Ročenka 2004 - 2005

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Galéria – Ročenka SNG 2004–2005

denkbar erscheint. Damit müssen wir wohl der Meinung von Ulrike Krone-Balcke widersprechen, die das Relief von Hlohovec einem anderen, für Friedrich III. tätigen Künstler, nämlich dem Bildhauer der Tumbenreliefs des Wiener Kaisergrabmals zuschreiben wollte.32 Dieser wurde mit Max Volmer (nicht Valmet, wie bisher aufgrund eines Lesefehlers angenommen wurde), identifiziert, der 1478 als kaiserlicher Steinmetz für Arbeiten am Kaisergrab 90 Pfund Pfennig erhielt.33 Es darf vorausgesetzt werden, dass Volmer einer jener wenigen Bildhauer war, die damals mit der Bearbeitung von Rotmarmor vertraut waren. Diese ist technisch weit anspruchsvoller als jene von Kalksandstein und erfordert ein ausgesprochenes Spezialistentum. Auch wenn Volmer weder künstlerisch noch handwerklich an Gerhaert heranreichte, war offenbar doch sein Können dafür ausschlaggebend, dass er mit der Weiterführung der Arbeiten an der Kaisertumba beauftragt wurde. Damit soll eine Mitwirkung Kamensetzers am Wiener Kaisergrab nicht von vorneherein ausgeschlossen werden. Sein Anteil wäre aber dann eher an jenen Teilen zu suchen, die noch mehr im Geist Gerharts ausgeführt sind.34 Jedenfalls dürften Kamensetzer und Volmer zumindest eine Zeit lang eng zusammengearbeitet haben. Dies geht aus zwei Werken hervor, die offenbar beide auf denselben, letztlich vielleicht von Niclaes Gerhaert stammenden Entwurf zurückgehen. Dargestellt ist jeweils die mit überschlagenen Beinen sitzende Madonna – ein genrehaftes Motiv, das damals ohne Vorstufen war und auch später nur sehr selten aufgegriffen wurde, etwa beim sitzenden hl. Ambrosius des Meisters von Großgmain.35 Das eine Werk ist eines der erwähnten Tumbenreliefs des Wiener Kaisergrabes, das andere eine Holzfigur, die aus einem Wiener Bürgerhaus ins Niederösterreichische Landesmuseum in St. Pölten gelangte.36 [Abb. 7] Nur diese steht dem Relief von Hlohovec und der Maria von Veľký Biel so nahe, dass sie vielleicht demselben Meister – also wohl Hans Kamensetzer – zugeschrieben werden darf. Das viel unbeholfenere und mit dem großartigen Entwurf sichtlich nicht zurecht kommende Marmorrelief hingegen stammt offenbar von einem anderen Bildhauer, den wir wohl mit Max Volmer identifizieren dürfen. Jaromír Homolka hat die Wiener Sitzmadonna darüber hinaus auch mit den Figuren des Hochaltars der Elisabethkirche von Košice/Kaschau in Verbindung gebracht, die bereits seit Theodor Müller immer wieder – zuletzt ausführlich von Gyöngy Török, für den Bildhauer des Reliefs von Hlohovec in Anspruch genommen wurden.37 [Abb. 8] Inzwischen ist auch klar, dass dieses Retabel nicht nur zu den bedeutendsten seiner Zeit gehört, sondern auch mit Stiftungen der Zeit zwischen 1474 und 1477 in Verbindung gebracht werden kann. Die mittlerweile publizierten, ausgezeichneten Detailaufnahmen des Kaschauer Altars bestätigen diese Zusammenhänge.38 Besser als die ihrer originalen Oberfläche beraubte Wiener Madonna eignet sich allerdings die gefasste Verkündigungsmaria aus Wie-

ner Neustadt zum Vergleich mit den Kaschauer Schreinfiguren. [Abb. 5] An beiden Werken zeigt das Gesicht Mariens dieselbe hochovale Form mit dem langen Nasenrücken und dem betont kleinen Mündchen. Auch die Ausarbeitung der Haare stimmt völlig überein. Schwerer vergleichbar ist das Gewand, doch finden sich die langen, durchgehenden Faltenbahnen des Kleides auch bei der Wiener Neustädter Maria und insbesondere beim zugehörigen Engel.39 Hingegen erinnern die gelängten, manierierten Proportionen der Kaschauer Schreinfigur auffallend an die bereits erwähnte „Dürer-Madonna“ in New York. Diese vermag sich allerdings als Kunstkammerstück – man wäre versucht, an eine Art Antrittsgeschenk des Meisters am Wiener Hof zu denken – ungleich freier zu entfalten als die in den Schranken des Retabelschreins „gefangene“ und durch die Architektur gebundene Madonna von Košice. Jaromír Homolka hat das Verhältnis der beiden Figuren treffend charakterisiert, wenn er in der „Dürer-Madonna“ „one of the direct preconditions of the high-grade and monumental Košice statues“ sah.40 Dass wir es hier vielleicht tatsächlich mit Arbeiten desselben Künstlers zu tun haben, belegt neben der Ähnlichkeit der Gesichter Mariens vor allem ein Vergleich der Kinder, von denen jenes der „Dürer-Madon-

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KRONE-BALCKE 1999 (zit. Anm. 2), S. 198 f. PERGER, Richard: Neues zum Kunstschaffen unter dem Passauer Bischof Ulrich von Nußdorf (1451–1479). In: Ostbairische Grenzmarken, 41, 1999, S. 75-80. 34 Leider fehlen von großen Teilen des Grabmals immer noch gute Farbabbildungen. Die besten bei: SALIGER, Arthur: Triumph im Tode. Beobachtungen zum Grabmal Kaiser Friedrichs III. im Wiener Stephansdom. In: Belvedere. Zeitschrift für bildende Kunst, 1, 1995, S. 14-38. 35 HANNESSCHLÄGER, Ingonda: Die Problematik um den Meister von Großgmain und die Tafeln des ehemaligen Flügelaltars aus dem Jahr 1499. In: 500 Jahre Meister von Großgmain 1499– 1999. Publikation zur Sonderschau in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Großgmain. Großgmain 1999, Farbabb. 42. 36 KRONE-BALCKE 1999 (zit. Anm. 2), passim, Abb. 136 f. – SCHULTES 2003 (zit. Anm. 19), S. 322, Nr. 97; CHAMONIKOLASOVÁ 2003 (zit. Anm. 5), passim, Abb. 331. 37 RADOCSAY, Dénes: Der Hochaltar von Kaschau und Gregor Erhart. In: Acta Historiae Artium 7, 1960, S. 19-50; BURAN (Hg.) 2003 (zit. Anm. 1), S. 708 f.; HOMOLKA, Jaromír: K některým problémům vídeňské gerhaertovské školy (On Some Problems of the Viennese Gerhaertian School). In: Podzim středověku: vyhraňování geografických teritorií, městská kultura a procesy vzniku lokálních uměleckých škol ve střední Evropě 15. století / The Waning of the Middle Ages. Specification of Geographic Territories, Town Culture and the Rise of Local Artistic Schools in 15th Century Central Europe. Hg. Kaliopi CHAMONIKOLA – Alena MARTYČÁKOVÁ. Brno 2001, S. 62. 38 SPOLOČNÍKOVÁ, Mária: Über der (sic!) Altar der hl. Elisabeth. In: VAŠKO, Imrich u. a.: Der Dom St. Elisabeth in Košice. Košice 2000, Abb. 70-76; CHAMONIKOLASOVÁ 2003 (zit. Anm. 5), Abb. 324 f. 39 SCHEICHER 1985 (zit. Anm. 26), S. 8-11, Kat. Nr. 2, mit Abb. 40 HOMOLKA 1972 (zit. Anm. 2), S. 46; CHAMONIKOLASOVÁ 1995 (zit. Anm. 5), S. 79 f. 33

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