seiner Gebäudestruktur und -substanz nicht mehr verwendbar und ein Abriss somit leider unumgänglich. Dennoch haben die Architekten eine Möglichkeit gefunden, Aspekte in den Vordergrund zu stellen, die den Ort schon seit 250 Jahren geprägt haben. Dazu haben sie unter Verwendung der bestehenden Fensterfassungen aus Sandstein ein sehr authentisches Fassadenkonzept ausgearbeitet. „Das Ergebnis entwickelt eine besondere Kraft aus dem historischen Material der Natursteingewände und den damit wiederhergestellten Proportionen des Ursprungsbaus“, so Stefan Paulus als verantwortlicher Architekt. Diesem Resultat gingen jedoch komplexe Schritte voraus, wie der Architekt weiter ausführt: „Es galt vor allen Dingen zu klären, ob und wie die bestehenden Gewände ausgebaut und saniert und wie sie anschließend unter ganz neuen konstruktiven Voraussetzungen wieder eingebaut werden können.“

Interaktion in jeder Hinsicht

Dass eine solche Arbeit eine enge Zusammenarbeit und eine Kommunikation auf Augenhöhe erfordert, da sind sich alle Beteiligten einig – vom Architekturbüro über den Steinmetzbetrieb bis hin zum Malermeister. „Die Menschlichkeit ist das Ausschlaggebende“, sagt in diesem Zusammenhang auch Peter Michael Dahm, Seniorchef des zuständigen Malerbetriebs. Gerade ein Gebäude für psychische Erkrankungen bringt komplexe Anforderungen mit sich, die eine kompetente Strukturierung und ein hohes

„Das ist für mich der Schlüssel zum Erfolg: sich auf Augenhöhe begegnen!“

Maß an Sensibilität erfordern. Vor allem das Erschließungssystem bedarf neben den Individualräumen einer intensiven Betrachtung. In diesem Fall übernimmt es gleich mehrere Aufgaben: die Wegeführung, Raum als Begegnungsfläche und Möglichkeiten für einen persönlichen Rückzug. Dabei spielen die Belichtung und die Materialität eine entscheidende Rolle – bestenfalls verkörpern sie stets Natürlichkeit, Offenheit und Freundlichkeit sowie zugleich eine gewisse Wärme, Ruhe und Privatheit.

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Eine stimmige Tonart

Unter Einhaltung des Denkmalschutzes war es nicht ganz einfach, alle diese Anforderungen miteinander zu vereinbaren. Umso beeindruckender, wie den beiden Architekten Heinrich Lessing und Stefan Paulus gemeinsam ein sehr harmonisches und in sich stimmiges Erscheinungsbild gelungen ist. Dazu haben sie für die Nordfassade des Erweiterungsbaus einen hellen Filzputz verwendet, der perfekt in das Farbspektrum des denkmalgeschützten Straßenzugs passt. Für die rückwärtigen Fassadenflächen fiel die Wahl hingegen auf einen Edelputz mit Kratzputz-Struktur in einem ähnlichen Farbton. „Die Farbwahl kam aus der farblichen Prägung der benachbarten Gebäude in der Krahnenstraße – das Ensemble war für uns hier das Leitmotiv“, erklärt Stefan Paulus.

„Der Weg bis zum Einbau war keine Selbstverständlichkeit.“
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HEINRICH LESSING, ARCHITEKT

Für Schutz und Genesung

Eine Harmonie der Zusammenstellung formt neben der Ausführung der Fassaden auch die städtebauliche Setzung des neuen Gebäudes. So bildet der rückwärtige Bau in Kombination mit dem Bestand einen geschützten Innenhof. Ein zusätzlicher, noch privaterer Bereich entstand durch das Abrücken des hinzugefügten Baukörpers von der östlichen Grundstücksgrenze. Dadurch konnte hier ein zweiter, der Öffentlichkeit nicht zugänglicher Hof entstehen, der ganz den Kindern und Jugendlichen als Ruhegarten zur Genesung vorbehalten ist. Auf diese Weise ist eine ganzheitlich überzeugende Architektur entstanden, die moderne Rehabilitation und historische Baugeschichte eindrucksvoll in sich vereint.

OBJEKT | STANDORT Kinder- und Jugendpsychiatrie, Trier

BAUHERR | NUTZER

Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen, Trier

ARCHITEKT

Heinrich Lessing Architekten, Mainz

TECHNISCHER BERATER Borris Gönner, Brillux Wiesbaden

VERKAUFSBERATER Dennis Berg, Brillux Trier

AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Peter Michael Dahm, Bernkastel-Kues

BRILLUX PRODUKTE

Mineral-Leichtputz KR/R

BaseTec 3540

MW Top Lamelle 3611

Ultrasil HP 1901

Perimeter-Dämmplatte 3537

Glasseidengewebe 3797

„Architektur braucht einen langen Atem.“
STEFAN PAULUS, ARCHITEKT
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Zeit und Raum

verschwimmen – verschmelzen – verzahnen

Die Weiterentwicklung rund um die Künstliche Intelligenz macht laufend Fortschritte. So auch in der Architektur und Kunst: Erst kürzlich hat der amerikanische Künstler Jason Allen mit dem auf Algorithmen basierenden Programm „Midjourney“ einen Kunstwettbewerb gewonnen. Das Programm arbeitet mit einer Grundidee, die durch Worte, Eingabeaufforderungen und Bilder verfeinert und spezifiziert wird. Die KI generiert auf dieser Basis Bilder, die in ihren Variationen hochskaliert werden. Hierbei handelt es sich um einen fortwährenden Prozess. Auch Architekturgestalter Qasim Iqbal benutzt Midjourney als Text-Bild-Generator für konzeptionelle Gedanken und Ideen. Der in England lebende Gestalter ist von der Einfachheit der Software fasziniert und kann sich vorstellen, sie vielleicht auch künftig für reale Projekte zu verwenden. Allerdings ist es ihm wichtig, dass die KI nicht zu seiner treibenden Kraft in der Kreativität wird. Wir haben mit Qasim Iqbal über seine eindrucksvolle Projektreihe gesprochen, die auf barocker Architektur mit Seidenaspekten basiert.

Was war für Sie der Anreiz für das Projekt?

Einzig und allein meine Leidenschaft für Architektur aus der Renaissance und dem Barock. Die Idee war zu experimentieren, wie diese Stile in die technologische Welt von heute integriert werden können. So möchte ich hinter die Oberfläche der Architektur blicken und versuchen, sie auf einer tieferen Ebene zu verstehen.

Warum gerade die Architektur aus der Zeit der Renaissance und des Barocks?

Die barocke Architektur hat, wie Heinrich Wolfflin erklärt, malerische Züge, das heißt, sie hat eine dynamische Komposition, ein Fließen, ein Verschwimmen der Flächen, eine allgemeine Einheit. Mein Verständnis und das Studium des Barocks erlaubten mir, ihn als idealen Stil für die Verschmelzung mit dem Seidenmaterial zu wählen, da seine Merkmale bzw. Eigenschaften mit den Qualitäten eines seidenen Stoffes austauschbar sind. Stoff ist dynamisch, flexibel und nicht auf eine Ebene beschränkt. Jede Faser opfert ihre Unabhängigkeit im Austausch für das größere Ganze.

Nach welchen Kriterien wählen Sie dabei Ihre Motive aus?

Meine Kriterien haben sich im Laufe der Zeit verändert. Seit dem Beginn meiner Arbeit mit „Midjourney“ sind meine Ansprüche an Motiv- und Bildqualität gestiegen, sodass ich sie sehr viel kritischer betrachte. In dieser Serie suche ich nach Motiven, in denen sich Stein und Seide miteinander verschmelzen lassen. Auf diese Weise werden die Betrachter ermutigt, das, was sie sehen, zu hinterfragen.

Ihre Kreationen sind sehr detailliert. Haben Sie vorab eine Vorstellung, wie das Ergebnis aussehen soll, oder entstehen die Ideen im Laufe des Prozesses?

Wenn ich beginne, habe ich ein Bild im Kopf. Ich will, dass Menschen beim Betrachten des Bildes charakteristische Elemente der Renaissance- und Barockarchitektur wie Bögen, Säulen, rhythmische Erker usw. erkennen. Aber wie bei allen Midjourney-Bildern (und den meisten KI-Bildgeneratoren) erhält man nie genau das, was man sich vorgestellt hat. Dies ist Teil des Austauschs zwischen dem menschlichen Geist und dem KI-System. Der beste Weg ist, Ideen zu haben, aber flexibel zu bleiben.

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FOTOS Mohammad Qasim Iqbal
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Was genau fasziniert Sie an der Kombination Stein und Seide?

Es ist eine Kombination aus einem Material, mit dem ich sehr vertraut bin (Stein), und einem Material, das mich fasziniert (Seide), über das ich aber nur sehr wenig wusste. Mein Verständnis von Seide entsprach dem der meisten Menschen, aber durch die Arbeit erkannte ich zusätzliche Qualitäten durch die Brille eines Architekten. Die Faszination kam, als ich über die Tektonik dieser beiden Materialien innerhalb der Architektur nachdachte. Ich sah die interessante Gegenüberstellung zwischen den bekannten starren und harten Eigenschaften von Stein und den flexiblen und fließenden Fähigkeiten von Seide. Im Grunde verstärke ich die Qualitäten der Künstler und Architekten des Barocks und versuche, ihnen eine zeitgenössische Wendung zu geben.

Stein und Seide sind von der Materialität sehr unterschiedlich. Was sind Ihrer Meinung nach die Gemeinsamkeiten?

Durch meine Bilder versuche ich aufzuheben, was man über die Materialien im Kopf hat. Denn was man von Stein und Seide erwartet, trifft in dem durch diese Bilder geschaffenen Raum nicht mehr zu. Das bietet dem Betrachter eine andere Lesart der Materialien und der Architektur (wenn auch nur digital) und erlaubt ihm, zu träumen und den Status quo infrage zu stellen. Wenn wir unsere Disziplin nicht vorantreiben, kann sie sich im Laufe der Zeit nur verschlechtern. Deshalb muss man Fragen stellen. Ich denke, es gibt eine

Gemeinsamkeit zwischen dem barocken Stein und der Seide, aber nicht zwischen ihrer Verwendung. Für Bernini war der Stein nicht auf typische Eigenschaften beschränkt. Er wurde zu Stoff, Haut und Haar – es gab keine Grenze, die er nicht infrage gestellt hätte, wenn es um seine Skulpturen ging. Dieses Hinterfragen, die dynamische Bewegung, die dem Stein so gegeben wird, verleiht ihm Ähnlichkeiten mit Seide.

Macht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz

Ihrer Meinung nach die Architektur besser oder ist es nur eine Art der Neuinterpretation?

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sollte als reines Werkzeug für Architekten gesehen werden. Für mich produziert die KI Bilder, die nur Bilder sind, aber keine tiefere oder weitere Bedeutung haben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich sagen kann, dass Architektur durch KI besser oder schlechter wird, denn wie bei den meisten Dingen gibt es Vor- und Nachteile. In diesem Fall ist der Vorteil, dass eine Vielzahl von Ideen schnell generiert und veröffentlicht werden kann. Damit scheint es ein ideales Werkzeug für den Beginn eines Projekts zu sein, bei dem wir versuchen, Konzepte und Ideen zu erkunden – ähnlich einem Moodboard. Der Nachteil ist, dass die KI missbraucht und ausgenutzt und zu einer Art „Krücke“ in der Designarbeit gemacht werden kann. Das führt zu einer Minderung der Arbeitsqualität von Denker/-innen und Designer/-innen. Aber richtig und angemessen eingesetzt, kann KI helfen, Bereiche und Ideen zu erschließen, die man ansonsten vielleicht nie ausgelotet hätte.

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Prof. em. Dr. Karl Schawelka, ehemaliger Professor für das Fachgebiet „Geschichte und Theorie der Kunst“ der Fakultät Gestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar, widmet sich in der Rubrik „Farbbetrachtungen“ der divergierenden Farbgestaltung.

Mithilfe architektonischer Beispiele aus der Zeit des Historismus und der Hochzeit des Bauhauses verdeutlicht er dabei die Beziehung von Farbgestaltungen und den psychischen Bedürfnissen des Menschen.

Höhle und Bühne

Zwei Innenraumtypen wie Tag und Nacht

Stellen Sie sich vor, Sie suchen Schutz, vor der Kälte und dem Regen, vor wilden Tieren oder Menschen, die Ihnen nicht wohlgesonnen sind.

Sie mögen sich nicht länger den Blicken anderer aussetzen, wollen Ihre Angst verlieren, sich unbedroht fühlen, Stress abbauen oder zu sich

selbst finden. Wie sollte der Raum aussehen, der Sicherheit suggeriert und als Refugium dienen kann? Welche Farben und welchen Charakter sollte er aufweisen?

Während des Historismus wurde die eigene Wohnung, wenn möglich, als ein Hort des Sicherheitsbedürfnisses gestaltet, getreu dem Motto: „My home is my castle.“ Draußen herrschten die Wolfsgesetze des Kapitalismus. Dort musste man kämpfen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern und den eigenen Status zu behaupten. Mit den Worten Schillers gesagt: „Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben.“ Der private Raum der Wohnung war dagegen weiblich konnotiert. Im trauten Heim traf der vom Daseinskampf ermattete Mann auf seine liebende Gattin und die wohlerzogenen Kinder. Dort konnte er sich zur Entspannung den Musen widmen. Damit habe ich zwar ein recht überholtes Rollenbild beschrieben, aber es geht ja um vergangene Zeiten. Selbst Matisse meinte noch, dass seine Bilder den müden Geschäftsmann nach Feierabend so erquicken würden wie ein guter Lehnstuhl.

Wir müssen uns nicht lange den Kopf zerbrechen, wie solche Räume, die Schutz und Sicherheit verheißen, auszusehen haben. Wir können stattdessen historische Wohnbereiche und Örtlichkeiten vom hortus conclusus (der umfriedete Garten der Mariensymbolik) über die Kemenaten der Burganlagen und die Studiolos der Renaissance bis hin zu den

Interieurs des Historismus und Jugendstils studieren. Dabei sollten Farbfragen möglichst empirisch betrachtet und geschaut werden, wie Menschen zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Kulturen Lösungen für Probleme gefunden haben, die uns bis heute beschäftigen.

Der Raum als sicherer Schutz

Aber zurück zu den Refugien. Es herrschten, wie in diesem Bild von Rudolf Ritter von Alt aus dem Jahre 1881, welches das Büro des Grafen Lanckoronski wiedergibt (Abb. 1), eher warme, rötliche und bräunliche Farben vor, die den Raum enger und nahsichtiger machen. Die Außenwelt ist dabei weitgehend ausgeschlossen. Fenster werden mit vielen Schichten von Vorhängen verdeckt und es herrscht eine stimmungsvolle Dunkelheit. Die vier Wände sind farblich ähnlich gestaltet, sodass sie einen einheitlichen Raum suggerieren. Ihre Buntheit ist gedämpft, ausgewogen und vereinheitlicht. Was ihren Hell­Dunkel­Wert betrifft, bewegen sie sich auf einer mittleren Ebene. Die Objektgrenzen verschwimmen, die Kontraste sind gering und eine Fülle kleiner Glanzlichter erschwert die Wahrnehmung des Gesamtraums. Auffällig ist, dass diejenige Farbe fast völlig fehlt, die an den Wänden unserer heutigen Räume dominiert, nämlich das Weiß.

Es kommt hier, wie auch sonst, nicht so sehr auf die genaue Bestimmung einer Farbnuance an, sondern darauf, was die Farbe in der gegebenen Situation tut. Weiß würde zu sehr das grelle Tageslicht evozieren. Würde man sich sicher fühlen? Die Wände sollten stabil erscheinen und eine gewisse Undurchdringlichkeit und Stärke ausstrahlen. So überwiegen „warme“ Materialien wie Holz oder gewebte Stoffe. Die Formen greifen einander auf und wiederholen sich. Selbst die Geräusche werden durch das Übermaß an Stoffen, Teppichen etc., die die kahlen Oberflächen überziehen, gedämpft. Der Raum sollte auch nicht zu groß sein. Vielmehr wird ein Kokon, eine schützende Umhüllung gewünscht.

FOKUS
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Höhlen: Das Urbild eines schützenden Raums mit stabilen, „warmen“ Materialien und Farben, in den man sich zur Erholung und Genesung zurückzieht.

Abb. 2: Boiserie aus dem Hôtel de Varengeville (Wikipedia)
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Abb. 1: Rudolf Ritter von Alt, Palais Lanckoronski, 1881 (Wikipedia)

Das Urbild eines schützenden Raums ist offenbar die Höhle, in die man sich zur Erholung und Genesung verkriecht. Die Tendenz, sich bei Schwierigkeiten und Verletzungen in einem für Feinde unzugänglichen Bau zu verstecken, teilt der Mensch mit sehr vielen Tieren.

Verhältnis von Mensch und Raum

In den Wohnungen des Historismus (und darüber hinaus) gibt es häufig einen Kamin, was in nördlichen Breiten wohlige Wärme suggeriert, sowie sinnliche Texturen, die zur Berührung einladen, und vielerlei kleinteilige Muster und Objekte. Die Sitzgelegenheiten bestehen aus bequemen Sofas und Sesseln. Man kann sich entspannen, sich sammeln, ein gutes Buch lesen oder die Kunstwerke an den Wänden betrachten, die im Idealfall von Künstler/-innen stammen, mit denen man persönlich bekannt ist – genauso, wie man eigentlich mit allen Objekten des Raums vertraut ist. Erst hier können die empfindsamen Bewohnenden sich ihres Besitzes erfreuen. Anscheinend soll von der Wohnumgebung eine therapeutische Wirkung ausgehen. Es scheint, dass wir unseren Einrichtungsstil häufig als Kompensation für erlebte Traumata nutzen. An dieser Stelle muss auch der Aspekt der Dimensionierung erwähnt werden. So gibt es auch höhlenartige Räume in sehr großen Dimensionen, die einen ebenfalls allseits umgeben und in die man eintauchen soll, wobei man sich dann allerdings klein fühlt. Man denke etwa an die Hagia Sophia in Istanbul. Auch dort herrscht vorrangig Dunkelheit und es gibt keine visuelle Verbindung zur Außenwelt. Selbst in diesem Fall fühlt man sich geborgen, wenn auch nicht so sehr als Individuum denn als Glied einer Gemeinschaft.

Öffnung zur Außenwelt

Geht man im Gegensatz zum Erläuterten davon aus, dass es einem irgendwann in der Schutz bietenden Geschlossenheit der Höhle zu viel wird, entsteht eine andere Situation. Die schützende Höhle fühlt sich dann wie ein Bunker oder ein Gefängnis an, sodass sich sogar Gefühle von Klaustrophobie einstellen mögen. Welche Räumlichkeiten würde man dann vorziehen? Wie sollten diese gestaltet sein und welche Farbgebung würde man wählen? Und was sollte die Farbe in diesem Fall leisten? Wenn für ein Gefühl von Schutz die Farbe vereinheitlichen soll, uns umhüllen und die Raumwahrnehmung auflösen soll, so kann man annehmen, dass sie im gegensätzlichen Fall gliedern, trennen und aufbrechen soll. Damit wären stärkere Stimuli, das heißt entschiedenere und stärkere Farbkontraste erwünscht. Ein oder mehrere Durchlässe, großzügige Fenster, die den Blick nach außen erlauben, Frischluft und pralles Sonnenlicht sind dann mehr als nur willkommen. Auch hier können wir uns auf historische Beispiele beziehen. Bereits der Jugendstil bringt gegenüber dem Historismus eine gewisse Öffnung mit sich. Als uns näherliegende Beispiele einer Wohnumgebung, die sich um Öffnung zur Außenwelt bemüht, können wir das Meisterhaus für Kandinsky und Klee in Dessau aus dem Jahre

1925, aber auch Le Corbusiers Doppelhaus in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart oder das Schröder-Rietveld-Haus in Utrecht heranziehen. Die starkfarbigen Wände zerstören in diesen Beispielen den einheitlichen Raumeindruck. Er wird auch dadurch unterlaufen, dass dreidimensionale Elemente wie Pfosten, Träger oder Treppenstufen unterschiedlich helle Seiten aufweisen, die der Beleuchtungssituation entgegenwirken. Statt Abschirmung herrscht größtmögliche Transparenz und die Außenwelt wird, wie auch ein von Moholy-Nagy gestaltetes Titelblatt von 1931 zeigt, über riesige Fenster hereingeholt. Beim Aufbrechen der Höhle (oder Schachtel, wie Frank Lloyd Wright es nennt) sind demnach starke Stimuli, Kontraste und Brüche willkommen. Die kahlen, nackten Wände müssen nicht mehr verkleidet werden. Materialien wie Glas und Metall strahlen Kühle aus. Entsprechend herrschen bläuliche, grünliche und vor allem helle Farben vor, was die Räume optisch weiter werden lässt und einen Außenbereich suggeriert. Häufig werden sie auch transparent aufgetragen oder als starke Signale großflächig auf gegeneinander abgesetzte Flächen verteilt. Das erzeugt wiederum Dynamik. Statt Stabilität und Festigkeit wird so Leichtigkeit, Beweglichkeit und Offenheit angestrebt. Die weitgehend leeren Räume gehen dann fließend ineinander über, wie es insbesondere der Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe zelebriert.

Räumliche Orientierung

Die beschriebene Phase der Mitte der 1920er-Jahre, bei der einzelne Wände durch starke Farbakzente den einheitlichen Raumeindruck aufbrechen, erlebt in der heutigen Zeit eine Renaissance, jedoch mit einer anderen Intention. Einzelne Wände sowie die Decke in unterschiedlichen Farben zu gestalten wurde in den 1930er-Jahren des letzten Jahrhunderts meist zugunsten einer gleichförmigen Bemalung mit Weiß aufgegeben. Damit wird die Erzeugung der Farbstimmung der beweglichen Ausstattung überlassen. Nur die Böden stechen ab. Da tagsüber die Lichtstärke unter freiem Himmel um ein Vielfaches stärker ist als in Innenräumen, suggeriert eine weiße Wandfarbe den Außenbereich und lässt die Räume größer erscheinen. Da zwischen Licht- und Schattenzonen sehr viele Abstufungen unterschieden werden können, erleichtern selbst weiße Oberflächen die räumliche Orientierung. Das Urbild dieser Art von Räumen kann dem halböffentlichen Bereich, der Galerie in der Schlösserarchitektur, der Lobby oder sogar dem öffentlichen Raum, der Straße oder dem Platz zugeschrieben werden – Orten, an denen helles Tageslicht herrscht und man sich mehr oder weniger frei bewegen kann. Man befindet sich gleichsam auch auf einer Art Bühne, sichtbar für alle anderen.

Höhle versus Bühne

Wenn wir idealtypisch die unterschiedlichen psychischen Bedürfnisse nach Schutz einerseits oder aktiven Handlungsmöglichkeiten andererseits einander gegenüberstellen, wie sie die Höhle und der halboffene bühnenartige Raum mit

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Bühnen:

Das Urbild halböffentlicher Bereiche, des öffentlichen Raums sowie von Galerien und Lobbys, in denen helles Tageslicht herrscht und man sich frei und sichtbar für andere bewegt.

Galerie des Spiegelsaals, Schloss Versailles Galerie innerhalb einer modernen Museumsarchitektur FOTOS Adobe Stock_Gean Cartier (oben)
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Adobe Stock_Pavel Losevsky (unten)

diversen Öffnungen nach außen verkörpern, so wird klar, dass jeder Mensch je nach Tageszeit, individueller Befindlichkeit oder Aufgabenstellung andere Räumlichkeiten bevorzugen dürfte. Wer genug Platz hat, kann für unterschiedliche Bedürfnisse Räume unterschiedlich gestalten. Wem dies nicht möglich ist, der versucht wahrscheinlich innerhalb eines Zimmers verschiedene Zonen zu differenzieren oder den Raum nach seiner wichtigsten Funktion hin auszurichten.

Kriterium: Tag-und-Nacht-Rhythmus

Man kann die beiden hier vorgestellten Raumtypen nach der Polarität von privat und öffentlich oder auch nach passiv und aktiv sortieren. Sinnvoll erscheint auch eine Ordnung nach Tageszeiten, da dies die biologisch fundamentalere Kategorie ist. Die Erkenntnis, dass es im Auge neben Zapfen und Stäbchen auch spezielle fotosensitive Ganglienzellen gibt, die auf einfallendes Licht reagieren, ist relativ neu. Deren genaue Wirkungsweise wurde erst vor etwa 15 Jahren erkannt. Diese Ganglienzellen spielen eine große Rolle bei der Regulierung des Tag-und-Nacht-Rhythmus. Sie steuern über die Zirbeldrüse die Ausschüttung des Hormons Melatonin. Dieses wird bei Dunkelheit gebildet und sorgt für Schläfrigkeit. Umgekehrt wird, wenn die erwähnten Ganglienzellen helles Tageslicht empfangen, die Produktion von Melatonin unterbunden. Dies bewirkt eine Reihe anderer Veränderungen im Gehirn, in deren Folge sich der Mensch wach fühlt. Aus diesem Grund hat man inzwischen bei Bildschirmen weitgehend darauf verzichtet, sie während der Nachtzeit mit tiefblauem Hintergrund zu versehen, wie es zeitweise beliebt war. Damit soll verhindert werden, dass, wer abends am Bildschirm sitzt, nicht noch zusätzlich am Schlafen gehindert wird, weil durch das blaue Licht kein Melatonin produziert wird. Viel eher wird geraten, Blaulicht aus den bestehenden Bildschirmen herauszufiltern (Inwieweit der digitale Raum, in dem der Mensch zunehmend mehr Zeit verbringt, mit der inneren Uhr übereinstimmt, wäre eine eigene Untersuchung wert.).

Einfluss auf die Wahrnehmung

Es dürfte einleuchten, dass man die Höhle vorzugsweise am Abend aufsucht, wenn die Melatoninproduktion in Gang kommt und man sich so die nötige Bettschwere verschafft. Was die Raumbeleuchtung betrifft, regeln wir dann das Licht herunter und bevorzugen eine eher langwellige, gelblich-rötliche Lichtquelle. Im Halbdunkel kommt es zum sogenannten „mesopischen“ Sehen, bei dem die Stäbchen (die bei geringer Helligkeit noch ein Sehen erlauben) bereits den Farbeindruck mitbestimmen und auch die Sehschärfe vermindert wird. Da die Stäbchen ihre maximale Empfindlichkeit eher im blau­grünen (statt wie die für das Farbensehen entscheidenden Zapfen im gelb-grünen) Bereich haben, kommt es zum Purkinje­Effekt, das heißt, blaue Farben wirken im Dämmerungslicht heller und rote entsprechend dunkler.

Es gibt eine Reihe körperlicher Vorgänge, die mit der Ausschüttung von Melatonin verbunden sind, wie die Stärkung des parasympathischen Nervensystems sowie eine Erholung des Immunsystems. Umgekehrt fühlen wir uns tagsüber, wenn durch die Aktivierung der entsprechenden fotosensitiven Ganglienzellen durch helles, eher blaustichiges Tageslicht die Produktion von Melatonin unterbunden ist, wach, aktiv, beweglich, fokussiert und erreichen die Höhe unserer Leistungsfähigkeit. Die Stimmung hebt sich, Dopamin wird ausgeschüttet, was für Motivation sorgt und uns anregt. Auch die Toleranz für Schmerz ist erhöht und es wird vermehrt Testosteron und Östrogen gebildet. Beim dabei gegebenen „photopischen“ Sehen erreicht die Sehschärfe ebenso ihr Maximum wie die der Raumwahrnehmung.

Die beiden skizzierten Modi unseres Körpers je nach Vorliegen oder Abwesenheit von Melatonin führt zu unterschiedlichen Bedürfnissen hinsichtlich unserer Umgebung. Sie lassen sich nicht nur im Wohnbereich, sondern auch bei anderen Bauaufgaben unterscheiden. So changiert etwa die Ausstellungs- und Museumsgestaltung zwischen der Einheitlichkeit und Geschlossenheit der sogenannten Period Rooms (Epochen- oder Stilräume), in die man möglichst als Einzelner eintauchen soll, um das Gebotene zu kontemplieren. Im Gegensatz dazu existiert auch der sogenannte White Cube (oder eine Aneinanderreihung solcher White Cubes). Die Period Rooms zeichnen sich durch einen einheitlichen Farbklang aus und veranlassen einen, sich in ihre geschlossene Welt einzustimmen (Abb. 2, Seite 29). Der offene Grundriss in Museen der 1980er-Jahre verleitet dagegen dazu, ständig von Raum zu Raum weiterzuwandern. Aber auch hier zeichnet sich inzwischen eine deutliche Veränderung ab. Man geht wieder dazu über, wie es in den älteren Museen des 19. Jahrhunderts der Fall war, die Wände farbig zu gestalten. Denn da auf einer weißen Wand sämtliche Farbwerte eines Exponats ins Dunkle verschoben werden, bildet sie keineswegs immer einen geeigneten Hintergrund.

Individuelle Unterschiede

Es geht nicht darum, die zwei Modi bzw. körperlichen Zustände gegeneinander auszuspielen. Beide haben ihre Vorzüge und Notwendigkeiten. Zudem gibt es individuelle Aspekte und Unterschiede, wie etwa das Alter, die beeinflussen, welchen mittleren Grundzustand der Mensch bevorzugt. Wichtig ist, dass eine Änderung der physischen Umgebung, wie sie durch helles Tageslicht oder stimmungsvolle Dunkelheit erreicht wird, die innere Befindlichkeit verändert. Auch umgekehrt wird der Mensch, je nach innerer Befindlichkeit und Aufgabenstellung, bestimmte physische Umgebungen bevorzugen. Dies gilt nicht nur für den Vergleich der Wachheit am Tag und am geruhsameren Abend sowie teilweise auch während des Jahreszeitenwechsels, sondern sogar während des eigentlichen Wachzustands. Selbst da wechseln sich aktivere und passivere Phasen ab.

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Eine ausdrucksstarke Bühne: Das Konzept für die Ausstellung „draw love build“ im Museumsquartier M9 in Mestre 2021 von dem Architekturbüro Sauerbruch Hutton aus Berlin basiert auf einer charakterstarken Kombination aus einem großen stützenfreien Ausstellungsraum mit weißer Decke und Holzboden sowie einer Farbgestaltung, bei der jede Wand eine unterschiedlich kräftige Farbe erhält.

FOTOS
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Jan Bitter

Ein kreatives Grün

MEHR ALS FARBE
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Unmittelbar am zentral gelegenen Stadtpark von Waldmünchen nimmt der Kindergarten „Haus der kleinen Wunder“ seine angrenzende Umgebung sowohl innerhalb seiner Gestaltung als auch im Rahmen seiner pädagogischen Konzeption auf. Auf diese Weise soll eine natürliche und ungezwungene Umgebung zur individuellen Entwicklung der Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren geschaffen werden. Die Farbe Grün fungiert dabei eindrucksvoll eigenständig sowie als ein Teil des Ganzen.

„ Das zugehörige Element der Farbe Grün ist Holz (Natur) – seine Wirkung ist entspannend und erholend für den ganzen Körper.“

Die Natur zu erleben ist für Kinder besonders wichtig und besonders wertvoll. Davon sind auch die Architekt/-innen von Aumann + Bauernfeind Architekten überzeugt und haben mit dem neuen Kinderhaus einen Ort geschaffen, an dem die Natürlichkeit im Fokus steht.

So bieten nun im Süden Deutschlands, kurz vor der tschechischen Grenze, zwei Stammgruppen und eine Krippengruppe Platz für über 60 Kinder innerhalb eines teiloffenen Erziehungskonzepts. Das neue Kinderhaus musste dabei an das bestehende Schulgebäude angeschlossen und eine Kindergartengruppe, die bereits im Schulgebäude verortet war, integriert werden. Eine Herausforderung, denn so galt es sowohl im Inneren als auch im Äußeren mithilfe eines einheitlichen Erscheinungsbilds zugleich Zugehörigkeit und Eigenständigkeit zu vermitteln.

ELISABETH AUMANN-BIERL
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Entspannend bis belebend

Der eigentliche Bauplatz befand sich im unmittelbaren Anschluss an die Schule, lag jedoch teilweise auch im bestehenden Stadtpark. „Eine Besonderheit, die man so nicht häufig vorfindet“, erklärt Architektin Elisabeth Aumann­Bierl. „Schattenspendende Bäume, Natur pur – das wollten wir mithilfe der Material- und Farbkombination widerspiegeln und ins Innere holen.“ Das Ergebnis zeigt sich in einem langgestreckten, zweigeschossigen Baukörper, der von einem großen Anteil an Holz, viel Lichteinfall und neben erdverbundenen, braunen Tönen von einem grünen Farbspektrum dominiert wird.

„Für Grün haben wir uns entschieden, weil mit der Farbe Frische und Offenheit, Natur und Entspannung sowie Kreativität und Harmonie assoziiert wird. Natürlich besteht auch bei Grün die Gefahr, sich im Farbton zu vergreifen, weswegen sehr behutsam mit dem Farbspektrum umgegangen werden musste“, so Elisabeth Aumann-Bierl.

Ein besonderer Hain an natürlichen Details

Ein weitläufiger Foyerbereich ist der zentrale Teil innerhalb der Kubatur sowie des offenen Konzepts und kann durch seine Größe und Helligkeit zudem als bespielbare Fläche genutzt werden. Von hier aus wird der Blick durch große Glaselemente in den Garten und damit in den Park und die Natur geleitet. Auch die Gruppenräume sind – wie alle Haupträume – zum Garten hin ausgerichtet. Die breite, schlichte Treppe verbindet beide Etagen und lenkt den Blick auf eine außergewöhnliche Holzbrücke im Obergeschoss. Ihre Form inklusive ihrer Spannweite von 10 m erinnert an eine Hängebrücke innerhalb einer natürlichen Umwelt oder eines Märchenwalds. Gesäumt wird die Konstruktion dabei von überdimensionalen MikadoStäben, die vom Erdgeschoss nach oben ragen und dadurch in beiden Geschossen das gesamte Innere prägen. Als gestalterisches Mittel sollen sie die Bewegung, das Spiel und das kindliche Leben in der Einrichtung verdeutlichen. Wie die meisten anderen Gestaltungselemente bestehen auch sie aus Holz, wodurch das Material zusätzlich in den Mittelpunkt rückt.

Es kommt auf die Botschaft an, die wir mit der Architektur verbreiten wollen – die Farben sind jeweils unterstützendes Element.“

ELISABETH AUMANN-BIERL
FOTOS
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Sven Rahm, Königsbrunn

Mit der Natur wachsen und lernen

Den Architekt/-innen war es wichtig, durchgängig ein großes Maß an Natürlichkeit zu illustrieren. Daher wurden auch im kompletten Kinderhaus brauner Linoleum und braune Fliesen als Bodenbelag gewählt –angelehnt an einen erdigen Waldbodencharakter. „Lediglich der Mehrzweckraum, der gleichzeitig auch als Turnraum genutzt wird, hat einen grünen Belag erhalten, um dort eine gewisse Bewegungsfreude anzukurbeln“, führt Elisabeth Aumann-Bierl an. Diese natürliche Farb- und Materialwahl holt nicht nur die Natur in die Innenräume, sondern sorgt zugleich auch für einen fließenden Übergang zwischen innen und außen. Ähnlich wie innen wurde dabei auch die Außenanlage an die unterschiedlichen Altersgruppen und Bedürfnisse angepasst. So gibt es hier ebenfalls einzelne Bereiche jeweils für die Krippen- und Kindergartenkinder. Der Höhenunterschied wird dabei als Rutschenund Schlittenhügel genutzt. Die bestehenden Bäume, die zusätzlich zum groß angelegten Gartenvordach als Schattenspender fungieren, dienen dabei gleichzeitig auch als Markierungspunkte für eine ganz besondere, kleine Bobby-Car-Strecke. Von Schaukel und Sandkasten über ein Spielhaus bis zum natürlich angelegten Beeren­Pflück­ und Naschbereich – hier kommt jedes Kind und jedes Alter natürlich und wunderbar auf seine Kosten.

OBJEKT | STANDORT

Kindergarten „Haus der kleinen Wunder“, Waldmünchen

BAUHERRIN | NUTZERIN Stadt Waldmünchen

ARCHITEKT

Aumann + Bauernfeind Architekten GbR, Waldmünchen

TECHNISCHE BERATERIN

Kristina Binder, Brillux Regensburg

VERKAUFSBERATER

Simon Peter, Brillux Regensburg

AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Fachmarkt & Malerbetrieb

BRILLUX PRODUKTE

Superlux ELF 3000

Lacryl Tiefgrund 595

Topp 948

BRILLUX SCALA-FARBTON 03.03.03

(RAL 7016)

(RAL 6011)

Farben Schiller, Waldmünchen

03.15.01 72.06.30
84.09.21 84.09.27
87.09.27 87.12.18 99.00.42 37

Rotierende Kunstwerke

SANDSARA: eine kinetische Skulptur für unendlich viele faszinierende Kunstwerke

SANDBEIGE
FOTOS Hajime Yoshida, Japan
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Das Thema Unendlichkeit weckt im Menschen stets Interesse. Gerade der Aspekt, dass das Fehlen eines Endpunkts oder eines Ziels das Beschreiten des Weges selbst zum Ziel macht, gehört in den östlichen Kulturen zu den Grundlagen eines gelingenden Lebens. In Zeiten von Schnelllebigkeit und Leistungsdenken findet diese Denkweise auch in der westlichen Welt zunehmend Anklang. So hat der in Mexiko lebende Produktentwickler Ed Cano eine kinetische Skulptur geschaffen, die genau diese Sichtweise auf das Leben transportieren und dem Betrachter damit Ruhe und Gelassenheit schenken will.

Beeindruckende Transformation

Basierend auf dem im altindischen Sanskrit als „Samsara“ bezeichneten immerwährenden Kreislauf will das Team um Ed Cano den Zyklus des Lebens mit einem Kunstwerk, das aus einer sich im Sand bewegenden Kugel besteht, transportieren. In sandgefüllten Holzschalen entstehen dabei außergewöhnliche Mandalas, die sich auf beeindruckende Weise fortwährend neu bilden und sich so permanent überschreiben. Dies macht jede SANDSARA-Skulptur und jedes Kunstwerk einzigartig, da die ausgewählten Muster sowie ihre Abfolge ganz individuell zusammengestellt werden können.

„Alles, was früher geschehen ist, hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt stehen. Und jede Handlung, die wir heute tun, wird alles andere in der Zukunft beeinflussen. Alles ist in einem nie endenden Kreislauf verkettet.“ Ed Cano

Gerahmte Formation

Die massiven Rahmen aus Schwarznuss und Birke wirken zeitlos und edel und täuschen mit ihrer Dezenz beinahe über das komplexe Innenleben hinweg. Basierend auf einem leistungsstarken Mechanismus und der besonderen SCARA Roboter-Software ist hier eine inverse Kinematik integriert, die stromlinienförmige Kunstwerke über die gesamte Sandfläche hinweg bis zum Rand des Rahmens ermöglicht. Auf diese Weise kann die Gesamtgröße von SANDSARA so klein wie möglich gehalten werden, während sich die Sandmuster selbst über eine größtmögliche Fläche verteilen. Durch die nach innen geneigte 45-Grad-Fase des Holzrahmens verschmelzen Sand und Umrandung dabei förmlich zu einer in sich vollkommenen, faszinierenden Skulptur.

„Ich finde es nach wie vor erstaunlich, wie die Präzision der Mathematik zu wunderschönen Kreationen führen kann.“ Ed Cano

Optionen der Inspiration

Bei dieser Skulptur lässt sich durchaus von einem bewegten und zugleich bewegenden Kunstwerk sprechen. Häufig ist es in der Kunst so, dass sich unterschiedliche Menschen gleichsam von einem Werk angezogen und inspiriert fühlen, aber jeder Einzelne einen anderen Aspekt herauszieht, der das jeweilige Werk für die/den Betrachtenden zu etwas Besonderem macht. Bei SANDSARA fühlen sich alle Betrachtenden in irgendeiner Art angesprochen. Darüber hinaus bestehen Möglichkeiten, das Kunstwerk individuell weiter auszugestalten. So kann neben der persönlichen Wahl der Muster eine RGB-Beleuchtung unter dem Sandbett hinzugefügt werden. Das Licht wird dafür gleichmäßig über die gesamte Oberfläche verteilt, sodass das gesamte Sandbett aus Licht zu bestehen scheint. Die Rillen sehen dabei dunkler aus, während die Kugel eine Art Lichtspur in den Sand zieht. Mit einer zusätzlichen Glasscheibe auf dem Rahmen besteht zudem die Option, aus SANDSARA einen außergewöhnlichen Beistelltisch zu gestalten.

„SANDSARA ist nicht nur ein fesselndes Kunstwerk. Nachdem man einige Zeit damit verbracht hat, es zu betrachten, erscheint es wie etwas Größeres. Wie eine neue Art von Lebensform, die einzigartige und überraschende Muster schafft und sich ständig weiterentwickelt.“ Ed Cano

Bewegende Faszination

Was es letztendlich bei der Sandskulptur SANDSARA ist, das in diesem Maße fasziniert, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen: Vielleicht ist es die permanente Veränderung, vielleicht sind es die Mandala-Formen selbst, vielleicht die überraschenden und scheinbar von Zauberhand ausgeführten Bewegungen der Kugel. Vielleicht ist es aber auch einfach das Wissen, dass jedes Muster so einzigartig und zugleich aber doch auch so vergänglich ist.

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Historisch

MEHR ALS FARBE
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Das Kreuzviertel in Münster ist durch Altbauten im Jugendstil und aus der Gründerzeit geprägt. Das beliebte Wohnviertel wird von der Stadt sogar als Location für Film-Drehs angeboten. Für das einzigartige Flair sind natürlich die Fassaden von besonderer Bedeutung. Ein faszinierendes Beispiel für eine mit viel Detailbesonnenheit rekonstruierte historische Fassade zeigt ein Münsteraner Mehrfamilienhaus, das von dem Architekturbüro Danne Linnemannstöns aufwendig saniert wurde.

Die Renovierung des um die vorletzte Jahrhundertwende errichteten Kreuzviertelbaus dauerte anderthalb Jahre. Neben Herausforderungen, die Sanierungen historischer Gebäude dieser Art mit sich bringen, war bei diesem Projekt die Rekonstruktion der ursprünglichen Fassade eine besondere Aufgabe – gerade im Erdgeschoss. Die Ursache hierfür lag vor allem in früheren Sanierungsarbeiten. „Bei der letzten Sanierung wurde an der Fassade der gesamte Stuck entfernt und Klinkerriemchen angebracht“, erzählt Diana Danne, Architektin und Geschäftsleitung bei Danne Linnemannstöns. „Zudem wurde damals die Haustür verkleinert sowie Fenster umgestaltet und teilweise sogar komplett versetzt.“ Das ursprüngliche Erscheinungsbild wieder herzustellen erforderte daher einiges an Mühe und Know­how. „Dies war nur mit Stuckateuren machbar, die reichlich Erfahrung auf diesem Gebiet haben und sich mit historischen Fassaden gut auskennen“, so die Architektin.

Stuckornamente restaurieren

Das Ergebnis, das schlussendlich anhand eines alten Fotos und von Fassadenzeichnungen umgesetzt werden konnte, kann sich sehen lassen. Das einstige mit ziegelroten Riemchen verkleidete Erdgeschoss wurde auf diese Weise für das Haus zurückgewonnen, während neue, geteilte Fenster die vorhandenen Rundbögen harmonisch komplettieren. Durch die Verbindung von alten und neuen Strukturen erhalten Details wie Gesimse und Schmuckbänder zudem wieder mehr Raum zur Entfaltung und rücken innerhalb der Fassadengestaltung in den Fokus. Das war eine grundlegende Intention des Architekturbüros. „Einzelne Elemente, wie Blattwerk, Girlanden und Rosetten, sollten explizit hervorgehoben werden“, erläutert Diana Danne, „ebenso die senkrechten Erkerecken und horizontalen Gesimsbänder.“

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vor der Sanierung

„ Die unterschiedlichen Farben im Putz- und Ornamentbereich wurden nuanciert aufeinander abgestimmt, da sie nicht zu sehr voneinander abweichen sollten.“

Nuancierte Farbgestaltung für Details

Gerade die Gesimsbänder sollen der Fassade eine gewisse Zonierung verleihen. Gleiches betrifft auch die Farbgestaltung. So wurde mit Quaderputzflächen die Sockelzone von den Klinkerflächen in den Obergeschossen abgehoben und harmonisch an die Gestaltung der Nachbargebäude angepasst. Für die Klinkerflächen selbst wurde der ursprüngliche rote Klinkerton gewählt. Das verleiht der Fassade Plastizität, eine Ganzheitlichkeit und zugleich eine gewisse Eigenständigkeit neben den benachbarten Gebäuden. Dass bei der Sanierung Brillux Produkte zum Einsatz kamen, war für Danne Linnemannstöns gesetzt. „Wir arbeiten schon seit vielen Jahren mit Brillux Produkten und sind einfach von der Qualität überzeugt – sowohl im Außen- als auch im Innenbereich“, erklärt Bürogründerin Diana Danne. „Hinzu kommen die professionelle Produktberatung und der lokale Bezug.“

Neue Elemente für historische Anmutung

Neben der Fassade wurde parallel das gesamte Erdgeschoss saniert. Dabei konnten auch der ursprüngliche Holzboden und historische Fliesen wiederhergestellt werden. Außerdem wurden in allen Wohnungen – bis auf die Dachgeschosswohnung – die vorhandenen Fenster durch neue ersetzt, die jedoch gestalterisch der ehemaligen Aufteilung folgen. „Im rückwärtigen Bereich des Gebäudes wurde zudem die Balkonanlage erneuert und um eine Etage aufgestockt, sodass das Dachgeschoss nun auch einen Austritt auf den Balkon hat“, ergänzt Diana Danne. Die Sanierungsmaßnahmen unterstreichen nicht nur die historische Anmutung der Fassade, sondern vergrößern auch die Wohnqualität. Für den Straßenzug und die Bewohner im Kreuzviertel ist die besonnene Ausführung der Sanierung nach monatelanger, intensiver Abstimmung auf jeden Fall ein echter Gewinn.

DIANA DANNE FOTOS
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Roland Borgmann, Münster

OBJEKT | STANDORT

Historische Fassade Münster

BAUHERR | NUTZER

Privat, Familie Schuchert

ARCHITEKT

Danne Linnemannstöns

Partnerschaftsgesellschaft, Münster

TECHNISCHER BERATER

Marcel Färber, Brillux Münster

VERKAUFSBERATER

Wilfried Rüger, Brillux Münster

AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Malerbetriebe Hülsbusch, Münster

BRILLUX PRODUKTE

Fondosil 1903

Silikat Streichfüller 3639

Extrasil 1911

BRILLUX SCALA-FARBTON

03.03.03

03.03.12

12.03.12

21.15.24

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VERTI KALER URBAN ISMUS

FOTOS

Giverny Oasis, Limassol

Maison Edouard François

Vertical Forest, Dubai

Stefano Boeri Architetti

Kampung Admiralty, Singapur

Patrick Bingham-Hall (oben)

K. Kopter (unten)

1000 Trees, Shanghai

Qingyan Zhu

CapitaSpring, Singapur

Finbarr Fallon for BIG/CRA

FOKUS
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Die Facetten einer grünen Architektur

Autark, kompakt, flexibel und vielfältig in der Nutzung, aber in völlig neuen Dimensionen? Gestapeltes Wohnen und Arbeiten kombiniert mit maximaler Vegetation und wachsenden Biotopen verspricht ein neues Modell der vertikalen Stadt. Im asiatischen Raum ist dies längst Standard. Kann die Symbiose aus Architektur und Natur klimafreundlich neues Leben in die Städte bringen?

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FOTOS

Giverny Oasis, Limassol

Maison Edouard François

Vertical Forest, Dubai

Stefano Boeri Architetti

Vertikaler Urbanismus

Unsere Gebäude müssen sich verändern. Es ist der zweite Tag der 27. Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm asch-Schaich, als der italienische Architekt Stefano Boeri seinen neusten Coup vorstellt. In seinem Gastvortrag „Green Obsession. Trees Towards Cities, Humans Towards Forests“, den er am 6. November 2022 auf der Klimakonferenz hielt, sprach der italienische Architekt erstmals vor großem Publikum über seine Pläne eines „Vertical Forest“ in Dubai. Nach den beiden „Bosco Verticale“ genannten Wohntürmen im Mailänder Stadtteil Porta Nuova (2009–2014), die 2014 mit dem Internationalen Hochhaus-Preis ausgezeichnet wurden, Folgeprojekten wie dem im Bau befindlichen 36-geschossigen „La Torre dei Cedri“ in Lausanne (seit 2015), dem „Trudo Vertical Forest“ in Eindhoven (2021) und den „Vertical Forest“-Konzepten außerhalb Europas: In Kairo (2020) und im chinesischen Huanggang (2017–2021) gilt „Vertical Forest“ als weltweit erster Prototyp eines mit Bäumen bepflanzten Hochhaus-Duetts für die MENA-Region, die Region Nahost und Nordafrika. „Ein grünes und nachhaltiges Gebäude für eine Stadt, die von der Wüste umgeben und daher sehr schwierigen klimatischen Bedingungen ausgesetzt ist“, erklärt Stefano Boeri auf der COP 27 und betont: „Heute ist es möglich, sogar in Dubai nachhaltige Gebäude zu bauen.“

Vertical Forest

Ökologisches Bauen für alle: „Bosco Dubai“ ist grün, autark und wirbt mit einem geringen Wasserverbrauch. Wobei das Wasser wiederaufbereitet und die Energie von Sonne und Wind genutzt werden soll.

Insgesamt sind 2.640 Bäume und 27.600 Sträucher geplant, die von einem System aus Gewächshäusern und hydroponischen Gärten ergänzt werden. Ziel des Neubau-Ensembles mit 190 und 150 m Höhe wird eine Verbindung der „Vorteile der urbanen Forstwirtschaft wie die Absorption von Feinstaubpartikeln, die Regulierung des Mikroklimas, die Verringerung des Treibhauseffekts und die Optimierung

Kampung Admiralty, Singapur

Patrick Bingham-Hall (oben)

K. Kopter (unten)

1000 Trees, Shanghai

Qingyan Zhu

CapitaSpring, Singapur

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der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen“, wie das Mailänder Studio Stefano Boeri Architetti zusammenfasst. Kurz gesagt: ein Gebäude, das das Stadtklima verbessern und Lärm schlucken soll. Der „Vertical Forest“ in Dubai könnte die perfekte Vision einer besseren, einer grünen Architektur in den heißen Zeiten des voranschreitenden Klimawandels sein.

Botanik im Pariser Hinterhof

Die Welt retten werden begrünte Fassaden und grüne Hochhäuser alleine nicht, eine wesentliche Verbesserung können sie aber durchaus bewirken. Biodiversität ist ein Stichwort. Die Symbiose von Gebäuden und Pflanzen ermöglicht die Vielfalt von lebenden Organismen, Lebensräumen und Ökosystemen. Das Konzept gibt es schon länger. So holte Gartenkünstler und Botaniker Patrick Blanc bereits Ende der 1980er-Jahre mit seinen ersten vertikalen Gärten die Natur in die Stadt. Seine Bepflanzungskonzepte wachsen an Hauswänden und in Hinterhöfen, bekannt wurde er vor allem mit der grünen Fassade für das 2006 eröffnete „Musée du quai Branly“. Novum an den vertikalen Gärten von Blanc ist, dass sie weder Erde noch Substrate benötigen, um einer Komposition unterschiedlichster Pflanzen ein optimales Wachstum zu bieten. Die Basis stellt dabei eine ausgeklügelte Konstruktion aus einem Filzuntergrund und einem Bewässerungssystem dar. Die Bepflanzungen sollen nicht nur die Luftqualität verbessern, indem sie CO 2 binden und Sauerstoff produzieren, sondern auch Regenwasser zurückhalten, Schatten spenden und so dabei helfen, die sich immer mehr aufheizenden Städte zu kühlen.

Ebenfalls in Paris baute Architekt Edouard François 2004 im 17. Arrondissement den viel publizierten „Tower Flower“ (1999–2004). Auch wenn das Grün hier mehr Ornament als Bestandteil der Architektur ist, gilt der zehngeschossige Sozialwohnbau als Pionier grüner Architektur mit Symbolwirkung. Auf drei Seiten wachsen in 380 überdimensionierten Pflan-

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Eindrucksvoll: die terrassenförmig angeordnete Baumstruktur der „Oase Giverny“

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„Vertical Forest” für Dubai von Stefano Boeri mit 2640 Bäumen und 27600 Sträuchern an der Fassade zweier Türme (oben). Das Projekt „Giverny Oasis“ von Edouard François ist eine Hommage an Claude Monet und seine Arbeit mit der Natur (unten).

zentöpfen Bambuspflanzen, die mittels automatischer Bewässerungsanlage mit wiederaufbereitetem Regenwasser versorgt werden. „Tower Flower“ ist eine grüne Insel in der grauen Stadt: ein Anfang für mehr Pflanzen in urbanen Gefilden.

Gebaute Oasen und Symbiosen

François experimentierte weiter mit den Möglichkeiten einer Symbiose von Natur und Architektur. Er fokussierte sich auf lokale und diverse Bepflanzungen anstatt einer Monokultur aus Bambus, weil diese anfälliger für Schädlinge ist. Mehr und mehr wurde dabei die Begrünung in den Folgeprojekten zum integralen Element des Gebäudeentwurfs, um Potenziale einer vertikalen Verdichtung mit urbanem Dschungel auszuloten. Sein 2012 gegründetes Architekturbüro Maison Edouard François zeigt immer wieder neue Lösungsansätze mit weiteren ökologischen Bauprojekten wie dem „Tour Végétale de Nantes“ oder dem „M6B2 Tower of Biodiversity“ in Paris auf. 2018 kombiniert das Studio die Vision einer flexiblen Gebäudestruktur für ein sechzehngeschossiges Apartmenthaus in Limassol an der Südküste Zyperns mit der gemalten Gartenvielfalt von Claude Monet in Giverny. „Giverny Oasis homage to Claude Monet“ ist der Entwurf einer hybriden Konstruktion aus baumähnlichen Strukturen, die von allerlei Kletterpflanzen und Weinreben bewachsen und mit Zitrusgewächsen, Olivenbäumen, Palmen und anderen mediterranen Bäumen bepflanzt ist. Die künstliche Oase voller überbordender Fassaden- und Dachbegrünung wird vorerst eine Vision bleiben. Der Wettbewerbsbeitrag soll nicht realisiert werden.

Mit „Eden Bio“ gelingt dem Team von Edouard François nicht nur ein architektonisches Statement. Der kalkulierte Nebeneffekt bewirkt, dass der Turm selbst zum Werkzeug für eine Verbesserung der Umwelt wird. „Er ermöglicht es dem Wind, Samen in der städtischen Umgebung zu verbreiten“, berichtet der französische Pionier urbaner Botanik.

Vertikale Gartenstadt Singapur

Von Europa nach Asien: Einen Ausblick darauf, welche Potenziale urbanes Grün in hoher Dichte haben kann, zeigt Singapur. Der südostasiatische Inselstaat hat bereits seit seiner Unabhängigkeitserklärung 1965 das Ziel, eine „Garden City“ zu werden, in der viele innerstädtische grüne Oasen auf Dächern und Fassaden die Luft verbessern. 30 % der Gebäude Singapurs entsprechen heute dem Öko- und Nachhaltigkeitsstandard; bis 2030 sollen es sogar 80 % sein.

In Asiens grünster Metropole hat sich 1994 das Studio WOHA Architects gegründet. Die beiden Architekten Wong Mun Summ und Richard Hassell verstehen die wachsenden Landschaften in ihren Bauprojekten als wesentlichen Bestandteil der Lösung für unser Umweltdilemma in den Städten. Ihr Ziel: eine echte Allianz von Architektur und Natur, damit verschiedene Arten in neuen Ökosystemen zusammenleben können. Es sind nicht nur die Fassaden, es ist das Gesamtkonzept, das bei Wong Mun Summ und Richard Hassell wachsen und gedeihen soll. Wie zum Beispiel bei dem Seniorenwohnheim „Kampung Admiralty“ in Singapur, das WOHA 2013 zusammen mit Henning Larsen Architects entworfen haben. 2017 wurde das Vorzeigeprojekt als vertikales Dorf mit gemischter Nutzung und integriertem Regenwald von WOHA in Kooperation mit den Landschaftsarchitekten Ramboll Studio Dreiseitl fertiggestellt.

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Giverny Oasis, Limassol

Maison Edouard François

Vertical Forest, Dubai

Stefano Boeri Architetti

Kampung Admiralty, Singapur

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1000 Trees, Shanghai

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CapitaSpring, Singapur

Finbarr Fallon for BIG/CRA

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Der verdichtete Megablock „Kampung Admiralty“ von WOHA ist mit elf Geschossen und 45 m Singapurs erstes integriertes öffentliches Bauprojekt dieser Art.

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Aus der Luft ist nur eine tropisch begrünte Topografie zu sehen, so dicht wachsen die Pflanzen in und auf dem elfgeschossigen, 45 m hohen, verdichteten Megablock. „Kampung Admiralty“ ist Singapurs erstes integriertes öffentliches Bauprojekt, das eine Vielzahl von öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen unter einem Dach vereint. Der integrierte Campus-Komplex maximiert die traditionelle Flächennutzung und ist ein Prototyp für die Bedürfnisse der alternden Bevölkerung Singapurs, aber auch des Planeten. Neben einer natürlichen Belüftung und Kühlung gibt es einen Wasserspeicher, der Regenwasser wiederaufbereitet. „Kampung Admiralty“ ist also im Grunde ein kleines Ökosystem, das seiner Nutzer- und Bewohnerschaft die perfekte Umgebung zur Entspannung und Erholung bietet.

Urbanes Paradies

Der britische Architekt Thomas Heatherwick offenbarte einmal, das Interesse seines Studios an biophilem Design (also an der Theorie, dass der Mensch die Nähe zur Natur braucht, um gesund zu bleiben) sei erst durch die Zusammenarbeit mit der Bjarke Ingels Group für den neuen Google-Campus in Mountain View, Kalifornien, geweckt worden. 2013 stellte das Studio Heatherwick eine Planung für eine üppig begrünte „Garden Bridge“ in London vor: eine Kombination aus Park und Brücke, die es so in der Form noch nicht gab. Doch da diese offenbar vor zehn Jahren zu visionär erschien, wurde sie letztendlich nicht umgesetzt. Mit „Little Island“, einem Park auf Stelzen in New York, war das anders. Die ersten Pläne gab es schon 2014. Im Mai 2021 – mitten in der Pandemie – konnte die begrünte Plattform im Hudson River eröffnet werden. Sie wurde privat finanziert.

Thomas Heatherwick hat in seinem Londoner Büro den Schwerpunkt längst auf Biophilie verlagert. Seine Projekte schlagen innovative Lösungen vor, wie Pflanzen und Bäume in Wohn- und Arbeitsorte integriert werden können. Grüne Architektur und biophiles Design sind für Heatherwick die intuitive Seite innerhalb der Gestaltung von Städten und Gebäuden. „Die natürliche Welt bietet einen Reichtum, eine Vielfalt und eine sensorische Dimension, die unsere Menschheit braucht“, fordert der britische Architekt und Designer.

Im Januar 2022 hat das Heatherwick Studio zusammen mit dem Landschaftsarchitekturstudio von Ramboll Studio Dreiseitl Singapore im M50 Art District in Shanghai die erste Phase des spektakulären Großprojekts „1000 Trees“ abgeschlossen. Mit kubischen Pixel-Elementen brechen die Planer den Maßstab des Gebäudes visuell auf. Die tausend Bäume werden begleitet von 250.000 weiteren immergrünen Pflanzen. Hier wächst eine Mischung aus heimischen Laubbäumen, immergrünen Bäumen, Obstbäumen und blühenden Bäumen, kombiniert mit Sträuchern und Hängepflanzen. So entsteht der Eindruck eines Berghangs, der sich im Laufe der Jahreszeiten verändert. 2024 soll der zweite Bauabschnitt fertig werden.

„1000 Trees ist von der Idee inspiriert, Städte in soziale Räume zu verwandeln“, erklärt Thomas Heatherwick. „Es bricht den monolithischen Maßstab einer typischen Einzelhandelsimmobilie in eine Vielzahl von Räumen mit menschlichem Maßstab auf. Ich glaube, dass es für die Menschen, die in diesem dichten Wohnviertel leben und arbeiten, eine große Veränderung darstellen wird.“

FOTOS

Giverny Oasis, Limassol

Maison Edouard François

Vertical Forest, Dubai

Stefano Boeri Architetti

Kampung Admiralty, Singapur

Patrick Bingham-Hall (oben)

K. Kopter (unten)

1000 Trees, Shanghai

Qingyan Zhu

CapitaSpring, Singapur

Finbarr Fallon for BIG/CRA

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„1000 Trees“ von Heatherwick Studio und Ramboll Studio Dreiseitl Singapore lässt nicht nur die Bewohner in Shanghai staunen. Das spektakuläre Projekt bricht mit 1.000 Bäumen und 250.000 Pflanzen monolithische Maßstäbe auf.

Biophiler Wolkenkratzer

Noch einmal zurück zu Singapur, der Stadt, die hier bereits ihre hohe Dichte an urbanen grünen Oasen offenbart hat. 2022 wurde an diesem Ort eine weitere wegweisende Oase eröffnet. Ingesamt 280 m erstreckt sich mit dem Hochhaus „CapitaSpring“ eine vertikale Gartenstadt. Entworfen vom dänischen Studio BIG von Bjarke Ingels und dem italienischen Büro Carlo Ratti Associati in Singapur überrascht der zweitgrößte Turm von Singapur mit unvorstellbar viel Grün. Mehr als 80.000 Pflanzen wachsen und gedeihen hier. Ein vertikaler Park in der Mitte des Turmes schafft eine spiralförmig ansteigende Promenade zwischen tropischen Baumstämmen und Baumkronen. Die vertikalen Fassadenelemente wurden über mehrere Geschosse im Sockel, im Kern und im „Sky Garden“ auf dem Dach auseinandergezogen und öffnen so den Blick in die grünen Oasen.

Mit seinen Dachterrassen und grünen Fassaden will der „biophile Wolkenkratzer“ nicht nur Singapurs Ruf als „Gartenstadt“ unterstreichen, sondern auch eine neue Form von „bahnbrechendem vertikalen Urbanismus“ aufzeigen. „Aufgrund des einzigartigen Charakters von Singapurs Städtebau – extrem dicht und ausladend grün – haben wir uns entschieden, den Entwurf zu einer vertikalen Erkundung des tropischen Städtebaus zu machen“, resümiert Bjarke Ingels. „CapitaSpring“ sei „wie die Vision einer Zukunft, in der Stadt und Land, Kultur und Natur nebeneinander existieren und sich urbane Landschaften uneingeschränkt in die vertikale Dimension ausdehnen können.“

Neue grüne Welten

„Form follows function“ und „architecture follows green“: Der globale Klimawandel stellt uns vor große Herausforderungen, die alle Beteiligten aus Projektentwicklung, Architektur und Stadtplanung nicht mehr ignorieren dürfen. Vom „Tower Flower“ in Paris zum „Bosco Verticale“ in Mailand, von den grünen Symbiosen in Singapur bis zu einem Mischwald aus eintausend Bäumen in Shanghai: Jede weitere Pflanze wirkt. Unsere Städte, sie werden immer grüner werden. Die Gebäude verwandeln sich von grauen Kisten in resiliente Ökosysteme. Grüne Oasen, bepflanzte Inseln und vertikale Wälder versprechen Zukunft.

FOTOS

Giverny Oasis, Limassol

Maison Edouard François

Vertical Forest, Dubai

Stefano Boeri Architetti

Kampung Admiralty, Singapur

Patrick Bingham-Hall (oben)

K. Kopter (unten)

1000 Trees, Shanghai

Qingyan Zhu

CapitaSpring, Singapur

Finbarr Fallon for BIG/CRA

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Der „biophile Wolkenkratzer“ von BIG und Carlo Ratti Associati in Singapur beeindruckt mit vertikalen Fassadenelementen, die so auseinandergezogen wurden, dass sie Blicke in grüne Oasen gewähren.

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Ein Stück Heimat

MEHR ALS FARBE
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FOTOS
DIA – Dittel Architekten GmbH
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Wer einmal in Tübingen war, ist von der charmanten Stadt am Neckar zweifellos begeistert. Hier trifft mittelalterlicher Stadtkern auf innovative Studierendenstadt und lässt damit eine harmonische Atmosphäre aus historischer Nostalgie und moderner Lebensweise entstehen. Darauf aufbauend liegt auch in Sachen Bauen der Schwerpunkt auf dem Erhalt der Altstadt und einer möglichen (Um-)Nutzung bestehender Gebäude und Baulücken. Aus diesem Grund war es auch für das Stuttgarter Architekturbüro

DIA Dittel Architekten GmbH selbstverständlich, das 1989 errichtete „Hotel Domizil“ im Rahmen einer ganzheitlichen Gebäudesanierung sehr behutsam umzugestalten, um so den ursprünglichen Charakter des Hauses innerhalb der Stadtstruktur erhalten zu können.

Unterwegs ein Gefühl von Zuhause

Bereits 1990 – ein Jahr nach seiner Fertigstellung – wurde der Hotelbau aus der Feder des Tübinger Architekten Rolf Schnaufer vom Bund Deutscher Architekten ausgezeichnet und erhielt 2018 mit dem „Hotel & Design Award“ erneut eine eindrucksvolle Würdigung. Zudem ist es bis heute das einzige Hotel in ganz Tübingen, das direkt am Wasser gelegen und damit die erste Anlaufstelle sowohl für Geschäftsreisende als auch für private Urlauber aus aller Welt ist. Im Rahmen der umfassenden Sanierung wurden alle 79 Zimmer, die Lobby und das Restaurant neu gestaltet. Dafür hat das verantwortliche renommierte Architekturbüro aus dem Herzen Stuttgarts vor allem den markanten Standort des Hotels einbezogen. „Eine große Inspirationsquelle war für uns dabei der umliegende Neckar“, so Charlotte Greifenstein als zuständige Projektleiterin von DIA Dittel Architekten.

„ Der Einsatz von kräftigen Farbnuancen ist keine Frage des Mutes, sondern vielmehr eine Frage des Konzepts.“
CHARLOTTE GREIFENSTEIN
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Daher sind es gerade blaue und grüne Farbtöne, die einen Großteil der Wandflächen prägen, während darüber hinaus „kontrastreiche Farben und Materialien den konzeptionellen Bezug zum vielfältigen Stadtbild Tübingens herstellen“.

Ein Wechsel mit Beständigkeit

Das Hauptziel der Sanierung lag darin, die 4.000 m2 einem zeitgemäßen und flexiblen Konzept folgen zu lassen. So wurden unter anderem die Haupthäuser des Gebäudekomplexes mit einem neuen, offen gestalteten Zwischenbau verbunden, der eine gemeinsame und unabhängige Nutzung aller Teilbereiche erlaubt. Klare und weitläufige Raumstrukturen dieser Art, die sich bei Bedarf auch separieren lassen, beherrschen das gesamte neue Hotelkonzept – von den Zimmern über den Lobby- und Gastronomiebereich bis zur ausladenden Terrasse. Das waren wichtige Aspekte für die neue Hotelleitung, die im Rahmen der Sanierung ebenfalls einen Generationswechsel durchlaufen,

Mit einfachen Mitteln wurde eine offene, atmosphärische Raumsituation hergestellt.“
CHARLOTTE GREIFENSTEIN
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mit viel Engagement die Renovierung des Hauses vorangetrieben und damit den entsprechenden Bauprozess stark beeinflusst hat. „Durch die Tatsache, dass es sich um ein inhabergeführtes Hotel handelt, war eine enge Zusammenarbeit und ein direkter Austausch mit der Bauherrschaft möglich. Dabei waren die kurzen Kommunikationswege ein großer Vorteil, denn so konnten wir den Entwurf nach den individuellen Anforderungen sehr detailliert entwickeln“, erläutert Charlotte Greifenstein. Die daraus resultierende Botschaft spiegelt sich buchstäblich im Endergebnis und im Namen wider: Domizil – ein neu geschaffenes Zuhause mit einer einladenden und behaglichen Grundstimmung.

Neue Kontraste für neue Dynamik

Dass die Gestaltung eines Zuhauses für jeden Menschen andere Ansätze beinhaltet, aber mit einer gewissen harmonischen Atmosphäre verknüpft ist, zeigt sich auch hier durch den Rückgriff auf den vielfältigen Einsatz unterschiedlicher Materialien innerhalb einer stringenten, klaren Formensprache. So stehen im Hotel Domizil kräftige, unifarbene Textilien sanften Farbverläufen gegenüber, während runde und weiche Formen in Kombination mit gerasterten Strukturen eine gewisse Dynamik hervorrufen.

Dies erzeugt tagsüber eine freundliche und helle Atmosphäre, während es am Abend zu einer ruhigen, gemütlichen Stimmung beiträgt. Neben indirekten Beleuchtungselementen wird diese Ausstrahlung durch den zentral verorteten Kamin unterstützt, der die einzelnen Bereiche sowohl verbindet als auch trennt. Zudem prägt ein großer Holzanteil die Innenraumgestaltung und damit das heimelige Ambiente. „Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und damit im Sinne der Nachhaltigkeit ein Material der Gegenwart und Zukunft – das ist für uns ein wichtiger Aspekt“, so die Projektleiterin von DIA Dittel Architekten. „Darüber hinaus bietet er dank seiner Materialeigenschaften zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten.“ So findet sich in den Zimmern unter anderem ein multifunktionaler, sehr geome-

trisch gestalteter Kleiderschrank aus Holz und Stahl, der ebenfalls als Sitznische und Kofferablage genutzt werden kann. Solche universell nutzbaren Möbel finden häufig Eingang in Sanierungen. „Mit Problemen oder Gegebenheiten im Bestand umgehen zu müssen, bringt oft kreative oder unkonventionelle Lösungsansätze dieser Art hervor“, erklärt Charlotte Greifenstein. „Auch wenn ein Neubau mehr Spielraum für eine ganzheitliche Planung mit sich bringt, so ist doch gerade eine Kombination aus Neubau und Sanierung besonders reizvoll. Darüber hinaus müssen bei einer Sanierung keine Grünflächen versiegelt werden und ‚graue‘ Energie kann eingespart werden.“ Ein ausdrucksstarkes Argument und bei einem überzeugenden Ergebnis wie diesem alles andere als grau!

OBJEKT STANDORT

Hotel Domizil, Tübingen

BAUHERR | NUTZER

Hotel Domizil, Tübingen

ARCHITEKT

DIA Dittel Architekten, Stuttgart

TECHNISCHE BERATERIN

Sabine Reith, Brillux Stuttgart/West

VERKAUFSBERATER

Bernd Breusch, Brillux Reutlingen

AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Heinrich Schmid GmbH & Co. KG, Abteilung Hayri Kabasakal, Tübingen

BRILLUX PRODUKTE

Vetrolux ELF 3100

Sensocryl ELF 267

Superlux ELF 3000

BRILLUX SCALA-FARBTON

Farben nach individuellem

Kundenrezept

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Architektur, die nachhaltig bewegt

SANDBEIGE 60

Valencia ist in Sachen Design und berühmte Architektur kein unbeschriebenes Blatt.

2022 wurde Valencia sogar zur Welthauptstadt des Designs. Der Ágora-Pavillon auf der prominenten Plaza del Ayuntamiento verkörpert dabei einen entscheidenden Dreh- und Angelpunkt und verbindet auf inspirierende Art und Weise Tradition und Moderne.

Eine Stadt schreibt (Design-)Geschichte

Die „Ciutat de les Arts i les Ciències“ – aufgrund ihres Schaffers auch als „Calatrava­Bauten“ bekannt – gehört in ihrer Form als Gebäude- und Parkkomplex zum modernen Wahrzeichen der spanischen Stadt. Neben diesen eindrucksvoll und ausladend geschwungenen Gebäuden des Stararchitekten Santiago Calatrava sind allerdings auch die Parkanlagen im kilometerlangen, trockengelegten Flussbett des Turia, die Markthallen „Mercat Central“, das Stadttor „Torres de Serranos“ und der Bahnhof „Estación del Norte“ sowie die internationale Möbelmesse „Feria Habitat“ für ein design­ und architekturgeprägtes Stadtempfinden bekannt. Pünktlich zur Eröffnung des offiziellen Programms als Welthauptstadt des Designs reiht sich in diese Galerie beeindruckender architektonischer Bauten auch der Ágora-Pavillon ein. Konzipiert von Miguel Arraiz – Architekt und Projektleiter der WDC (World Design Capital) – und dem Büro Arqueha Arquitectura y Urbanismo, konnte die spannende Gebäudestruktur mit einer Fläche von 350 m2 und einer Höhe von 9 m bereits nach einer Bauzeit von nur zwei Monaten fertiggestellt werden.

Weniger ist mehr

Der partizipative und integrative Veranstaltungsort im Herzen der Stadt thematisiert mit seinem Aussehen vor allem auch die valencianische Handwerkskunst und das Keramikdesign und repräsentiert damit die Stadt mitsamt ihren Bewohnern. „Wir haben von Anfang an das Projekt als ein Geschenk für die Gegenwart und die Zukunft Valencias gesehen und daher den Menschen in den Mittelpunkt gestellt“, erklärt Miguel Arraiz. „Die Materialien und Konstruktionssysteme, die das modulare und abnehmbare Format des Pavillons ermöglichen, sind dabei auch ein entschiedenes Bekenntnis zu Kreisläufigkeit und Dauerhaftigkeit.“ Auf ein Minimum an Materialität reduziert, besteht der Pavillon aus einem hölzernen Dach und einer vertikalen, mineralischen Lamellenstruktur.

Partizipativ und integrativ –der Pavillon thematisiert die valencianische Handwerkskunst und repräsentiert damit die städtebauliche Geschichte und ihre Bewohner.

Seine Gestaltung berücksichtigt neben klimatischen Aspekten wie Luftzirkulation und Sonneneinstrahlung vor allen Dingen die Modularität und Nachhaltigkeit und verbindet auf diese Weise ausdrucksstark Tradition und Avantgarde sowie Handwerk und Industrie miteinander.

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Die vertikalen Lamellen aus MDi (Minerals, Design, Innovation) überzeugen mit einer innovativen Oberfläche und hoher ästhetischer Kontinuität. Da MDi zu 50 % aus recyceltem Material besteht und bei der Herstellung Wasser gespart und der Einsatz von Lösungsmitteln vermieden wird, ist es zudem ressourcenschonend.

FOTOS Alejandro Gomez
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Die vertikalen Lamellen ermöglichen eine natürliche Luftzirkulation und lassen Innen- und Außenraum verschmelzen.

Als Synonym für die Wellen des Mittelmeers entstand die organische Lamellenstruktur des Daches.

Vielfältige Lamellen

Der Entwurf der Überdachung stammt von Manolo García, einem Tischlermeister und Fallas-Künstler. Die organische Lamellenstruktur des Daches simuliert die Wellen des Mittelmeers und verweist auf die Stadt als historischen Ort der Vereinigung verschiedener Kulturen. Durch den Rückgriff auf einen parametrischen Entwurf konnte eine sehr präzise Verteilung der einzelnen Lamellen erzeugt werden, deren hoher Vorfertigungsgrad Abfallmenge, Arbeitsaufwand und Materialtransport reduzieren und somit große Mengen an CO2 und Energie einsparen konnte. Ähnlich verhält es sich mit den vertikalen Lamellen. Ihr keramikähnliches Material MDi (Minerals, Design, Innovation) ist eine innovative Oberfläche mit hoher ästhetischer Kontinuität. MDi ist ein ressourcenschonendes Produkt, da es zu 50 % aus recyceltem Material besteht. Außerdem spart ihre einzigartige Full-Digital-Technologie 70 % Wasser und vermeidet den Einsatz von Lösungsmitteln. Neben dem Sonnenschutz, der durch die vertikalen Lamellen und das Holzdach gebildet wird, ermöglicht die besondere Gebäudestruktur eine natürliche Luftzirkulation. So kann die Temperatur im Inneren des Pavillons um bis zu 10 Grad reduziert werden. Eine Hüllenlösung, die sich durch ihre Einfachheit und Leichtigkeit auszeichnet, ohne die Sicherheit oder die Modularität des Formats zu beeinträchtigen.

Ein Symbol der Gemeinschaft

Neben dem Büro Arqueha Arquitectura y Urbanismo, das vor allem mit der technischen Entwicklung des Projekts beauftragt war, waren mehrere Büros und Unternehmen an der Planung und Errichtung des Pavillons beteiligt. Gemeinsam haben sie sich der Herausforderung gestellt, an einem Ort im Herzen der Stadt die Geschichte des valencianischen Designs zu erzählen – die Geschichte der Industrie, die Geschichte des Handwerks und die Geschichte der Strukturierung eines ganzen Territoriums, und zwar mit Blick auf Nachhaltigkeit und Materialien. „Die Stadt Valencia, wie wir sie kennen, ist das Ergebnis von mehr als einem Jahrhundert Design. Urbanes, architektonisches, künstlerisches Produkt-, Innenraum­ und Grafikdesign, das es ihr ermöglicht hat, sich ihren Platz als Stadt mit einer globalen Berufung zu verdienen“, sagte Xavi Calvo, Direktor der World Design Capital Valencia 2022. „In dem Ágora­Pavillon bringen wir die valencianische Gesellschaft, den Tourismus und die Menschen zusammen.“ Das ganze Jahr über fanden hier Veranstaltungen statt, die dem gesamten öffentlichen Publikum, Fachleuten, Einrichtungen und Unternehmen offen standen, mit dem Ziel, alle Bürger in das Design einzubeziehen. Während der Abendstunden verwandelte sich der Pavillon durch eine künstlerische und immersive Lichtinstallation zudem in einen großen Leuchtturm, der den Stolz der gesamten Stadt Valencia auf die Ernennung zur Weltdesignhauptstadt symbolisierte und erstrahlen ließ.

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Neu interpretiert

MEHR ALS FARBE 64

Im südöstlichen Nordpfälzer Bergland zeigen Gräf Architekten, wie ein Einfamilienhaus buchstäblich aus seiner üblichen Bauaufgabe herauswächst. Auf diese Weise sind Räume entstanden, die unterschiedliche kulturelle Gestaltungsansätze verknüpfen und zugleich mit der hiesigen Umgebung und Natur so fein verwoben sind, dass sie ein sehr besonderes Gefühl von Verbundenheit und Verwurzelung generieren.

Ursprünglich als flach gedeckter Bau vonseiten der Bauherrschaft gedacht, ist es gerade der fließende Übergang des Satteldachs in die restliche Kubatur, der diesem Haus eine bemerkenswerte Anmutung verleiht. Die Intention der Architekten war es, einen scheunenähnlichen Charakter zu erzeugen, den es adäquat herunterzubrechen galt. „Eigentlich waren wir auf der Suche nach dem dreidimensionalen ‚Haus vom Nikolaus‘“, so Architekt Frederik Helms von Gräf Architekten.

Weniger ist mehr

Mit einem Spiel für Kinder hat das überzeugende Endergebnis außer der stringenten Linienführung jedoch wenig gemein. Vielmehr verdeutlicht dieses Bauprojekt, dass es sehr viel schwerer und komplexer sein kann, mit einem dezenten und reduzierten Erscheinungsbild einen überzeugenden Ausdruck zu generieren, als vielleicht mit prachtvollen Schmuckelementen. Frederik Helms ist der Ansicht, dass eine solche Umsetzung nur möglich ist, wenn das gesamte Team bereit ist, auch unkonventionelle Lösungen zu denken. „Vom vertrauensvollen Dialog mit dem Bauherrn bis zur Umsetzung mit den Fachplanern und Firmen bedarf es Freude und Ehrgeiz, sich einer solchen Aufgabe zu stellen“, so der verantwortliche Architekt.

Die dezent gehaltene Fassade ist dabei ein erstes Anzeichen für die Ausgestaltung des Inneren auf Basis des für Japan bezeichnenden Minimalismus, wenngleich sich dies von außen nicht unmittelbar vermuten lässt. „Im Außenbereich war unser Ziel, durch den leicht erdigen Ton das Gebäude am Ort zu verwurzeln und in die Natur einzubetten“, führt Holger Gräf vonseiten des Architekturbüros konkreter aus. „Wie die Landschaft wechselt so auch das Haus selbst mit den Wetterbedingungen stetig das Erscheinungsbild.“

„ Es entstand der Konzeptansatz, dem gewaltigen Landschaftsraum ein weithin sichtbares und schützendes Dach entgegenzustellen.“
HOLGER GRÄF, ARCHITEKT Ferne Wurzeln
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Raum für Entfaltung

Im Inneren zeigt sich dann sehr deutlich die fernöstliche Begeisterung der Bauherrschaft für die aus dem Zen-Buddhismus stammende Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche. Hier dominieren Weißtöne, natürliche Materialien und eine sehr schlichte und sparsam eingesetzte Möblierung. Das schenkt den einzelnen Gegenständen und Kunstwerken

genügend Raum, um ihre unterschiedlichen, ganz eigenen Charaktere zu entfalten. „So trägt das Leitbild der Reduktion auch der Idee Rechenschaft, den ‚gestalterischen Fußabdruck‘ im ruralen Umfeld möglichst klein zu halten und die eigene Präsenz auf das Wesentliche zu bescheiden“, erläutert Holger Gräf.

Der Entwurfsprozess war iterativ und gemeinsam kamen wir zu der Überzeugung, diese Gestaltung sei der Bauaufgabe angemessen.“
FREDERIK HELMS, ARCHITEKT
FOTOS
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Johannes Marburg, Genf

Natürlich faszinierend

Darüber hinaus sollte auch die Natur einen Weg ins Innere finden und hier wirken können – eine weitere Anlehnung an den japanischen Minimalismus: den Blick in sich hinein und gleichzeitig nach außen zu lenken. Im Untergeschoss geschieht dies über einen nicht einsehbaren Innenhof, der den angrenzenden Räumen ein Maximum an natürlicher Belichtung schenkt. Im Obergeschoss ist es der bis unter den First offen gestaltete Wohnraum, der durch seine Weitläufigkeit und seine großflächige Fensterfront mit einem inszenierten Landschaftsblick zum prägenden Gestaltungselement wird. In erneuter Anlehnung an die japanische Kunst –in diesem Fall an ‚Urushi‘, einen natürlichen Lack und zugleich eine traditionelle japanische Lackkunst – sollten dabei die einzelnen Oberflächen möglichst changieren. So wurde die Küchenzeile lackiert und die innere Deckenfläche des Satteldaches leicht reflektierend gestaltet. Das Resultat ist schlussendlich genauso faszinierend wie einfach. „Doch gerade eine solche Werkplanung abseits von Standarddetails bedarf auch der intensiven Abstimmung aller Beteiligten, einer Vielzahl an Versuchen, Mustern und zahlreicher Baustellentermine“, zeigt Frederik Helms auf. Ein Einsatz, der sich schlicht und einfach sehen lassen kann.

OBJEKT | STANDORT

Haus L, Alsenbrück-Langmeil

BAUHERR | NUTZER

Jürgen Lichter, Alsenbrück-Langmeil

ARCHITEKT

Gräf Architekten, Kaiserslautern

TECHNISCHER BERATER

Thomas Schack, Brillux Kaiserslautern

VERKAUFSBERATER

Kai Laub, Brillux Kaiserslautern

AUSFÜHRENDER MALERBETRIEB

Thomas GmbH, Landau

BRILLUX PRODUKTE

WDV-System EPS Prime

Mineral-Leichtputz G 3679

Silikat-Streichfüller ELF 3639

Extrasil 1911

BRILLUX SCALA-FARBTON

15.03.15

„ Die Herausforderung bestand darin, einen adäquaten Grad der Reduktion zu definieren.“
HOLGER GRÄF, ARCHITEKT
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WEIL RADIO ZUHAUSE GESTALTEN KANN!

Unter dem Motto „Colour your life!“ ist das neue Brillux Radio im Mai 2022 bundesweit an den Start gegangen und hat sich bereits innerhalb kürzester Zeit in der Radioszene etabliert. So läuft der Digitalsender seit dem vergangenen Frühjahr nicht nur in privaten Haushalten, sondern auch auf deutschen Baustellen. Dabei liefert der noch junge LifestyleSender neben einem abwechslungsreichen Musikmix Inspirationen und Fachbeiträge rund um die Themen professionelles Renovieren, Sanieren und Gestalten.

DIE PERFEKTE VERBINDUNG

Branchenintern ist Brillux Radio das erste und einzige Radio, das bundesweit über DAB+ sendet und zusätzlich direkt online (brillux.radio) und über die Brillux Radio App gehört werden kann. Egal ob Hausbauende, Beschäftigte aus dem Maler- und Stuckateurhandwerk oder Architekt/-innen – das Brillux Radio schlägt eine Brücke zwischen privaten Auftraggeber/-innen und dem Profihandwerk. Auf diese Weise zeigt das inspirierende Programm sehr unterhaltsam, was Profihandwerker zu Hause alles möglich machen können.

MAINSTREAM UND DOCH BESONDERS

Die Kombination macht hierbei den „hörbaren“ Unterschied. Denn die Hörer/-innen können ihren Alltag nicht nur mit einer mainstreamigen Musikauswahl und neuen Songtiteln bereichern, sondern inspirierende Impulse sowie hilfreiche Informationen zur Gestaltung der eigenen Lebens- und Wohnwelt sowie ihres Arbeitsalltags erhalten. Durch spezielle Sendungen wie die Brillux Beats am Wochenende und die regelmäßigen Sportsendungen mit Experteninterview ist bei diesem Radio-Vollprogramm wirklich für jeden was dabei. Da bleibt nur zu sagen: Turn your Brillux Radio on!

MEHR ALS FARBE
Johanna Penzek (Foto) moderiert im wöchentlichen Wechsel mit Tim Reimann die Morgensendung „Take Off“ im Brillux Radio.
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Extra Time – die Sportsendung mit Moderator Matthias Esch (Foto) und den Sportkommentator-Ikonen Ulli Potofski und Heiko Wasser.

Jetzt reinhören!

Brillux Radio ist ein Radio-Vollprogramm auf DAB+ oder im Livestream. Montags bis freitags von 06:00 bis 18:00 Uhr sowie samstags von 08:00 bis 18:00 Uhr und sonntags von 08:00 bis 12:00 Uhr bietet der Sender Live-Moderationen. Hinzu kommt die ebenfalls live moderierte Sportsendung Extra Time am Montagabend.

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Architekten fragen …

Lässt sich Schimmel auch nachhaltig bekämpfen?

Gerade in Innenräumen sollte Schimmelbefall schnellstmöglich beseitigt werden, um eine Gesundheitsgefährdung zu vermeiden. Viel besser wäre es dabei natürlich, der Schimmelbildung bereits präventiv vorzubeugen. Gibt es hierfür eine Möglichkeit selbst bei ungünstigen Raumsituationen?

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DIALOG IN FARBE FOTO Adobe Stock_VRD 70
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das Brillux Beraterteam antwortet:

Ja, sogar in doppelter Hinsicht!

Bei dem Befall von Innenräumen mit Schimmelpilzen spielt neben deren Beseitigung vor allen Dingen auch die Ermittlung und Bekämpfung der Ursache eine entscheidende Rolle. Die meisten Feuchteschäden lassen sich im Voraus durch die Bauweise und angemessenes Verhalten von Endkunden vermeiden. Doch in einigen Fällen wie an Altbauten tauchen Schäden auf, auf die man keinen Einfluss mehr hat. Gerade hier bietet das KlimAirSystem eine gute Lösung. Es kann beständig Feuchtigkeitsspitzen auffangen und ein konstantes, angenehmes Raumklima unterstützen. Dank seines geringen Systemaufbaus entsteht dabei nahezu kein Wohnraumverlust und selbst Elektroinstallationen müssen nicht neu gesetzt werden. Zudem ist es nach DIN 4102 schwerentflammbar.

Großformatige Panels und mineralischer Klebespachtel

Die Hauptkomponente des KlimAirSystems ist das 10 mm dünne mineralische Panel 1866 – basierend auf alkalischem

Blähglasgranulat. Der Baustoff aus recyceltem Altglas zeichnet sich durch eine hohe Diffusionsoffenheit, Druckstabilität und Sorptionsfähigkeit aus. Durch den speziell für das System entwickelten KlimAir Klebespachtel 1868 können die Platten nach der Verklebung direkt verspachtelt und nach der Trocknung geschliffen werden. Zudem ist der Klebespachtel mit seinem erhöhten pHWert ebenfalls ein mineralisches Produkt, das dem Schimmelpilzbefall entgegenwirkt bzw. einer Neubildung nachhaltig vorbeugt. Abschließend erfolgt die Beschichtung mit Silikat-Produkten oder Innendekor-Putzen.

Funktionsweise – nachhaltig und wirkungsvoll

Das System KlimAir punktet so in zweifacher Weise. Zum einen bietet die Alkalität des Gesamtaufbaus für Schimmelpilzsporen keinen Nährboden. Zum anderen bleibt die Oberfläche trocken, da der Systemaufbau in der Lage ist, Tauwasser aufzunehmen und zeitversetzt wieder an die Raumluft abzugeben. Schwankungen der Luftfeuchtigkeit werden damit ausgeglichen.

KlimAir Panel 1866

KlimAir Keil 1866

• mineralisch

• diffusionsoffen

• dünnschichtig

KlimAir Klebespachtel 1868

• Zementbasis mit Leichtfüllstoffen

• sehr gute Klebkraft und Spachtelfähigkeit

• sehr gut schleifbar

• hohe Sorptionsfähigkeit

• lange verarbeitungsoffen

• hohe Druckfestigkeit

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Wandseitige Verklebung

Kondensat wird gepuffert

Mikrokapillare sorgen für gute Rücktrocknung

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Ein besonderer Dialog

Mitten in der israelischen Wüste Negev befindet sich der größte Erosionskrater der Welt. Mit 40 km Länge und bis zu 10 km Breite gilt das Reservat als Übergang zwischen Natur und Zivilisation. Gerade hier, wo die Weite und Abgeschiedenheit große Einsamkeit vermuten lassen, hat der in Paris geborene Architekt Ben Ori Gitai mit seinem Büro Gitai Arquitects einen besonderen Ort des Austauschs geschaffen. „The Landroom“ ist ein Projekt, das mit knapp 6 m2 die Beziehung zwischen Material und Raum erforscht und zugleich in Relation zum Menschen setzt. So kann die minimale Baustruktur alleine betreten werden, aber auch Platz für zwei Personen bieten.

Sowohl die Atmosphäre als auch die Nutzung des Landrooms verändert sich im Tagesverlauf. In klaren Nächten als Observatorium und am Tag als Schutz vor hohen Temperaturen, gleicht der Ort einer künstlerischen Transformation, die in vielerlei Hinsicht auf Gegensätzen beruht: geschlossene und geöffnete Flächen, quadratische und kreisförmige Konturen, innen und außen, Zivilisation und Naturverbundenheit, Geborgenheit und Weite, Nähe und Distanz.

Der Bau selbst erfolgte durch die Komprimierung von vor Ort zusammengetragener Erde, Sand und Steinen in eine eigens angefertigte Form. Auf diese Weise bleibt eine gewisse Schichtung sichtbar und erzeugt erneut ein Wechselspiel von Feinheit und Massivität. Das einzige Fenster wird dabei

„The Landroom“ basiert auf Gegensätzen und ist dabei außergewöhnlich und faszinierend zugleich.

von einer Windglocke aus Wüstenstein geziert, die neben dem visuellen auch den auditiven Dialog mit der natürlichen Umgebung unterstreichen soll.

Ein auf den ersten Blick schlichtes Werk, das auf den zweiten Blick eine Komplexität offenbart, die das Bedürfnis des Menschen fokussiert, mit der Natur zu interagieren. „The Landroom“ ist damit eine räumlich-formale Übersetzung von Beziehungen. Darüber hinaus war es dem Architekten wichtig, den uralten Instinkt, sich in jeder Lebenslage an der Natur, am Himmel und speziell an den Sternen orientieren zu können, zu thematisieren. Für Ben Ori Gitai selbst ist dieses Projekt eine Ode an den Geist, die Schöpfung und die Freiheit, aber auch ein persönliches Bedürfnis, seiner Tochter zu zeigen, wie wichtig es sein kann, für Antworten gen Himmel zu blicken. Vielleicht sollten Menschen das in turbulenten Zeiten wie diesen häufiger tun, um eigene Blickwinkel zu verändern.

AUFGESTÖBERT
FOTO Ben Gitai
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06.06.03 06.06.06 06.06.09 06.06.12 06.06.15 06.06.18 06.06.21 06.06.24 06.06.27 06.09.03 06.09.06 06.09.09 06.09.12 06.09.15 06.09.18 06.09.21 06.09.24 06.09.27 06.12.01 06.12.02 06.12.03 06.12.06 06.12.09 06.12.12 06.12.15 06.12.18 06.12.21 06.12.24 06.15.01 06.15.02 06.15.03 06.15.06 06.15.09 06.15.12 06.15.15 06.15.18 06.15.21 06.18.09 06.18.12 06.18.15 06.18.18 06.21.12 06.21.15 06.21.18
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BRILLUX SCALA-FARBTONFAMILIE

Brillux Musterservice

Farbtöne und mehr als Original

Farbtöne kann man im großflächigen Original und in höchster Farbtongenauigkeit am besten beurteilen.

Brillux stellt 1.514 Originalmuster in verschiedenen Varianten als Farbfächer, in DIN A4 und DIN lang zur Verfügung.

Bestellen Sie Ihre Muster per E-Mail (scala@brillux.de) oder per Fax (+49 251 7188-8788) bei uns. Erfahren Sie mehr unter

www.brillux.de/farbtoene-muster/musterservice/

IMPRESSUM Brillux GmbH & Co. KG

Weseler Straße 401 48163 Münster

Telefon: +49 251 7188-8799

E-Mail: kontakt@brillux.de www.brillux.de

Idee, Konzeption, Realisation: gambit marketing & communication GmbH

colore Ausgabe 27, April 2023

52162/482/33,3/0423 8826.9651.0027

Weitere Inhalte finden Sie im Brillux Blog: www.brillux.de/blog

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COLORE 27

Kinder- und Jugendpsychiatrie | Trier

Kindergarten | Waldmünchen

Historische Fassade | Münster

Hotel Domizil | Tübingen

Haus L | Alsenbrück-Langmeil

ISSN 2625-7297

DE/AT 12,80 EUR

CH 14.80 CHF

Vertikaler Urbanismus
# colore 27 SANDBEIGE

Farbbetrachtungen

Höhle und Bühne –zwei Innenraumtypen wie Tag und Nacht: ein Wechselspiel aus physischer Umgebung und innerer Befindlichkeit

Vertikaler Urbanismus Die Facetten einer grünen Architektur: neue Ansätze für klimafreundliches Leben in Städten

Ein Meilenstein der etwas anderen Art

Eine Schule, die in vielerlei Hinsicht Menschlichkeit und Nachhaltigkeit lehrt

FARBRÄUME
APR 2023
colore
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