Ročenka 2004 - 2005

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Anna Boreczky: Details des Bilderkatechismus der Concordantiae caritatis im Klosterneuburger Kodex

2. Wagen der Tugenden. Concordantiae caritatis. Budapest, Magyar Piarista Rendtartomány Központi Könyvtára, CX 2, f. 253v (alt 263v). Wien, 1413. Foto: Bibliothek

Diesem folgt die Bearbeitung der Zehn Gebote, die hinsichtlich ihrer Struktur und der Anordnung der Seiten noch an die vorangegangenen Postillensammlung, inhaltlich aber eher an den Bilderkatechismus anschließt, dem wir nun unsere Aufmerksamkeit widmen wollen. Die erste Einheit des Bilderkatechismus wird, auf sieben Seitenpaaren angeordnet, von Zweikampfszenen von Kriegern gebildet, die auf symbolischen Tieren reitend die Tugenden und Laster verkörpern. Es handelt sich dabei um eine umgearbeitete Variante eines vor 1332 entstandenen anonymen Werks, der Etymachia.22 Superbia und Humilitas, Avaritia und Largitas, Luxuria und Castitas, Ira und Patientia, Invidia und Caritas, Gula und Temperantia, Acedia und Devotio stehen einander gegenüber. Diesem Teil folgt eine Darstellung des Soldaten Christi, umgeben von den Tugenden, mit Kommentaren dazu, und noch ein Seitenpaar mit dem von den Tugenden in den Himmel gelenkten beziehungsweise mit dem von den Lastern in die Hölle geführten Wagen. Dies sind die Details, deren Text im Klosterneuburger Kodex Liebhard Egkenfelders enthalten sind,23 es lohnt sich daher, sie eingehender zu behandeln. Der Soldat Christi wird von vierzehn Tugenden unterstützt, die durch Frauenfiguren verkörpert sind.24

[Abb. 1] Caritas und Spes setzen ihm den Helm auf, Perseverantia und Fides wappnen ihn mit Lanze und Schild. Abstinentia und Humilitas, Amor Dei, Patientia und Amor proximi helfen ihm in den Sattel, Continentia beschäftigt sich mit dem Zaumzeug, das Ross wird von Iustitia, Temperantia, Fortitudo und Prudentia gehalten. Das Bild führt uns vor Augen, wie die menschliche Seele, verkörpert durch den Ritter, ihren eigenen Körper bekämpft, beziehungsweise wie sie die Herrschaft über den Körper, versinnbildlicht durch das Ross, mit Hilfe der Tugenden erringt. Auf der nächsten Seite erscheint der von Elisäus bei der Himmelfahrt des Elias gesehene „Currus Israel“, interpretiert und illustriert als der Wagen Christi. Der Wagen selbst besteht aus den Mönchstugenden, seine Räder werden von den vier Kardinaltugenden gedreht. Er wird von Religio gelenkt und von Fides, Spes und Obedientia in den Himmel geführt. Der gerechte Mensch kann (wie Elias) mit diesem geradewegs ins Paradies gelangen. [Abb. 2] Das Gegenteil ist der Wagen des Pharaos, der „Currus pharaonis“. In der Tat ist das der Wagen des Teufels, dessen Räder von den Lastern Gula, Avaritia, Ira und Invidia gedreht werden. Gelenkt von Ypocrisis, und gezogen von Heresis, Desperatio und Inobedientia führt dieser Wagen in die ewige Verdammnis. [Abb. 3] Weder beim Soldaten Christi noch beim Tugenden- und Lasterwagen ist es der Forschung gelungen, die genauen Quellen der Darstellungen zu bestimmen. Beide dürften aus der Invention Ulrichs von Lilienfeld stammen. Dem Tugendenund Lasterwagen stehen am ehesten gewisse Bilder des Hortus Deliciarum von Herrad von Hohenburg (Herrad von Landsberg) aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert nahe.25 In den weiteren Teilen des Bilderkatechismus, die im Klosterneuburger Kodex von Liebhard Egkenfelder

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Ibidem, S. 95-99 (mit weiterer Lit.). Soldat Christi: f. 199v–200r, Wagen der Tugenden: f. 199v, Wagen der Laster: f. 199r. 24 Die hier angeführten Illustrationen stammen aus einem in Wien geschaffenen, heute in Budapest bewahrten Exemplar der Concordantiae caritatis aus dem Jahr 1413 (Budapest, Zentralbibliothek des Piaristenordens, CX 2). Unter den erhaltenen illustrierten Handschriften der Concordantiae caritatis steht dieses Exemplar hinsichtlich seines Entstehungsortes und seiner Entstehungszeit der Laufbahn von Liebhard Egkenfelder am nächsten. Der Kodex stellt in der Geschichte der Wiener und niederösterreichischen Malerei ein Schlüsselwerk dar. An dieser Stelle ist es jedoch nicht möglich, auf seine Stellung in der Stilgeschichte und auf seine ikonographischen Eigenarten einzugehen. Zu diesen Fragen siehe: BORECZKY, Anna: Imitation und Invention. Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der Illustrationen der Budapester Concordantiae Caritatis-Handschrift. In: Acta Historiae Artium, 41, 1999/2000, S. 1-62. Ausführlicher in meiner zur Zeit vorbereiteten PhD-Dissertation. 25 SCHMIDTKE 1976 (zit. Anm. 1); MUNSCHECK 2000 (zit. Anm. 1), S. 99101; ROLAND 2002 (zit. Anm. 1), S. 70-71. 23

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