artmagazine print #11

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#11 KUNST MARK T VS

Auk ti o n s w o c he 2 3. – 27. NO V EM B ER 20 15

AktionsraumLINkZ_TOMAK_artmagazine.indd 4

27.08.15 13:18

Zeitgenössische Kunst, Klassische Moderne, Silber, Juwelen, Uhren Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien Tel. +43-1-515 60-570, client.services@dorotheum.at

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Das Als-ob-Prinzip.

25. Oktober bis 1. November 2015 täglich 11 – 19 Uhr

Jonas Staal, Monument to Capital – Part II / Historicizing the Future: A Proposal, (Detail) 2013, Leuchtkasten 84 × 59 cm, Tonspur 3:58 min, Courtesy the artist

Über ästhetische Manöver und Kategorien als ideologisches Konstrukt

5. September - 22. November 2015 Kuratiert von Sabine Winkler mit Miriam Bajtala, Adriana Bustos, Sophie Dvořák, Mehmet Fahraci, Ellen Gallagher, Jan Peter Hammer, Ulrik Heltoft/ Miljohn Ruperto, Antonia Hirsch, Liz Magic Laser, Adrian Melis, Rachel Reupke, Jonas Staal Die Ausstellung befasst sich mit dem »So-tun-als-ob« und dem »So-sein-als-ob« in künstlerischen und gesellschaftspolitischen Systemen. Das Als-ob-Prinzip verweist auf die ungeklärte Zone zwischen Fiktivem und Realität und jene dazwischen befindlichen Möglichkeiten, die sowohl Kunst und Politik prägen als auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Im ästhetischen Regime Jacques Rancières unterscheidet sich die Kunst von der Realität durch eine von den KünstlerInnen in Form des Als-ob konstruierten Differenz. Das Als-ob-Prinzip wird einerseits als ideologische Strategie eingesetzt, um Wirklichkeit zu konstituieren und Zukunft zu kontrollieren, andererseits als ästhetisches Manöver, um in die Aufteilung des Sinnlichen und in ihre Umgestaltung einzugreifen. Die künstlerischen Arbeiten analysieren kategoriale Zuweisungs- und Festschreibungsmechanismen, um Zuordnungssysteme in Frage zu stellen.

Wredestraße 10 an der Hackerbrücke www.kunstmesse-muenchen.com

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Mit freundlicher Unterstützung von Landeshauptstadt Bregenz, Land Vorarlberg und Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.

Die Woche der Kunst.

Wien. Pulsierende Hauptstadt der Kunst: Museen, Galerien, Künstler, Kunstuniversitäten, Off-Szene. Inspiration.

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www.artmagazine.cc Liebe Freundinnen und Freunde von artmagazine.cc!

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Quo vadis, Kunstmarkt? Oder sollte man besser danach fragen, wohin sich der aktuelle Finanzkapitalismus noch entwickeln kann? Erst vor kurzer Zeit wurde bekannt, dass das krisengeschüttelte Griechenland eine Erfolgsgeschichte ist - zumindest für jene Investoren, die offenbar Zugangang zu anderen Informationen haben als Sparbuch- oder WohnungsbesitzerInnen. Eine ähnliche Intransparenz und Asymmetrie wirft man auch dem Kunstmarkt vor, der an der Spitze nach wie vor getrieben wird vom Geld, das durch Spekulationen weltweit verdient wird. Wie kann dieser Teufelskreis durchbrochen werden, in dem Geld noch mehr Geld generiert, die (handwerkliche) Arbeit aber kaum noch dazu ausreicht, das Überleben zu sichern - Künstlerinnen und Künstler mit eingeschlossen. Können Künstlerinnen und Künstler neue Handlungsweisen entwickeln, die uns einen Weg aus der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Misere zeigen, oder ist es nicht der Markt und die Galerien selbst, die sich den immer neuen Hypes und der sich immer schneller drehenden Spirale an „geflippter“ und dann wieder fallen gelassener Kunst verschließen müssten?

Armen Avanessian stellt für curated by_ vienna 2015 die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer objektgebundenen Kunstproduktion, während Volker Diehl nach 32 Jahren wieder zu den Ursprüngen der Galeriearbeit zurückkehrt und sich lieber Bücher über das Internet bestellt, als auf Instagram die nächsten Kunststars zu suchen. Für Hans Paffrath hingegen macht es gerade jetzt Sinn, den klassischen Kunsthandel endlich an die neuen Medien heranzuführen, während sich Andrei Jecza viel mehr Gedanken darüber macht, wie man in Rumänien endlich einen funktionierenden lokalen Kunstmarkt entwickeln kann. Für Markus Peichl macht es gerade jetzt Sinn, einen neuen Galeriestandort in Wien zu eröffnen und der Künstler TOMAK schätzt den langsamen österreichischen Kunstmarkt, weil dieser ihm Zeit für die Entwicklung seiner Karriere lässt.

KUN S T UN D K APITAL

WIR SP R ECHEN ÜBER WAHNWIT ZI GE IDEEN

Wir wollen mit dieser Publikation einen Denkanstoß zur aktuellen Diskussion über den Kunstmarkt liefern. Mehr Berichte zu Ausstellungen, Galerien und Kunstmessen finden Sie täglich aktuell auf unserer Website unter artmagazine.cc Werner Rodlauer, Herausgeber

Der Finanzkapitalismus hat den Kunstmarkt längst übernommen. Nur die Käufer der hehren Ware passen oft nicht zur Distinktionsmaschine Kunst, wie sie gerade auf den großen Kuntmessen zelebriert wird.

Im Jahr 2011 hat Andrei Jecza seine Galerie in Timisoara, Rumänien eröffnet. Ein Gespräch über den Wahnwitz einer solchen Idee, die lokalen Kunstsammler und die Bedeutung der osteuropäischen Kunst im internationalen Messegeschäft.

R AINER MET Z GER

I NTE RVI E W: STE FAN K OBE L

ES MACHT KEINEN SINN MEHR, NEUE BILDER ZU PRODUZIEREN

WI R SEHEN GR OSSE CHANCEN

In seinem titelgebenden Essay „Tomorrow Today“ für curated by_vienna 2015 beschäftigt sich Armen Avanessian mit künstlerischen Strategien für eine post-kapitalistische Ära und fragt nach zukünftigen (und bereits existenten) alternativen Modellen von Kunst und Ökonomie.

Kürzlich erhielt die Wiener Kunstszene Zuzug: Die renommierte Galerie Ascan Crone, gegründet 1982 in Hamburg, seit 2001 in Berlin ansässig, eröffnete nun eine Filiale in der Eschenbachgasse. Markus Peichl, Leiter der Galerie Crone und Sohn von Gustav Peichl, sprach mit artmagazine über sein jüngstes Baby.

INT ER VIEW: WER NER R ODL AU ER

I NTE RVI E W: N I N A SCHE DLM AYE R

D AS K APITAL

TRANSPAR ENZ UND VERTR AU EN

Ein roter Teppich als Kritik der Netzökonomie.

Die Galerie Paffrath gehört zu den ältesten Familienunternehmen in der Kunstbranche. Nach 140 Jahren bricht der jetzige Eigentümer Hans Paffrath vom 19. Jahrhundert in die Gegenwart auf.

T H OMAS D. T R U MMER

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STA N DPUN KT B E ZIE H E N S TATT M E R KAN TILE M OPPORTUN IS M US

IC H MACHE DAS NICHT FÜR MI CH

Volker Diehl kennt das Galeriengeschäft seit 32 Jahren mit allen Höhen und Tiefen. Jetzt ist er froh, auch einmal nein zu einem Geschäft sagen zu können.

Er nannte sich schon mal „Posterboy der Antikunst“ und muss seine Bilder zerstören, bevor er sie fertig in die Galerie schicken kann. Der Künstler TOMAK über sein Verhältnis zum Kunstmarkt, den Galerien und Sammlern.

INT ER VIEW: ST EFAN KOBEL

I N TE RVI E W: WE RNE R RODL AUE R

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IMP R E S S U M : CHE F R E D A K T I ON, HER AU S G EB ER : Wer ner Rodlauer . REDAKTION S- UN D VERWA LT U NG S A DRE S S E : a rt m a g a zi n e Kun st -In fo rm a t i o n sg e se llsc ha ft m .b.H ., B re i t e G a ss e 1 7 / 4 , 1 0 7 0 Wi en , T: + 4 3 1 5 2 4 9 6 4 6 2 5 , F : + 4 3 1 5 2 4 9 6 3 2 , E : r ed a k ti on @a r tm a ga z i n e. c c , ww w . a r t ma g a zi n e.cc. ANZ EI G ENLEI TUN G: Aur elia J ur t schit sch, anz eigen@ar t m a g a zi n e .c c . G RA F IK: a rt m a g a zi n e . DRU C K: P ro spe k t us Kft ., H -s8 2 0 0 Ve szpré m CO V E R : T O MA K , Cru cifi x ion i n S p ace, Öl/Acr y l auf Leinw and, 250 x 180 cm, 201 5 (B e za hlt e A n ze i g e )


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KUNST UND KAPITAL Der Finanzkapitalismus hat den Kunstmarkt längst übernommen. Nur die Käufer der hehren Ware passen oft nicht zur Distinktionsmaschine Kunst, wie sie gerade auf den großen Kuntmessen zelebriert wird. RA I N E R M E T Z G E R

Ein Gespenst geht um in der Kunstwelt, das Gespenst des Kapitalismus: „Das schnelle Vermögen und seine schnelle Umsetzung in Kunst, eine Kunst des Marktes, entwertet nicht nur die symbolischen Anlagemöglichkeiten des ‚alten Geldes‘ substantiell, es zerstört auch die Aura, mit der sich früher das stillschweigende Einverständnis umgab, durch ‚Kunst‘ die Verwandlung von profanem Geld in soziale Achtung als persönlichen Verdienst ausgeben zu können“. Früher, als sich Prestige und Preziose noch wohlfeil um die Industriellengattin rankten, als der Mammon sich noch auf Kanon reimte und es so etwas wie echte Exklusivität gab, früher, da war alles besser. Und der Ort, über den jetzt das Neureichentum brandet, um ihn aufzulösen wie das Gesicht am Meeresstrand von Miami Beach, ist die Art Basel.

(S. 242) ins Buch, und auch die Autoren stehen nicht an, diese Überzeugung zu vermitteln: „Die Ware ist meist über jeden Zweifel erhaben, ihre Käufer sind es nicht“ (S. 19).

Dass die Ware hochwertiger ist als ihre Preise, soll nun bestätigt werden. Etwa durch den Vergleich zweier Rankings, in der die Artfacts-Liste mit der ArtpriceListe parallelisiert wird: Nur deren fünf unter den Top 50 der Bedeutenden kommen unter den Top 500 der Teuren vor (S. 190 - es sind für 2014 Richter, Sherman, Ruscha, Hirst und Gursky). Oder durch den Verweis auf die Uhrenmesse am selben Schauplatz, auf der niemand ein Problem mit jenem puren Luxus zu haben scheint, dem man im Kunstkontext mit rituellen Gebärden von Peinlichkeit begegnet. Die Art Basel, so tritt es im seriösesten Jargon Vier Soziologen der Universität Sankt akademischer Kritik zutage, ist ihre Messe Gallen haben der mittlerweile bedeutends- wert. ten Kunstmesse eine Studie gewidmet und sie soeben im Verlag der Buchhandlung Am Ende indes, ein wenig contre coeur, Walther König publiziert. König steht für meldet sich dann doch der Zweifel am Köln, die Stadt, in der einst das Prinzip Gebotenen. Bourdieu und seine Schule Kunstmarkt erfunden worden war, um haben sich stets einer Zuteilung von Quabald von der Provinzstadt rheinaufwärts litätskritierien enthalten, haben Rezepden Rang abgelaufen zu bekommen. König tionen studiert und Soziales herausdewird nichts dagegen haben, wenn Basel und stilliert. Diesmal wird aber doch gefragt, seiner Art jetzt ein wenig am Zeug geflickt ob nicht „die Postmoderne“ eine „Autowird. Jedes der acht Kapitel der Studie ritätslücke“ hinterlassen habe (S. 200); mit dem ein wenig berechenbaren Titel ob nicht doch „Bedeutungsverluste“ „Kunst und Kapital“ wird eingeleitet von (S. 216) zu spüren seien; und ob es nicht zu diversen Zitaten Pierre Bourdieus. Man einer „Maßstablosigkeit“ gekommen sei, zu weiß, woher der Wind weht, die Spielre- einem „Verblassen des Kanons“ (S. 224): geln der Kunst, die hier am Werke sind, Ob mit anderen Worten, nicht doch wenihandeln von Konkurrenz, von einer Gna- ger die Rezipienten als die Produzenten denlosigkeit der Kämpfe, die nur mühsam ihren Anteil daran haben, dass „der Hype“ von der „Doppelmoral“ (S. 161, S. 168) des und die Spektakelträchtigkeit wichtiger Wahren, Hehren, Schönen überdeckt wird sind als der Anspruch auf wenigstens sym(zu Bourdieus Position vgl. meinen Blog- bolische Unveräußerlichkeit. Die KünstBeitrag „Auch haben“ auf artmagazine.cc, lerpersonen haben sich gut eingerichtet in erschienen am 26.05.2015) ihren Meistererzählungen von der Privilegierung, und nach vielerlei Versuchen, die Das neue Geld bringt die alte Elite gehö- alten Rollen durch zeitgemäßere zu ersetrig durcheinander. So gesehen gehen die zen, hocken sie wieder in ihren Nischen Kämpfe schlechterdings weiter. Die vie- splendider Bohemienhaftigkeit. Durch lerlei Gewährsleute, die die Studie befragt, das viele neue Geld können sie so tun, als Galeristen wie Judy Lybke, Sammler wie bedeute gerade das Aktualität. Harald Falckenberg, Kuratoren wie HansUlrich Obrist und Global Player wie die Rubells stehen dabei natürlich stramm auf der Seite der traditionellen Distinkti- Blog vom 11.8.2015 on. So kommen Formulierungen wie „die Mehr unter: Leute aus Kasachstan, diese paar Idioten“ www.artmagazine.cc/blog.html

Kunsthalle Wien

Kunst und Kapital

Begegnungen auf der Art Basel

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Franz Schultheis Erwin Single Stephan Egger Thomas Mazzurana 

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Franz Schultheiss/Erwin Single/Stephan Egger/ Thomas Mazzurana, Kunst und Kapital. Begegnungen auf der Art Basel Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2015

Ausstellung Ausstellung PerformAtive WorkshoPs | interventionen PerformAnces sound

SOCIAL GLITCH

Radikale Ästhetik und die Konsequenzen extremer Ereignisse

25 09 2015 – 05 12 2015 VERANSTALTUNGSDETAILS www.kunstraum.net AKTUELLE INFOS UND TERMINE www.theoriesinmind.net/socialglitch WEBJOURNAL www.continentcontinent.cc

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ES MACHT KEINEN SINN MEHR, NEUE BILDER ZU PRODUZIEREN Armen Avanessian hat mit seinem Sammelband „Akzeleration“ im Merve Verlag 2013 die Theorie des Akzelerationismus in das linke Denken im deutschsprachigen Raum eingeführt. Seitdem wird er nicht müde, auf Vorträgen und in weiteren Büchern seine Sicht einer möglichen Überwindung eines aus den Fugen geratenen Kapitalismus zu propagieren. In seinem titelgebenden Essay „Tomorrow Today“ für curated by_vienna 2015 beschäftigt er sich mit künstlerischen Strategien für eine post-kapitalistische Ära und fragt nach zukünftigen (und bereits existenten) alternativen Modellen von Kunst und Ökonomie. I N T E RVI E W : W E RN E R RO D L AU ER

Armen Avanessian, Foto: Magdalena Lepka

artmagazine.cc: Der Akzelerationismus hat sich nach einem anfänglichen Hype in den Medien nun offenbar wieder in die Denkstuben zurückgezogen – ein Rückschritt oder ein Atemholen vor dem nächsten Angriff? Armen Avanessian: Einen Rückzug sehe ich nicht. Die Theoriebildung in einer intellektuellen Gesellschaft mit ihren sklerotischen Universitäten und philosophischen Disziplinen braucht einfach auch andere Medienstrategien. Es geht nicht nur um die Rezensionen. Das Allerwichtigste ist, dass sich der Spirit, die Methodologie des Akzelerationismus schon in anderen Feldern zeigt, etwa in der Finanztheorie und in den Überlegungen zu einem dem 21. Jahrundert adäquaten Technofeminismus. Ich sehe das als wichtiges Moment, dass diese Theorie sich auf andere Felder auswirkt. curated by_ Tomorrow/Today wird getragen von der Hypothese, dass Kunst als kritische Instanz zunehmend ausgedient hat. Hat es sich die zeitgenössische Kunst zu bequem gemacht in ihrer angeblich so wichtigen gesellschaftspolitischen Rolle? Ich denke dass ein bestimmtes Dispositiv der Contemporary Art seine Zeit hatte. Jetzt konfiguriert sich etwas Neues, aber wir wissen noch nicht so genau was. Die Kunst der letzten Jahrzehnte hat letztendlich doch nur den spekulativen Finanzkapitalismus, mit dem sie sich parallel entwickelt hat, weiter befeuert und ihm auch Ideen geliefert. Dieser Modus der reflexiven Kritik aktueller Kunstproduktion passt da auch gut hinein. Ich denke aber, dass eine Kunst des 21. Jahrhunderts sich anderer Strategien bedienen muss, um ihr Ziel, an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern, auch zu erreichen. curated by_ Tomorrow/Today stellt die Behauptung auf, dass akzelerationistische Positionen in der zeitgenössischen Kunst immer öfter anzutreffen sind. Müsste sie sich nicht vielmehr in der Produktion von Handlungsweisen als in der Produktion von (sichtbaren) Werken manifestieren? Was ich in Galerien und auf Kunstmessen curated by_ vienna 2015 ist ein Projekt von departure, dem Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien und ist von September bis Anfang November in 20 Wiener Galerien zu sehen. www.curatedby.at

sehe, ist schön für Wartezimmer und Wohnzimmer und kann vielleicht noch zur Geldwäsche genutzt werden. Das ist ein bisschen Rokoko, ein bisschen Dilettantismus und ein bisschen was Aufsehenerregendes. Die unglaublichen technologischen und ökonomischen Revolutionen der letzten Zeit sind in einem Großteil der zeitgenössischen Kunst noch gar nicht angekommen. Ich habe deshalb vorgeschlagen, dass sich die Galerien, die KünstlerInnen und die KuratorInnen damit auseinandersetzen, dass die Kunst Teil der Ökonomie ist, anstatt so zu tun als wäre die Art Basel ein Ausrutscher der Kunstwelt und die Oligarchen nur Furunkel auf einem eigentlich gesunden System. Das ist ungefähr so verlogen wie zu sagen, dass es ein paar schwarze Schafe im Finanzsystem gibt und dass die Geldwäsche mit Kunst in Zollfreilagern nichts mit dem Wesen der gegenwärtigen Kunst zu tun hat. Und wie beurteilen Sie die Umsetzung dieses Vorschlages in den einzelnen Galerien? Ich sehe mich nicht in der Rolle des Kunstkritikers. Ich denke, dass die Kunstwelt - genauso wie die Finanzwelt und die Politik - groß darin ist, ständig große Slogans hinauszuposaunen und eine Politizität vor sich herzutragen, die sich dann in Ausstellungen manifestiert, die voll sind von kritischen Auseinandersetzungen mit Genoziden und kapitalistischer Ausbeutung. Mit ihrem eigenen Beitrag der Verstärkung dieser Ausbeutungsdynamik, mit den Arbeitsverhältnissen innerhalb des Kunstsystems, mit der Art, wie die Contemporary Art die Spekulation über Preise vorangetrieben hat, setzt sich die Kunst aber nicht so gerne einander. Meine Aufgabe habe ich darin gesehen, diesen blinden Fleck sichtbar zu machen. Die Kunst gibt sich gerne kritisch und widerständig, aber sie muss, um überleben zu können, eben auch auf das Geld schauen. Ich finde das auch gar nicht schlecht. Es geht doch darum, sich einzugestehen, dass die Kunst ein Business ist und zu schauen, wie man das System weniger verlogen und sinnvoller gestalten kann. Kuratorinnen & Kuratoren und teilnehmende Galerien: Vincent Honoré Projektraum Viktor Bucher Brigitte Huck & Martin Guttmann Charim Galerie Chris Fitzpatrick Kerstin Engholm Galerie Jeanette Zwingenberger Galerie Ernst Hilger Rózsa Zita Farkas Galerie Andreas Huber Joe Scanlan Galerie Martin Janda

Wäre es dann nicht besser, alternative Wirtschaftsmodelle für Kunst außerhalb des klassischen Ausstellungssystems zu entwickeln? Natürlich bedarf es neuer Strategien, um etwas zu entwickeln. Aber die Kunstwelt will sich immer von den Philosophen sagen lassen, was sie zu tun hat, um sich dann darüber aufzuregen, dass sie von ignoranten Philosophen, die nichts von Kunst verstehen, vorschreiben lassen muss, was sie tun soll. Ich habe versucht, genau das zu vermeiden und nur gesagt: Denkt doch darüber nach, was eure eigentliche Expertise ist. Es geht eben nicht darum pseudokritisch zu sein oder fantastische Utopien zu entwickeln. Ist nicht vielleicht die eigentliche Expertise des Kunstsystems, die künstlerische Originalität, das Modell der beständigen Innovation und ein bestimmtes Menschenbild eines kreativen Künstlers mit einer ästhetischen Produktivität und Imagination zu einer Ökonomie zu verbinden. Darüber wollte ich, dass die Galerien, die Kuratorinnen und Kuratoren und die Künstlerinnen und Künstler nachdenken. Als meine Aufgabe verstehe ich nicht, darüber zu urteilen, was schlechte Kunst und was ein „richtiges“ akzelerationistisches Kunstwerk ist, sondern anzuregen, das Know How und die Intelligenz innerhalb des Kunstsystems fruchtbar zu machen. Kann denn das Kunstsystem, so wie es sich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt hat, überhaupt in dieser technologischen Revolution bestehen? Es gab vor siebzig Jahren kein solches Galeriensystem, es gab diese Art von Zeitschriften nicht und nicht die Universitäten, die eine solche Masse an Künstlern ausbilden und es gab für die Theorie nicht die Notwendigkeit, für die zeitgenössische Kunst beständig Bedeutung zu produzieren, weil diese reichlich ahnungs- und orientierungslos ist, was ihr Beitrag zu unserem kapitalistischen System ist. Mit der Digitalisierung erleben wir einen epochalen Umbruch, dessen

Barnabás Bencsik Georg Kargl Fine Arts Sebastian Cichocki Knoll Galerie Wien Cointemporary Christine König Galerie Harald Falckenberg Krinzinger Projekte Friederike Nymphius Krobath Wien Catherine Chevalier & Benjamin Hirte Galerie Emanuel Layr Katerina Gregos Mario Mauroner Contemporary Art

Konsequenzen so bedeutend sein werden wie der Buchdruck. Wir wissen noch nicht, wie diese Konsequenzen im Detail aussehen werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass es keinen Sinn mehr macht, Objekte in dieser Menge zu produzieren. Es macht keinen Sinn mehr, ständig manisch neue Bilder zu produzieren und diese auszustellen. Viele Künstler sind doch gar nicht mehr interessiert an dieser Produktion, die sie vielleicht noch aufrecht erhalten, um damit Geld zu verdienen, sondern eher damit, wie die schon vorhandenen Bilder Bedeutung erlangen in den medialen Kreisläufen. Auch was die Internetrevolution betrifft ist es so wie mit dem Smartphone, das viel weniger ein erweitertes Telefon ist – wie man anfangs dachte -, als ein ganz neues Werkzeug. Die „Contemporary Art“ hat ihre große Zeit gehabt. Das System wird zwar noch weiter tradiert, aber eigentlich sind die technologischen und ökonomischen Grundbedingungen schon viel weiter. In unserer Gesellschaft sind Selbstoptimierung und Selbstvermarktung zur obersten Kontrollinstanz geworden, insbesondere durch soziale Medien. Wäre es nicht zielführender, wenn KünstlerInnen neue, eigene (technologische) Netzwerke entwickeln, anstatt zu versuchen die Verwertungslogik der bestehenden Medien zum eigenen Zweck zu nutzen? Es geht darum, wie Bilder Bedeutung produzieren in diesen Netzwerken. Die Rechtfertigung, Bilder zu produzieren, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Kunst mehr. Ein System, in dem die zeitgenössische Kunst die Menschen aktiviert und kreativ macht und zum Nachdenken anregen wollte, macht immer weniger Sinn in einer Zeit, in der wir ganz andere Leitmedien wie die Social Media Kanäle haben. Wir sind doch alle ständig kreativ und leben nicht mehr im Fernsehzeitalter mit seinem klaren System von aktivem Sender und passiven Empfängern oder Konsumenten. Wie lange dieser Übergang dauern wird, weiß ich nicht. Aber ich finde es viel spannender, darüber nachzudenken als immer noch Skulpturen zu platzieren und Leinwände an die Wand zu hängen.

N.O.Madski Galerie Meyer Kainer Ruth Noack Galerie Raum mit Licht Kolja Reichert Galerie nächst St. Stephan Marcus Andrew Hurttig Gabriele Senn Galerie Myriam Ben Salah Galerie Steinek Veit Loers Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Alfredo Cramerotti Galerie Hubert Winter


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DAS KAPITAL Ein roter Teppich als Kritik der Netzökonomie. T H OMAS D. T R U MMER

Isaac Julien DAS KAPITAL Oratorio ARENA Padiglione Centrale, Giardini 56. Esposizione Internazionale d’Arte - la Biennale di Venezia All the World’s Futures 56th International Art Exhibition la Biennale di Venezia Foto: Andrea Avezzù Courtesy: la Biennale di Venezia

Vor wenigen Monaten verkündete Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), dass Joseph Beuys’ „Das Kapital“ als Dauerleihgabe nach Berlin kommen wird. Der Besitzer des Kunstwerks, der Berliner Unternehmer Erich Marx, sagte der Neuen Nationalgalerie das Werk zu. Das Environment (korrekter Titel „Das Kapital Raum 1970-1977“), das aus einem Speer, technischen Geräten, einem Bösendorfer-Klavier und mit Kreide beschriebenen Tafeln besteht, wird nach Auskunft des Museumsdirektors Udo Kittelmann direkt neben Warhols Version von „Mao“ zu sehen sein. „Kapitalismus und die übelste Form des Kommunismus“, so Kittelmann, „treffen dann aufeinander“. Anderer Schauplatz, ähnliche Namen: Ein kühler unterirdischer Raum mit rotem Teppich im Süden Europas. Zwei Schauspieler, die vor Pulte treten und sich anschicken, ein Manuskript vorzutragen. Die unterkühlte Kargheit von Beuys kommt kaum in Erinnerung. Die Anmutung des Ambien-

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Innsbruck International

tes ist eher dem Glamour von Filmfestivals oder der Steifheit politischer Pressefoyers nachempfunden. Journalisten/innen, Promis und Blitzlichtgewitter fehlen. Hinter den Protagonisten befindet sich eine Videowand, auf der schnörkellos ein Text durchläuft. Der Teleprompter ermöglicht, den Vortragstext live zu synchronisieren. Das zeitigt Wirkung. Der Text ist verdoppelt, wird verstärkt und verinnerlicht. Die Idee, Karl Marx’ “Kapital“ auf der Biennale in Venedig lesen zu lassen, stammt von Okwui Enwezor, die Inszenierung vom britischen Filmemacher Isaac Julien. Seit Beuys ist Zeit vergangen und seit Karl Marx noch mehr. Die Schrift, die das politische Leben des 20. Jahrhunderts mehr als jede andere prägte, kommt in nuce zur Sprache. Sie wird nicht länger kommentiert oder realpolitisch instrumentalisiert. Und doch bewirkt die vermeintliche Sachtreue ein Abdriften in Ver- und Entfremdung. Was Beuys wortreich durch private Lehrgebäude verbreitete, wird in Venedig zu mythisch nachhaltiger Präsenz aufgeladen.

Catherine Bertola The Forman Brothers Jacob Cartwright & Nick Jordan Cinématons Isaac Julien Muntean/Rosenblum Linda Fregni Nagler Pipilotti Rist Heidrun Sandbichler Matt Stokes Lois Weinberger u.v.m.

Biennial of the Arts

10.03. - 20.03.2016

innsbruckinternational.at

Licht, Performance und die Stille zwischen den Vortragseinheiten zelebrieren die Schrift. Man kann nicht anders als an ein unschönes, dekadentes Spiel zu denken, eine Entwertung des Politischen durch ästhetische Inthronisation. Doch ist das korrekt? Ist die öffentliche Lektüre auf einer Kunstausstellung tatsächlich nichts mehr als outrierte Oral History? Vielleicht. Doch dafür sind Enwezor und Julien zu klug. Könnte es nicht sein, dass sie recht haben und die Relektüre des Originals tatsächlich nötig ist, gerade in diesem äußerst befremdlichen Kontext? Dann wäre bewiesen, dass nur eine pointierte Überspitzung den Kontrast hervorzubringen vermag, der für eine profunde Gegenwartsanalyse unerlässlich ist. So ist angesichts der venezianischen Marx-Renaissance zu fragen: Wie sehen Produktionsverhältnisse im Zeitalter globalisierten Kapitals aus? Wie zirkulieren Waren und Wissen? Was bedeuten Arbeit und Kapitalismus heu-

te? Gehört nicht der 1921 geborene Berliner Erich Marx zu jenen Unternehmern, die am Übergang von Realwirtschaft, vom Bauwesen zu Medizin und Krankenhausmanagement ihre Geschäfte machten? Der Sohn eines Lagerarbeiters ist Exempel der Vorbereitergeneration der heute verbreiteten Netzökonomie. Würde er auch Isaac Juliens Werk erwerben und neben Maos Portrait hängen lassen? Wohl nicht. Denn die Wirtschaft und ihre Kritik haben sich geändert. Kapital wird zwar immer noch akkumuliert, doch die neue Arbeiterklasse bilden nicht konzerngebundene Mitarbeiter, sondern die Kognitarier, die mit unermüdlicher Leistungsbereitschaft von zu Hause aus die Bildschirme füttern. Sie erfüllen, worunter Beuys befreiendes Potential vermutete, nämlich den Einsatz individueller Kreativität, doch übersah, dass diese sich nur erfüllen kann, wenn sie nicht miniaturisiert und fragmentiert wird, wie die Arbeit vor den Screens gegenwärtiger Netz-Ökonomie.


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STANDPUNKT BEZIEHEN STATT MERKANTILEM OPPORTUNISMUS Volker Diehl kennt das Galeriengeschäft seit 32 Jahren mit allen Höhen und Tiefen. Jetzt ist er froh, auch einmal nein zu einem Geschäft sagen zu können. INT ER VIEW: ST EFAN KOBEL

artmagazine.cc: Herr Diehl, Sie haben mit Ihren Galerien mehrere Höhen und Tiefen des Kunstmarkts mitgemacht. Wo stehen Sie jetzt gerade?

Wie hat sich der Markt denn verändert in diesen über drei Jahrzehnten? Was sind die entscheidenden Unterschiede und Entwicklungen?

Volker Diehl: Nach einigen steilen Höhen und steil abfallenden Tiefen in meinem 32-jährigen Galeristenleben, habe ich mich „gesundgeschrumpft“, meine „Nische“ gefunden, mich dort „komfortabel“ eingerichtet, und den etwas weiseren Lebensabschnitt eingeleitet, der mir sehr gut tut. Ja, sehr gut sogar. Ich muss zum Glück niemandem mehr hinterherlaufen und werde auch von niemanden getrieben, so dass ich ehrlich sagen kann: Ich genieße das Leben mit Kunst wieder in vollen Zügen. Nun habe ich mich unabhängig von Messen gemacht, brauche auch keinen Zweit- oder Drittstandort in New York, London oder - wie gerade alle meinen - in Los Angeles. Ich lege großen Wert auf Lebensqualität verknüpft mit mir gewogenen sympathischen, professionellen und großzügigen Menschen, Partnern und Künstlern und guten, ehrlichen

Als wir jung waren und Ende der 1970er begannen, gab es noch so etwas wie Sex, Drugs and Rock‘n Roll. Wir waren noch Bohemiens und hatten so einen wunderbaren romantisch anarchistischen Wirrwarr in unseren Köpfen. Kunst und Galerie war noch eine Lebenshaltung gespickt mit Ideologien, für die es sich lohnte zu kämpfen und Standpunkt zu beziehen. Heute arbeitet doch jedes Milliardärssöhnchen und Töchterchen in einer Galerie oder einem Auktionshaus. Das ist halt super schick geworden. Aber man läuft fast ausschließlich dem Geld hinterher und einer diffusen Vorstellung von Ruhm und Glamour. Alles schön garniert mit Partys und Events. Als ich 1983 das erste Mal Leo Castelli besuchte, hatte er vielleicht zwei, drei Mitarbeiter bei sich in 420 West Broadway. Und da war er schon eine Legende. Mein Gott, waren er und

Geschäften. Ich habe eine Menge sogenannter Sammler und Künstler etc. aus meiner Database gelöscht. Das ist ein wichtiger Akt, den man regelmäßig und von Zeit zu Zeit wiederholen sollte. Ich muss zum Glück keine Millionen verdienen, um meine Galerie zu betreiben. Kann auch mal NEIN zu einem Geschäft sagen. Und das ist eine hart erarbeitete Freiheit, die ich fast vollkommen verloren hatte, weil ich meinte, mit den großen Wölfen heulen zu müssen bzw. weil ich Projektionen von vermeintlichem Erfolg, Geld, Ruhm und Anerkennung hinterher gelaufen bin. Und dadurch all das fast vergessen hatte, warum ich mal angetreten bin in der Kunst. Ich habe mich wieder an das erinnert und darauf besonnen, was ich mit zwanzig Jahren ursprünglich wollte. Und das musste ich erst mühsam wieder freischaufeln in mir. Das ist ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Macht aber großen Spaß.

Thomas Amann noch von einer Eleganz und einem Stil und einer unbeirrbaren Geradlinigkeit. In den letzten Jahren haben die Galerien Kartelle gebildet, um Querdenker und Nonkonformisten bei den Messen erst gar nicht zuzulassen. Oder sie blocken auch gern mal einen ihnen gefährlich werdenden Kollegen. Dann laufen sie als GeschmackspolizeiJury herum und drangsalieren die ausstellenden Galeristen noch, ob sie den Stand auch schön korrekt gehängt haben. Und die Kollegen und Künstler liefern maßgefertigte Kunstwerke und Ausstellungen am laufenden Band in einer Pünktlichkeit ab, dass mir vor Schwindel eigentlich speiübel wird. Und gern nimmt man in China, Russland und arabischen Ländern Rücksicht auf religiöse, politische und sexuelle Befindlichkeiten, akzeptiert bereitwillig Zensur, nur um noch ein paar mehr Dollar mitnehmen zu können. Merkantiler Opportunismus. Und die

Liste könnte ich noch lange weiterführen. Damals dachten wir, dass möglichst viele Menschen sich für Kunst interessieren sollten. Dass Kunst erfolgreicher sein sollte, als sie es war. Da haben wir aber den falschen Geist aus der Flasche gelassen. Nun müssen wir damit leben, dass die Spießer und ein perfides, auf Gewinn orientiertes System fast die gesamte Kunstwelt übernommen haben. Ein trauriges Resümee für mich nach über 30 Jahren. Da tröstet es wenig, wenn man da noch den ein oder anderen wunderbaren Kollegen zum Freund und Mitkämpfer hat. Mit den wenigen Ausnahmen lässt sich wenig ausrichten.

Können zeigen, sieht auf IMA X-großen Leinwänden eher belanglose Filmchen, muss sich durch Nebelräume arbeiten usw. usw. Da geht man besser zu einer guten Sportveranstaltung, auf den Rummelplatz oder in den Cirque du Soleil. Nein, mein Rat ist eigentlich ganz einfach, kostet kein Geld und ist sehr effektiv: Man besucht so viele kleine und mittlere Galerien oder Non-Profit-Räume wie möglich und am besten regelmäßig. Weiters unterhält man sich vielleicht sogar etwas länger mit einem der Galeristen/innen - was leider fast gar nicht mehr passiert - über Kunst und Künstler. Man wird erstaunt sein, was es alles zu entdecken gibt.

Das klingt ganz schön ernüchtert. Und das Internet - gibt es da irgendetwas Entsteht denn unter diesen Umständen zu entdecken? überhaupt noch spannende Kunst, und wenn ja, wo ist sie zu finden? Na klar. Eine Menge sogar. Aber man muss es klug einsetzen: Zum Recherchieren von Das Schöne ist doch, dass es spannende Künstlerinfos und Preisen oder aber auch, Kunst immer und in allen Zeiten zu um Bücher zu finden und zu bestellen; das entdecken gibt. Nur, wie geht man da klappt sogar ganz wunderbar. In den 80er am besten vor? Das hat sich besonders Jahren musste man einen Suchzettel beim Antiquariat seines Vertrauens ausfüllen, wenn man ein Buch gesucht hat. Wenn man Glück hatte, gab es eine Antwort nach Wochen, manchmal Monaten. Heute kann ich innerhalb von Minuten bei den entsprechenden Webseiten Millionen von Angeboten abrufen. Und mir dann sogar noch das preiswerteste heraus suchen. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen nachts ist, Bücher und alte Kataloge zu bestellen. Man kann sicherlich auch bei den sozialen Netzwerken und Kunstwebseiten Künstler entdecken und kontaktieren. Aber nur mit entsprechender Skepsis, Recherche und Überprüfung in der realen analogen Welt. Der Studio- und Ausstellungsbesuch wird zum Glück durchs Internet nie ersetzt werden können. Man hat ja schließlich fünf Sinne. Und die sollte man bitte auch alle einsetzen. Ich kann aber noch eine schöne Geschichte erzählen. Vor über einem Jahr habe ich ein Bild aus den 1970er Jahren eines berühmten amerikanischen Künstlers aus einer privaten Sammlung erwerben können. Anfang dieses Jahres habe ich dann einen jungen ukrainischen Künstler in Kiew besucht. Der lebt als Buddhist von 50 USD im Monat, er meditiert auf dem Bett und malt sehr reduzierte, oft monochrome Bilder. Über Facebook ist er seit Jahren mit anderen Künstlern weltweit „befreundet“. Volker Diehl, Foto: Galerie Eines Tages, vor ca. vier Jahren, bittet obiger amerikanischer Künstler, in New verändert, weil sich die Kunstwelt Mexico lebend, ihn darum, eines seiner mindestens in zwei Welten aufgeteilt hat. Bilder, das er auf Facebook gesehen hat, Hier ist mein Rat, was man tun sollte: kopieren zu dürfen. Daraus entsteht ein Ich würde mit einer Negativauslese Dialog, in dem beide Künstler auf jeweilige beginnen. Was sollte man vielleicht erst Facebook-Abbildungen antworten und einmal meiden? Auf jeden Fall die großen sich die Originale zusenden. Ist das nicht Kunstmessen, Blockbuster-Ausstellungen, großartig? Meine Überraschung kann -Galerien und -Künstler. Die Eröffnungs- man sich vielleicht gut vorstellen. Ich war Poolparty samt der eventgeilen Kunstszene, natürlich sprachlos. Nun plane ich im die Kunst nur als willkommenen Anlass Moment eine Ausstellung mit den Arbeiten sieht, um ihr sonst hohles und langweiliges aus dieser Geschichte für 2016. Leben für einen Moment vergessen zu können. Eben all jene, die auf Gewinn und DIEHL Spekulation setzen, die pseudoprovokative-, Niebuhrstrasse 2, 10629 Berlin Hüpfburgen- und Bespaßungs-Kunst im Tel: +49 30 22 48 79 22 großen Stil zusammen mit den Medien info@galerievolkerdiehl.com propagieren. Da kann man dann in www.galerievolkerdiehl.com Spinnennetzen oben im Museumsraum herum klettern. Man sieht den Künstler DIEHL CUBE tagelang waschtrommelartig sich im Kreise Emser Straße 43, 10719 Berlin drehen, kann auf Rutschen Museumsräume ef@galerievolkerdiehl.com verlassen, oder mit Rentieren übernachten, www.diehl-cube.com darf auf Tischtennisplatten sein


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WIR SPRECHEN ÜBER WAHNWITZIGE IDEEN Im Jahr 2011 hat Andrei Jecza, Jahrgang 1987, seine Galerie in Timisoara, Rumänien eröffnet. Ein Gespräch über den Wahnwitz einer solchen Idee, die lokalen Kunstsammler und die Bedeutung der osteuropäischen Kunst im internationalen Messegeschäft. I N T E RVI E W : S T E F A N KOBEL

Andrei Jecza, Foto: Galerie

artmagazine.cc: Eine Galerie in Timisoara, dem früheren Temeswar zu eröffnen, klingt zunächst nach einer ziemlich wahnwitzigen Idee. Wie kamen Sie dazu?

Vater aufzubauen. Im Vergleich zu unseren Anfängen gibt es heute durchaus wichtige rumänische Sammler. Als ich die Galerie eröffnet habe, traf ich einen jungen Sammler, Ovidiu Sandor, der bereits ein paar der Temeswarer Künstler gesammelt hatte. Mit seinen regelmäßigen Ankäufen in der Galerie sind wir zusammen “groß geworden”. Was ich sagen will ist, dass wir beide von dieser Situation profitiert haben: Ich habe mein Programm entwickelt und fokussiert, und er ist jetzt einer der größten Sammler Rumäniens; nicht nur wegen mir, aber die Anfänge liegen dort. Die selbe Art von erwachsen werden hat sich in Cluj ereignet, mit der Galerie Plan B und Mircea Pinte und anderen. Dabei sind auch andere Sammlungen erwähenswert, wie z.B. Andrei Herczeg, Razvan Banescu, Roger Akoury oder Maria Rus-Bojan. Ovidiu Sandor hat durch seine besondere Begeisterung fur die rumänische zeitgenossische Kunst nicht nur eine oder mehrere Galerien unterstützt, sondern auch den ganzen Markt und die Szene. Den größten rumänischen Kunstevent, der als Biennale in Planung ist, hat er initiiert. Die erste Ausgabe von “Timisoara Art Encounters” wird dieses Jahr eröffnet mit Rainald Schumacher und Nathalie Hoyos aus Berlin als Hauptkuratoren. Ich denke, dass er das beste Beispiel ist, für einen angagierten Sammler, der sich ernsthaft nicht nur mit seiner Sammlung befasst, sondern mit der ganzen Szene.

Andrei Jecza: Heute eine Galerie von Null zu starten ist überall eine wahnwitzige Idee, ganz gleich ob man in Temeswar sitzt oder in Berlin... Die Kunstwelt an sich ist ziemlich verrückt und ich nehme an, ich bin keine Ausnahme. Ich liebe das aber von ganzem Herzen und könnte mir nichts anderes vorstellen. Es war mein Wunsch seit ich 16 Jahre alt war, einmal eine Galerie zu besitzen. Schon mit 18 habe ich meine erste Ausstellung kuratiert, in einem Popup Space. Als Sohn eines anerkannten rumänischen Bildhauers, Peter Jecza, der von klein auf von Kunst umgeben war und mit der Kunst aufgewachsen ist, kam das für mich ganz natürlich. Das gleiche gilt für meine Entscheidung, eine Galerie zu eröffnen. Seit ich mich erinnern kann, habe ich mit meiner Familie Kunstgalerien, Museen und Messen in Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Italien oder Österreich besucht. Ich konnte vor diesem Hintergrund einfach nicht Quantenphysiker werden. Ich habe die Studienversicherung, die meine Eltern für mich abgeschlossen haben, in meine Galerie investiert, und so habe ich dann 2011 Jecza Gallery in meinem Heimatort Timisoara, eröffnet. Ich hatte aber schon 2009 angefangen, verschiedene Ausstellungen unter diesem Namen zu organisieren, hatte aber bis 2011 keine Wie sieht mit den Museen aus? Gibt es Räume. Institutionen mit einem nennenswerten Ankaufsetat? Gibt es in Rumänien überhaupt ernsthafte Sammler, die bereit sind, Nun ja, da haben wir noch Probleme. Es einen Künstler zu begleiten oder eine gibt nur wenige Museen, die ein richtiges Galerie zu unterstützen? Budget für Ankäufe haben, daher sind es wieder mal die Sammler, die Arbeiten Mit Freude kann ich sagen, dass es schon kaufen und diese dann im Museum als solche Sammler in Rumänien gibt. Ich Leihgabe ausstellen. Eine Ausnahme wird habe den Kunstmarkt Anfang der 90er das Museum for Recent Art in Bukarest erlebt, als meine Eltern versucht haben, mit sein, das ein Bukarester Sammler finanziert kleinen Schritten den Markt für meinen und Anfang 2016 eröffnet. Dieses Museum

widmet sich der rumänischen Kunst seit der erstmals an der damals noch Viennafair Nachkriegszeit und hat in der Zwischenzeit heißenden Messe ausgestellt. Deswegen viel investiert. bleibe ich Wien treu, auch dieses Jahr auf der viennacontemporary. Trotz allem ist die Wie wichtig ist der europäische Markt für Messe das “Stargate” zu den internationalen Ihre Galerie und Ihre Künstler? Sammlern und Kuratoren. Daher kann man sich kein Jahr vorstellen ohne diesen Ich kann nur in meinem Namen sprechen, wichtigen Teil des Marktes. aber ich finde, dass die europäischen Sammler sehr daran interessiert sind, Einige rumänische Künstler haben eine europäische Kunst zu sammeln, darunter bemerkenswerte Karriere hinter sich in osteuropäische Kunst oder Kunst zu der den letzten Jahren. Zieht das die gesamte sie keinen Zugang hatten. Mein Programm Szene mit? fokussiert sich hauptsächlich auf Künstler, die jetzt schon 70 oder 80 Jahre alt sind, Gewiss, das ist ja auch, was in Cluj passiert. das heisst, dass ihre intensivste Zeit in Das beginnt auf die anderen Städte den 1960er, 70er und 80er Jahren war, überzugreifen, da wichtige ältere Künstler so wie Constantin Flondor, die Sigma1 aus der Generation von Constantin Gruppe, Liviu Stoicoviciu, Paul Neagu Flondor, Geta Bratescu, Paul Neagu oder oder Molnar Zoltan. Diese Künstler waren Ion Grigorescu nicht nur in Cluj ihren in den 1990er Jahren nach der Wende Sitz haben. Es ist aber wahr, dass die entweder zu alt oder national schon zu internationale Aufmerksammkeit für die institutionalisiert, um noch von Galerien rumänische Kunstszene auch auf Victor vertreten zu werden. Daher kommen sie Man, Marius Bercea, Mircea Cantor oder erst jetzt in den Fokus und sind aus diesem Adrian Ghenie zurückzuführen ist. Grund wieder sehr interessant sowohl für junge Galerien, als auch für etablierte Hat die Wahl eines rumäniendeutschen Sammlungen. Ich vertrete sehr wenige Regierungschefs die Stimmung im ganz junge Künstler, aber auch diese sind Land und die Situation für die Kunst sehr begehrt, da sie hauptsächlich aus der verändert? so genannten Cluj-Schule kommen. In meinem Fall sind das abstrakte Künstler, Ich selbst bin ein Fan von Klaus Iohannis, die sich von der anerkannten figurativen da bin ich nicht ganz neutral. Ich finde Richtung der Cluj-Künstler entfernen, so aber, dass seine Wahl ein großer Schritt für wie Dan Maciuca oder Genti Korini. Rumänien ist, und dass sein Staatsprojekt und Plan uns viel Gutes bringen wird. Welche Rolle spielen Messen dabei? Sein Kontrahent wäre für den Kunstmarkt wegen der politischen Doktrin der Eine sehr große Rolle, vor allem für jene Sozialdemokraten keine so gute Wahl Galerien, die sich überwiegend für den gewesen. Für den Kunstmarkt ist die Wahl internationalen Markt interessieren oder von Iohannis gut. Ich finde es aber auch sehr die nicht in Cluj sitzen, das sowieso zu wichtig für ein Land wie Rumänien, einen einem internationalen Hot Spot geworden ernsten und organisierten Präsidenten zu ist. Ich finde es aber immer noch wichtig, haben. JECZA GALLERY auch einen lokalen Markt aufzubauen, Calea Martirilor 1989 Nr. 51/52 und hier können wir anfangen, über 300774 Timisoara wahnwitzige Ideen zu sprechen. Ich glaube, Tel: +40 722 666445 dass der rumänische Markt wächst und jecza@jeczagallery.com dass sich rumänische Galerien viel zu www.jeczagallery.com wenig darauf konzentrieren. Ich habe 2011

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WIR SEHEN GROSSE CHANCEN

TRANSPARENZ UND VERTRAUEN

Kürzlich erhielt die Wiener Kunstszene Zuzug: Die renommierte Galerie Ascan Crone, gegründet 1982 in Hamburg, seit 2001 in Berlin ansässig, eröffnete nun eine Filiale in der Eschenbachgasse. Markus Peichl, Leiter der Galerie Crone und Sohn von Gustav Peichl, sprach mit artmagazine über sein jüngstes Baby.

Die Galerie Paffrath an der noblen Düsseldorfer Königsallee gehört zu den ältesten Familienunternehmen in der Kunstbranche. Nach 140 Jahren bricht der jetzige Eigentümer Hans Paffrath vom 19. Jahrhundert in die Gegenwart auf: Mit der Einführung von PA FFR ATH CONTEMPOR A RY Anfang 2015 erweitert die Galerie erstmals ihr Programm in Richtung Zeitgenossen.

I N T E RVI E W : N I N A S C HE D LMAY ER

I NTE RVI E W: STE FAN K OBE L

artmagazine.cc: Herr Paffrath, Sie sind in der fünften Generation Kunsthändler in Düsseldorf. Stand von vornherein fest, dass sie einmal das Familiengeschäft übernehmen würden, oder wollten Sie früher Feuerwehrmann werden?

Markus Peichl, Foto: Galerie

artmagazine.cc: In Wien hört man von treten werden. Umgekehrt können wir in Galerien oft, dass sie besser an auslän- Berlin österreichische Künstler ausstellen. dische denn an österreichische Sammler verkaufen. Was bewog Sie dennoch dazu, Können Sie da schon Namen nennen? hier einen Standort zu eröffnen? Nach Hanne Darboven werden wir in Markus Peichl: Auch meine Berliner Wien Werke von Peter Miller präsentieren, Kollegen sagen häufig, dass sie mehr an einem jungen Amerikaner, der in Wien an Sammler außerhalb als innerhalb von Ber- der Schule von Friedl Kubelka unterrichlin verkaufen. In Wien haben wir aber bis- tete und mehrere sehr gute Sammler in her sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir Österreich hat. Auf der „Parallel“ sind wir hatten hier schon einmal für zweieinhalb mit Michael Fanta vertreten, einem junMonate einen Projektraum und beteiligten gen österreichischen Künstler, der schon uns in den vergangenen beiden Jahren an bei unserer Österreich-Ausstellung wähder Viennafair, mittlerweile Viennacon- rend des Berliner Gallery Weekends für temporary. In beiden Fällen konnten wir sehr positive Resonanz gesorgt hat. Aber sehr gute Kontakte schließen. darüber hinaus müssen wir uns noch genau anschauen, mit wem wir zusammenarbeiDie Viennacontemporary und andere ten. Veranstaltungen wie etwa Curated by_ unternehmen große Anstrengungen, Wie stehen Sie als Galerist zur Digitaum den Galerienstandort Wien zu posi- lisierung? Einerseits gibt es am Kunsttionieren. Wie nehmen Sie diesen wahr? markt einen regelrechten Hype darum, anderseits fürchten manche, dass alles Wir haben uns recht kurzfristig entschie- ins Netz wandert und Galerien überflüsden, hier einen Standort zu eröffnen – sig werden. nach dem Weggang der Galerie Mezzanin standen deren tolle Räume leer. Erst im Wie bei allen technologischen EntwickJuni wurden sie uns angeboten. Und in lungen wird letztlich das Positive überdieser kurzen Zeit haben wir bereits so wiegen. Aber wenn man schon von Bedrogroße und so nachhaltige Unterstützung hungen spricht: Da halte ich die immensen erfahren – von öffentlichen Institutionen Umwälzungen, die durch die digitale ebenso wie vom Wiener Galerienverband. Revolution in der globalen Finanzwelt und Das kennen wir aus 15 Jahren Berlin nicht! damit mittelbar auf dem Kunstmarkt entEs gibt eine Vielzahl sehr guter Initiativen standen sind, für bedeutender als die Frahier. Möglicherweise könnten sie noch bes- ge, ob man sich eine Arbeit im Internet ser aufeinander abgestimmt werden, aber oder in der Galerie anschaut. wünschen darf man sich ja immer etwas. Wie fix ist Ihr Engagement? Es ist eine dauerhafte Entscheidung. Wir sehen große Chancen in Wien: Erstens glauben wir, dass wir unser Künstlerportfolio hier sehr gut präsentieren können, zweitens wollen wir es auch erweitern: In Wien können wir Künstler zeigen, die in Berlin schon von anderen Galerien ver-

Gute Frage. Wir testen das gerade. Die Marktmechanismen sind ähnlich, die Kultur ist allerdings eine ganz andere. Beim Handel mit alter Kunst ist man idealerweise nicht abhängig von einigen Sammlern und noch weniger von lebenden Künstlern.

Hans Paffrath: Als Kind wollte ich Perlentaucher werden und irgendwie ist Ist der klassische Kunsthandel mit es dann ja auch so gekommen - wenn auch Ladengeschäft in Zeiten des Internets, ohne Wasser. der Art Consultants, privater Dealer und internationaler Auktionshäuser ein Das Kunstgeschäft hat sich gerade in den Auslaufmodell? letzten zehn Jahren extrem gewandelt und der Wandel scheint immer schneller Das glaube ich nicht. Aber es wird im und immer tiefgreifender zu werden. Kunsthandel weitere Schließungen Wie reagieren Sie darauf? geben, wenn kein klarer Markenkern oder ein intelligentes Geschäftsmodell Wir erleben tatsächlich einen tiefgreifenden zu erkennen sind. Andererseits sehe ich Wandel fast aller Geschäftsmodelle. große Chancen für Galerien, die ein Nichts ist mehr wie früher. Unsere klassisches Ladengeschäft betreiben und Antwort auf diesen Wandel ist das neue das leisten, was andere Marktteilnehmer Geschäftsmodell A A A, das wir 2015 nicht leisten können: Individuelle implementiert haben und auf unserer Beratung mit Sachverstand und einen Internetseite erklären. Kurz gesagt, basiert hohen Servicestandard. Das Internet dieses im deutschen und internationalen eignet sich für kleinere Marktsegmente Kunsthandel einmalige Geschäftsmodell im Kunstmarkt wie Druckgraphik oder auf totaler Transparenz und Vertrauen. Memorabilia. Soweit wir das beurteilen Transparenz bedeutet Durchsichtigkeit können, ziehen die Sammler bei größeren der Provisionen und offengelegte Preise. Käufen das Face-to-Face-Geschäft dem Unsere Preisschilder sind für jedermann Internet vor. Als Informationsmedium ist sichtbar: In der Galerie auf der KÖ 46 das Internet allerdings unschlagbar. oder auf unserer Internetseite. Das schafft Vertrauen. Sie versprechen Ihren Kunden, sich im Rahmen Ihrer Initiative mit 20 Gibt es heute überhaupt noch einen Prozent Marge zufriedenzugeben. Geht Markt für Kunst des 19. Jahrhunderts? das überhaupt, und wie reagieren Ihre Kollegen darauf? Ja, dieser Markt ist stärker denn je. Aber nur soweit es sich um Spitzenwerke Ja, das geht. Man kann mit 20 Prozent des 19. Jahrhunderts handelt. Unsere Marge leben. Aber der Umsatz muss Kundenliste für einige Malernamen des entsprechend hoch sein und die Kosten 19. Jahrhunderts wie Preyer, Achenbach, überschaubar. Schadow oder Mönsted ist deutlich größer als das gesamte Angebot im internationalen Markt. Galerie Paffrath Königsallee 46, 40212 Düsseldorf Abschreckende Beispiele gibt es viele. Tel: +49 211 32 64 05 Können Experten für alte Kunst info@galerie-paffrath.de Zeitgenossen überhaupt verstehen? www.galerie-paffrath.de

CRONE BERLIN Rudi-Dutschke-Strasse 26, 10969 Berlin Tel: +49 30 258 99 37 0 info@galeriecrone.de www.galeriecrone.de Hans Paffrath, Foto: Galerie

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TOMAK, Foto: Alek Kawka

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ICH MACHE DAS NICHT FÜR MICH Er nannte sich schon mal „Posterboy der Antikunst“ und muss seine Bilder zerstören, bevor er sie fertig in die Galerie schicken kann. Der Künstler TOMAK über sein Verhältnis zum Kunstmarkt, den Galerien und Sammlern. I N TE RVI E W: WE RNE R RODL AUE R

artmagazine.cc: Fangen wir ganz oben und Messeteilnahmen. Wichtig ist mir aber an, also beim aktuell so gehypten Markt eine gesunde und langsame Entwicklung, der hochpreisigen Kunst. so wie sie in Österreich gerade passiert. TOMAK: Ich glaube, dass dieser Markt an der Spitze, so wie jeder große Markt, ein manipulierter Markt ist. Und was da angeboten wird, ist ja nicht zwingend Kunst. Die Qualität der Kunst nimmt doch an der Spitze ab. Diese banalen Bilder, das haben wir längst hinter uns gelassen. Das ist doch alles Dekoration. Wenn heute ein Künstler wirklich Aussagen macht, dann kann er das vielleicht auf der documenta machen und dort Kritik üben oder neue Türen zu Philosophie öffnen und moralische Fragen stellen. An der Spitze des Marktes ist das doch viel zu schwierig zu kommunizieren. Ich denke aber doch, dass der sogenannte untere Markt noch gesund ist und sich wieder in eine Richtung hin zu Qualität entwickeln wird.

Der langsame Markt hier als Standortvorteil? Ja durchaus. Ich habe in den letzten Jahren meine Preise kontinuierlich entwickeln können und auch die Sammler sind mehr geworden. Natürlich ist es schön, wenn alles explodiert und die ganze Welt deine Bilder haben will, aber dann ist es vorbei mit der Kontrolle und die Preise steigen ins Absurde. Preise jenseits von hundertoder zweihunderttausend Euro sind für zeitgenössische Kunst einfach zu hoch. Das braucht doch keiner.

Sie sind nach einigen Jahren von einer etablierten in eine sehr junge Galerie gewechselt. Den noch jüngeren Künstlerinnen und Künstlern bleiben dann die Also: Entwicklung ja, aber nicht im Sinn selbst organisierten Project Spaces? einer finanziellen Entwicklung? Notwendig sind die Project Spaces auf jeden Eine frühe Serie von „Krankheits“-Bildern Fall, und zwar für beide Seiten, sowohl die hat zehn Jahre warten müssen, bis endlich Künstler als auch die Organisatoren. Beide eine Kuratorin aus Russland sie für sich müssen lernen. Die Künstler müssen sehen entdeckt und in eine Ausstellung in der können, wie ihre Werke in der ÖffentlichKunsthalle Wien übernommen hat. So wie keit funktionieren und diejenigen, die es die jungen Künstler erst ihre Qualität fin- organisieren, müssen das mit ihren Ideen den müssen, so muss auch der Markt für auch tun. Wie soll man sich denn sonst die Kunst erst reifen. Die Kunst sollte ja bilden als Galerist. Das wichtigste ist aber vor dem Markt sein. Gauguin und Modig- immer noch die Kommunikation. Ich hatliani sind letztendlich Handelsware. Wir te das Glück mit Christian Ludwig Attersprechen doch von aktueller, zeitgenös- see einen Lehrer zu haben, der das von der sischer Kunst, die sich in die Gesellschaft Klasse regelmäßig verlangt hat: Über die einbringt, eine Aktion da macht, dort ein eigenen Arbeiten zu sprechen. Man muss Projekt, auch Videos und Filme, für die es doch den Menschen, auch Journalisten im Markt auch wieder schwierig ist. Der und Kuratoren einen Zugang verschaffen Markt braucht einfach zu kommunizie- zu den Arbeiten. Da spielt Sprache eben rende Kunst, einen Text eines bezahlten eine zentrale Rolle. Kurators, den dann jeder nachplappert. So kann man auch mittelmäßige Kunst relativ Kommunikation über die neuen Medigroß machen. en, die auch in der Kunst gerade ziemlich gehypt werden, ist da kein Ersatz? Wie schaut es mit Ihrer eigenen Galerievertretung aus? Ich denke, kein wirklicher Sammler würde etwas aus dem Internet oder über eine Ich habe vor kurzer Zeit die Galerie gewech- solche Plattform kaufen. Vielleicht eine selt, weil es mir wichtig war, eine Jahres- Arbeit, die er schon gesehen hat und planung zu haben, die Messebeteiligungen kennt. Vielleicht geht das auch mit günund Kataloge planen und auch langfristig stigen Arbeiten. Aber wenn ein Kunstwerk internationale Kooperationen aufbauen 30.000 Euro kostet, dann schau ich mir zu können. Mit Lisabird Contemporary, das schon selber an. einer sehr jungen Galerie, habe ich jetzt die richtige Galerie gefunden. Aktuell Die Sammler werden also ins Atelier waren wir gerade auf der Art Internatio- gebeten? nal Istanbul, die für mich mit Verkäufen in gute Sammlungen sehr erfolgreich war. Ich Nein, alle Arbeiten kommen in die Galefinde dort eine Energie, die meiner ent- rie. Natürlich kommen Sammler gerne ins spricht. So jemanden wollten wir und wenn Atelier. Sie wollen schauen, stöbern, wissen ich von „wir“ spreche, dann meine ich mei- wie die Kunst entsteht. Es ist ein bisschen ne Sammler und mich. so wie wenn man zum Koch in die Küche geht. Das werden dann schon fast psychoSie planen also ihre Karriere mit den therapeutische Sitzungen, weil die Leute Sammlern gemeinsam? dann beginnen, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Ich verstehe das schon, aber Ja, ich bin ja schließlich den Sammlern die ich bin ja Künstler, weil ich zurückgezogen bis zu vierzig, fünfzig Arbeiten besitzen arbeiten und Dinge aus mir heraus schafauch verantwortlich. Auch im Sekundär- fen kann. Außerdem schaut mein Atelier markt, der jetzt langsam beginnt, schaue aus als wäre dort Krieg. Ich arbeite intensiv ich darauf, dass der Preis stimmt, soweit an meinen Bildern. Sie werden lange aufdas noch überschaubar ist. Das sind doch gebaut, dann wieder zerstört und erst dann schließlich ihre Werte, die sie da in den startet der Prozess, der zur endgültigen Sammlungen haben. Mir ist es wichtig, Aussage führt. - Man muss sich aber auch dass die für mich stärksten Arbeiten in in die Gesellschaft bewegen und ich schätgute Sammlungen kommen. Aber auch die ze die Gespräche mit meinen Sammlern. Sammler haben Interesse, mich in Aus- Ich kann viel daraus schöpfen und dabei stellungen zu platzieren. Es geht einfach werden mir manche Zusammenhänge klar. darum, die Karrierepläne mit den Samm- Immer wieder kommt es zu tollen Gesprälern zu besprechen, das ist eine ganz ein- chen mit Menschen, die auch etwas auslöfache Kommunikation. Außerdem unter- sen können. Ich mache die Kunst ja nicht stützen die Sammler natürlich Kataloge für mich, sondern für die Menschen.


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Space Shuttle Atlantis seen over The Bahamas, July 10th 2011, 10:07 am Photo ©: NASA

NASSAU CALLING. Art in The Bahamas [re]-visited 30. September – 21. November 2015 Eine Gruppenausstellung von KünstlerInnen aus den Bahamas, kuratiert von Amanda Coulson, Direktorin der National Art Gallery of The Bahamas und dem in Nassau lebenden Galeristen und Kunsthistoriker Ulrich Voges. Mit Werken von: John Beadle, Dionne Benjamin-Smith, John Cox, Blue Curry, Kendra Frorup, Kendal Hanna, Ken Heslop, Arnold Kemp, Jeffrey Meris, Kareem Mortimer, Piaget Moss, Angelique Nixon, Holly Parotti, Jackson Petit, Khia Poitier, Omar Richardson, Heino Schmid, Steven Schmid, Nadine Seymour Munroe, Dave Smith, Giovanna Swaby, Tessa Whitehead, und Natalie Willis. HilgerBROTKunsthalle, Absberggasse 27/2.3, 1100 Wien – Österreich Mi – Sa, 12 – 18Uhr / Eintritt frei www.hilger.at Mehr Informationen: katrin.dworczak@hilger.at


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