Ročenka 2004 - 2005

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H e l g a Fa b r i t i u s : D a s B i l d a l s d i d a k t i s c h e s M e d i u m . Fa l l b e i sp i e l e d e r s i e b e n b ü rg i s c h e n Wa n d m a l e r ei

2. Honigberg/Hărman, Kapelle der Kirchenburg, Verteilung der ikonographischen Themen. Zeichnung: Autorin

Erkenntnissen in das vierte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts datiert werden können.7 Das geschlossene Konzept der Malerei [Abb. 2], das christologisch-eschathologische und mariologische Themen verbindet, erschließt sich dem Betrachter in einer Abfolge der einzelnen Bildfelder von West nach Ost, die in wechselseitigen Bezügen und Zusammenhängen stehen. Durch eine kontinuierliche Leserichtung wird der Kapellenbesucher vom Eingang im Westen über die Darstellungen der Seitenwände, auf die die Gewölbefelder Bezug nehmen, zur Ostwand hingeführt. Das westliche Joch steht im Zeichen des Weltgerichts, das bereits mit der Parabel der klugen und törichten Jungfrauen in der Westbogenleibung [Abb. 3] eingeleitet wird. Im westlichen Gewölbeviertel thront der Weltenrichter, flankiert von Maria und Johannes dem Täufer als Fürbitter unter Beisitz des Apostelkollegiums. Durch die Darstellung von Paradies [Abb. 4] und Hölle [Abb. 5] an den gegenüberliegenden Seitenwänden sieht der Betrachter sich zwischen die Alternativen gestellt, die er am Jüngsten Tage entsprechend seinem irdischen Lebenswandel zu erwarten hat. Eindrucksvoll und dras-

tisch präsentiert sich die Höllenszene an der nördlichen Seitenwand, während im Gegensatz dazu den Zug der Seligen an der gegenüberliegenden Wand Ruhe und Feierlichkeit kennzeichnen. Die anschließenden Gewölbefelder ergänzen die jeweilige Darstellung, indem sie einen konkreten Wertekanon vorführen. Mit dem Gleichnis des armen Lazarus werden Prasserei und mangelnde Barmherzigkeit vor Augen gestellt. Die Folgen sind an dem Reichen abzulesen, der in der Hölle schmachtet und dürstet. [Abb. 5] Dem gegenüber dazu führen die Werke der Barmherzigkeit [Abb. 6] am Jüngsten Tage in den Zug der Seligen zur Paradiespforte. Es ist aber keineswegs so, dass beide Seiten sich dem Betrachter als gleichnah oder –fern anbieten. Den beigefügten Inschriften ist ein wertender Tonus zu entnehmen. Dem Anruf der Seligen über der Paradiesdarstellung nach Mt 7

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Damit folgt die Datierung nicht der bisher mehrheitlich vorgeschlagene Einordnung zwischen 1460–1480. Grundlage der neuen Datierung sind stilistische Erwägungen, historische Gegebenheiten und die Verbindung der Malerei mit der Persönlichkeit des Ortsgeistlichen Antonius.


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