Verschwendung

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DenkanstรถSSe Magazin 03

Ver schwen dung ist die grรถsste Energiequelle


Jedes Jahr werden über 1,2 Milliarden Handys produziert und verkauft. Nach weniger als zwei Jahren landen die meisten davon auf dem Müll oder sie verschwinden in Schubladen. Der amerikanische Fotokünstler Chris Jordan dokumentiert in seinen Arbeiten, von denen dieses Heft eine Auswahl präsentiert, Ausmaß und Folgen unserer Lebensweise. Chris Jordan, Cell phones #2, 2005, aus der Serie Intolerable Beauty: Portraits of American Mass Consumption. Copyright Chris Jordan, Courtesy of Kopeikin Gallery


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Die Verfügbarkeit von Energie stellt für ein menschenwürdiges Leben, für die Funktionsfähigkeit und Entwicklung einer Gesellschaft eine ähnlich grundlegende Voraussetzung dar wie die Verfügbarkeit von Trinkwasser und Nahrungsmitteln. Der übliche Irrsinn und die gewohnte, globale Ungleichheit kennzeichnen unseren Umgang mit Energie. Die meisten Länder der Erde verbrauchen weniger Strom als der Internetkonzern Google allein. Der CO2-Fußabdruck aller Server und Rechenzentren weltweit hat mittlerweile den des Flugverkehrs erreicht. Allein für den Stand-by-Betrieb der Elektronikgeräte in Deutschland müssen zwei große Kernkraftwerke rund um die Uhr laufen. Das bedeutet: Wenn wir unseren Mitbewohnern auf dem Planeten Erde auch nur annähernd dieselben Chancen auf Wachstum und Wohlstand zugestehen wollen, wie wir sie in der nördlichen Hemisphäre bereits wahrgenommen haben, werden wir umdenken und umverteilen müssen. Zeit also, über Verschwendung nachzudenken. Nun tragen wir mit dem dritten Denkanstoß dieses Thema in die Mitte der Gesellschaft – und zwar nach Hamburg, auf den Gänsemarkt. Dort haben wir den Stromfresser gebaut, einen hausgroßen Iglu aus Kühlschränken, deren Kompressoren nach innen so viel Wärme abstrahlen, dass man dort Kakteen züchten könnte. Vom 29. Oktober bis zum 9. November wird die Skulptur das enorme Potenzial unserer Verschwendung körperlich erfahrbar machen. Für dieses Magazin jedoch sind wir mit dem Thema anders umgegangen, verschwenderischer. Denn wir haben schnell gesehen, dass die Lösung für unsere Probleme nicht einfach darin liegen kann, am einen Ende zu sparen, damit andere mehr haben. Sparappelle funktionieren nicht. Verschwendung ist eine Grundfunktion der Natur. Alles Leben breitet sich aus; wo Wachstum floriert, ufert es aus, da vollzieht sich Entwicklung. Verschwendung macht begehrenswert, neugierig, kreativ und klug. Verschwendung schafft Möglichkeiten. Verschwendung ist auch dick, faul und gefräßig. Wer verschwendet, der vergeudet vielleicht seine letzten Kräfte, sein Glück und seine Energie. Die Frage ist: Lässt sich mit dem vergeudeten Teil etwas Sinnvolles anstellen? In Zukunft wird es darum gehen, unsere Kreativität, unseren Reichtum und den großen Schatz unserer Möglichkeiten so einzusetzen, dass alle davon etwas haben. Statt um Enthaltsamkeit wird es um Klugheit, Effizienz und Wissen gehen. Dies sind die Ressourcen, von denen wir noch sehr viel mehr brauchen – und die sich übrigens, egal wie verschwenderisch wir mit ihnen umgehen, bei ihrer Verwendung unendlich fortpflanzen. Ralf Schmerberg und Entega

Der Stromfresser ist eine weitere Aktion der Projektreihe Denkanstöße, die der Berliner Künstler Ralf Schmerberg mit dem Energieversorger Entega umsetzt. Im Januar 2010 fand in Berlin eine Schneemann-Demonstration statt, um auf die Folgen der Erderwärmung aufmerksam zu machen. Im April/Mai 2010 bezog in der Stuttgarter Innenstadt die viel besuchte Kunstausstellung Cafe Endlager Stellung zur aktuellen Atomdebatte. 4 Denkanstöße Magazin 03


Duane Hanson, Supermarket Lady, 1970, Fiberglas, Polyester, originale Kleidung, Ludwig Forum. Copyright VG Bild-Kunst, Bonn 2010, Foto: Anne Gold

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Ralf Schmerberg, Ohne Titel, 2010, Elektroherd, Computermonitor, Labor Berlin. Foto: Ralf Schmerberg


Inhalt 4

Vorwort

Über das enorme Potenzial unserer Verschwendung

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Inhalt 10

Luxurierung

Wie Verschwendung die Evolution vorantreibt. Und warum sie sogar die Kultur beflügelt. Von Carsten Jasner

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Verschwendung

Die Menschheit verbraucht mehr Ressourcen, als die Erde ihr zur Verfügung stellt. Eine Datensammlung von Philipp Albers 24

Kapitalismus

Die Zerstörung des Planeten durch das kapitalistische Wirtschaftssystem muss ein Ende haben. Ein Plädoyer von Attac-Gründerin Susan George

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Vergeudung

Ein Gespräch mit dem Schlagerstar Christian Anders über verschlungene Lebenswege, verpasste Chancen und eine übervolle Karriere

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Chance

Verzicht nimmt uns die Möglichkeit, das Neue zu entdecken. Wolf Lotter erläutert im Gespräch, wieso Wirtschaft und Gesellschaft auf Vielfalt und Verschwendung setzen müssen

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Geräte

Sie leuchten, bügeln und kochen Kaffee. Das elektronische Inventar eines ziemlich normalen Zweipersonenhaushalts

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Quelle

Intelligentes Design ermöglicht bald ein Leben im Überfluss. Ein Gespräch mit Cradle-to-Cradle-Erfinder Michael Braungart über den nächsten Paradigmenwechsel und essbare Flugzeugsitze

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Treibhauseffekt

Alles über den Stromfresser in Hamburg. Und wieso ein Energieversorger sich zum Vorreiter in Sachen Energiesparen macht. Von Karoline Haderer 57

Impressum

Wie kann man sich einen Zugang zu unserer alltäglichen Energieverschwendung verschaffen, der über das Lesen nackter Zahlen hinausgeht? Wir haben über ein Dutzend Künstler, Fotografen, Ausstatter und Aktivisten eingeladen, sich in einem Labor in Berlin mit Elektrogeräten auseinanderzusetzen. Eine Auswahl der dort entstandenen Arbeiten präsentieren wir in diesem Heft.

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Die üppige Schönheit der Natur hat ihren ökonomischen Sinn. Verschwendung ist eine effiziente Strategie, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Martin Johnson Heade, Study of an Orchid, 1872, Öl auf Leinwand, 45,7 x 58,4 cm. Copyright Collection of New-York Historical Society, New York, USA. Foto: The Bridgeman Art Library

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Luxurierung

Mehr ist mehr Im Tierreich ist Verschwendung das Rezept der Erfolgreichen. Großkotze, Prahlhanse und Gernegroße fallen auf, kriegen die schönsten Weibchen und kommen weiter. Von Carsten Jasner Woran ging Rom zugrunde? An seiner Dekadenz, seinen opulenten Orgien, seinen verfressenen Senatoren? An seinen ausufernden Gastmahlen, auf denen Lustsklaven Pfauenhirne, Flamingozungen und in Essig gelöste Perlen servierten? Lange verkündeten Historiker diese Theorie und bedienten damit ein moralisierendes Vorurteil. Demnach ist Verschwendung verwerflich, auf Dauer kann nur eine bescheiden und vernünftig wirtschaftende Gesellschaft überleben. Die neuere Forschung kommt zu gegenteiligen Ergebnissen: Der Hang zum Überschwang führe demnach nicht in den Abgrund, vielmehr mache er groß, stark und unwiderstehlich. Er sei ein wesentliches Merkmal der Evolution und im Tierreich oft zu beobachten. Warum zum Beispiel trägt der Hirsch ein Geweih? Jedes Frühjahr sprießen dem Rothirschen bis zu fünf Kilogramm Knochenmasse aus dem Schädel, die wahnsinnig störend sein können, wenn er den gestrüppreichen Wald durchstreift. Unsere Vorfahren haben diesen Umstand wohl ausgenutzt, indem sie die Geweihten ins Unterholz trieben. Wölfe dürften ähnlich vorgegangen sein. Der Hirschbock muss sich gegen Räuber und Konkurrenten verteidigen. Dazu braucht er Waffen, sicher, aber die hätten auch eine Nummer schlichter sein können, sagt der Dokumentarfilmer Michael Miersch, der den Huftieren jahrelang mit der Kamera gefolgt ist. Zur Selbstverteidigung wären zwei spitze, lange und schmucklose Spieße am besten geeeignet. Mit der Notwendigkeit gelegentlicher Revierkämpfe kann man die prunkvollen, vielendigen Schaufeln also nicht erklären – ebensowenig das Korkenziehergehörn eines Kudus oder den wuchtig gebogenen Kopfschmuck eines Steinbocks. Nach den Gesetzen der Selektion entwickeln sich in der Natur nur Ausprägungen, die die Überlebenschancen erhöhen. Warum also der aufwendige Dekor? Die Antwort lautet: Damenwahl. Bei den meisten Tierarten ist das Weibchen kein Opfer, das von einem dahergelaufenen, ungehobelten Männchen vergewaltigt wird. Das Vorspiel gleicht eher einer Das-Tierreich-sucht den-Superstar-Veranstaltung: Die Männer müssen zeigen, was sie draufhaben. Sie werben und balzen um die Wette, bis die wählerischen Damen sich zu einem Urteil durchringen und einen Helden küren. Die schönere Hälfte der Fauna bildet darum meist das männliche Geschlecht – nicht weil die Natur Frauen diskriminieren will, sondern um der weiblichen Jury Kriterien zur Beurteilung ihres potentiellen Sexualpartners zu geben. Eignet er sich als Vater meiner künftigen Kinder? Denn wer seine Energie für einen Beauty Contest verschwendet, statt sie bei einem Nickerchen zu schonen oder einen Happen essen zu gehen, wer überhaupt in der Lage ist, in voller Ziertracht jagen zu gehen – der muss gesund und kräftig sein. Für den Besitzer ist der Schmuck nämlich keineswegs die reine Freude. Er nervt vielmehr. Dem Löwen am Äquator wird höllisch heiß unter seiner Mähne. Der Singvogel im farbenfrohen Gefieder muss aufpassen, dass nicht Füchse, Katzen oder Bussarde seine Signale empfangen. Das Narwalmännchen diente jahrhundertelang als bevorzugte Beute der Menschen, weil die aus dem bis zu drei Meter langen, schraubenartig gewundenen Stoßzahn ein Pülverchen gegen die Pest anrührten. Die Natur hat bei all diesen Tieren im Lauf von Jahrmillionen ein bestimmtes Merkmal überdimensioniert herausgestellt – auf Kosten ihrer Lebenseffizienz. Luxurierung, wie Biologen dieses Phänomen nennen, ist trotz – oder gerade wegen – der maßlosen Verschwendung unterm Strich sinnvoll. Das belegt etwa ein Experiment mit Pfauenhähnen. Wie die mit ihren unpraktischen, zwei bis drei Ellen langen Schleppen Hunderttausende Jahre durch den indischen Dschungel stolzierten, ohne von hungrigen Tigern ausgerottet zu werden, ist ein Rätsel. Das Federkleid macht die Hähne so gut wie flugunfähig und es kostet den Stoffwechsel ungeheure Anstrengungen, die Farbenpracht zu erhalten. Doch offenbar haben die Tiere im ewigen Balzwettbewerb die Messlatte immer höher gehängt, bis es kein Zurück mehr gab. Marion Petrie, Verhaltensforscherin an der Universität Oxford, schnippelte einigen Pfauenhähnen 20 Federaugen aus dem Kleid und ließ sie gegen Artgenossen mit unversehrter Pracht antreten. So oft die Gestutzten ihr Rad auch schlugen – die Hennen flogen ausschließlich auf Kandidaten mit vollem Federschmuck. Anschließend beobachtete Petrie zwei Jahre lang, wer mit wem anbändelte und wie gut sich die Kinder entwickelten. Je prächtiger der Vater, so das Ergebnis, desto gesünder und kräftiger der Nachwuchs.

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Luxurierende Merkmale sind ein Ausweis für exzellente Fitness. Wer schön ist und darunter eben nicht leidet, sondern sich erfolgreich gegen Konkurrenten, Parasiten und andere Krankheiten wehrt, muss über ausgeprägte Abwehr- und andere Kräfte verfügen, kurzum: begehrenswerte Gene besitzen. Luxurierung führt darum nicht zu inhaltsleerem Blendwerk, sondern signalisiert biologische Eignung. Die äußeren Werte verweisen auf innere. Die Biologen und Philosophen Eckart Voland und Matthias Uhl haben die rot gefärbte Brust des Stichlingmännchens zur Paarungszeit mit dem Verhalten des Schauspielers Jack Nicholson verglichen, der einmal auf einer Party Geldscheine im Wert von einigen Tausend Dollar ins offene Feuer warf. „Ich habe so viel davon“, sagte Nicholson, „ich kann das gar nicht alles ausgeben.“ Eine großkotzige Tat, hohl und hirnverbrannt wie bei den alten Römern? Nicht im Geringsten. So wie der Stichling mit seiner luxuriert-flammenden Brust seine Chance auf Fortpflanzung erhöht, so hat Nicholson durch die Zweckentfremdung der Dollarnoten sein berufsförderndes Image als diabolisch grinsender Verrückter untermauert. Außerdem, gab er zu Protokoll, versetzte ihm die Aktion einen Kick. Diesen Kick sollte man nicht unterschätzen. Die Römer, die ihre Sesterzen aus den Fenstern marmorner Paläste warfen, suchten sicher ebenfalls den Kick. Insofern hatten ihre Orgien einen Sinn – für den kleinen Kreis der Beteiligten zumindest. Das Verlangen nach Genuss geht jedoch weit darüber hinaus. Es ist der wohl effektivste Motor der Geschichte. Die Suche nach innerer Erfüllung ist das Merkmal menschlicher Luxurierung, erst durch sie entsteht Kultur. Denn der Zierrat auf steinzeitlichen Tongefäßen ist für das rein zweckmäßige Fortbestehen der Menschheit genauso überflüssig wie ein Armaturenbrett aus Mahagoni, eine Dampfmaschine oder Beethovens Mondscheinsonate. So entspringt aus dem Geist der Verschwendung die moderne Welt. Nach einer bemerkenswerten Theorie des Soziologen Werner Sombart aus der Zeit um 1920 ist dafür die Frau verantwortlich. Genauer: die Konkubine. Der Mann muss mit irgendwelchem Firlefanz die Frau beeindrucken, die sich ihrerseits gern im günstigen Licht zeigt. Dieses luxurierende Gehabe kulminiert in der Loslösung des Geschlechtsakts von seiner eigentlichen Bestimmung. Sex zum ausschließlichen Vergnügen war an den Fürstenhöfen des Barock und Rokoko gang und gäbe und das Bürgertum eiferte dem bald nach. Diente der Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau der Zeugung rechtmäßiger Nachkommen, entfalteten Hofdamen und Mätressen um die illegitimen Beziehungen zu ihren generösen Liebhabern einen theatralisch überhöhten Pomp. Um die Raffinierung des Liebeslebens entspann sich eine ganze Industrie: Kleider und Möbel, Seidenvorhänge, Goldbeschläge und Tapisserien, Paläste und Feste, Reisen und Speisen mussten geplant, produziert und fachkundig begleitet werden. „Der Luxus gleicht dem Feuer“, schrieb 1757 der Abbé Coyer. „Er kann ebenso wärmen wie verzehren. Wenn er einerseits reiche Häuser zugrunde richtet, so hält er andererseits unsere Manufakturen am Leben.“ Diese Zweischneidigkeit führt damals wie heute zu der Frage: Wann kippt verschwenderischer Lebensstil um in Dekadenz, wann vernichtet er sich selbst und womöglich auch andere? Wo herrscht in der heutigen Welt die reine Gier, die Werte bloß verbrennt und nichts Neues hervorbringt? In welchen Kreisen verwandelt sich die Kultur der Luxurierung, die immer Fortschritt bedeutet, in stagnierenden, inhaltsleeren, parasitären Luxus? Verschwendung kippe um in Dekadenz, wo Angeberei zum Selbstzweck werde, sagt der Schweizer Philosoph Ludwig Hasler, selbst ein Lebemann. Wahrhaft produktiver, die Welt bereichernder Luxus komme immer von innen. Er sei die äußere Erscheinung tiefer Freude. Wer zum Beispiel gut Klavier spiele, dem sage man Glück nach bei den Frauen. Aber niemand lerne ein Instrument, weil er Frauen verführen wolle. „Jeder Tastenvirtuose beginnt aus Liebe zur Musik, nicht aus erotischem Kalkül.“ Das bedeutet: Luxurierung ist überbordende Lebenslust. Luxurierung ist nachhaltig. Aus diesem Grund beeindruckt eben auch ein prächtiges Geweih die Damenwelt nur auf dem Kopf eines kapitalen Bocks. Niemals jedoch an der Wand einer Jagdhütte. Carsten Jasner, 47, ist Autor von Reportagen und Essays für Geo, Greenpeace Magazin und Brand Eins. Er ist Mitbegründer des Berliner Journalistenbüros Schön & Gut und schreibt derzeit an einem Buch über die guten Seiten des Risikos.


Die Sehnsucht nach Luxus und der schönen Überschreitung des Notwendigen lässt jeden Markt, auch den der Düfte, florieren. Teuerstes Parfum der Welt mit 170.000 Euro ist derzeit Clive Christian No. 1 im diamantbesetzten Kristallflakon mit Goldkragen. Galeries Lafayette, 2006. Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz

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Als der US-amerikanische Fotograf Mike Sinclair im November 2000 diese Aufnahme in der Nähe von Las Vegas machte, hatte sich die Einwohnerzahl der Vergnügungsstadt in nur zehn Jahren verdoppelt. Dieses Foto erinnert ihn an eine bestimmte Stelle eines Lieds der Band Last Forever: „I’m on a planet, held down by gravity, But there’s a big sky. Up there it’s endless Reason to believe.“ Mike Sinclair, 2000, aus der Serie: Popular Attractions. Copyright Mike Sinclair

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Verschwendung in Zahlen Von Philipp Albers

Weltbevölkerung im Jahr 2010 in Milliarden: 6,9 Geschätzte Weltbevölkerung im Jahr 2050 in Milliarden: 9,2 Ökologischer Fußabdruck* eines durchschnittlichen Deutschen in Hektar: 4,2 Fläche, die jeder Deutsche für die Wiedergutmachung seines ökologischen Fußabdrucks tatsächlich zur Verfügung hat, in Hektar: 1,9 Ökologischer Fußabdruck eines durchschnittlichen US-Amerikaners in Hektar: 9,4 Ökologischer Fußabdruck der Menschheit im Jahr 2005, in Prozent der globalen Biokapazität: 131 Anzahl der Planeten von der Größe der Erde, die, wenn jeder Mensch den ökologischen Fußabdruck eines US-Amerikaners hätte, mindestens nötig wäre, um die verbrauchten Ressourcen auszugleichen: 4

Anzahl der Fondue-Sets, die in britischen Haushalten meist ungenutzt im Küchenschrank lagert, in Millionen: 3,8 Geschätzte Menge an Lebensmitteln, die in den USA pro Jahr von Haushalten, Handel und Restaurants ungenutzt weggeworfen werden, in Tonnen: 40.000.000 Anteil der gekauften Lebensmittel, die in britischen Haushalten im Müll landen, in Prozent: 25 Zahl der Menschen, die man mit dem von britischen Haushalten weggeworfenen Brot und Getreideprodukten täglich versorgen könnte: 30.000.000 Zahl der Menschen, die 2010 weltweit ständig an Unterernährung leiden: 1.000.000.000 Stromproduktion weltweit 2007 in Gigawattstunden: 19.854.871 Stromverbrauch weltweit 2007 in Gigawattstunden: 16.445.729 Strommenge, die das deutsche Atomkraftwerk Isar 2 im Jahr 2002 produzierte, in Gigawattstunden: 12.200 Für 2010 prognostizierter deutschlandweiter Stromverbrauch durch das Internets in Gigawattstunden: 30.000 Jährlicher Stromverbrauch (2004) durch Standby-Betrieb von elektrischen Geräten in deutschen Haushalten und Büros in Gigawattstunden: 22.000 Jährlicher Stromverbrauch von einer Million Elektroautos (bei einem Stromverbrauch von 15 Kilowattstunden auf 100 km und 10.000 km Laufleistung pro Jahr) in Gigawattstunden: 1.500 Gesamtstromverbrauch von Berlin im Jahr 2006 in Gigawattstunden: 13,4

Zahl der Menschen, die im Jahr 1950 ihren Urlaub im Ausland verbrachten, in Millionen: 25,3 Zahl der Menschen, die im Jahr 1990 ihren Urlaub im Ausland verbrachten, in Millionen: 436 Zahl der Menschen, die im Jahr 2008 ihren Urlaub im Ausland verbrachten, in Millionen: 921,8 CO2-Emissionen, die ein Flug von Berlin nach München und zurück pro Passagier verusacht, in Kilogramm: 300 Jahre, die ein Kühlschrank in Betrieb sein muss, um diese Menge CO2 zu produzieren: 3 Größe Deutschlands in Quadratkilometern: 357.125 Größe der von Straßen, Gebäuden und Siedlungen bedeckten Fläche Deutschlands im Jahr 2009 in Quadratkilometern: 47.422 Jährlicher Zuwachs der Verkehrs- und Siedlungsfläche in Deutschland in Quadratkilometern: 348 Anzahl der Länder, die eine höhere Straßennetzdichte als Deutschland haben: 1 Fläche der zwischen 1990 und 2005 in Indonesien und Malaysia angelegten Palmölplantagen, von denen der Großteil durch Rodung von Regenwäldern entstand, in Millionen Hektar: 4,9 Anteil der indonesischen Waldbrände und Brandrodungen am weltweiten durch Menschen verursachten CO2-Ausstoß in Prozent: 15 Für das Jahr 2025 von Indonesien geplante Anbaufläche für Ölpalmen in Millionen Hektar: 26 Jährlicher weltweiter Verlust an Waldflächen in Millionen Hektar: 13 Größe der Schweiz in Millionen Hektar: 4 Preis für einen ab 2012 von der Fluglinie Virgin Galactic angebotenen Flug ins All, von wo aus die Rodungslücken zu sehen sind, in US-Dollar: 200.000

Menge des jährlich an deutschen Tankstellen getankten und Dieselkraftstoff beigemischten Palmöls in Tonnen: 130.000 Bodenfläche, die ein mit Pflanzenöl betanktes Dieselauto pro Jahr und für 14.250 Kilometer benötigt, in Quadratmetern: 10.000 Bodenfläche, die ein durch Windkraft betriebenes Elektroauto benötigt, um ein Jahr zu fahren, in Quadratmetern: 6

Menge des im Jahr 1950 weltweit verbrauchten Fischs in Millionen Tonnen: 19 Menge des im Jahr 2006 weltweit verbrauchten Fischs in Millionen Tonnen: 143,6 Anzahl der 200 weltweit wichtigsten Fischarten, die seit Ende der 1970er Jahre von der Welternährungsorganisation als gering befischt eingestuft werden: 0 Anzahl der vom Aussterben bedrohten Fischarten: 1.414 Trinkwassermenge, die in den urbanen Regionen der Welt jährlich durch Lecks und undichte Leitungen versickert, in Milliarden Kubikmetern: 32,7 Jährlicher Wasserbedarf von New York City in Milliarden Kubikmetern: 1,39

Wassermenge, die weltweit im Durchschnitt zur Herstellung einer Tasse Kaffee benötigt wird, in Litern: 140 Zahl der möglichen Kombinationsmöglichkeiten für ein Getränk bei Starbucks: 87.000 Zahl der Starbucks-Filialen weltweit Ende 2009: 16.706 Zahl der jedes Jahr weggeworfenen Einwegbecher für Kaffee in Milliarden: 58 Wassermenge, die zur Herstellung dieser Menge von Pappbechern benötigt wird, in Milliarden Litern: 45,2

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Täglicher Pro-Kopf-Verbrauch von Wasser in den Industrienationen in Litern: 200 Täglicher Pro-Kopf-Verbrauch von Wasser in den Ländern Nordafrikas in Litern: 12 Wassermenge, die zur Produktion von einem Kilo Brot benötigt wird, in Litern: 1.000 Wassermenge, die zur Produktion von einem Kilo Rindfleisch benötigt wird, in Litern: 16.000 Wassermenge, die zur Herstellung eines PC benötigt wird, in Litern: 20.000 Wassermenge, die zur Herstellung eines Autos benötigt wird, in Litern: 400.000

Fleischkonsum Fleischkonsum Fleischkonsum Fleischkonsum

in China 1980 pro Kopf und in Kilo: 13,7 in China 2005 pro Kopf und in Kilo: 59,5 in Indien 2005 pro Kopf und in Kilo: 5,1 weltweit 2005 pro Kopf und in Kilo: 41,2

Energieverbrauch in deutschen Einpersonenhaushalten im Jahre 2004 in Kilowattstunden: 13.800 Energieverbrauch pro Kopf in deutschen Haushalten mit drei und mehr Personen im Jahr 2004 in Kilowattstunden: 7.274 Anteil der Einpersonenhaushalte in Deutschland in Prozent: 39,8 Zahl der weltweit pro Jahr produzierten Plastiktüten in Milliarden: 600 Durchschnittliche Nutzungsdauer einer Plastiktüte in Minuten: 25 Geschätzte Menge des Plastikmülls, der im Nordpazifik im sogenannten “Great Pacific Garbage Patch” zirkuliert, in Millionen Tonnen: 100 Anzahl der Jahre, die die Natur benötigt, um eine Plastiktüte vollständig zu zersetzen: 500 Zahl der in China monatlich neu hinzukommenden Handynutzer in Millionen: 10 Anteil der Menschen, die ihre gebrauchten Handys ungenutzt in Schubladen herumliegen lassen, in Prozent: 44 Anteil der Konsumenten, die das Recycling ihrer gebrauchten Handys nicht einmal in Erwägung ziehen, in Prozent: 74 Anteil der Konsumenten, die gleichzeitig Recycling für eine geeignete Maßnahme zum Schutz der Umwelt halten, in Prozent: 72 Anteil der Elektrogeräte, die in Europa nicht ordnungsgemäß recycelt werden, in Prozent: 60

Durchschnittliche in einem Handy enthaltene Goldmenge in Gramm: 0,024 Zahl der 2009 weltweit verkauften Mobiltelefone in Milliarden: 1,21 Wert der Goldmenge, die 2008 weltweit in Handys verbaut wurde, in Milliarden US-Dollar: 1,1 Menge der Handys, die aus dem Ertrag einer Tonne Golderz durchschnittlich bestückbar sind: 41

Stromverbrauch in Indien im Jahr 2007 in Gigawattstunden: 566.846 Stromverbrauch in Deutschland im Jahr 2007 in Gigawattstunden: 527.352 Einwohnerzahl Indiens im Jahr 2007 in Millionen: 1.129,9 Einwohnerzahl Deutschlands im Jahr 2007 in Millionen: 82,4

Durch Spammails verursachter weltweiter jährlicher Energieverbrauch in Gigawattstunden: 33.000 Anteil, der durch das Ansehen und Löschen dieser Spammails verursacht wird, in Prozent: 52 Energieanteil, der bei Computernetzteilen als Abwärme verloren geht, in Prozent: 30 Energiesparpotenzial bei Computern durch Optimierung der Software in Prozent: 30 Menge des Ende 2009 noch im Umlauf befindlichen und nicht umgetauschten D-Mark-Bargeldes in Milliarden D-Mark: 13,6 Menge an Medikamenten, die in Deutschland jedes Jahr im Müll landen, in Tonnen: 4.000 Menge der Bücher, die jedes Jahr in Deutschland geschreddert werden, in Millionen: 16 Anteil der in Rohstoffen vorhandenen Primärenergie, die später tatsächlich als Energie vom Verbraucher verwendet wird, in Prozent: 33 Geschätztes Einsparpotenzial beim Gesamtenergieverbrauch durch Effizienzsteigerungen in Haushalten, Produktionsstätten und Bürogebäuden in Prozent: 40 * Für die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks wird gemessen, wie viele natürliche Ressourcen ein Mensch durch seine Ernährung, seinen Konsum, seinen Energieverbrauch und für die Absorbierung der von ihm produzierten Abfälle und CO2-Emissionen in Anspruch nimmt und wie viel Biokapazität benötigt wird, um diesen Verbrauch auszugleichen. Diese Menge an Biokapazität ist der ökologische Fußabdruck und wird in der Maßeinheit Fläche angegeben. Quellen: Atmosfair; Betacup; Bundesamt für Naturschutz; Bundesministerium für Gesundheit; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Bundeszentrale für politische Bildung; Nicholas Carr: www.roughtype.com; City of New York, Department of Environmental Protection; Der Standard; Deutsche Bundesbank; Die Zeit; David Edgerton: The Shock of the Old; Focus; Gartner; Global Footprint Network; Greenpeace; Internationale Energieagentur; McAfee; Nokia; Susanne Risch, Daniel Kronen: Wo beginnt Verantwortung? Das Buch der Fragen; Robinwood; Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Berlin; Spiegel Online; Starbucks; Statistisches Bundesamt; Tristram Stuart: Waste ­— Uncovering the Global Food Scandal; The Independent; Umicore Precious Mining; Umweltbundesamt; Brenda & Robert Vale: Time To Eat The Dog? The Real Guide to Sustainable Living; Vereinte Nationen; www.waterfootprint.org; Weltbank; Welternährungsorganisation; Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Philipp Albers ist Journalist und Geschäftsführer der Zentralen Intelligenz Agentur (ZIA). Von 2004 bis 2008 war er Program Director der American Academy in Berlin.

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Klimaanlagen in Tokyo, 2007. 2050 werden schätzungsweise 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Gebäude verbrauchen 20 Prozent der weltweiten Energie, in der EU 41 Prozent, in Japan 28 Prozent. Foto: Holger Mette/iStockphoto


Die Megacity Lagos ist der am schnellsten wachsende Ballungsraum Afrikas und steht beispielhaft für die rapide, unkontrollierte Urbanisierung der Gegenwart. Zentrales Geschäftsviertel auf Lagos Island, 2009. Foto: Julian Röder/Ostkreuz.

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300.000 Amerikaner verloren durch den Hurrikan Katrina ihr Zuhause. Obwohl noch immer von Naturkatastrophen die Rede ist, wissen wir mittlerweile, dass die Ursachen für solche verheerenden Desaster von Menschen gemacht sind. Chris Jordan, 2005, aus der Serie In Katrina’s Wake: Portraits of Loss from an Unnatural Disaster. Copyright Chris Jordan, Courtesy of Kopeikin Gallery

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Das Midway Atoll liegt mitten im Nordpazifik, mehr als 2.000 Meilen vom nächsten Kontinent entfernt. Chris Jordan dokumentiert, was die dort brütenden Albatrosse ihrem Nachwuchs verfüttern. Für dieses und das folgende Bild wurde kein einziges Stück Plastik bewegt oder anderweitig manipuliert. Chris Jordan, 2009, aus der Serie Midway: Message from the Gyre. Copyright Chris Jordan, Courtesy of Kopeikin Gallery

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Hundert Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen in den Weltmeeren, rund 40 Prozent der Ozeanflächen sind inzwischen belastet, mit zerstörerischen Folgen für Vögel, Fische und andere Meerestiere. Chris Jordan, 2009, aus der Serie Midway: Message from the Gyre. Copyright Chris Jordan, Courtesy of Kopeikin Gallery

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Kapitalismus

Vergeudet, verwüstet,

Der Kapitalismus ist die größte Verschwendungsmaschine, die der Mensch je erfunden hat sondern verursacht auch enorme soziale Kosten. Ein Plädoyer für das Ende eines verhängnisvollen Wirtschaftsmodells. Von Susan George Im Englischen bezeichnet das Substantiv „waste“ den Müll: alles, was wir nicht mehr benutzen können oder wollen und was deshalb nur noch gut für den Mülleimer ist. Das Verb „to waste“ hat subtilere Bedeutungsnuancen: Eine Bedeutung ist verschwenden, vergeuden oder auch der ineffiziente und unrentable Gebrauch einer Ressource. „To lay waste“ dagegen bedeutet verwüsten, etwa wenn eine Armee oder barbarische Horden eine Stadt verwüsten. Im Gangsterslang kann „to waste“ auch töten bedeuten. „I pulled out my gun and wasted him“ heißt: Ich zog meine Knarre raus und legte ihn um. Der Kapitalismus erfüllt alle drei Bedeutungen des Begriffes.

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Der Kapitalismus verschwendet Menschen, indem er sie hierarchisch organisiert und die überwältigende Mehrheit der Arbeiter daran hindert, auch nur ein Wörtchen bei der Führung des Unternehmens mitzureden. Er sieht in Angestellten nichts als einen Kostenfaktor. Der Beweis? Sobald eine Massenentlassung angekündigt wird, steigt der Aktienkurs des Unternehmens. Die meisten Menschen haben keine oder nur geringe Kontrolle über die Entwicklung ihrer Karriere und können sich gerade in Krisenzeiten ohne eigenes Verschulden in der Arbeitslosigkeit wiederfinden. In Frankreich hat eine lange Serie von Selbstmorden bei FranceTelecom die Geschichten von Angestellten ins Licht der Öffentlichkeit gerückt – sie sprechen davon entbehrlich zu sein und „wie ein Kleenextuch“ behandelt zu werden.

Der Kapitalismus verwüstet den sozialen Zusammenhalt. Eine kapitalistische Gesellschaft erzeugt naturgemäß gewaltige Ungleichheiten und selbst in den reichsten Ländern werden Millionen an den Rand gedrängt oder ausgeschlossen. Die Europäische Union spricht offiziell von 80 Millionen Armen. In den Vereinigten Staaten verdient der Chef eines großen Unternehmens gewöhnlich mindestens das 400- bis 500fache des Durchschnittsverdienstes seiner Angestellten. Der Reichtum des obersten Prozents der US-Amerikaner belief sich früher auf acht Prozent des gesamten Wohlstands – heute ist er dreimal so hoch. Die weltweit mehr als 80.000 multinationalen Konzerne sind Experten in Steuerumgehung. Sie nutzen alle Möglichkeiten von Verrechnungspreisen und Steueroasen aus, um der Zahlung ihres fairen Anteils an den sozialen und öffentlichen Aufgaben in den Ländern, in denen sie ihre Profite machen, zu entgehen. Wie inzwischen jeder weiß, erhalten Banker und Finanzhändler trotz der Zerstörung, die ihre kasinokapitalistischen Methoden bei ihren Mitbürgern angerichtet haben, weiterhin gewaltige Bonuszahlungen. Die wachsende Ungleichheit und der Zusammenbruch des sozialen Zusammenhalts sind eng verknüpft mit so unterschiedlichen Phänomenen wie dem Verbreitungsgrad von Alkoholund Drogenmissbrauch, physischen und psychischen Krankheiten oder Fettleibigkeit, mit Kriminalität, Tötungsdelikten, Delinquenz und der Zahl der Gefängnisinsassen, Teenagerschwangerschaften, Kindersterblichkeit und Lebenserwartung – die hohen Kosten tragen alle, auch die Reichen.


, vernichtet

t. Er verschleudert nicht nur die natürlichen Ressourcen unseres Planeten,

Der Kapitalismus verschwendet Ressourcen durch so wohlbekannte Techniken wie die „geplante Veralterung von Produkten“ und die vorsätzliche Einführung von unbedeutenden Innovationen, die durch massive Werbemaßnahmen begehrenswert und vermeintlich cool gemacht werden. In mindestens einer großen europäischen Stadt, in Wien, wird das gesamte am Tage nicht verkaufte Brot weggeworfen und von einer Flotte von Lastwagen auf der Müllkippe entsorgt – anstatt es an die Obdach­losen und Bedürftigen zu verteilen, am folgenden Tag billiger zu verkaufen oder einfach gleich weniger Brot zu produzieren. Große Anteile an Energie werden vergeudet, bevor sie überhaupt zum Einsatz kommen, und in vielen Ländern verderben Unmengen an Lebensmitteln bei der Lagerung, Verarbeitung und Distribution, ohne den Konsumenten je zu erreichen.

Der Kapitalismus vergeudet Geld. In den USA fließen weniger als 20 Prozent aller Investitionen in die tatsächliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen, während mehr als 80 Prozent direkt in Finanzprodukte investiert werden. Viele dieser Produkte sind Collateralised Debt Obligations (CDO) oder andere Derivate mit geringem oder gar keinem sozialen Wert. Der Handel auf dem Währungsmarkt allein absorbiert 3,2 Billionen US-Dollar pro Tag. Am schwerwiegendsten ist jedoch:

Der Kapitalismus vernichtet die Natur – er legt den Planeten buchstäblich um und gefährdet so die weitere Existenz des menschlichen Habitats, zumindest unter zivilisierten Bedingungen. Dieses System hat sich als unfähig erwiesen, allen Bewohnern selbst die einfachsten Lebensgrund­ lagen wie Nahrung und Wasser bereitzustellen. Um weiter machen zu können, benötigt es bis zu fünf oder sechs weitere, jedoch nicht verfügbare Planeten. Verteidiger des Systems unterstreichen die unleugbare Fähigkeit des Kapitalismus, Innovation voranzutreiben. Sicherlich, seine Ausdehnung, wie in China, hat Hunderten Millionen Menschen die Flucht aus der düsteren ländlichen Armut ermöglicht. Aber seine Kosten und seine systemimmanente, tief verwurzelte Verschwendungssucht überwiegen heute bei Weitem seine Vorteile. Der Kapitalismus hat seine Nützlichkeit überlebt. Genug ist genug. Dr. Susan George, 1934 in den USA geboren und heute in Paris lebend, gilt als Galionsfigur der Anti-Globalisierungsbewegung. Die Politikwissenschaftlerin und Aktivistin war Mitglied im Vorstand von Greenpeace International und langjährige Vizepräsidentin des Netzwerks Attac, das sie mitbegründet hat. Zu den zahlreichen von ihr verfassten Büchern gehören „Sie sterben an unserem Geld: Die Verschuldung der Dritten Welt“ und „Change it! Anleitung zum politischen Ungehorsam“.

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Container: Geschätzte 20 Millionen dieser Bausteine der Globalisierung sind weltweit täglich unterwegs. Jedes Jahr gehen bis zu 10.000 bei Stürmen oder schwerer See über Bord. Chris Jordan, Container yard #1, 2003, aus der Serie Intolerable Beauty: Portraits of American Mass Consumption. Copyright Chris Jordan, Courtesy of Kopeikin Gallery

26 Denkanstöße Magazin 03



Die Metropole Moskau hat mittlerweile über zehn Millionen Einwohner, die jährlich über fünf Millionen Tonnen Hausmüll produzieren. Nur ein Viertel der Abfallmenge wird recycelt oder in Müllverbrennungsanlagen verwertet. LINN SCHRÖDER, See im Sonnenlicht, 2003, aus der Serie Sind Sie ein echter Frosch? Natürlich, das sieht man doch. Keine Metapher. Foto: Linn Schröder/Ostkreuz


Silvana Toneva und Dirk Behrend, Kabelbaum, 2010, Elektrokabel, diverse Haushaltsger채te, Labor Berlin. Foto: Ljupcho Temelkovski

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Vergeudung

Es fährt sein Zug nach überall Christian Anders war Schlagerstar, Millionär, ging nach Hollywood, verlor alles, wurde Bettler, schrieb Dramen, Bücher über Verschwörung, Buddha und den Euro. Verschwendung? Ach wo, sagt er, das pralle Leben! Interview: Ralf Grauel Denkanstöße: Herr Anders, Sie haben so viele unterschiedliche Dinge gemacht in Ihrem Leben, man weiß gar nicht wo man anfangen soll. Christian Anders: Ich habe einfach zu viele Talente. Mich erinnert meine Situation, obwohl es vermessen klingen mag, an Michelangelo oder Leonardo da Vinci. Mich interessieren zu viele Dinge. Irgendwann kommt alles wieder zusammen. Ich finde, der Mensch sollte sich über seinen Beruf hinaus betätigen. Wir sollten nicht mehr nur einen Beruf erlernen und anschließend von anderen erwarten, dass sie alles richten. Wir müssen unser Leben nach Kriterien der Vielfalt leben. Sie sind Österreicher, wuchsen aber in Sardinien auf. Und bin in Österreich geboren. Mein Vater war Konsul von Sardinien. Meine Mutter hatte eine komplizierte Schwangerschaft. Zwei Monate vor dem eigentlichen Geburtstermin stürzte sie im Konsulat die Treppe herunter. Also flog mein Vater mit ihr nach Österreich, weil es dort einen Spezialisten für derartige Komplikationen gab. Ich kam also zur Welt, todkrank, und bekam direkt nach der Geburt vom Pfarrer die letzte Ölung. Die Oma gab ihm einen Tritt in den Hintern, nahm mich und steckte mich in den Schnee. Bis zum Hals. Wahrscheinlich habe ich da tief Luft geholt und wurde auf diese Weise reanimiert. Der Pfarrer floh mit wehenden Gewändern. Ich vermute stark, dass ich gar nicht in die Welt kommen wollte. In der Folge kamen Sie ja mit aller Macht in die Welt. Sie wurden ein großer Star ... Und bin es immer noch. Oder sagen wir: wieder. 2009 war ich mit den Remixen von „Ruby“ und „Gespensterstadt“ Nummer eins in den Internet-Downloadcharts. Neulich trat ich wieder im ZDF-Fernsehgarten auf. Interessanterweise handeln Ihre Lieder fast immer vom Verlieren. In „Geh

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nicht vorbei“, „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“ oder „In den Augen der anderen“ sind Sie der verschmähte, leidende Liebhaber. Kommt diese Positionierung aus Ihrer Stimme oder Ihrer Haltung? (Lacht) Ich glaube, aus meiner Stimmung! Mir haben schon im Kino die Verlierer leidgetan. Man nannte mich ja deswegen auch den Liebesbettler. Und Nuttenmozart, oder? Stimmt. Aber dieser Titel kommt durch ein Lied, das ich in Bachschen Fugen geschrieben habe. Das war ein sehr kompliziertes Stück: „Sechs Uhr früh in den Straßen“. Wer ist um diese Uhrzeit außer Freiern, Huren und Betrunkenen schon unterwegs? Das Thema des Verlierers zieht sich auch durch Ihr reales Leben: 1994 haben Sie sich, als Ihr Bruder angeklagt war, vor dem Gericht nackt angekettet. Welch eine grandiose Inszenierung von Machtlosigkeit. Woher kommt das? Ich bin Steinbock und man sagt, der überzieht gerne. Ich übertreibe, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und die Übertreibung übertreiben Sie und setzen immer noch eins drauf. In der Hitparade haben Sie einmal während eines Auftritts mit dem Kopf einen Ziegelstein zertrümmert. Weil Sie einen schwarzen Gurt in Karate haben? Mein eigentlicher Beruf war ja Karatelehrer. Und nach Feierabend haben Sie damals Ihre Songs geschrieben? Nein, das entwickelte sich anders. Ich war Karatelehrer, 1966 bei Sport Scheck in München, und habe unter anderem die Münchner Kriminalpolizei in Nahkampf in engen Räumen unterrichtet. Abends spielte ich Lieder mit einer Band. Eine meiner Karateschülerinnen war die Geschäftsführerin eines Musikverlages, Frau Dr. Busse. Und die hat mich entdeckt und mir einen kleinen Job angeboten als Texter und

Übersetzer für Charles Aznavour, Gilbert Bécaud im Dr. Busse Verlag in München. (Singt, mit französischem Akzent:) Bist du allein auf deinem Stern. Siehst fremde Welten vorüberschweben. Da lernt man natürlich von den Besten. Ja, herrlich. Frau Dr. Busse hat mich gefördert und mir einen Plattenvertrag bei EMI Electrola besorgt. Dort habe ich drei Platten aufgenommen, alle sind gefloppt. Eine halbe Million Mark, viel Geld damals, hat die EMI in meine Karriere gesteckt. Irgendwann sagte die Plattfenfirma: „Okay, ein Stück nehmen wir noch auf, dann ist Schluss!“, und boten mir ein Lied an, das niemand singen konnte – und singen wollte, weil es sechs Minuten lang war. Welches Lied war das? „Geh nicht vorbei“. Ich hab’s aufgenommen, zwei Monate später war ich Millionär. Da war ich 24 Jahre alt. Wie muss man sich das vorstellen? Hatten Sie da eine Million Mark auf dem Konto? Ach, mehr. Was macht man mit so viel Geld? Erst mal gar nichts. Frau Dr. Busse hat ja auf mich aufgepasst. Dann habe ich mir ein herrliches, 400 Quadratmeter großes Penthouse in München-Schwabing gekauft und einfach weiter Lieder aufgenommen. Dann kam der vergoldete Rolls Royce ins Spiel. Wie vergoldet man eigentlich einen Rolls Royce? Ich hab den Rolls Royce der Queen, einen Phantom VI, im Fernsehen gesehen und gedacht: So eins will ich auch. Dann ging ich zu Rolls-Royce-Becker in München und sagte: „Den will ich, aber bitte in Gold“. Ich bestellte die gepanzerte Version, weil ich schon damals Angst vor Anschlägen hatte, und ließ eine echte Goldschicht auftragen. Und was die wenigsten wissen: Die Emily, das ist die Kühlerfigur, war aus massivem Gold. Wenn man da angefasst und gezogen


Roby Horsley, Walter, 2010, Lampenschirm, Plastikkorpus eines Elektrospielzeugs, Labor Berlin. Foto: Ralf Schmerberg


Vergeudung

„Ich ging nach Los Angeles und lebte unter einer Brücke, um „Das Buch d die mir von einer göttlichen Stimme diktiert wurden. Bis Sandra Maischbe hat, bekam man einen elektrischen Stromschlag verpasst. Dieses Auto wurde mein Wohnzimmer, darin fuhr ich durch die Gegend. Ich hatte alles, einen Fernseher, Video, eine Bar. Der Innenraum war so groß, dass ich eine Telefon benutzte, um mit dem Fahrer zu sprechen. Wie gerieten Sie in finanzielle Schwierigkeiten? Es begann damit, dass ich mich geschäftlich von meiner Verlegerin trennte. Das kostete schon mal fünf Millionen Mark. Irgendwann war ich ziemlich abgebrannt und traf Sean Connery. Der lud mich ein, in seinem Gästehaus auf seinem Anwesen in Marbella zu wohnen. Dort wohnte ich drei Jahre lang. Ich habe auch Backgammon gespielt und schon mal an einem Abend gegen arabische Erben 100.000 Mark verloren. Diese Leute sind so reich, dass sie jeden Monat Millionenbeträge allein an Zinsen überwiesen bekommen. Für die sind 50.000 Euro gar nichts. Ist das nicht alles eitle Verschwendung? Nein, wenn man das mit Spaß betreibt, ist das doch Lebensfreude! Wo sehen Sie denn überhaupt die negative Seite? Warum ist Verschwendung etwas Schlechtes? Weil jemand die Talente, die ihm geschenkt wurden, für sinnlosen Kram verpulvert, statt sie erblühen zu lassen. Selbst wenn ich mein Geld zum Fenster rausschmeiße, so bringe ich es immer noch in Umlauf. Ich habe zwar keines mehr, aber dafür die anderen. Damit ist doch der Ausgleich wieder geschaffen. Nun haben aber Sie diese herrliche Stimme, die ganz Deutschland zum Weinen bringt ... Die ist ja noch da, die altert nicht. Aber noch mal zurück zur Verschwendung: Sie ist weder positiv noch negativ. Sie ist. In diesem Sinne verschwende ich alles, indem ich alles raus lasse. Sie haben Musicals geschrieben. Sie haben Drehbücher geschrieben, Filme

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produziert, Regie geführt. Sie haben Theaterstücke verfasst und aufgeführt. Tut es Ihnen nicht weh, wenn sich für diese Arbeiten viel weniger Menschen interessieren als für Ihre Lieder? (Lacht) Immerhin, mein Film „Die Todesgöttin vom Liebescamp“ lief neulich bei Arte. Der ist mit der Black-EmanuelleDarstellerin Laura Gemser und handelt von einer Sexsekte. Dadurch hat der international sogar ganz gut verkauft. Stimmt, mittlerweile gilt er als Kultklassiker im Trashbereich. Unter diesem Etikett wird ja auch Ihr Karatefilm „Die Brut der Bösen“ gehandelt. Aber ärgert Sie das nicht, wenn Ihre Arbeit so behandelt wird? Nein! Ich selbst bin sowieso mit nichts, was ich mache, zufrieden. Weil ich überall die Fehler höre. Wenn hundert Geige spielen und eine spielt falsch, dann kriege ich schon Bauchschmerzen. Sie sind ja ohnehin der Mann der hundert Geigen, oder? Sie haben seinerzeit mit der Produktion von „Geh nicht vorbei“ den Rahmen des EMI-Studios gesprengt, weil Sie alle Instrumente gleichzeitig aufnehmen wollten, so dass der Chor in der Studiotoilette und das Orchester in der Kantine aufgenommen wurden. Das stimmt. Das war im Hansastudio. Und das war schon groß! Immer noch einen draufsetzen. Immer noch mehr. Wieso? Weil es besser ist. Für mein Musical „Das Schiff der Illusion“ habe ich für den Schlussakkord den Chor der Philharmonie geholt, 40 Damen und 40 Herren, und sie gebeten, fünf Töne zu singen. Das war’s. Ich brauchte nur nach hinten raus ein dickes, bombastisches Ende. Mann, waren die sauer. Dabei sind Sie auch vorne und in der Mitte bombastisch. Stimmt. Und wie man sieht, funktioniert

es. Die Kids lieben es heute wieder, durch die Remixe. Haben Sie eigentlich noch Schulden? Nee. Ich hatte auch nie Schulden. Aber gingen Sie nicht in die USA, um Ihren Schulden zu entkommen? Nein, das wird nur immer so behauptet. Ich bin abgehauen, um „Das Buch des Lichts“ zu schreiben, 5.000 handgeschriebene Seiten, die mir von einer göttlichen Stimme diktiert wurden. In Los Angeles war ich zeitweise obdachlos, bis Sandra Maischberger mich fand und bei Spiegel TV einen Bericht sendete. Danach ging es mir besser. Aber stand hinter Ihrem Wegzug nach Los Angeles nicht auch eine Liebesgeschichte? Das ist der andere Handlungsstrang, der mich dorthin führte. Ich hatte mal in Sri Lanka bei einem Kinofilm Regie geführt. „Der Stein des Todes“, mit dem Schwiegersohn vom Wussow, der Elke Sommer und Heather Thomas, der Blondine aus „Ein Colt für alle Fälle“. Nun ja, Heather Thomas sagte zu mir: „Komm zu mir nach Hollywood!“ Und ich ging. Dann wohnten wir zusammen, traten in Deutschland bei Gottschalk auf, gemeinsam mit Zsa Zsa Gabor, lebten uns irgendwann auseinander und trennten uns. Später hat sie dann den Anwalt von Michael Jackson geheiratet. Na ja, als ich bei ihr auszog, wusste ich nicht wohin, und so wohnte ich eine Weile unter einer Brücke. Wie lange waren Sie obdachlos? Drei Monate. Wie ging es Ihnen dabei? Eigentlich nicht so schlimm. Ich wusste, ich muss dieses Buch schreiben. Also habe ich „Das Buch des Lichts“ geschrieben. Wie ging es weiter? Durch den TV-Bericht wurden Freunde auf mich aufmerksam und halfen mir. Ich schrieb noch ein Buch, „The Man W.H.O. Created Aids“, und führte das in Hollywoood als Ein-Mann-Theaterstück auf.


des Lichts“ zu schreiben. 5.000 handgeschriebene Seiten, erger kam und mich fand.“ 100 Wochen lang, jeden Abend. Und jeden Abend war das Stück ausverkauft. Das war so ein kleines 99-Seat-Theatre, das Wils Side Theatre in North Hollywood. Wenn Sie mal einen Platz nicht verkaufen, fliegen Sie sofort aus dem Programm. Kirk Douglas war da, Elke Sommer war da. Nachmittags trat ich dort als Lanoo auf und habe esoterische Lieder gesungen, abends war ich der Aids-Epidemologe Dr. Wolf Szmuness. Nahezu zwei Jahre lang. Was bedeutet Lanoo eigentlich? Das Wort kommt aus dem Sanskrit, der Mutter aller Sprachen, wie ich im „Buch des Lichts“ lehre, und es bedeutet Schüler. Wer weiß, vielleicht werden wir irgendwann alle Sanskrit sprechen. Wie kamen Sie zum Buddhismus? Über meine spirituelle Lehrerin, Beatrice Flemming, die wiederum eine Schülerin Madame Blavatskys war. Beatrice Flemming sagte mir, ich würde irgendwann in einen Wald gehen und jemand wird mir etwas diktieren. Und so habe ich das eben aufgeschrieben. Ich war zwar Schlagerstar, aber die simplen Fragen konnte ich nicht beantworten: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Und jetzt wissen Sie Bescheid? Jetzt weiß ich Bescheid und gebe mein Wissen weiter. In meinen Büchern und im Internet. Gelegentlich treten Sie im Fernsehen auf mit Ihren alten Hits. Oder man sieht Sie bei Sendungen wie „Die Burg – Prominent im Kettenhemd“. Wie viel Gage bekommt man für so eine Sache? 60.000 Euro hab ich damals bekommen. Wir oft waren Sie schon bei „Das perfekte Promi-Dinner“? Nie. Da habe ich schon sieben Mal abgesagt. Ich dachte, Sie machen alles? Ich mache alles, aber nicht immer. Gibt es etwas, das Sie bereuen? Ich bereue, dass ich wahrscheinlich

einmal jemanden erschlagen habe. Nachts, als ich angegriffen wurde und jemand meine Gitarre raubte. In Nürnberg am Frauentorgraben. Es war dunkel. Vielleicht habe ich etwas zu fest hingelangt. Der fiel um und stand nicht mehr auf. Was haben Sie als nächstes vor? Die Vereinigung aller Weltreligionen. Sie können nur friedlich nebeneinander leben, wenn sie ihre eigenen Schriften nicht wörtlich nehmen. Herr Anders: Was ist Verschwendung? Verschwendung ist die höchst mögliche Ausnutzung der Lebensenergie und der Talente, die man hat. Die Natur gebiert und zerstört. Alles ist vergänglich. Die Himmel der Religionen sind vergänglich. Auch das ewige Leben im Himmel gibt es nicht, diese Ansicht beruht auf einem Übersetzungsfehler. Der Himmel existiert nur für eine sehr, sehr lange Zeit, wie es im Original heißt. Nur die völlige Aufhebung aller Wahrnehmung und aller Empfindungen, das Nirvana, die völlige Lösung von allem, was es gibt, von allem Erkennbaren, dies wäre die Zuflucht. Stattdessen aber taumeln wir zwischen den Polen hin und her und haften an der Welt, denn es ist schön zu sehen, zu hören, zu fühlen und zu schmecken. Dies alles birgt den Nachteil der Vergänglichkeit. Und deshalb die Verschwendung: Alles was vergeht, muss wieder neu entstehen. Die Geburt hat den Tod schon zur Folge, sagt der Buddhist. Jede Form ist vergänglich. Nach dem Tod bleibt unser Verlangen, es legt sich um einen neuen Keim. Im Sinne der Reinkarnation ist Verschwendung dazu da, dass das, was wir wollen, nach unserem Tod verbleibt und wir damit in unserem nächsten Leben weitermachen können. Fortsetzung folgt. Gibt es eine negative Seite der Verschwendung? Nein. Es gibt nur Handeln. Karma. Es gibt das, was wir tun. Und es gibt Konsequenzen.

Christian Anders, 65, gilt als einer der vielfältigsten, aber auch am meisten umstrittenen deutschsprachigen Musiker und Künstler. Anders wuchs in Sardinien auf, kam mit zehn Jahren nach Deutschland und war später Karatelehrer in München. 1969 landete er mit dem für diese Zeit aufwändig produzierten Lied „Geh nicht vorbei“ einen über­raschenden Nummer-eins-Hit, der sich 37 Wochen in den deutschen Charts hielt. Opulenz, ein goldener Rolls Royce und das Leid des Verschmähten wurden seine Markenzeichen. Seine größten Hits waren 1972 „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“ und ein Jahr darauf „In den Augen der anderen“. Anders produzierte wenig erfolgreiche Kinofilme, schrieb Romane, Gedichte und Musicals und lebte von 1987 bis 1991 in den USA. Bis heute macht er mit unorthodoxen Aktionen und Äußerungen auf sich aufmerksam. 1994 kettete er sich nackt vor ein Gerichtsgebäude, weil sein Bruder wegen Steuer­hinterziehung angeklagt war. Christian Anders betreibt verschiedene Webseiten und veröffentlicht unter dem Namen Lanoo Bücher zu esoterischen und ökonomischen Themen. Aktuelle Titel sind „Der wahre Bankenschwindel und was man dagegen tun kann“ und „Darwin irrt!“, in dem er den Beweis liefert, dass der Affe vom Menschen abstammt. Christian Anders lebt mit seiner Frau in Berlin-Charlottenburg. Ralf Grauel ist freier Journalist und publizistischer Berater. Er lebt in Berlin.

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souziehaas, Die fetten Jahre sind vorbei, 2010, Lampenschirm, Nachttischlampe, Gitter von Ventilator, Spielkonsole, Kabel, Obst, Labor Berlin. Foto: Peter Lorenz



Chance

Auf, Kinder, lasst uns Zukunft säen! Verzicht und Enthaltsamkeit werden uns nicht retten, sagt Querdenker Wolf Lotter. Im Gegenteil: Wir brauchen mehr von allem. Vielfalt, Ideen, Möglichkeiten, Wohlstand und, ja, auch mehr Verschwendung. Interview: Göran-Adrian Bellin Denkanstöße: Wolf Lotter, was macht die

grundsätzlich stört, ist dieser Reduktions- und

Das Problem ist, dass wir mit sehr eingefahrenen

Verschwendung zu einer Tugend?

Sparbegriff. Da weht noch der kalte, protestantische

gesellschaftlichen und politischen Konzepten

Wolf Lotter: Tugend ist eine moralische Kategorie. Und

Geist, der allzu viel Unheil angerichtet hat in der

hantieren. Schauen Sie, es gibt im Wesentlichen

moralische Kategorien interessieren mich in

Geschichte. Man glaubt, durch Komplexitätsreduktion

stets zwei Möglichkeiten, sich Komplexität zu nähern.

diesem Kontext nicht. Mir geht es um Verschwendung

so etwas wie eine Weltordnung des Guten erreichen zu

Einerseits durch Reduktion, wodurch das große

im Sinne von größter möglicher Verausgabung, von

können. Tatsächlich erzeugt man dadurch Extremposi-

Ganze nicht mehr so arg kompliziert aussieht, sich

Bemühung, Leistung, Investition. Die Gegenstücke

tionen, die den Menschen Möglichkeiten stehlen, statt

aber für den Einzelnen zunehmend grausam gestaltet,

dazu wären das Sparen, das Reduzieren, der Verzicht.

ihnen welche zu geben, und die deshalb allenfalls

weil ja seine Möglichkeiten theoretisch fortbestehen,

Auch diese Begriffe sind ja übrigens alle stark

zu mehr Aggression und Gewaltpotenzial führen.

jedoch von sozialen und politischen Konstruktionen

religiös konnotiert und esoterisch durchdrungen.

Wie denken wir Zukunft verschwenderisch?

unterdrückt werden.

Absurderweise müssen ausgerechnet diese Begriffe

Man müsste sich dem evolutionären Prinzip der

Oder wir erkennen an, dass nach Jahrtausenden

herhalten, wenn für die Probleme der Zeit

Verschwendung rein wissenschaftlich und vor allem

der Mangelwirtschaft nunmehr die Möglichkeit

pragmatische Lösungen gefunden werden sollen.

pragmatisch nähern. Es gibt keine einfachen

besteht, aus einer Vielfalt zu wählen, erlernen diesen

Was stört Sie an der moralischen Argumentation?

Lösungen. Es gibt stets viele Wege, Varianten und

Prozess des Wählens und begreifen Komplexität

Hier wird so getan, als ginge es um pragmatische

Möglichkeiten. Und eben darin besteht das Prinzip der

als Ressourcenbergwerk der Zukunft.

Lösungen, aber das Gegenteil ist der Fall. Im Manage-

Verschwendung, die im Grunde nur die

Was verbindet Komplexität und Verschwendung?

ment zum Beispiel hatten in den letzten Jahren die

Ausgestaltung dessen ist, was wir Leben nennen.

Komplexität erzeugt persönliche Lösungen, aber

Controller, Sparmeister und Geiz-ist-Geiler das Sagen:

Aber liegt das Problem nicht darin, dass wir

auch persönliche Probleme. Wir verlassen das

Aber die Wirtschaft ist dadurch weder besser noch

das Neue nur mit den Kategorien denken können,

Zeitalter der universellen Antworten, wir verlassen den

effizienter geworden, obwohl dies das angestrebte

die uns bekannt sind?

Bereich einer vielfach als Sicherheit empfundenen

Ziel war. Stattdessen vergrößerte sich die Distanz

Ja, und darin liegt der Kardinalfehler unserer

Gleichheit und treten ein in eine Zeit, in der es

zwischen den Menschen und ihren Möglichkeiten.

kritischen Analyse. Wir messen die Welt an dem, was

möglich ist, durch individuelle, nicht in objektiven

Im Prinzip leben wir heute in einer dekadenten Zeit:

gestern war. Wir sind dabei nicht selbstkritisch.

Zahlen messbare Anstrengung ein lebenswertes Leben

Die Wohlstandskinder der ersten Welt, deren Eltern

Viele von uns sind zu Reflexideologen geworden, die

zu schaffen.

ihnen jede Menge vererbt haben, versuchen, ihr

meinen, sobald das Soziale pragmatisch berechnet

Dazu bedarf es der Bereitschaft, von vorkonfektionierten

schrecklich komplexes Leben durch Auslassungen

wird, gehe es bereits unmenschlich zu. Wenn Sie sich

Lösungen Abstand zu nehmen – seien sie als Politik,

leichter zu machen. In unseren Köpfen wohnen

die Generalthemen der letzten Jahre anschauen –

Produkt oder Dienstleistung verpackt. Das wäre

lauter kleine Fundamentalisten, deren wirre Idee von

der kalte Neoliberalismus, der kalte Kapitalismus, der

dann in der Tat eine Art Ende der Geschichte, von

der Enthaltsamkeit sogar noch zum Leitbild der

kalte Markt –, so haben Sie es fast nur mit

dem Francis Fukuyama sprach. Das Ende eines

Gesellschaft ausgerufen wird. Das einzige Erfreuliche

religiösen, pathologisch gestörten Begriffsbildungen

kollektiven Gedächtnisses der alten Schule.

ist im Grunde nur der starke Kontrast zum Rest

zu tun, die suggerieren, dass unsere Gemütlichkeit

Verschwendung wäre der Inbegriff dieses „Ich will

der Welt. Wir wohlstandsirritierten Wohlstandskinder,

gestört würde. Tatsächlich ist auch diese

mehr. Und immer persönlicher.“

die den Verzicht predigen, sind weltweit eine

Gemütlichkeit eine Konstruktion, eine Illusion von

Sie sagten einmal: „Die Emanzipation und Autonomie

verschwindends geringe Minderheit. In Indien, China,

Menschsein und Fortschritt.

jedes einzelnen Menschen hinsichtlich seiner

Afrika, Südamerika wollen die Menschen mehr:

Deshalb ist der Graben auch so groß – zwischen

persönlichen Ökonomie ist die Aufgabe, die wir

mehr Materielles und mehr Möglichkeiten.

den Milliarden Menschen, die mehr wollen, und den

in den nächsten Jahrzehnten zu bewältigen haben.“

Demnach hat für Sie Verschwendung etwas mit

Wenigen, die meinen, dass wir mit dem, was wir

Das erinnert an klassische liberale Forderungen

dem zu tun, was Robert Musil den Möglichkeitssinn

haben, doch recht gut auskommen können.

nach mehr Flexibilität und Individualisierung.

nannte. Mit der Aufforderung, neue Verhältnisse zu

Die Klagelieder der Enthaltsamkeit werden von

Zugleich fordern Sie aber eine ganzheitliche

denken, zuzulassen und zu schaffen.

denjenigen gesungen, die nichts mehr für ihre

Ökonomie. Wie passt das zusammen?

Ganz genau. Verschwendung ist ein Vielfaltsprinzip,

Existenzsicherung unternehmen müssen.

Zunächst bedeutet ganzheitlich nicht einheitlich.

ein evolutionäres Prinzip. Die Natur ist mitnichten

Dennoch lässt sich allenthalben eine Rückkehr zum

Es bedeutet auch nicht, dass alles mit allem

eine effiziente Maschinerie, linear organisiert wie

Lokalen, zur sozialen Übersichtlichkeit und

zusammenhängt. Ganzheitlichkeit bedeutet schlicht

ein Fließband. Sie ist eine vielfältige, an Varianten

Intimität beobachten. Der Soziologe Richard Sennett

und ergreifend, dass wir die Problemstellungen,

überreiche, experimentierfreudige Mutter, die an

kritisiert dies als Rückschritt. Auch Sie plädieren

mit denen wir es in Gruppen oder individuell zu tun

allen Ecken und Enden und im Übermaß Neues zu

für mehr Pluralismus und Komplexität. Wieso?

haben, systemisch betrachten. Es heißt, dass wir

generieren sucht. Die Natur ist kein Sparfuchs.

Weil Vielfalt und Diversität wahrscheinlich die

Ursache und Wirkung anders betrachten, als wir es

Was mich an der gegenwärtigen Ökologiebewegung

wichtigsten Ressource sind, über die wir verfügen.

bisher getan haben.

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souziehaas, Tuareg, 2010, Verl채ngerungskabel, Styropor, Radioantennen, Aluplatten von Plattenspielern, Labor Berlin. Foto: Ljupcho Temelkovski


Stephan Vens, Kabel-Studie 4, 2010, Kabel auf Molton, Labor Berlin. Foto: Stephan Vens


„Die Natur ist mitnichten eine effiziente Maschinerie, linear organisiert wie ein Fließband. Sie ist eine vielfältige, an Varianten überreiche, experimentierfreudige Mutter, die an allen Ecken und Enden und im Übermaß Neues zu generieren sucht.“

Aber suggeriert die Rede von der persönlichen

sei, aber da sollten wir zunächst genauer hinsehen

Die Kulturwissenschaftlerin Christina von

Ökonomie nicht eine Gestaltungsmacht,

und die Übermacht der staatlichen Regulation zur

Braun nannte den Handel mit CO2-Emissionen

die faktisch kaum ein Individuum besitzt?

Kenntnis nehmen. Die Märkte sind nicht frei, sondern

„modernen Ablasshandel“.

Ach, ich weiß nicht. Von Leuten, denen an normierter

überreguliert und Teile ihrer politischen Systeme.

Ein sehr zutreffendes Bild.

Macht gelegen ist, wird ja gerne behauptet,

Man sollte den viel beschworenen freien Markt mal

Bildet die Forderung nach späterer Anpassung

diese individuelle Macht sei eine Illusion. Begriffe wie

leben. Wir in Europa haben ihn jedenfalls nicht.

an die Folgen des Klimawandels nicht einen

Flexibilität und Individualisierung werden in Richtung

Die Amerikaner auch nicht. Was immerfort über den

Gegensatz zu der Notwendigkeit vorausschauender,

Vereinzelung diskreditiert und zu Kampfbegriffen

freien Markt gesagt wird, ist im Grunde eine

präventiver, nachhaltiger Politik?

umgestaltet, um Menschen an Gewerkschaften und

Gespensterbeschwörung.

Nein, gar nicht. Im Rahmen der Anpassung würden

Parteien zu binden. Dennoch tritt heute niemand mehr

Liegt Ihren Überlegungen nicht ein allzu affirmativer

wir ja beides tun. Einerseits zum Beispiel neue

in eine Partei ein, weil alle realisiert haben, wie sinnlos

Konsumbegriff zugrunde? Macht mehr und mehr

Deiche bauen, was vernünftig wäre, andererseits eine

das ist. Ich hingegen finde, dass Individualisierung

Konsum uns denn auch mehr und mehr glücklich?

neue Entwicklungspolitik erarbeiten. In Indien, Afrika,

eine wunderbare Sache ist. Wenn Sie mit sich selbst

Wenn ich sage, dass die Menschen mehr und mehr

China, Südamerika ist der Unmut über die Arbeit

nicht zurande kommen, mit wem sollten Sie dann

haben wollen, so meine ich: Möglichkeiten. Die

der Hilfsorganisationen sehr groß. Bei den meisten

zurande kommen? Die Angst vor Selbständigkeit,

Befriedigung an dem, was man tun und nutzen kann,

NGOs ist eine Art Selbstbedienungsmentalität

Selbstbewusstsein und Selbstachtung wird so lange

hat nichts mit Eigentum oder Besitz zu tun. Das

entstanden. Man will natürlich, dass das Geschäft

bestehen, wie eine rückwärts gewandte Macht stärker

sind alte Begriffe, die nicht zu den Prinzipien der

ums Helfen weitergeht, emanzipatorische Unterstützung

ist als die gute, persönliche Entwicklung von Menschen.

Verschwendung und der Komplexität passen. Es wird

aber wird unterlassen.

„Das ist der Kern allen Strebens der Wirtschaft,

im 21. Jahrhundert nicht darum gehen, dem

Wie kommen die Bewohner der südlichen

der Gesellschaft und des Menschen, das Leben

Materialismus und Konsumismus zu huldigen, sondern

Hemisphäre zu ihren Möglichkeiten?

besser zu machen, als man es vorgefunden hat“,

darum sich zu fragen, was Menschen daran freut,

Es geht um das Recht auf Respekt. Und Respekt

schreiben Sie in Ihrem Buch. Darauf wird man sich

Lösungen zu denken, herzustellen und anzuwenden.

setzt Selbständigkeit voraus. Almosen, Empathie,

verständigen können. Aber ist denn a priori klar,

Wer immer nur ankreuzt und aus Vorhandenem wählt,

die Politik der Gefühle sind natürlich anrührend – wir

was das Leben besser macht?

wird keine Lösungen finden. Es ist an der Zeit,

sind bewegt, wenn wir Abbildungen hungernder

Nein, a priori ist freilich nicht klar, was das Leben

dass wir die Freiheit zu persönlichem Glück nüchtern

Kinder sehen –, aber wahr ist eben, dass wir durch

besser macht. Bisher haben aber Religionen, Ideologien

und pragmatisch diskutieren: Was freut mich an

unsere verfehlte Politik mitverantwortlich sind für die

und politische Bewegungen uns erklärt, dass sie

dem, was ich tue? Welche Tätigkeiten meines Lebens

fehlenden Möglichkeiten in der dritten Welt. Statt

genau das wüssten.

sind Ersatzbefriedigungen?

verantwortliche Politik zu betreiben, setzen wir lieber

Und im Gegenzug wollen Sie den Einzelnen nun

Dennoch müssen wir über die ökologischen

schwachsinnige Ziele fest. Ich weiß nicht, was Frau

ermächtigen, selbst darüber zu befinden, was sein

Folgen unseres Wirtschaftens reden. Sie plädieren

Merkel und alle anderen sich dabei gedacht haben,

Leben besser macht?

für Anpassungsleistungen an die zu erwartenden

viel dürfte es aber nicht gewesen sein, als sie

Soweit möglich, ja. Und wie weit genau wird schwer

Folgen. Ist das Ihr Ernst?

beschlossen, das Weltklima zu beherrschen und ihm

zu präzisieren sein. Man kann nur sagen, dass

Das ist absolut mein Ernst! Momentan laufen zwei

magische zwei Grad Celsius vorzuschreiben.

Freiheitsgrenzen dort erreicht sind, wo persönliche

Prozesse nebeneinander her. Einerseits gibt es politische

Sie halten das für eine unzulässige Komplexitäts-

Freiheit die Freiheit anderer einschränkt. Gleichwohl

Konferenzen, wo viele Staaten zusammenkommen.

reduktion?

sollten wir mit der Freiheit nicht so umgehen

Dort tun sie so, als ob sie die Welt retten, indem sie

In der Tat. Das ist eine Reduktion, deren Naivität

wie im retro-linken Diskurs, wo sie als Bedrohung

den geradezu religiös anmutenden Beschluss fassen,

schon erstaunlich ist. Nero mag Rom angezündet

dämonisiert wird.

den weltweiten Klimaanstieg um zwei Grad Celsius

haben, aber er hat, soweit ich weiß, nicht die Brand-

Aber es wird doch sicher auch Regeln geben müssen.

reduzieren zu wollen und zu können. Nicht einmal im

temperatur festgelegt. Wir aber zünden die Welt

Sicher, aber das Problem ist, dass Regulative von

Mittelalter hat es so viel Aberglaube gegeben!

an und bestimmen dann auch noch die zulässige

Gemeinschaften nach Bedarf entwickelt werden.

Andererseits gibt es Leute, die sich weniger mit

Höchsttemperatur.

Regeln können nur Ereignissen folgen. Aber sie können

der Frage nach der Verantwortung und dem Bösen

nicht a priori zur vermeintlichen Lebensverbesserung

aufhalten, sondern fragen: Was können wir tun?

Wolf Lotter ist Redakteur bei dem Wirtschaftsmagazin

eingesetzt werden. Die Grenzen der Selbstregulation

Was müssen wir tun? Wie müssen wir uns anpassen?

Brand Eins, wo er für Schwerpunkte und Entwicklungen

des Marktes würden wir zum Beispiel erst dann

Und das empfinden dann die Fundamentalisten

verantwortlich ist. 2006 erschien im Hanser Verlag sein

erkennen, wenn wir versuchten, einen wirklich freien

als ketzerisch. Was mich hier stört, ist der Umstand,

Buch „Verschwendung – Wirtschaft braucht Überfluss“.

Markt am Laufen zu halten. Und genau das tun wir

dass es in der Öffentlichkeit beim Thema Klimawandel

nicht. Es wird zwar landauf, landab behauptet, dass

immer nur um Schuld und Sühne geht, statt um

Dr. Göran-Adrian Bellin ist verantwortlicher Redakteur

die Finanzkrise Ergebnis eines ungezügelten Marktes

Antworten für Veränderungen.

für das Onlinemagazin www.denkanstoesse.de.

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Alexander Tiller, Silvana Toneva, Antonio Tiller, Greta Schmerberg-Davila, Roby Horsley, Juri Nöldge, Ohne Titel, 2010, Kassettenrekorder, Ventilatoren, diverse Teile von Elektrospielzeugen, Lampenständer, Staubsauger, Haushaltsgeräte, Labor Berlin. Foto: Peter Lorenz



Geräte, mit denen wir leben Erst sollten sie unseren Alltag erleichtern. Dann wurden sie so viele, dass wir größere Wohnungen brauchten. Irgendwann wollten wir nicht mehr ohne sie sein. Wie viel mehr arbeiten wir heute wohl, um unsere elektrischen Mitbewohner zu finanzieren? Küche Kühlschrank Geschirrspüler Herd mit Backofen Deckenlampe Tauchsieder Stabmixer Pürierstab Heizplatte Tassenwärmer Saftpresse Toaster Waffeleisen Kaffeemaschine Einschweißgerät Brotbackautomat Mikrowelle Keller/Waschküche Waschmaschine Wäschetrockner Winkelschleifer Deckenlampe Elektroheckenschere Lichterkette Taschenlampe Staubsauger Heizlüfter Weihnachtsdekoration, beleuchtet Bohrmaschine Baulampe vier Leuchtstofflampen

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Wohnzimmer Deckenlampe Ministereoanlage schnurloses Telefon Deckenstrahler Handyladegerät Schlafzimmer Deckenlampe Zeitschaltuhr Nachttischlampen Heizdecke Massagedecke Ministereoanlage Papierstehlampe Stimmungslicht Arbeitszimmer Lötkolben Deckenlampe Lupenlampe schnurloses Telefon Mikrofon Staubsauger CD-Player Schallplattenspieler Nähmaschine Bildprojektor Tageslichtlampe Kettelmaschine Bad Kassettenradio Lampenspiegel Lockenstab Fön Rasierapparat Epilierer

Gästezimmer Deckenlampe Stehlampe TV-Receiver Videorekorder Würfelwecker Bügeleisen Röhrenfernseher Tischlampe Stereoanlage Boxen Laminiergerät Lichterkette Flur Kugeldeckenleuchte Wandlampe digitale Videokamera


Dieser Zweipersonenhaushalt ist wirklich nicht protzig ausgestattet. Dennoch lässt sich auch hier dank des Schmetterlingseffekts des Stroms große Wirkung entfalten. Weil nur rund ein Drittel der Primärenergie überhaupt bei Endverbrauchern ankommt, potenziert sich jedes zu Hause eingesparte Watt zu drei Watt weniger Primärenergie, die bei Rohstoffen eingespart werden. Und das gilt auch für das Ehepaar Brüne in Berlin-Falkensee. Foto: Katja Renner


Quelle

Verzichten? Nein danke! Wenn in Zukunft Autos, Waschmaschinen und Telefone so gebaut sind, dass sie nach Gebrauch zu Nährstoffen für andere Geräte werden, wäre das Utopia der Verschwendung erreicht. Der Chemiker Michael Braungart weiß, wie wir dorthin kommen. Interview: Holm Friebe Spätestens seit der Club of Rome 1972 die „Grenzen des Wachstums“ formulierte, wird die Debatte um den ökologischen Umbau bestimmt von Verzicht und von der Idee, einen möglichst kleinen Fußabdruck auf der Erde zu hinterlassen. Völlig daneben findet das der einflussreiche DesignVordenker Michael Braungart. Der Chemiker und Materialforscher entwickelt seit den 90ern zusammen mit dem Architekten William McDonough den Cradle-to-CradleAnsatz. Die zentrale Botschaft: Wenn es uns gelingt, durch intelligentes und verantwortungsbewusstes Design geschlossene Stoffkreisläufe – von der Wiege bis zur Wiege – zu schaffen, können wir es uns leisten, auf den Verzicht zu verzichten. Denkanstöße: Herr Braungart, der letzte große Vorstoß zur Steigerung der Ökoeffizienz in Deutschland war die Abwrackprämie für Altautos. Eine sinnvolle Maßnahme? Michael Braungart: Die Abwrackprämie war einfach nur Dummheit, in jeder Hinsicht. Das hat weder mit Effizienz noch mit Effektivität etwas zu tun, sondern bedeutet schlicht einen steuerlich subventionierten Verlust von Vermögen und Rohstoffen. Man sollte Ökoeffizienz nicht mit Dummheit gleichsetzen. Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Cradle to Cradle bedeutet hingegen, dass die Menschen auf nichts verzichten müssen, nach Lust und Laune konsumieren und wegwerfen können, weil die Produkte und Prozesse so intelligent designt sind, dass sie dadurch keinen Schaden anrichten können. Richtig? Nicht ganz. Bei Cradle to Cradle ist alles Nährstoff. Was verschleißt und kaputt geht, ist biologischer Nährstoff und geht zurück in biologische Kreisläufe. Was aber nur genutzt wird, eine Waschmaschine

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oder ein Fernseher beispielsweise, wird so gestaltet, dass es auch nach Gebrauchsende noch technisch nützlich ist. Dadurch wird es zu technologischem Nährstoff. Subjektiv erlaubt das durchaus einen verschwenderischen Umgang mit Materialien, weil der Umgang selbst nützlich wird. Das heißt: Er kann anderen Lebewesen dienen. Wieso diskutiert dann die westliche Welt über Klimawandel, CO2-Bilanzen und Energieeffizienz? Weil generell nicht verstanden wird, dass es kein allgemeines Energieproblem gibt, sondern ein Kohlenstoff-ManagementProblem. Wenn man Kohlenstoff so managed, dass er nützlich ist, also nicht in die Atmosphäre gelangt oder in Ozeanen gelöst wird, dann kann man mit Kohlenstoff sehr verschwenderisch umgehen. Das bedeutet, man kann vielfältige, produktive, für Menschen und andere Lebewesen freundliche Systeme schaffen. So wie ein Kirschbaum im Frühling auch nicht spart, sondern Tausende von Blüten und Früchten hervorbringt, ohne die Umwelt zu belasten. Im Gegenteil: Sobald sie zu Boden fallen, werden sie zu Nährstoffen für Tiere, Pflanzen und Boden in der Umgebung. Wir müssen uns zu Anfang stets die Frage stellen: Was ist das Richtige? Danach mag die Effizienz eine Strategie sein, um dorthin zu gelangen. Aber sie ist nur eine von vielen. Aufgrund des Energieüberschusses auf dem Planeten neigt die Natur im Allgemeinen nicht zu Effizienzstrategien, sondern zu Verschwendung. Das Überschüssige scheint dabei der Knackpunkt zu sein. In der industriellen Denkweise ist Redundanz etwas, das es zu eliminieren gilt. In der Natur ist sie eine wichtige Ressource für Stabilität und evolutionären Fortschritt.

Genau. Redundanz bedeutet, dass man einen Fundus hat, aus dem man für natürliche oder technische Prozesse schöpfen kann. Die Natur wirkt praktisch wie eine Material- oder Energiebank – und die Technosphäre genauso. Darum geht es uns auch nicht um Dematerialisierung, sondern um Rematerialisierung, sprich: darum, die Materialien zu feiern. Weil auf diese Art und Weise ein Leben in Hülle und Fülle möglich wird. Die Erde hat ja durch das einströmende Sonnenlicht einen Energieüberschuss von außen. Von daher ist es albern, immer davon zu reden, man habe nur einen Planeten zur Verfügung. Wir können durchaus einen Planeten schaffen, der fünf- oder zehnmal produktiver ist, als er natürlicherweise wäre. Das ist schon vor etwa zehntausend Jahren begriffen worden, als man von der Nomadenwirtschaft zur Landwirtschaft überging und so die Bioproduktivität drastisch erhöhte. Darum ist das Verzichten, Vermeiden, der gesamte Schuldkomplex ziemlicher Blödsinn. Wie steht es mit der grauen Energie, die beim Recycling verschwendet wird? Sie meinen das, was man auf Englisch „embodied energy“ nennt, also die Energie, die für die Herstellung und Bereitstellung bereits eingesetzt worden ist. Viel problematischer ist aber der Verlust von wertvollen Rohmaterialien in Form von Pseudorecycling. Wir denken, es sei Recycling, wenn wir Autos einschmelzen und daraus Baustahl herstellen. Aber wir verlieren dabei Elemente wie Kupfer, Tantal, Chrom, Mangan, Molybdän, Antimon, Kobalt und Wismut, die den Baustahl obendrein minderwertig machen. Das ist unser eigentliches Problem: Downcycling. Energiezufuhr von außen haben wir mindestens fünftausendmal mehr als wir je brauchen können. Aber es kommen


Isabel Ott, Progress – der Stromfresser, 2010, Staubsauger, Kabel, Steckdosen, Lampenteile, Platinenteilchen, TelefonhÜrer, elektrisches Messer, Luftpolsterfolie auf Holz, Labor Berlin. Foto: Ljupcho Temelkovski, Peter Lorenz


Quelle

„Unsere essbaren Bezugsstoffe für Möbel werden gerade in den neuen Flugzeug Sie könnten die Stoffe auch kleinschneiden und in ihr Müsli packen. Sogar das Wasser, das bei der Produktion verwendet wird, ist hinterher sauberer nicht genügend Meteoriten auf der Erdoberfläche an. Deshalb sind diese seltenen Erden und Buntmetalle der viel kritischere Engpassfaktor. Die Wiedernutzungsrate von Kupfer beispielsweise war in der Menschheitsgeschichte noch nie so gering wie heute, weil immer weniger davon aus den komplexen Produkten abtrennbar ist. Um diese Stoffe zurückzugewinnen, muss das Design grundlegend geändert werden. Wie lässt sich dieser Spurwechsel vollziehen? Die neue Richtung muss sein: Es ist sinnvoll, den ökologischen Fußabdruck – jetzt einmal wörtlich genommen – im Winter zu minimieren, wenn es dunkel und kalt ist. Wenn man in der Tundra unterwegs ist, ist ein Fußabdruck nachteilig, weil er zu Bodenerosion führt. Wenn man aber im Sommer in Italien oder in Süddeutschland herumläuft, dann bedeutet ein Fußabdruck, dass das Wasser länger in der Wiesestehen bleibt. Er ist förderlich, weil ein kleines Feuchtgebiet entsteht. Warum soll ich nicht einen großen Fußabdruck haben, der aber nützlich ist? Wie weit unser Selbsthass gekommen ist, zeigt sich an ganz einfachen Dingen. Etwa daran, dass wir kein einziges Biosiegel haben, das uns erlaubt, unsere Stoffwechselprodukte wieder in den Kreislauf einzubringen. Als Menschen müssen wir jeden Tag zwei Gramm Phosphat aufnehmen und wieder ausscheiden. Kein Biosiegel erlaubt es, dieses Phosphat zurück in die Landwirtschaft einzubringen ... Sie sprechen von menschlichen Exkrementen. Ja, natürlich. Es ist ausgeschlossen, menschliche Exkremente in der Landwirtschaft zu nutzen. Aber wir sind die größten Einzelverwender von Phosphat. Phosphor ist viel seltener als Öl. Es wird viel mehr Radioaktivität durch den

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Phosphatbergbau freigesetzt, als in allen Atomanlagen weltweit verwendet wird. Wir erhöhen damit ganz drastisch die Hintergrundbelastung an Radioaktivität und dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder an Leukämie erkranken. Für den Umbau, den Sie vorschlagen, reicht es ja nicht aus, nur die Produkte anders zu designen. Man müsste an das gesamte System der Müllentsorgung heran. Es fängt noch früher an. An die Stelle der Müllentsorgung muss ein Nährstoffmanagement für die Biosphäre und für die Technosphäre treten. Das hat nicht nur mit Design zu tun, sondern damit, dass wir als Menschen verstehen, dass es mit „weniger schädlich“ nicht getan ist. Dafür sind wir einfach zu viele. Wie kommen wir dann zu einem wirklich ökologischen Umbau? Der Paradigmenwechsel besteht darin, positive Ziele jenseits der Nullinie zu formulieren. Ökoeffektivität heißt definieren, wo man sein möchte. Ich gebe konkrete Aufgaben und Zeitpläne. Bei einem beliebigen Haus in Europa ist die Luftqualität heute im Durchschnitt im Inneren drei- bis achtmal schlechter als die schlechteste Luftqualität in Rotterdam. Wie wäre es, als Ziel zu formulieren: In zehn Jahren ist die Luft in unseren Gebäuden besser als die Außenluft? Damit entstehen plötzlich – wie beim Unternehmen Desso – Teppichböden, die die Luft so reinigen, wie ein Blatt die Luft reinigt. Wie wäre es, als Ziel vorzugeben: In zehn Jahren werden wir alles Phosphat, das wir ausscheiden, zurückgewinnen und wieder einsetzen? Ich kann Ihnen eine lange Liste solcher positiven Ziele nennen. Gekauft. Aber wie setzen wir sie durch? Geht das ohne die Politik? Ohne Revolution? Die Politik müsste letztlich nur die

Subventionierung des Falschen beenden. Einfaches Beispiel: Die EU importiert zwei Millionen Tonnen Palmöl als Biodiesel. Dafür gibt es Einspeisevergütungen. Natürlich lohnt es sich danach nicht mehr, Palmöl als Nahrung zu verwenden. Stattdessen wird es in Verbrennungsöfen verheizt. Der Staat schafft falsche Anreize und verhindert dadurch Innovationen auf dem Markt. Dagegen könnte er durch positive Ziele technologische Veränderungen in einer Geschwindigkeit voranbringen, die in der Tat revolutionäre Entwicklungsschritte bedeuten. Es braucht also nur richtige Anreize und das richtige Bewusstsein? Das hört sich so politisch korrekt an. Ein bisschen mehr Selbstwertgefühl reicht völlig aus. Die Ich-bin-doch-nicht-blödGeneration ist inzwischen in der Industrie und im Design angekommen. Der geht es auch gar nicht mehr um die Umwelt, sondern um umfassende Qualität. Ein Produkt, das die Leute krank macht, ist ein schlechtes Produkt. Ein Produkt, das mit Kinderarbeit verbunden ist, ist kein schönes Produkt. Umfassende Qualität und umfassende Schönheit, sonst gar nichts! Können Sie noch ein paar Beispiele von massenindustriell hergestellten Produkten nennen, die diesen Kriterien genügen? Ganz viele. Ich habe die Teppichböden erwähnt, die die Luft reinigen. Wir haben essbare Bezugsstoffe für Möbel auf den Markt gebracht, die in den neuen Flugzeugen von Airbus eingesetzt werden. Wie bitte? Essbare Flugzeugsitze? Ja, faktisch essen Sie die ohnehin. Wenn Sie auf dem Stoff hin- und herrutschen, lösen sich Fasern und landen im Essen. Bislang sind Möbelbezugsstoffe so giftig, dass sie in der EU als Sondermüll verbrannt werden müssen. Indem Sie als Ziel essbare Möbelstoffe formulieren,


gen von Airbus eingesetzt.

r als vorher, weil das Herstellungsverfahren selbst als Reinigung dient.“ packen Sie die Intelligenz an den Anfang und müssen nicht hinterher mit Luftfiltern Schadensbegrenzung betreiben. Da die Leute ohnehin an Fasermangel leiden, könnten sie die Stoffe aber auch direkt kleinschneiden und in ihr Müsli packen. Hinzu kommt, dass diejenigen, die die Stoffe herstellen, bessere Arbeitsbedingungen haben. Sogar das Wasser, das dabei verwendet wird, ist hinterher sauberer als vorher, weil das Herstellungsverfahren selbst als Reinigung dient. Daran sieht man: Wir können einen positiven Fußabdruck schaffen. Die holländischen Gruppe Platform 21 fordert in ihrem Repair Manifesto, die Lebensdauer von Produkten zu erhöhen, indem man sie besser reparierbar designt. Wäre das nicht auch ein gangbarer Weg? Auf Holländisch heißt nachhaltig auch nicht nachhaltig, sondern „duurzaam“ – dauerhaft. Diese Sehnsucht nach Beständigkeit ist eine rein menschliche Projektion, die auch im Produktlebenszyklus steckt. Langlebigkeit klingt erst einmal erstrebenswert. Aber ein Produkt lebt gar nicht. Die Projektion ist: Weil ich lange leben möchte, soll mein Produkt auch lange leben. Ist das nicht verständlich? Schon, aber wir brauchen definierte Nutzungszeiten, keine Langlebigkeit. Dann weiß ich, wann ich mein Material zurückbekomme, und kann die Innovation von vornherein einplanen. Wir verschwenden nicht unnütze Zeit mit der Reparatur von altem Zeug, sondern können die jeweils besten Dinge auf dem Stand der Technik auf den Markt bringen. Wenn ich etwas trotzdem länger haben will, dann behalte ich es länger, das ist okay. Wir wollen den Menschen nicht etwas Liebgewonnenes wegnehmen. Aber die meisten Dinge sind Gebrauchsgegenstände

wie Kopierer oder Waschmaschinen, mit denen wir keine Emotionen verbinden. Herr Braungart, haben Sie da nicht eine etwas verschwenderische Haltung gegenüber den Dingen? Es geht um intelligente Verschwendung. Das bedeutet, anderen Lebewesen mit Intelligenz Freude zu bereiten und sie zu unterstützen. Ohne einen Turm gibt es keinen Turmfalken. Ganz viele Lebewesen haben sich auf unsere Zivilisation eingestellt und profitieren davon. Es geht darum, den Mensch nicht zuerst als Haftungsrisiko zu sehen. Sobald Sie begriffen haben, dass die Ameisen viel mehr Biomasse als wir auf die Waage bringen und, weil sie körperlich viel härter arbeiten, einen Kalorienverbrauch aufweisen, der dem von 30 Milliarden Menschen entspricht, verstehen Sie, dass wir nicht zu viele Menschen auf dem Planeten sind. Nur oft noch zu dumm. Dr. Michael Braungart ist Professor für Verfahrenstechnik an der Universität Lüneburg und Direktor eines interdisziplinären Masterprogrammes für Stoffstrom-Management. 2008 übernahm er eine weitere Professur am Dutch Research Institute for Transitions (DRIFT) an der Erasmus Universität in Rotterdam in Verbindung mit der TU Delft. Braungart ist Gründer und wissenschaftlicher Geschäftsführer der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH in Hamburg sowie Mitbegründer der Design- und Entwicklungsfirma McDonough Braungart Design Chemistry (MBDC) in Charlottesville, USA, und des Hamburger Umwelt-Instituts (HUI). Holm Friebe ist Volkswirt, Geschäftsführer der Zentralen Intelligenz Agentur in Berlin und Sachbuchautor. Zuletzt erschien von ihm in Zusammenarbeit mit Thomas Ramge „Marke Eigenbau. Der Aufstand der Massen gegen die Massenproduktion“.

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Stephan Vens und Hans Harrow-Sandmann, Futura I, 2010, Platinen, Trafos, Kondensatoren, Widerst채nde, Labor Berlin. Foto: Stephan Vens


Was w채re die perfekte Inszenierung unserer Energievergeudung? Zum Beispiel ein Haus komplett mit K체hlschr채nken zu beheizen! Hier eine technische Entwurfszeichnung aus der Bauphase. Plot auf Papier zum K체hlschrank-Iglu, 2010. Design: Sebastian Krawinkel, Zeichnung: Stephan Gessler, Foto: Stephan Vens


Der Treibhauseffekt Wie man mit 322 Kühlschränken einen wärmenden, stromfressenden Iglu baut. Und wieso ein Energieversorger sich für das Energiesparen einsetzt. Von Karoline Haderer Der Stromfresser. Vom 29. Oktober bis zum 9. November 2010 steht die Skulptur auf dem Hamburger Gänsemarkt und ist dort für das Publikum geöffnet. Kühlschrank-Iglu Innenansicht, 2010, Computerrendering. Design: Sebastian Krawinkel, Zeichnung: Stephan Gessler



Dieser Altar, von Isabell Ott gebaut, schmückt den Innenraum des Stromfressers. Isabel Ott, Altar – Opfergaben für die Göttin der Energie, 2010, diverse Elektrogeräte, Lichterketten, Steckdosenleisten, Elektroschrott, Labor Berlin. Foto: Ljupcho Temelkovski, Peter Lorenz


Nahezu die Hälfte aller deutschen CO2-Emissionen geht auf das Konto der Energieversorgung. Dies zu ändern ist der neue Auftrag, dem wir uns stellen müssen. Wenn ein Energieversorger sich plötzlich zum Anwalt des Energiesparens aufschwingt, ruft das Misstrauen hervor. Schließlich verdient Entega Geld damit, Energie zu verkaufen. Und je mehr verkauft wird, umso erfolgreicher ist das Unternehmen. Sich dieser Zielsetzung jedoch vollständig zu unterwerfen, hieße, dass wir gleichzeitig andere, langfristige Aufgaben, die uns gestellt werden, vernachlässigen. Entega ist die Vertriebstochter des regional geprägten Energieversorgers HEAG Südhessische Energie AG (HSE). Wie für jeden anderen regionalen Versorger, besteht auch unser Auftrag darin, bestimmte Grundbedürfnisse zuverlässig zu erfüllen. Was die Bereitstellung von Strom, Erdgas, Wasser und Wärme anbelangt, können wir mit gutem Gewissen sagen, dass wir diese Aufgabe zu hundert Prozent erfüllen. In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat sich in diesem Zusammenhang allerdings ein weiteres, gesellschaftliches Grundbedürfnis ausformuliert. Dieses Bedürfnis hat mit dem Erhalt einer lebenswerten Welt zu tun, mit Nachhaltigkeit. Kein Unternehmen kann es sich heute leisten, die Verantwortung, die von der Gesellschaft gefordert wird, von sich zu weisen. Und beim Thema Klimawandel steht der gesamte Energiesektor in der Verantwortung. 46 Prozent, also nahezu die Hälfte, aller deutschen CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Energieversorgung. Dies zu ändern ist der neue Auftrag, dem wir uns stellen müssen. Die einzige, logische Konsequenz daraus ist, als Unternehmen an einer CO2-neutralen Energieversorgung zu arbeiten. Als Energieversorger können wir unter den heutigen Rahmenbedingungen an drei Stellschrauben drehen: CO2-Emissionen vermeiden, CO2-Emissionen reduzieren und die übrigbleibenden Emissionen kompensieren. Diese Aspekte nach Wichtigkeit zu sortieren, hat wenig Sinn. Jeder einzelne ist unverzichtbar. Aber während wir uns bei den Punkten eins und drei bereits auf einem guten Weg befinden, gibt es beim Thema Emissionsreduktion von noch viel Nachholbedarf. CO2-Vermeidung kann ein Energieversorger durch Investitionen in Kapazitäten für erneuerbare Energie erreichen. Kernkraft, das muss angesichts der aktuellen Debatte gesagt sein, ist für uns keine Alternative. Atomenergie wird zwar CO2-arm erzeugt, aber sich als Versorger für eine Technologie zu entscheiden, die nachfolgenden Generationen für die nächsten hunderttausend Jahre ein massives Problem hinterlässt, halten wir für haarsträubend. Für uns führt der Weg der Nachhaltigkeit einzig über die erneuerbaren Energien. Zur Kompensation unseres CO2-Ausstoßes haben wir uns für Waldschutz- und Aufforstungsprojekte entschieden. Für uns sind dies die besten Möglichkeiten, CO2 aus der Atmosphäre auf natürliche Weise umzuwandeln. Beim Thema der Emissionsreduktion müssen wir einen Teil der Verantwortung an die Gesellschaft zurückspielen. Gleichzeitig ist das Veränderungspotenzial in diesem Bereich enorm: Wir wissen mittlerweile, dass bis zu 40 Prozent der momentan verbrauchten Energie eingespart werden könnten. Und das, ohne unseren Lebensstandard herunterzuschrauben. Um hier dem Potenzial entsprechende Veränderungen anzuschieben, haben wir neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt. So gibt es bei Entega zum Beispiel einen Energieberater, der auf Wunsch in Haushalten nach Einsparmöglichkeiten sucht. Wir bezuschussen außerdem den Kauf von effizienten Elektrogeräten. Demnächst bieten wir einen Stromtarif ohne Grundgebühr an, der Sparen belohnt, weil nur die verbrauchten Kilowattstunden berechnet werden. Wir bieten Komplettpakete für die Sanierung von Häusern an. Wir investieren in die Forschung über intelligente Stromnetze. Aber wir sind weiter unzufrieden. Denn dies alles ist noch viel zu wenig. Wir kratzen nur an der Oberfläche dessen, was wir wirklich einsparen können – und müssen. Energiesparen ist ein freudloses Thema. Es klingt nach Verzicht und Schuld. Auf einer Vielzahl an Verbraucherwebseiten lässt sich nachlesen, wie viel Strom der Toaster,

200 Meter gebogener Stahl bilden das Gerüst, auf das die Kühlschränke zum Iglu montiert werden. Fotos: Stephan Vens

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Wir sind weiter unzufrieden. Denn wir tun viel zu wenig. Wir kratzen nur an der Oberfläche dessen, was wir wirklich einsparen können – und müssen. Dieses Iglu wurde errichtet mit 15.684 Vektorlinien 13 Tafeln Entwurfsschokolade 186 Computerstunden 10,5 Tonnen Gewicht 322 Kühlschränken 30.780 Watt Strom 1718 Metern Kabel 200 lfm gebogenen Stahls 287 Kartuschen Bauschaum 1.584 Schrauben 253 Metern Schweißnaht 21 Kilogramm Schweißdraht 35 Paar Handschuhen 487 Frühstücksstullen von Mutti 4 Kubikmetern Spielplatzsand 8 Schlossern, 15 Tage à 10 Stunden 49.000 Kalorien 120 Feierabendbieren Iglu-Größe Höhe aussen: 5,60 Meter Höhe innen: 4,82 Meter Durchmesser aussen: 11 Meter Durchmesser innen: 9,80 Meter

der Wasserkocher, die elektrische Zahnbürste verbrauchen. Wir machen uns über Stand-by-Verbrauch und Einsparpotenziale kundig, tauschen vielleicht die alten Glühbirnen aus und fühlen uns spätestens bei der Information, dass eine Suchanfrage im Internet so viel Energie verbraucht wie eine Energiesparlampe in einer Stunde, gleich wieder schuldig – und klein: Google hat mittlerweile den Energiebedarf eines mittelgroßen Landes. Aber wäre es nicht schön, wenn wir alle unsere elektrischen Geräte, statt sie in der Stand-byFunktion zu belassen, tatsächlich ausschalten würden? Schließlich könnte man dann ein Atomkraftwerk abschalten. Aber so weit sind wir nicht. Noch lange nicht. Um wirklich auf breiter Linie die Einsparpotenziale umzusetzen, die wir brauchen, fehlt es nach wie vor an Wissen, Verantwortung und vor allem an Anreizen. Jeder weiß, dass der Betrag, der sich in einem normalen Haushalt tatsächlich an der Stromrechnung einsparen lässt, nicht gewaltig ist. Viel relevantere Maßnahmen, zum Beispiel die Dämmung eines Hauses, sind hingegen mit großen Ausgaben verbunden. Und: Energiespartipps, die es natürlich auch auf www.entega.de gibt, werden auf Dauer so sexy sein wie Mülltrennung. Übergeordnete Konzepte, wie sie Michael Braungart formuliert und fordert, sind interessant, aber heute noch Zukunftsmusik. Leider. Aber wenn wir uns heute mit der Kunst verbünden, wird es richtig spannend. Wenn sich ein Künstler wie Ralf Schmerberg des Themas annimmt und es völlig unintellektuell und emotional umsetzt. Dies ist für uns die große Leistung des Stromfresser-Projekts: Dass wir als Besucher im Inneren des Kühlschrank-Iglus stehen und in seiner stickigen Wärme das enorme Potenzial unserer Verschwendung erfahren. Körperlich, unmittelbar, ohne nachzudenken. Wir brauchen mehr solcher Aktionen und Denkanstöße. Denn langfristig muss es darum gehen, Verschwendung als Energiequelle zu begreifen und mit dem Anzapfen dieser Quelle Veränderungsprozesse einzuleiten. Wir wollen uns als Unternehmen selbst motivieren, den Wandel voranzutreiben. Weg von einem Versorger, der nur Energie liefert und am Ende des Jahres eine Rechnung schickt, hin zu einem Partner, der seinen Kunden in allen Energiefragen hilft – vor allem bei der Reduzierung des Verbrauchs. Um dieser Rolle gerecht zu werden, müssen wir die Lösungen, die wir anbieten, noch deutlich verbessern. Und wir müssen es schaffen, dass die Menschen uns in dieser neuen Rolle wahrnehmen und akzeptieren. Damit sich irgendwann keiner mehr fragt, warum ein Energieversorger sich fürs Energiesparen einsetzt. Bis dahin haben wir noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns. Dr. Karoline Haderer leitet den Bereich Marketing bei HSE/Entega. ENTEGA ist ein Energieversorger aus der Rhein-Main-Neckar-Region mit Sitz in Darmstadt. Als Teil der traditionellen Energiewirtschaft hat er lange Zeit selbst zu Problemen wie Klimaerwärmung und Atommüll beigetragen. Heute arbeitet Entega an Lösungen, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind. Ziel ist eine massenmarktfähige und CO2-neutrale Energieversorgung mit Ökostrom und klimaneutralem Erdgas. Zusammen mit der Muttergesellschaft HEAG Südhessische Energie AG (HSE) werden dafür bis 2015 zirka 1,4 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investiert. Entega ist mit rund 400.000 Ökostromkunden zweitgrößter deutscher Ökostromanbieter und seit Anfang 2008 atomstromfrei. Neue Wege werden auch in der Kommunikation beschritten: Die von Entega ermöglichten Aktionen sollen Themen rund um die Energieversorgung in der Gesellschaft platzieren. Erster Schritt war im Januar 2010 die Schneemann-Demo gegen Klimawandel, im April und Mai 2010 fand die Anti-Atom-Ausstellung Café Endlager in Stuttgart statt. Aktuell macht der Stromfresser auf dem Hamburger Gänsemarkt auf das Thema Verschwendung aufmerksam.

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Oben links: Alle verwendeten Kühlschränke sind gebraucht und voll funktionsfähig. Sie stammen aus Privatbesitz und aus dem Gebrauchthandel. Noch 2006 wurden in Deutschland nur rund 45 Prozent des in alten Kühlschränken enthaltenen FCKW fachgerecht entsorgt. Altkühlschränke werden noch immer massenweise nach Afrika exportiert. Foto: Stephan Vens Oben: Kühlschrank-Iglu, 2010, Mixed Media. Zeichnung: Sebastian Krawinkel.

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Dirk Behrend, Mobiltelefon auf B端geleisen, 2010, Mobiltelefon, B端geleisen, Labor Berlin. Foto: Peter Lorenz


Der Stromfresser Künstler & Fotografen Stephan Gessler, Anne Gold, Duane Hanson, Martin Johnson Heade, Chris Jordan, Sebastian Krawinkel, Thomas Meyer, Holger Mette, Katja Renner, Julian Röder, Linn Schröder, Mike Sinclair Labor Berlin: Dirk Behrend, Hans Harrow-Sandmann, Roby Horsley, Rachel de Joode, Peter Lorenz, Filippo Martelli, Dario Niederprüm, Juri Nöldge, Isabel Ott, Paul Ott, Ralf Schmerberg, Greta Schmerberg-Davila, souziehaas, Ljupcho Temelkovski, Alexander Tiller, Antonio Tiller, Silvana Toneva, Stephan Vens, Ole Wulfert

Aktion

Magazin

Künstlerische Leitung: Ralf Schmerberg Konzeption: Judith Baumgartner, Ludwig Berndl, Nina Faulhaber, Kristoffer Heilemann, Ralf Schmerberg Produzent: Stephan Vens Projektleitung: Bella Sahin, Mathias Westebbe Design und Realisierung: Sebastian Krawinkel Artdirektion: Stephan Gessler Modelbau: Maren Hollje Bauleitung: Marco Pressler Bau: Art Department Studio Babelsberg Elektrik: SETIS Cine Elektronik GmbH Verstromung: HBS Hanse Baustrom Systeme Kühlschränke: Ulli Isfort

Herausgeber: Mindpirates Kreativdirektion: Ralf Schmerberg Artdirektion: Petra Langhammer Chefredaktion: Ralf Grauel

Recherche: Rachel de Joode, Tobias Kruse Assistenz der künstlerischen Leitung: Christian Schmid Assistenz Projektleitung: Sasha Horsley, Sebastian Paul, Niko Blankenhorn Location Manager Hamburg: Jan-Erik Stahl Assistenz Location Manager Hamburg: Jacline Brauer Location Manager Darmstadt: Moritz Düsterberg IT: Roland Brehe Controlling: Uta Abt

Redaktionelle Mitarbeit: Philipp Albers Autoren: Göran-Adrian Bellin, Holm Friebe, Susan George, Karoline Haderer, Carsten Jasner Bildredaktion: Tobias Kruse, Maria Leutner Lektorat: Isabelle Erler Projektleitung: Bella Sahin, Felix Vogler Produktion Labor Berlin Laborhalle: Arena Berlin Catering: Tina Harms Versicherung: Eberhard, Raith und Partner Fotoeditor: Marc Brinkmeier Fotoequipment: Rent One Berlin, Delight Rental, Calumet Fotoproduktion Geräte, mit denen wir leben Idee: Judith Baumgartner, Nina Faulhaber Fotografin: Katja Renner Location Manager: Christian Keller Technische Betreuung: Florian Paul Siegert

Making-Of: Hendrik Schäfer Spedition: Transocean Shipping

Repro: twentyfour seven creative media services Druck: Druckhaus Spandau

DDB Berlin Kreation Art: Judith Baumgartner, Lars Buri, Sebastian Jerez Kreation Text: Bastian Meneses von Arnim, Nina Faulhaber Beratung: Ann-Katrin Schelkmann, Caroline Sturm Strategie: Christina Keller Producer: Barbara Simon

WWW.DENKANSTOESSE.DE Mindpirates Artdirektion: Ebon Heath, Easton West Projektmanagement: Felix Vogler Redaktion: Göran-Adrian Bellin Programmierung: Jovica Aleksic, Attila Maczák

WWW.ENTEGA.DE DDB Berlin, Tribal DDB

DER STROMFRESSER wurde ermöglicht durch ENTEGA.

Public Relations und Veranstaltungen: BUREAU N Leitung: Silke Neumann Pressemanagement: Stefan Bernhard, Moritz Estermann

Projektleitung: Sandra Schamber Online: Ann-Katrin Schmiechen Media: Jens Hoffmann Marketingleitung: Karoline Haderer

Produktion: Trigger Happy Productions Agentur: DDB Berlin Kunde: ENTEGA Für die freundliche Unterstützung danken wir dem Bezirksamt Hamburg-Mitte, Polizeikommissariat 14, City Management Hamburg

Cover: Handy von Seite 52. Foto: Stephan Vens Rückseite: Stephan Vens, Kabel-Studie 7, 2010, Kabel auf Molton, Labor Berlin. Foto: Stephan Vens

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RACHEL DE JOODE, Stillleben von grautonigen elektrischen Ger채ten, 2010, verschiedene elektrische Haushaltsger채te, Labor Berlin. Foto: Rachel de Joode


Isabel Ott und Hans Harrow-Sandmann, Elektro-Smoothie, 2010, Mixer, Platinenteile, Kabelreste, Elektrokleinteile, Schrauben, Labor Berlin. Foto: Ljupcho Temelkovski


ermรถglicht von


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