Artmagazine print 10

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Auk ti o n s w o c he 9 . – 12. JU NI 2015 Zeit ge n Ü ssis che Ku n s t , K l a s s i s che M oder ne, Si lb er, J u w elen, U hren Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien Tel. +43-1-515 60-570, client.services@dorotheum.at, www.dorotheum.com


Kunsthalle Wien Museumsquartier & Karlsplatz

#Destination Ausstellung

Guido van der Werve, Nummer acht, everything is going to be alright (Detail), Golf of Bothnia FI, 2007, Produktionsaufnahme, Courtesy des Künstlers, Foto: Johanna Ketola

17/4 – 31/5 2015

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Adrian Alecu Ovidiu Anton Anna Artaker Kurdwin Ayub Josef Bauer Cäcilia Brown Adrian Buschmann Hugo Canoilas Julian Charrière Mitya Churikov Los Destinados (Julius Deutschbauer / Klaus Pobitzer / Panos Mylonas) Eva Egermann Christian Eisenberger Christian Falsnaes Marina Faust Lukas Feigelfeld Daniel Ferstl Andreas Fogarasi Heinz Frank Heribert Friedl Peter Fritzenwallner G.R.A.M. Kerstin von Gabain Till Gathmann Aldo Giannotti Sofia Goscinski Julian Göthe Eva Grubinger Harald Gsaller

Rebekka Hagg Michael Heindl Nicholas Hoffman Ana Hoffner David Jourdan Barbara Kapusta Eric Kläring Tonio Kröner Tina Lechner Sonia Leimer Paul Leitner Constantin Luser Nana Mandl Christian Mayer Ralo Mayer Sarah Mendelsohn Melitta Moschik Hans Nevidal Josip Novosel Denise Palmieri Michael Part Nicola Pecoraro permanent breakfast (Friedemann Derschmidt / Abbé Libansky / Karin Schneider / Barbara Zeidler) Lilly Pfalzer / Sergio Valenzuela Karin Pliem Johannes Porsch Hanna Putz

Andreas Reiter Raabe Ritornell Valentin Ruhry Maruša Sagadin Ari Sariannidis Johann Schoiswohl Leander Schönweger Misha Stroj Philipp Timischl Jenni Tischer Octavian Trauttmansdorff Nadim Vardag Salvatore Viviano Tanja Widmann Birgit Zinner

www.kunsthallewien.at

Kunsthaus Graz Universalmuseum Joanneum

Landschaft in Bewegung Filmische Ausblicke auf ein unbestimmtes Morgen 13. 03. – 26. 10. 2015

In Kooperation mit Camera Austria, Diagonale 2015 und dem Österreichischen Filmmuseum Lendkai 1, 8020 Graz, Di – So 10 – 17 Uhr www.kunsthausgraz.at

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F. E. A. G. A.

Federation of European Art Galleries Association

Visible Invisible The European Gallery Award, founded by the Federation of European Art Galleries Association (F.E.A.G.A.), was created to make the work, effort and dedication of galleries and their importance for art more visible and valued. Since 2005 the winners are announced at an award ceremony at ART BASEL. Former award winners have been: 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Ernst Beyeler, Switzerland; Galerie Esther Schipper, Germany Galerie Denise René, France; Ellen de Bruijne Projects, The Netherlands Annely Juda Fine Art, Great Britain; Zeno X Gallery, Belgium Galerie Hans Mayer, Germany; Layr/Wüstenhagen, Austria Galeria Soledad Lorenzo, Spain; Galerie BQ, Germany Galerie Kaj Forsblom, Finland; V1 Gallery, Denmark Studio La Città, Italy Galerie Krinzinger, Austria; Freymond-Guth Fine Arts, Switzerland Leslie Waddington, Great Britain; Ani Molnár Gallery, Hungary Galerie Gisela Capitain, Germany; Galerie Jocelyn Wolff, France

This year‘s award winners will be announced on June 17, at 10 a.m. Please contact feaga@xs4all.nl for invitations.

www.europeangalleries.org


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S eite 4

nina schedlmay er

S eite 8

Thomas D. Trummer

1 5 und auf Wienwoche

punctu m und unicu m

Auf Kunst-Interventionen, denen es sichtlich bloß um Superlative geht, kann man verzichten.

Die Ermächtigung des Realen über seine Bilder

S eite 4

S eite 5

R ainer Metzger

S eite 8

Rainer M etzger

Traum g e s ic h t

Schlechtes Benehmen

Die Angst vor dem Overkill kehrt zurück.

Der Kunstbetrieb hat ein schönes Stück symbolisches Kapital verspielt.

R oland Schö ny

S eite 9

Thomas D. Trummer

Band of Br other s

Un t er d e m ze ic h e n de r aus b e utung

Selbst- und Ortserkenntnis in Museen.

Ein ambitioniertes Projekt, das sich allerdings mehr als Konstruktion, denn als Statement auffaltet. S eite 6

Martin Fritz

S eite 1 0

2 0 Her au sfor derungen für eine öffentliche Institu ti on

Kun s tm arkt h e ute : D e r Pre is d e r Date n Vor unseren Augen entsteht ein datengetriebener Kunstmarkt.

S eite 6

Daniela Gregori

M artin Fritz

S eite 1 1

Rainer M etzger

D i e S am m le rd ate n s am m le r

Her zogin von al ba

Die Informationen zu KunstsammlerInnen sind oft schwer zu bekommen.

Die Herzogin ist tot. Es lebe die Herzogin.

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Daniela Gregori

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nina schedlmayer

Alpin e Akte

Teu felsker l !

Alfons Waldes freizügig vorgeführte erotische Existenz inmitten der Bergwelt

Beltracchis Spielchen sind nicht witzig.

Liebe Freundinnen und Freunde von artmagazine.cc! 15 Jahre, 24 Stunden an 7 Tagen der Woche bringt Ihnen armagazine. cc nun schon Ausstellungsbesprechungen, Berichte von Kunstmessen weltweit, Neues aus der Kunstwelt, Tipps, Vernissgentermine sowie Kommentare und Blogs unserer AutorInnen zu aktuellen Themen aus dem Kunstbetrieb. Dazu feiert auch artmagazine_print seine 10. Ausgabe. Das gibt uns Anlässe genug, Ihnen hier eine Auswahl der interessantesten Texte von Rainer Metzgers Blogs, den Causeries du Lundi von Martin Fritz und Thomas D. Trummer, den Glossen von Nina Schedlmayer und neueste Rezensionen von Roland Schöny und Daniela Gregori zum Nachlesen zu präsentieren und Ihnen Lust auf mehr unseres reichhaltigen Angebots online zu machen.

fordern die Entwicklung neuer Konzepte des Publizierens aber auch alternative Geschäftsmodelle, mit denen das Überleben der Medien und AutorInnen sichergestellt werden kann. Gleichzeitig gerät das Modell der zeitgenössischen Galerie und ihrer Vermittlungsarbeit spätestens seit der exorbitanten Preisentwicklung bei Auktionen unter massivem Druck. Eine neue Generation von investmentgetriebenen KunstsammlerInnen befeuert die Preise von KünstlerInnen, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen, während die Verkäufe vieler vermeintlich Etablierter bestenfalls stagnieren. Dies sind die Themen, denen wir uns bereits in früheren Ausgaben des artmagazine_print gewidmet haben und die wir online kontinuierlich weiter verfolgen.

Die letzten 15 Jahre waren geprägt von einem grundlegenden Wandel wie Medien sich mit Kunst auseinandersetzen und wie dieses Sprechen über die Kunst rezipiert wird. Waren es zu Beginn des Jahrhunderts primär die Bedingungen eines explodierenden Kunstmarkts, steht die Kunstkritik jetzt vor den selben Problemen, die das gesamte Feld der Zeitungen und Zeitschriften betreffen: Social Media, Smartphones und Tablets

Mit dieser Ausgabe laden wir Sie, liebe Leserin, lieber Leser einmal mehr ein, den Diskurs über die aktuellen Entwicklungen in der Kunst- und Medienwelt mit uns zu führen, Ihre Kommentare zu unseren Artikeln online zu posten und das artmagazine in seiner Entwicklung kritisch zu begleiten. Werner Rodlauer, Herausgeber

IMP R E S S U M : CHE F R E D A K T I ON, HER AU S G EB ER : Wer ner Rodlauer . REDAKTION S- UN D VERWA LT U NG S A DRE S S E : a rt m a g a zi n e Kun st -In fo rm a t i o n sg e se llsc ha ft m .b.H ., B re i t e G a ss e 1 7 / 4 , 1 0 7 0 Wi en , T: + 4 3 1 5 2 4 9 6 4 6 2 5 , F : + 4 3 1 5 2 4 9 6 3 2 , E : r ed a k ti on @a r tm a ga z i n e. c c , ww w . a r t ma g a zi n e.cc. ANZ EI G ENLEI TUN G: Aur elia J ur t schit sch, anz eigen@ar t m a g a zi n e .c c . G RA F IK: a rt m a g a zi n e . DRU C K: Je n t zsc h, 1 2 1 0 W i e n . CO V E R : A g o s t i n o B on al u mi ( 1935–2013), Ohne Tit el, 1966, vier Wer ke, Temper a Vi n yli c a uf st ruk t uri e rt e r L e i n w a n d , j e 2 7 x 2 7 c m , € 1 6 0 .0 0 0 – 2 4 0 .0 0 0 (B e za hlt e A n z ei ge)


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nina schedlmayer

Rainer M etzger

15 und auf Wienwoche

Traumgesicht

Auf Kunst-Interventionen, denen es sichtlich bloß um Superlative geht, kann man verzichten.

Die Angst vor dem Overkill kehrt zurück.

Ja, Versailles. So schön, so groß, so Jeff Koons. Kam ja nicht überall besonders gut an, als jener Mann, dessen Name zum Synonym für einen irren Kunstmarkt wurde, das Schloss von Ludwig XIV. ausstattete – aber Zahlen schlagen eben jedes Argument, egal ob es sich um Besucher oder Preise handelt. Seit einem Monat hat auch Wien seine Koons-Schloss-Kombi, wenn auch etwas kleiner dimensioniert: In der Sala Terrena des Oberen Belvedere begrüßt einer der vielen „Hulks“ das Publikum, mit kraftmeierisch angewinkelten Armen, weitere Spielzeuggefährten auf den Schultern balancierend.

Dahinter, in einer Achse mit dem Hulk, verkörpert der „Letzte Mensch“ von Anton Hanak – der halt auch zufälligerweise die Arme von sich streckt – die reinste Verzweiflung. Die Kunstwerke laden einander nicht auf, im Gegenteil: sie entwerten sich gegenseitig. Der Koons wirkt zwischen den existenziell bedrückten Skulpturen geradezu lächerlich; diese wiederum erscheinen vor dem Comic-Ungetüm vor allem pathosgeladen. Doch immerhin sorgt es für gute Laune – zumindest bei jenen Teenagern, die sich um das grüne Ding scharen, einander daneben abfotografieren und es kichernd anstupsen, offenbar nicht um die „gigantischen Preise“ wissend. Noch immer begreife ich nicht ganz, warum jedes Museum auch in Gegenwartskunst machen muss. Auf Interventionen dieser Art – denen es sichtlich bloß um Superlative geht – kann man jedenfalls verzichten. Es sei denn, man ist 15 Jahre alt und auf Wienwoche.

Schon am Anfang des dazugehörigen Textes ist die Rede von den „gigantischen Preisen am Kunstmarkt“, die Jeff Koons einfährt – erst weiter unten geht es um Inhaltliches, nämlich die angebliche „Transzendenz“ des „Titans“, dem „Stahlkraft“ und „Strahlkraft“ zugeschrieben werden. Von der Strahlkraft ist allerdings nicht viel zu merken, steht der Muskelprotz doch etwas verloren zwischen den vier riesigen barocken Atlanten, denen man die Mühe Glosse vom 14.10.2014 ihres Arbeitseinsatzes ansieht – die wahren Mehr unter: Titanen hier sind sie. www.artmagazine.cc/meinung.html

Gerade leben wir in vehementen Tagen. Die Ukraine-Krise hält die Welt in Aufruhr, und man wird Augenzeuge diverser Befindlichkeiten. Hollande will außenpolitisch retten, was er innenpolitisch längst hergegeben hat. Merkel will beweisen, dass in ihr die deutsche Sozialdemokratie zur Vollendung kommt. Lawrow hält in München eine Rede, die nicht un-, sondern meta-diplomatisch ist. Und in den USA ist schon Wahlkampf. Die Ängste blühen. 50 Prozent der Deutschen, weiß die Bildzeitung, befürchten, als hätten sie alle es schon mitgemacht, einen Krieg gegen Russland. Die Süddeutsche titelt „Als hätte der Kalte Krieg nur Pause gemacht“. Die F.A.Z. wirft sich zu einem apokalyptischen „Der Tag, an dem die Welt zerfiel“ auf. Und bei derstandard. at posten sich noch mehr Wirrköpfe als sonst ihre Pathologien von der Seele. Es gibt eine Art kollektive Sorge. In den Achtzigern, als Nena 99 Luftballons beschwor, die 99 Jahre Krieg vom Zaun brachen, und Minimal-Veteran Robert Morris auf monströsen Tafelbildern Leichenberge verteilte, hatte ich im Traum

immer wieder das Bild einer sich am Horizont hochtürmenden Explosion. Es muss eine Art Atompilz gewesen sein, und wie sich in vielerlei beängstigten Gesprächen ergab, war es nicht nur mir so ergangen. Beruhigender Weise verschwand die Vision, als auch die reale Gefahr eines nuklearen Konflikts wenn nicht überwunden so jedenfalls von anderen, handfesteren, alltäglicheren politischen Problemen überdeckt wurde. Jetzt kehrt die Angst vor dem Overkill zurück.

lichem „Gekläubel“ (das Wort hat er in die deutsche Sprache eingeführt), in Reiselust und Funktionärsgehabe und insgesamt in einer bildnerischen und literarischen Hinterlassenschaft, die es ermöglicht, sein Leben ziemlich genau zu rekonstruieren. Bestandteil der Selbstauslotung ist eine frühe Form von Psychologie. Und so ist eines der erstaunlichsten, für uns Heutige nichts anderes als modern anmutenden Blätter entstanden, ein Stück Innenschau, in dem einer aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Das „Traumgesicht“, wie Dürer es nennt, erinnert ganz einschlägig, geradezu modellhaft, an eine bestimmte Vision. So sieht Dürers Aquarell samt Beschriftung aus: „Im 1525 Jahr nach dem Pfingsttag zwischen dem Mittwoch und Pfintztag in der Nacht im Schlaf hab ich dies Gesicht gesehen, wie viel großer Wassern vom Himmel fielen,“ heißt es im Text; es ist Wasser, nicht Feuer, das hereinbricht: „Aber do das erst Wasser, das das Erdreich traf, schier herbeikam, do fiel es mit einer solchen Geschwindigkeit, Wind und Brausen, daß ich also erschrak, do ich erwacht, daß mir all mein Leichnam zittret und lang nit recht zu mir selbs kam.

Aber do ich am Morgen aufstund, molet ich hier oben, wie ichs gesehen hätt. Gott wende all Ding zum besten.“ Die Instanz, die Dürer anruft, um den Schrecken zu bannen, ist uns abhanden gekommen. Vielleicht hilft uns dafür die Erkenntnis, dass Russland und die EU im Grunde das Gleiche wollen: Verhindern, dass die Ukraine in den Verfügungs-, Verantwortungs- und vor allem Versorgungsbereich des Westens gerät.

Einer, der sich mit Apokalypsen auskennt, denn eben die Illustrationen zum letzten Buch der Bibel standen am Anfang seiner Karriere, ist Albrecht Dürer. Er ist einer der bedeutendsten Künstler überhaupt, man kann sagen, mit ihm beginnt, was einen Künstler ausmacht: ein ausgeprägtes Ego nämlich, das sich in Auto-Porträts in Christus-Form und frühestem Selbstakt Blog vom 8.2.2015 zeigt, in Geldgier und ewigem Gejam- Mehr unter: mere, in großer Meisterschaft und klein- www.artmagazine.cc/blog.html Jeff Koons, Hulk (Friends), 2004-2012 Polychrome Bronze, 181 x 123,2 x 66 cm, © Jeff Koons Ausstellungsansicht Belvedere, 2014

Albrecht Dürer, Traumgesicht, 1525 Aquarell auf Papier Kunsthistorisches Museum Wien


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R oland Schö ny

Unter dem zeichen der ausbeutung Ein ambitioniertes Projekt, das sich allerdings mehr als Konstruktion, denn als Statement auffaltet. Der Funke ungetrübter Begeisterung möchte nicht so recht überspringen, obwohl eine spannende Frage, nämlich die nach Leitbegriffen, Vorstellungen und Materialien, die für unsere Epoche stehen, das Ausgangsmoment bildet. Roger Hiorns, Untitled, 2012 Foto: Jens Ziehe / TBA21, 2015

Vom Primat der Ökonomie ausgehend, würde man bald auf die Troika kommen, auf gemachte Massenarmut oder zunehmende Migration. Genauso bestimmend wäre die Tatsache umfassender digitaler Kontrolle. Technologisch manifestiert sich dies auf der Ebene der Kommunikation per Smartphone oder Tablet, wobei die ausgebeuteten Rohstoffe zu deren Herstellung eine zentrale Rolle spielen. Das Ausstellungskonzept des Künstlers und Kurators Boris Ondreicka gemeinsam mit Nadim Samman geht von der enormen Bedeutung genau dieser seltenen Metalle aus. In NewsMeldungen werden Terbium, Lanthan

oder Praseodym kaum genannt. Die insgesamt 17 »Rare Earth Elements« sind aber wichtig für prägende technische Innovationen in der Medizin wie auch umgekehrt in Waffensystemen oder der Reaktortechnologie. Yttrium war in Verbindung mit Kobalt für den Bau von Fernsehbildröhren wichtig. Terbium hingegen wirkt heute bei der Erzeugung weißen Lichts auf LCDBildschirmen mit. Leicht zu verstehen ist somit, dass die »Rare Earth Elements« auch als Konfliktmaterialien bezeichnet werden. Deren zunehmende Ausbeutung dynamisiert den Kampf um globale wirtschaftliche Vormachtstellungen.

Versuch einer Zeitdiagnose Mit diesem ernst zu nehmenden Versuch, von Materialien und Produktionsprozessen ausgehend eine Zeitdiagnose zu formulieren, knüpft die Thyssen-Bornemisza Art Contemporary an ökologisch und gesellschaftskritisch orientierte Projekte wie »The Sovereign Forest« im Winter 2013/14 an. Während damals ein durchgehender Erzählstrang durch die Ausstellung von Amar Kanwar führte, sind die einzelnen künstlerischen Ansätze hier zu weit auseinanderliegend, um eine zusammenhängende Narration aufzubauen. Außerdem spielen nun auch Mythenbildungen und kulturelle Motive eine Rolle. Wissenschaft ist mit Bildern von Alchemie, mit Experiment und Unwägbarem verbunden. Eine spannend wirkende Installation mit Laborcharakter von Marguerite Humeau greift dies auf, indem sie sich auf eine okkulte Erzählung von H. P. Lovecroft bezieht. In dem Ensemble organisch-technoider Skulpturen wird zudem der Klang einzelner Metalle über Verstärker hörbar. Sehr zurückgenommen, doch mit umfassender Wirkung im Raum arbeitet Julian Charrière, der mit Lithium beschichtete Glasplatten an den Fenstern des ehemaligen Ambrosi-Ateliers, wo die TBA-21 sich befindet, anbrachte. Es entsteht ein ähnlicher Effekt wie im Inneren von Kirchen oder Forschungsräumen. Lithium wird häufig in Verbindung mit den „Seltenen Erden“ verarbeitet. Die meisten der KünstlerInnen sind knapp über 30 und waren bereits in prominenten Institutionen vertreten. Viele verfolgen grundsätzlich ökologische Themen oder stellen in ihrer Arbeit Fragen nach dem Material. Jedoch entsteht unter dem Dach des gemeinsamen Themas kein klares Bild. Die Ausstellung mit ihrem hochinteressanten Ansatz wirkt zu angespannt. Etwas hingegen muss auf jeden Fall positiv verbucht werden; nämlich die Bereitschaft, in die Kunstproduktion und somit in die Neukonzeption und Herstellung von Arbeiten relativ junger KünstlerInnen finanziell zu investieren. Lesen Sie den gesamten Text auf www.artmagazine.cc/ content82866.html

Ai Weiwei Rare Towe, 2015 Foto: Jens Ziehe / TBA21, 2015

Oliver Laric Sun Tzu Janus — 2013 Foto: Jens Ziehe / TBA21, 2015

TBA21 Augarten Rare Earth 20.02.2015 bis 31.05.2015

Iain Ball, Neodymium (Energy Pangea), 2011, Foto: Joe Clark / TBA21, 2015

SOMMER KUNSTMESSE DORNBIRN /A

10 – 12 JULI 2015 FR, SA 13 BIS 19 UHR SO 11 BIS 18 UHR

Messe Dornbirn Messeplatz 1, A-6854 Dornbirn artbodensee.info, facebook.com/artbodensee

15 Das Festival rund um Nikolaus Harnoncourt www.styriarte.com • www.graztourismus.at


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M artin F ritz

Kunstmarkt heute: Der Preis der Daten Vor unseren Augen entsteht ein datengetriebener Kunstmarkt. . Ein international aktiver Künstler berichtet: GaleristInnen wären immer häufiger mit folgender Situation konfrontiert: Nach der Preisauskunft zückt die Kundschaft das Smartphone, tippt herum, bietet ein Drittel des genannten Preises und bezieht sich dabei auf ein Auktionsergebnis, ein Ranking oder ein anderes (Informations) Angebot aus den Tiefen des Datenraums. Die anekdotische Szene illustriert einen tiefgreifenden Wandel des Kunstmarkts, der im digitalen Zeitalter angekommen scheint. Im Unterschied zu anderen Branchen vollzieht sich der Wandel hier nicht über die Digitalisierung des Produkts – wie für Film, Musik und Buch –, sondern über die Veränderung der Informationslandschaft. Dies geschieht in Verbindung mit einer globalen Ausweitung von Angebot und Nachfrage. Kunstdatenbanken, Auktionsarchive und Social-Media gehen dabei Hand in Hand mit dem Onlinehandel und einer globalen Ausweitung des Messesystems. Eine Schlüsselrolle in der schönen, neuen Kunstmarktwelt spielen Preisdatenbanken und verschiedene andere Versuche, über Indizes und Rankings zu einer Mathematisierung des Marktgeschehens beizutragen. Die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Finanzwirtschaft spielt eine wesentliche Rolle: Die Anforderungen für die legitime Bewertung von Vermögen sind im Zuge der diversen »Blasen« der jüngeren Vergangenheit weltweit gestiegen. InvestorInnen benötigen solide Fakten für die Bewertung ihrer verschiedenen Anlageklassen. Insbesondere wenn sie daran denken, Teile ihres Vermögens zu verkaufen oder als Sicherheit in Finanzierungsgeschäfte einzubringen, sind Nachweise für bisweilen nur behauptete Werte fällig. Zugleich müssen sich jene absichern, die – z.B. als Privatbanken oder Fonds – ihren Kunden den Ankauf von Kunst empfehlen. Allen Beteiligten dieser Anlage- und Finanzierungsszene ist somit mit Werkzeugen gedient, die eine Versachlichung der Preis- und Wertfestsetzungen im Kunstsystem zumindest versprechen. Dabei hat Information ihren Preis. Artprice, nach eigenen Angaben »Weltmarktführer für Kunstmarktinformationen«, verlangt für EinsteigerInnen 24 Euro für 24 Stunden. Für EinzeluserInnen mit unlimitiertem Zugang kostet das Service 415 Euro jährlich. Geboten werden Auktionsergebnisse seit den 1980er Jahren, KünstlerInneninformationen und Indizes, wie einen »Artmarket Confidence Index«, der ausgerechnet im letzten Monat von 25 auf 15 gesunken sein soll. Artnet, ein anderer Anbieter im Kunstmarktdatengeschäft, startet sein Angebot bei fünf Abfragen für 29,50 Dollar und steigert den Preis für die Ware Information auf 1.986 Dollar im Jahr für bis zu 1.000 Preisabfragen. Der Index ArtRank verkauft zwei Wochen vor seiner Veröffentlichung jeweils 10 »Early Bird«Exemplare seiner Erkenntnisse – »just in time for Art Basel Miami« – für 3.500 Dollar. In allen Fällen ist zur Preisgestaltung zu sagen, dass die Kosten in einer Welt, in der fünfstellige Preise als »günstig« bezeichnet werden, wohl nicht allzu sehr ins Gewicht fallen werden. Einen Gratiseinblick in die Welt der oberen Zehntausend ermöglicht ein Informationsprodukt aus dem Hause Skate´s, gegründet vom ehemaligen ViennafairMiteigentümer Sergey Skaterschikov. Die frei zugängliche Liste der »Skate´s Top 10.000« versammelt die zehntausend teuersten Kunstwerke, soweit sich dies auf der

Basis öffentlicher Auktionen feststellen lässt. Das aktuell »billigste« Werk auf dieser Liste mit einem Gesamtwert von derzeit 48 Milliarden Dollar ist Vincent van Goghs »Die Näherin beim Fenster«, für das ein Verkaufsergebnis von »nur« 1.493.831 Dollar aus dem Jahr 2008 angeführt wird. In den Kommentaren, die Skate´s mit der Liste publiziert, wird deutlich, dass auf dieser Ebene jene Kennzahlen im Vordergrund stehen, die Finanzmärkte zur Rationalisierung ihrer Risiken benötigen. Dabei geht es neben der Ermittlung des Werts insbesondere um die »Liquidität« eines Markts, also um »die Fähigkeit, im Markt ein Wirtschaftsgut schnell gegen ein anderes zu tauschen«, wie die Wikipedia-Definition lautet. Diese Möglichkeit zum schnellen Verkauf ist eine notorische Schwachstelle des herkömmlichen Kunstmarkts, weswegen der »Finanz-KunstMarkt« versucht, das Verkaufsrisiko durch Preistransparenz, neue digitale Handelsplattformen und niedrigere Verkaufsprovisionen zu minimieren. Erleichterte Verkaufsmöglichkeiten stabilisieren wiederum die Werte der Werke und damit ihre Eignung als Eigenkapital und Kreditbesicherung. Wenn Skate´s also über die letzte Woche spricht, in der bei Christie´s unter anderem zwei Warhols (aus dem Besitz einer landeseigenen Glücksspielgesellschaft mit dem schönen Namen »Westspiel«) versteigert wurden, klingt das dann so: »In many ways, this week was the Warhol week – 18 artworks out of 138 priced within the Skate’s Top 10,000 range were by Warhol, confirming outstanding breadth and liquidity of Warhol market, now by far the world’s second largest after Picasso ($2.7 billion for Warhol and $4.1 billion for Picasso). As it is the case with Picasso market, the market for Warhol works offers something that most of the other artist markets do not – liquidity.« Wer solche Zeilen als Beleg dafür liest, dass der Stellenwert kritischer Kunstbetrachtung gegenüber den jeweiligen Markteinschätzungen in den Hintergrund tritt, wird auch skeptisch auf die Nachricht reagieren, dass der datenverliebte Analytiker Skaterschikov das Kunstmagazin »ARTnews« gekauft hat, übrigens nur Wochen bevor das »Art Newspaper« von der russischen Mathematikerin, Unternehmerin und Sammlerin Inna Bazhenova gekauft wurde. Auf die vielfältigen Verflechtungen des Informationssektors mit Kunstmessen und Onlinehandelsplattformen kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.

Daniela Gregori

Die Sammlerdatensammler Die Informationen zu KunstsammlerInnen sind oft schwer zu bekommen. Larry‘s List will mit einer neuen Publikation Abhilfe schaffen aber die hohe Dunkelziffer bleibt.

Am Beginn des Projektes stand die Frage eines Junggaleristen, wie er wohl an die Kontakte von Sammlern gelangen könnte, und die Erkenntnis, dass zwar Kunstwerke käuflich, zweckdienliche Informationen zu Sammlern es jedoch mitnichten sind. Diskretion gilt ja dann doch als eine der edelsten Tugenden des Kunstbetriebes. Aus diesem Mangel heraus wurde von besagtem Galeristen, Magnus Resch ist sein Name, 2012 Larry’s List, eine OnlineDatenbank über Sammler und die Schwerpunkte ihres Tuns gegründet. Diskret bleibt man hier dennoch, stammen die Informationen allesamt doch aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie Zeitungen, Magazinen und was sich sonst noch im Netz und Archiven finden lässt. Zusammengetragen werden diese von einem emsigen, Hier schließt sich der Kreis zu den Smart- in aller Welt verstreuten Rechercheteam, phones in der Hand der Kaufwilligen: aktualisiert wird ständig. Information in allen Formen war immer Treibstoff für das Marktgeschehen. Immer- Mehr als 3000 Einträge von Sammlern hin feiert der »Kunstkompass«, einer der samt Profilen sind es mittlerweile, ein Serfrühesten Indexversuche im Bereich aktu- vice, der allerdings nicht zu Schnäppcheneller Kunst, in diesem Jahr bereits sei- preisen angeboten wird. In Zusammennen vierundvierzigsten Geburtstag. Ob arbeit mit der Universität Zürich hat das Documenta-Teilnahmen, Auktionserfolge Unternehmen mit Sitz in Hongkong nun oder Ankäufe durch renommierte Insti- die unheimliche Datenmenge analysiert tutionen, seit jeher flossen alle diese Fak- und präsentiert die Ergebnisse nun im ten – neben der kunsthistorisch-kritischen eben erschienenen „Art Collector Report Bewertung – in die Wertfestsetzungen des 2014“. Der Band ist kein Wälzer, kommt Kunstmarkts ein. Dies ist altbekannt. Neu auf den ersten Blick eher wie eine Kunstist der Umstand, dass die Tiefe der Infor- zeitschrift daher und bietet im Inneren, mation an allen Orten, in Echtzeit und in aufgelockert durch das eine oder andere schnell wachsender Fülle zur Verfügung Sammlerinterview, jede Menge erstaunsteht und sich damit der Kreis der Wis- liche Zahlen samt Analysen über die weltsenden vergrößert. Vor unseren Augen weite Sammlerschaft, zumindest jene, die entsteht ein datengetriebener Kunstmarkt, öffentlich zugängliche Spuren hinterlässt. dem die Börse eher als Vorbild dient als der Und eben hier ergibt sich eine gewisse ProSalon. blematik von Larry’s List. Die Schweizer, die bekanntermaßen doch recht aktiv am Causerie du Lundi vom 17.11.2014 Investieren in Kunst sind, machen dies

offensichtlich noch diskreter als die Russen, sodass die Eidgenossen im Ranking der Sammelfreudigen gar nicht, die Russen mit der einschlägigen Szene in Moskau an 20. Stelle aufscheinen. Angeführt wird jene Liste von New York, gefolgt von London. Berlin ist demnach an 7ter, Wien an erstaunlicher 17ter Stelle. Man erfährt, dass sich Deutschland mit 45 privaten Sammlermuseen durchaus mit den 48 in den USA messen kann was das Engagement anbelangt und bekommt belegt, dass die Szenen und Märkte mit einer Fokussierung auf die heimische Produktion rasant am Wachsen ist. Doch hat man das angesichts der Aktivitäten von Biennalen, Messen und sonstigen einschlägigen Großveranstaltungen nicht ohnedies vermutet? Freilich sind all die Listen, Ländervergleiche und resümierende Ausblicke lehrreich und alles andere an langweilig. Für Galeristen und Händler, die sich auf neuen Pfaden oder fremden Terrains zu bewegen planen, ist Larry’s List womöglich Gold wert. Doch der Report belegt in Zahlen das, was sich am globalen Marktgeschehen ohnedies abzeichnet. Was die Sammlerszene anbelangt, gib es jedoch die Dunkelziffer jener Gruppe von SammlerInnen, die nicht ganz so mitteilungsfreudig und vernetzt sind. Oder aber jene, die schlicht keinen Wert darauf legen, dass man ihre Daten samt Konterfei für viel Geld erwerben kann. Art Collector Report 2014 Herausgeber Larry‘s List Ltd. www.larryslist.com Text: Christoph Noe, Magnus Resch Englisch, 72 Seiten ISBN 978-3-86984-530-2 EUR 38,00


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Daniela Gregori

Alpine Akte A lfons Waldes freizügig vorgeführte erotische Existenz inmitten der Bergwelt

gleich Walde sich entsprechende Fotografien aus Paris als Vorlage für seine erotischen Gemälde kommen ließ, haben viele seiner eigenen Aufnahmen Eingang in sein Werk gefunden.

Der April im Gebirge. Noch sind die Berge schneebedeckt, die aperen Stellen werden von Tag zu Tag größer. Endlich vermag es die Sonne, nicht nur die Landschaft in grelles Licht zu tauchen, sie beginnt wieder zu wärmen. Und an windgeschützten Orten ist es möglich, sich von dem einen oder anderen Stück Oberbekleidung zu trennen.

Neben einem Text von Peter Weiermair und einem Interview von Rebecca Reuter und Carl Kraus mit Michael Walde-Berger, dem Nachlassverwalter des Werkes seines Großvaters, stellt der sorgsam edierte Band auch Gemälde den fotografischen Vorlagen gegenüber und gibt damit erstmals direkten Einblick in die Arbeitsweise Waldes. Auch das verschneite Gehöft, Motiv zahlreicher Arbeiten findet sich auf jenen Kontaktstreifen, selbst das rote Tuch, sonst beliebter Farbtupfer als Lebenszeichen auf Fenster oder Balkon eines Bauernhauses, erscheint als Requisit der Fotoshootings.

Walde, geboren 1891 bei Kitzbühel, hatte bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu fotografieren begonnen, eine Leidenschaft, die ihn ein Leben lang begleiten wird. „SchauLust“, so der Titel einer von Peter Coeln herausgegebenen Publikation, legt den Fokus auf erotische Fotografie des Malers von den zwanziger bis in die vierziger Jahre. Entstanden sind sie alle mit einer Leica und - bald nach deren Aufkommen - auf Agfacolor-Filmen. Als Modelle standen Waldes Ehegattin wie auch verschiedene Frauen aus der Nachbarschaft zur Verfügung, entsprechend deren Verhalten vor der Kamera. Während die erotisch Vertraute mit ihrem Gegenüber zu kokettieren scheint, wendet so manche gestandene Bäuerin ihren Blick etwas scheu zur Seite, bedient sich schamhafter Gesten, ohne verkrampft zu wirken. Nicht minder entspannt muten jene Akte im volkstümlichen Ambiente in den Räumen von Waldes Heim an. Wenn

Romeo Castellucci Go down, Moses „Magisches, bildgewaltiges Theater.“ Süddeutsche Zeitung

Fotos: Alfons Walde um 1940, Fine Art Print vom Originaldia Alle Abbildungen © Bildrecht, Wien 2015

Alfons Walde Rückansicht der Tänzerin um 1940 Mischtechnik auf Karton

27./28./29./30. Mai 2015 jeweils 19:30 Uhr Theater an der Wien Information und Karten www.festwochen.at

Diese durchaus freizügig vorgeführte erotische Existenz inmitten der Bergwelt hat etwas heiter Unbeschwertes. Obszön ist sie mitnichten. Der einzige, der rot wie das Tuch wurde, ist ein Hummer auf einer der wenigen Stilllebenaufnahmen. Die Schlussvignette des Buches bildet die 1:1 Reproduktion eines Dias, für das Walde, lediglich bekleidet mit einer roten Mütze in der verschneiten Landschaft die Hose heruntergelassen hat. Porträt des Künstlers als nackter Wedler.

Peter Coeln (Hrsg.): SchauLust Die erotische Fotografie von Alfons Walde ISBN 978-3-7099-7170-3 192 Seiten, 210 x 280 mm mit über 130 Abbildunge gebunden mit Schutzumschlag Haymon Verlag, Innsbruck/Wien EUR 29,90

Juergen Teller, Kristen McMenamy, Hydra, No.12, 2013. Courtesy Christine König Galerie, Wien, © Juergen Teller

„1932 / April“ liest man auf einem der für eine Mappe gelochten Kartons, die den Kontaktabzügen als Untergrund dienen. Und es ist wie heute. Die Berge sind schneebedeckt mit einigen aperen Stellen, die Sonne scheint bereits sehr zu wärmen, denn die Protagonistinnen der Aufnahmen haben sich von sämtlicher Bekleidung getrennt und posieren fröhlich, bisweilen tanzend. Es ist ein durchaus umfassendes Konvolut, an erotischer Fotografie, das hier mit rund 2000 verglasten Farbdias, etwa 250 S/W-Filmrollen und einigen wenigen Vintageprints zusammengekommen ist. Hinter der Kamera stand Alfons Walde, der eigentlich für seine pastos aufgetragenen Berglandschaften bekannt ist, für Alpinsportler, mit denen sich prächtig für die Region werben ließ, für einsame Gehöfte und Frauen beim Kirchgang.


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Rainer M etzger

Schlechtes Benehmen Der Kunstbetrieb hat ein schönes Stück symbolisches Kapital verspielt. Dass im Gegenzug jede Menge ganz pekuniäres Kapital daherkommt, wird ihm seinen alten Status nicht zurückgeben.

Ernste Spiele 1, Watson ist hin, © Harun Farocki 2010 Courtesy: Galerie Thaddaeus Ropac, Paris/Salzburg

T homas D . T rummer

punctum und unicum Die Ermächtigung des Realen über seine Bilder „The Model“ heißt die Ausstellungshalle, die über der kleinräumigen Stadt wie ein minimalistisches Baumhaus ragt. Seamus Kealy, der neue Direktor des Salzburger Kunstverein, war schon in Sligo, einer Hafenstadt am nordwestlichen Rand Irlands, aufgefallen. Kealy zeigte dort eine Personale von Harun Farocki. Farocki, der präzise Kritiker und Sehkundige, und im Sommer 2014 verstorben, studierte angewandtes Filmmaterial, Bildillusionen, die nicht zur Überzeugung und zur Unterhaltung täuschend echt sind, sondern zur Erprobung und als Stresstest. Farocki war überzeugt: Bilder verlangen eine Art Täterprofil; – zum Beispiel jene, mit denen Marines darauf trainiert werden, sich in den Straßen Bagdads vor Heckenschützen und Selbstmordattentätern zu bewehren. Zum Studium und der Entscheidungssicherheit dienen Bilder und Filme, die ihre Herkunft aus der Videoästhetik nicht leugnen, doch anders als diese wirklich auf Kampferprobung abheben. In seiner ersten Salzburger Ausstellung wagte sich Kealy in ein ähnliches Metier, doch subtiler, mit Referenz zur kultivierten Fototheorie und verfasst im Salongespräch des Persönlichen. „Punctum“ nennt sich die Ausstellung in Anlehnung an Roland Barthes Begriff zur Fotogeschichte. Kealy lud 50 Gäste ein, Fotos auszuwählen. Der Grund: punctum ist nach Barthes die mysteriöse Leerstelle in einem Bild, das irritierende Detail, ein vager Ort, von dem aus das Bild Betrachter/innen in Beschlag nimmt. Im Gegensatz zum studium, allem Erlern- und Rekonstruierbaren an der Kunst, das schon Adorno als zu gelehrig kritisierte. Das punctum ist eine vergessene Evidenz. Tatsächlich. Doch heute scheint Wahrnehmung mit anderen Erfordernissen konfrontiert. Es sind nicht Winzigkeiten, durch die Bilder anziehen, sondern immer öfter Unfassliches und miese Großartigkeiten. Vor allem medial distribuierte Bilder schweißen ihre Gewalt zusammen,

schaffen Grauenamalgam und Aufregungsschauer. In solchen Bildern ist das punctum zu einem unicum geworden. Eine neue Theorie müsste sich mit dem unicum auseinandersetzen, den bewegten Monstren. Die Kunst wird darin eine Rolle spielen, jedoch nur eine, in der sie nicht genötigt wird, mit tatsächlichen Überwältigungen zu konkurrieren. Denn wenn sie gegen tatsächliche Macht ankämpft, verkommt sie nicht selten zum Dekor. Selbst Adorno meinte, Gesinnung ist nicht genug. Aber auch das Gegenteil, die Gelassenheit kann irritieren. Gerhard Richter, eigentlich Garant für famose und diskrete Bilder, wird dem Trauma von 9/11 nicht gerecht. In einem Kleinformat zieht er zähe Schlieren über ein allzu bekanntes Sujet. Die Farbbahnen sind gestische Spur und Andeutung mörderischer Flugbahn, jedoch nicht mehr als die Rückschau halb versiegter Erinnerung. Wir bemerken schnell: was durch Übermalung zur Kenntlichkeit gebracht wird, ist dazu verdammt, nicht zu versickern. Jedes neue Bild, das von diesen Bildern gefertigt wird, neigt zu einem Götzendienst, der kultisch das umzirkelt, was er verdammen möchte. Aufsässigkeit und Zudringlichkeit haben eine unerträgliche Sättigung erreicht. Aber warum? Wohl deshalb, weil das punctum sich veränderte, sich dehnte, vom Punkt zur Fläche. Wer Filme, Videodokumente und Fotos des 11. September genau betrachtet, bemerkt, dass es nicht Details sind, an die sich das Bild heftet, sondern die Ganzheit der Bilder. Und wie in einer paradoxen Umkehrung erscheinen uns die allgemeinen Schemen zutiefst persönlich, obwohl niemand behaupten kann, nur er wäre getroffen. Wir alle können Auskunft geben, über Ort und Zeit, als wir diese Bilder, ja dieses Geschehen, das erste mal wirklich sahen. Doch das ist nicht das individuelle punctum, sondern der hysterische Schauer eines kollektiven unicum.

Gerhard Richter, September (2009) Courtesy of the artist and Marian Goodman Gallery, New York/Paris

Art Basel in Hong Kong 2015, Foto: Jessica Hromas/Art Basel 2015 © Art Basel

„Das schlechte Benehmen haben die Deutschen von den Österreichern gelernt“: Diesen Satz gab vor einigen Jahren Christian Ludwig Attersee zu Protokoll, und er bezog sich auf allerlei Umtriebe, in denen Österreichs Kunstszene einst auf sich aufmerksam gemacht hatte, das legendäre 1967er „Zock-Fest“ oder die noch legendärere Brus-WienerWeibel-Kaltenbäck-Chose, die als „UniFerkelei“ in die Geschichte eingegangen ist. Attersee meinte aber auch die Zeiten dazwischen, da man im Beisl saß und über die Stränge schlug. Wie es aussieht, liebte man gerade deswegen auch Begriffe wie „zustandsgebundene Kunst“, denn nur in den Zuständen, die man an sich, gern auch mithilfe diverser Substanzen, herstellte, ließ sich vortrefflich das klassischavantgardistische „Je est un autre“ durchexerzieren.

Gierschlund, Betrüger, Über-den-TischZieher, und gäbe es nicht die herrliche Souveränität der Justiz würde er gänzlich verkommen. Die sechs Jahre Haft für den Kunstberater, dessen Berufsbezeichung nur noch in Anführungszeichen und mit dem Zusatz „selbsternannt“ versehen erwähnt wird, sind gerade genug für den Exponenten einer Liga, deren Elixier in der Grauzone gebraut wird. Der Rappel à l‘ordre, so der Tenor, ist wohl verdient. Im „Merkur“ vom März 2015 gibt es gleich zwei Essays, die im gleichen Terrain wildern. Burkhard Müller, renommierter Literaturkritiker, kühlt sein Mütchen am Fälscherpaar Beltracchi, Walter Grasskamp, der Chefsoziologe der bundesdeutschen Kunstszene, fragt nach der Logik, wie sie auftaucht, wenn ein rheinischer Kasinobetreiber zwei Warhols verkauft. Auch hier spielt Häme herein: Es geschieht allen nur ganz recht, wenn sie jetzt blöd dastehen, denn die anderen für blöd verkaufen war von jeher Strategie des Betriebs. Dessen Metier ist ja, so stellte es der jetzige Merkur-Herausgeber Christian Demand vor zehn Jahren in einem sehr einschlägig gewordenen Buch heraus, „die Beschämung der Philister“, das Unschädlichmachen jeder aus dem gesunden Menschenverstand heraus artikulierten Beschwerde mit den Mitteln der Unterstellung von Ignoranz und Kulturlosigkeit.

Die Deutschen ließen sich die Lektion nicht zweimal sagen. Speziell im Umfeld der Galerie Hetzler sprang der Funke über. Berühmt und berüchtigt die Herren Förg und Kippenberger, die ihres schlechten Benehmens wegen gar von der documenta ausgeladen wurden, nachdem ihnen Wolfgang Max Faust seinen knorrigen Aufsatz „Der Künstler als exemplarischer Alkoholiker“ hinterher geschrieben hatte. Da ließ sich auch mit Traditionen nicht mehr viel korrigieren, kein „Epater le Bourgeois“, kein Vorbild van Gogh und auch kein Etikett, auf dem irgendeine Wortfügung mit „wild“ klebte, konnte Lange hat der Kunstbetrieb in der Tat allzu helfen. Sie hatten einmal zu oft gekeilt. großartig getan, sich moralisch gegeben, bildungsbeflissen, überlegen eben. Dass er Betrachtet man die Sache von heute, waren dabei, wie Pierre Bourdieu immer schon das eher Kinderkrankheiten. Heute wird überzeugt war, nichts anderes absteckte als schlechtes Benehmen vorausgesetzt, und ein notorisches Feld heftigster Rivalitäten, wie es sich gehört für einen Kapitalismus, wurde unter den Teppich gekehrt. Der der mehr Kriminelle in einem Drei- Kunstbetrieb ist eine Spielwiese der Sterne-Lokal sitzen hat als in ganz Heuchelei. Jetzt hat er ein schönes Stück Süditalien, ist es längst nicht mehr mit symbolisches Kapital verspielt. Dass im Saufen verbunden. Heute ist schlechtes Gegenzug jede Menge ganz pekuniäres Benehmen eine Art Ingredienz des Kapital daherkommt, wird ihm seinen Geschäfts. Liest man die Kommentare alten Status nicht zurückgeben. zur Causa Achenbach, hat man den Eindruck, als hätten den Kunstbetrieb Blog vom 19.3.2015 die Selbstreinigungskräfte vollkommen Mehr unter verlassen. Der steht im Raum als www.artmagazine.cc/blog.html


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T homas D. T rummer

Band of Brothers Selbst- und Ortserkenntnis in Museen.

Haben Sie sich schon mal gefragt, wer Sie sind? Eine solche Frage stimmt nachdenklich. Manche, wie Hannah Arendt meinen, wir können nicht fragen, wer wir sind, nur wo wir sind. Die Philosophin meint den uns eigenen Standpunkt, unsere moralischen Verortungen und Sozialisierungen, die uns vertraut sind. Museen, eigentlich dafür erfunden, moralische Kultur in ästhetischen Niederlassungen zu verdichten, scheinen dafür nicht mehr der rechte Ort zu sein. Sie sind Unternehmen ähnlich geworden. Das ist kaum zu übersehen. Museen zielen auf Gewinn, Aufmerksamkeit und Wertschöpfung. Und doch ist unser Verhalten in ihren Räumen nicht denen in einem Unternehmen oder Kaufhaus ähnlich. In Museen verhalten wir uns nämlich wie interesselos Kundige oder solche, die es noch werden wollen. Im Ideal schreiten wir stumm und zur-Kenntnisnehmend durch die Hallen. Zeitgenössische Räume in lichtem Weiß oder schickem Sichtbeton treiben die emotionale Sterilität noch weiter. Was wir dort sehen, wird im besten Fall registriert. Als ginge es um eine Unbefangenheitsübung, werden Szenen lüsterner Erotik, mystische Landschaften, üppige Stillleben, hinterhältige Morde, religiöse Inbrunst, qualvolles Sterben, das ganze Repertoire der abendländischen Ikonografie mit einem Blick des fair und richterlich urteilenden Kenners quittiert. Das Toleranzverdikt der Moderne verlangt es so. Emotion soll erst frei werden, wenn wir den Shop betreten und die gelebte Gefühlsarmut an der Kasse sublimieren. Bis dahin folgt das Empfindungsverzeichnis vor den Bildern eher den Regeln des berüchtigten Beamtenmikado: Wer sich bewegt, hat verloren. Kein Wunder, dass sich die so genannten bildungsfernen Schichten kaum in die großen Häuser trauen. Nicht nur wegen der überteuerten Souvenirs. Die »institutional coolness« hat die Kunstwahrnehmung fest im Griff.

times of honesty, we wish we could be: a band of brothers, a true team, people who will bring out the best of one another. Strange though it might sound, this picture is about loneliness, for it tells us what we are missing when we feel lonely.“ Kunst wird nicht gedeutet. Sie wird über die Gestimmtheit und das Wo des Befindens eröffnet. Einiges, was vor dem Bild Unbehagen erzeugt, wird angesprochen: Überforderung, Enge, unpersönliches Treiben, auch Einsamkeit und Sinnsuche im Gedränge. Früher galt der Vorsatz, man müsse die Besucher/innen abholen, wo sie sind. Hier werden Betrachter/ innen an den Ort versetzt, an dem sie sind, um das gleiche zu erreichen. Aus ihnen wird gesprochen, um sie anzusprechen. Der kanonisierte kunsthistorische Bezugspunkt, der die Bedeutung des Bildes hervorstreicht, wird dafür aus den Angeln gehoben. Was erläuterungswert ist, sind nicht Geschichte und Bedeutung eines Gemäldes, sondern das Ich, das sich vor dem Bild einfindet und der Ort, an dem sich dieses Ich befindet. Nach dieser Lesart, die eigentlich keine ist, weil sie uns auf uns selbst zurückwirft, wird die »Nachtwache« zu einem mitreißenden, dramatischen Auftritt. Wir stehen vor einer polizeilichen Einheit beim Dienstantritt. Männer treten in die Nacht. Es sind kühne, fesche Falken, unternehmungslustige und furchtlose Recken. Tatsächlich. Wer sich von ihnen mitreißen lässt, vergisst das Bildungsgut, Rembrandts Malkunst und die Historie des holländischen Gruppenportraits. Vielmehr wird das Bild zum körperlichen Erlebnis. Die »Nachtwache« strotzt. Testosteron, Prunk, Pracht und Protz. Männliches knistert ohne Scheu im Breitwandformat. Nicht das erste Belegstück selbstbewusster Security in der Kunstgeschichte, aber sicher das theatralischste. Tatsächlich lieben es die Menschen wegen seiner Unbescheidenheit. Sie werden erfasst, an diesem Ort und vom eigenen Dasein. Aus demselben Grund fotografieren sie hastig, so als wäre es nötig, Doch es geht auch anders. So erfahren einen einzigartigen Moment festzuhalten, kürzlich im Rijksmuseum Amsterdam: „I der ohnehin seit dem 17. Jahrhundert still can’t bear busy places – I wish this room steht. were emptier.“ Der Satz klingt wie eine sms-Nachricht aus einer Bahnhofshalle. Vom Großteil der Menge, die sich zur Er steht auf einem Blatt in der Größe eines Selfi-Produktion hinreißen lässt, bleiben Sofatisches. Das gelbliche Papier hängt die Hierarchieverschiebungen der flapsig von der Wand direkt gegenüber der Beobachtung unbemerkt. Und dennoch. »Nachtwache« von Rembrandt van Rijn. Wer sie registriert, nimmt sich anders Jemand spricht zu uns und fühlt mit uns: wahr. Der Text auf dem gelben Blatt, der „This is a terribly poignant message: for das nächtliche Treiben auf eine intime here we are in this room, in a crowd, yet Erfahrung herunterbricht, ist Teil without a collective purpose. They – in the einer »Ausstellung«, die der englische picture – are what we should be, and what, in Philosoph Alain de Botton und der

Krems / Austria

April 24-26 & April 30-May 2 2015

Bernhard Hammer Rimini Protokoll Pipilotti Rist Battles Godspeed You! Black Emperor Carter Tutti Void Arca und Jesse Kanda and many more Tickets und Infos: +43 (0) 2732/90 80 33 oder www.donaufestival.at

Kunsthistoriker John Armstrong für das Rijksmuseum zusammenstellten. Die beiden kommentieren ausgewählte Werke der ständigen Sammlung. Fallweise stellen sie kleinere Kabinettausstellungen zusammen, etwa zum Thema des Verschwindens in der frühen Daguerrotypie, zur politischen Ikonografie in Stichwerken des 17. Jahrhunderts oder zur Erotik in japanischen Farbholzschnitten. Die Texte, die sie auf die Post-its schreiben, verstehen sich als »Lebensanleitung« (»a guide to life«). Kunst, so beklagen die beiden, sei heute in der orthodoxen Vorstellung gefangen, für sich selbst zu stehen. Und sie haben Recht.

Denn was sind die Kümmernis auf einem Gemälde ohne empfundenen Kummer, die Leidenschaft des Teamgeists ohne kollektive Erregung, das Bild der Lust ohne das Begehren? Allein die beiden Denker übersehen, dass sie mit der vertieften Selbstbeobachtung zwar einen anderen Schlüssel anbieten, aber den Kommerz der Wahrnehmung, kaum bremsen werden. Sie befeuern ihn selbst. Causerie du Lundi vom 6.10.2014 Mehr unter www.artmagazine.cc/meinung.html

www.aktuellekunst-graz.at

Galerientage 15.-17. Mai 2015

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Martin Fritz

20 Herausforderungen für eine öffentliche Institution

1. Sei aufregend! 2. Verlange keinen oder geringen Eintritt! 3. Sorge für barrierefreie Wege in alle Deine Räume! 4. Sprich viele Sprachen! 5. Schreibe auf Deine Einladungen, dass sie auch für Freunde gelten! 6. Richte Orte ein, an denen BesucherInnen mitgebrachtes Essen zu sich nehmen können! 7. Überwache Deine BesucherInnen nicht! 8. Biete Deine Ressourcen zur kostenfreien Nutzung an! 9. Nutze auch Deine wertvollsten Räume für Aktivitäten ohne finanziellen Ertrag! 10. Plane Vermittlungsateliers nicht in Kellern! 11. Denke über Dich selbst nach! 12. Suche PartnerInnen und begrüße externe Beiträge! 13. Sprich ehrlich über Deine Geschichte! 14. Gib gestohlene Objekte zurück! 15. Handle fair und nimm gegen Ungerechtigkeit Stellung! 16. Veranstalte Abendessen auch für jene, die sie sich nicht leisten könnten! 17. Sei eine gute Nachbarin! 18. Sei eine gute Arbeitgeberin! 19. Führe den Ausgang nicht über den Shop! 20. Verkaufe dich nicht!


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R ainer Metzger

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N ina Schedlmayer

Herzogin von alba

Teufelskerl!

Die Herzogin ist tot. Es lebe die Herzogin.

Beltracchis Spielchen sind nicht witzig

Die Herzogin von Alba ist tot. Mit ihren 88 Jahren hat Cayetana Fitz-James Stuart y Silva, die unter aristokratischer Flagge gern auf Piraterie ging, das Zeitliche gesegnet. Wer mehr über sie erfahren will, über ihre Affären, ihren Besitz oder ihre etwas skurrile Schönheit, konsultiere die einschlägigen Medien. Uns bleibt an dieser Stelle daran zu erinnern, dass sich mit einer ihrer Vorfahrinnen ein Stück Kunstgeschichte verbindet. Es rankt sich um den bedeutendsten Maler der allerfrühesten Moderne, um Goya.

Interessanter sind die Skizzen, die er von ihr gemacht hat, zu finden im sogenannten Skizzenbuch von Sanlucar aus dem Jahr 1796. Hier wirft sich die Herzogin per Federzeichung so in Pose:

wie sich Goya die Tatsache zunutze macht, dass Zeichenblätter eine Recto- und eine Verso-Seite haben. Vorne auf dem Papier sieht man die Herzogin von vorne, hinten von hinten. Auch als Mann bleibt Goya jedenfalls Meister. Die Herzogin ist tot. Es lebe die Herzogin. Zur weitergehenden Lektüre sei empfohlen das schöne Büchlein von Ivan Nagel, dem Theatermann: Der Künstler als Kuppler, Goyas Nackte und Bekleidete Maja, München: Hanser 1997

Die jetzt Verstorbene war die 18. in ihrer Linie. Im folgenden geht es um diejenige mit der Nummer 13. Der Künstler, um es auf den Punkt zu bringen, hatte etwas mit ihr. Man munkelte sogar, die berühmte Maja, die der Meister in einer bekleideten und in einer ausgezogenen Version auf die Leinwand brachte, hätte in dieser Maria del Pilar Teresa Cayetana de Silva Alvarez de Toledo ihr ganz körperhaftes Pendant gefunden. Das wiederum wollte der 17. Herzog (der Vater der soeben Hingeschiedenen) nicht auf sich und der Ehre seiner Familie sitzen lassen, und so ordnete er im November 1945 die Exhumierung der Ahnin an. Das Ergebnis der grauslichen Prozedur brachte zutage, was auch der Augenschein schon hätte ergeben können. Die Maja und die Herzogin sind zweierlei.

Neben derartiger Kühnheit verblasst selbst ein Daniel Kehlmann. Der Meisterfälscher porträtierte den Meisterschriftsteller – in Ermangelung eines eigenen Stils wählte er jenen von Giorgio de Chirico – wie auch andere Künstler in einer Serie auf 3sat. Man unterhielt sich über künstlerische Selbstzweifel. Kehlmann, sichtlich geplagt davon, fragte seinen ihm quasi ebenbürtigen Künstlerkollegen, ob ihn solche bisweilen ebenfalls befielen. Die Antwort war zu erahnen: Natürlich nicht! Der arme Kehlmann wirkte neben dem vor Selbstbewusstsein strotzenden Bildermaler plötzlich wie ein Weichei. Fernsehserien, Talkshows, Häfentagebücher, Interviews, Dokumentarfilme, und Hollywood hat sicher auch schon angeklopft: Die Geschichte um den tolldreisten Herrn B. und seine Frau ist ein Megaseller.

Ein Vergleich ist problemlos möglich, denn Goya hat seine Geliebte in aller Vitalität porträtiert. Das einschlägigste der Bildnisse sieht so aus, es ist heute in New York in der Hispanic Society beheimatet: Wem das nicht reicht, der kann auch hinter die Kulissen blicken.

Karl Korab, Im grauen Feld, 2003

Blog vom 23.11.2014 Mehr unter www.artmagazine.cc/blog.html

Sie sieht aus, wie man sich derlei Damen eben vorstellt. Wenn heutzutage jemand in den närrischen Tagen als „Spanierin“ geht, will er oder sie genauso aussehen: ganz in Schwarz, ein wenig dogmatisch, stolz und eher nicht so geheimnisvoll wie sie gerne täte. Goya hat sie womöglich durchschaut, doch eine solche Kenntnis war ihm offenbar auch ganz leibhaftig gegeben.

In einer wunderbaren Volte hat Goya dem Geschehen seinen pornografischen Lauf gelassen und die Gnädigste entblättert. Wie immer ist sein Tun dabei psychologisiert. Von vorne gesehen, gibt sich die Dame hell, freundlich, im Sommerkleide. Die Kehrseite ist die düstere, man sieht Dinge, die im Verborgenen blühen, und die Lady wird zur Femme Fatale. Besonders raffiniert,

Was haben wir gelacht! Hat doch der Beltracchi, dieser Schlawiner, mal wieder jemand reingelegt. „Wo haben wir da letztens dieses Bild von mir gesehen, in der Albertina?“, fragte er in der Talkshow seine Frau. Das Publikum fand es lustig, auch der Moderator amüsierte sich offenkundig prächtig, hakte dann aber doch nach. Worauf Beltracchi großzügig anbot, dass ihn ohnehin jeder Museumsdirektor kontaktieren könne, sollte er einen Fälschungsverdacht hegen. Dieser Teufelskerl, dieses Genie! Wie der den Kunstmarkt mit all seinen aufgeblasenen Fatzkes und Klugscheißern, diese Experten und Händler, Sammler und Museumsleute an der Nase herumführt, das muss ihm mal jemand nachmachen!

Nur einen kleinen Schönheitsfehler hat die Sache: Der Mann ist ein Verbrecher (zugegeben: einer, der seine Strafe abgesessen hat). Nach seinem TalkshowAuftritt fand der Herr Starfälscher zwar genug Zeit, dem ORF ein Interview zu geben. Die Muße, Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder über das angeblich von ihm gemalte Bild, das angeblich als Leihgabe in einer Max-Ernst-Ausstellung war, aufzuklären: Die fehlte ihm dann. Bis heute, drei Wochen später, blieben jegliche Kontaktversuche erfolglos. Die Worte, mit denen ihn Schröder bedachte („Lügner, Selbstvermarkter, Betrüger“), gaben all den Beltracchi-Huldigungen endlich Kontra. Und eigentlich sollte das pinselnde Genie auf der nächsten Polizeiwache einvernommen werden anstatt im Fernsehen Männchen zu machen.

Glosse vom 18.3.2015

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