Ročenka 2004 - 2005

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Galéria – Ročenka SNG 2004–2005

Kleinpolen – Schlesien – Zips Einige Bemerkungen zur Skulptur am Ende des 13. und im 1. Drittel des 14. Jahrhunder ts ROMUALD KACZMAREK

„geradezu hinterwälderisch gewesen sei“,2 sollte man doch bemerken, dass wir in jedem Teil Europas mit solchen Regionen zu tun haben, wo es Verspätungen in der Rezeption von neuen Stilen, Moden oder formalikonographischen Typen gibt. Solche Differenzierung trat nicht nur infolge einer Entfernung vom künstlerischen Zentrum oder einer Abtrennung durch die natürlichen geographischen Grenzen auf (manchmal störten diese überhaupt nicht), sondern infolge der Beeinflussung durch eine Reihe anderer Faktoren – der historischen, gesellschaftlichen und politischen Bedingungen. Meine Absicht hier ist vor allem einen kleinpolnischen und schlesischen Kontext für die neuen Vorschläge von Suckale abzuzeichnen. Ich möchte dies jedoch nicht anhand einer vollständigen Übersicht zeigen, sondern anhand ausgewählter Erscheinungen oder Werke. Im ersten Abschnitt stelle ich zwei weniger bekannte oder fast unbekannte Werke vor, die man zur Kategorie der schnellen künstlerischen Vermittlung zählen darf. Auf der anderen Seite werden wir solche Beispiele der Skulptur sehen, die ich – gemäß den neuesten Befunden – auf eine neue, verifizierte Weise wahrnehmen möchte.

Im Jahr 2003 veröffentlichte Robert Suckale zwei wichtige Aufsätze, die u. a. die gotische Plastik in Böhmen und in der Slowakei behandeln. Mit der von ihm selbst in einer Reihe von Publikationen erarbeiteten Methode hat er auf eine neue Weise bestimmte Kunstwerke geordnet.1 Die beiden Beiträge bieten ein breites und kühn gezeichnetes Bild, in dessen Rahmen sich die bisherigen Feststellungen zur künstlerischen Provenienz und zur Datierung der einzelnen Kunstwerke manchmal radikal veränderten. Es ist teilweise das Ergebnis des anderen Blickpunktes, den dieser Forscher zur Geschichte der Kunst in beiden Gebieten besitzt. In Bezug auf gewisse von ihm gestellte Hypothesen werden viellecht bald ergänzende, bzw. präzisierende Stimmen erscheinen, sowohl auf tschechischer wie auf slowakischer Seite. Eine der Hauptfragen dabei ist: Ob und unter welchen Bedingungen kann man das von Suckale angenommene Prinzip anwenden, dem zufolge man fast parallel zu den modernsten Kunstwerken im Westen solche Werke im östlichen Europa datieren kann, die als erste Reflexe dieser westlichen anerkannt werden können. Ist die Erklärung der schnellen Verbreitung von Mustern mit Hilfe der kleinplastischen Kunstwerke aus Elfenbein auch für die Zips am Ende des 13. Jahrhunderts gültig und in welchem Ausmaß? In diesem Gebiet Europas ist meines Wissens keine Statuette aus diesem Material erhalten, deren so frühe Anwesenheit mit Sicherheit zu belegen ist. Die Zips ist im historischen Bewußtsein ein stark von deutscher Kolonisation geprägtes Gebiet, vor allem mit bürgerlichem Charakter. Das war für Luxuswerke solcher Art eine eher unübliche Umgebung. Möglicherweise könnte es also um eine sekundäre Rezeption mittels der Kleinplastik gehen. Das hieße, dass ein Werk, z. B. französische Marien Elfenbeinstatuette, nicht als unmittelbares Vorbild den Auftraggeber, bzw. Künstler anregte, sondern ein solches Muster, das schon als gefiltertes, kopiertes und in die Werkstattpraxis eingezogenes einwirkte. Es ist sicher nicht leicht, Grossbildwerke auszuwählen, die die kleinen „Originale“ nachahmen und diese von solchen zu unterscheiden, die nur „Kopien“ der zweiten Generation sind. Dem Widerspruch von Suckale gegen die stillschweigend angenommene These zustimmend, dass man in diesen östlichen Ländern

I In Bezug auf einige Denkmäler der Kunst des 13. Jahrhunderts in Böhmen sind mehr oder weniger klar italo-byzantinische oder italienische Einflüsse gesehen worden. Ähnlich war es im Fall des jetzt um 1260 datierten Zipser Retabels aus Vojňany.3 Die künstlerische

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SUCKALE, Robert: Beiträge zur Kenntnis der böhmischen Hofkunst des 13. Jahrhunderts. In: Umění, 51, 2003, S. 78-98 und Idem: Počiatky gotickej skulptúry. In: Dejiny slovenského výtvarného umenia – Gotika. Hg. Dušan BURAN. Bratislava 2003, S. 121-126. SUCKALE 2003, Počiatky... (zit. Anm. 1), S. 121. VÉGH, János: O krídlových oltároch. In: BURAN (Hg.) 2003 (zit. Anm. 1), S. 358; BURAN, Dušan – SUCKALE, Robert: Skriňový oltár z Vojnian. In: Ibidem, S. 689-690. Die von GLATZ, Anton C.: Gotické umenie v zbierkach Slovenskej národnej galérie. Bratislava 1983, S. 16f. erwähnten italienischen Beziehungen könnten


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