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Ende der Mobilität auf dem Land?

Im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Fahrgäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxen beziehungsweise Kraftfahrzeugen befördert werden dürfen. Die geplante Novellierung des Gesetzes lässt noch einige Punkte offen.

Klimawandel, Urbanisierung, gleichwertige Lebensverhältnisse im städtischen und ländlichen Raum und die Bewältigung der Covid-19-Pandemie sind allesamt Herausforderungen, für die individuelle Mobilität eine zentrale Rolle spielt. Es bestand Hoffnung, dass die Bundesregierung mit der geplanten Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes den modernen Mobilitätsbedürfnissen der Gesellschaft Rechnung tragen wollte. Die vor der Sommerpause beschlossenen Eckpunkte des PBefG lassen daran zweifeln.

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Bundesregierung zeigt wenig Reformwillen Sicherheit, Verbraucherschutz und Daseinsvorsorge – das alles sind Ziele des geltenden PBefG, die auch weiterhin berechtigt bleiben. Ihre Umsetzung könnte allerdings viel moderner, verbraucher- und umweltfreundlicher erreicht werden. Zum Beispiel, indem die Rückkehrpflicht zum Dienstsitz für Mietwagen abgeschafft werden würde. Diese verursacht unnötige Leerfahrten, die weder betriebswirtschaftlich noch für das Klima oder den Verbraucher sinnvoll sind. Zudem erschweren sie den Einsatz von Elektromobilität wegen der limitierten Reichweite. Im unterversorgten ländlichen Raum sind privatwirtschaftliche Alternativen zum Taxiverkehr somit nicht profitabel. Statt nur das Taxigewerbe weiter zu entlasten, sollten auch neue Mobilitätsanbieter eine faire Chance bekommen, zur Daseinsvorsorge im Individualverkehr beizutragen. Dementgegen stehen auch die vorgesehenen Vorschriften für Poolingdienste jenseits des ÖPNV. Festgelegte Preiskorridore, Bediengebiete und eine Limitierung der Fahrzeugzahl durch eine Poolingquote erschweren profitable Geschäftsmodelle. Um das Mobilitätsangebot im ländlichen Raum zu erweitern, müssen auch in Mietwagen lukrativ Einzelplätze vermietet werden können. Mischkon zessionen dürfen nicht länger nur auf kleine Kommunen beschränkt bleiben. Außerdem erschließt sich nicht, warum es kleinen Kommu nen vorbehalten bleiben soll, bei tageszeitlicher oder genereller Unterversorgung lediglich Taxianbieter aus öffentlichen Mitteln gegenzufinanzieren.

Umweltverträglichkeit muss besser umgesetzt werden Viele Regeln des PBefG dienen heute vor allem dem Schutz einzelner Marktteilnehmer im Wettbewerb – zu Lasten von Umwelt und Verbrauchern. Das neue Schutzziel „Umweltverträglichkeit“ im novellierten PBefG ist begrüßenswert, ergibt aber nur Sinn, wenn auch die Leerfahrten durch die Rückkehrpflicht abgeschafft werden und neue Mobilitätsangebote nicht absichtlich benachteiligt werden – für weniger Staus, weniger Emissionen und passgenaue Angebote

zu bezahlbaren Preisen. Dafür ist eine umfassende Überarbeitung der vorgelegten Eckpunkte im weiteren Gesetzgebungsprozess nötig. Darüber hinaus müssen die Potenziale des fahrerlosen Fahrens schnellstmöglich durch einen sicheren Rechtsrahmen nutzbar gemacht werden.

Gut zu wissen

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n  Poolingdienste: Beim RidePooling wird ein IT-Algorithmus eingesetzt, der automatisch Fahrgemeinschaften zwischen Fahrgästen bildet, die ein ähnliches Ziel haben. Auf diese Weise teilen sich Fahrgäste die Fahrt und den Fahrpreis möglichst effizient Mischkonzessionen: Für denselben Personenkraftwagen werden Taxi-, Mietwagen- und Poolingverkehr genehmigt Autonomes Fahren: Damit ist das Fahren eines Fahrzeugs ohne Fahrer gemeint. Beim automatisierten Fahren stehen dem Fahrer verschiedene Assistenzfunktionen als Unterstützung zur Verfügung

Anna Dietrich

Referentin Mobilität, KI & Smart Cities, Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V.

www.bvdw.org

Die Einfahrt in den Fehmarnbelt-Tunnel, der geplanten Verbindung von Schleswig-Holsteins Ostküste nach Dänemark.

Fehmarnbelt – im Tunnel nach Skandinavien

Die feste Fehmarnbelt-Verbindung ist vielen Menschen bereits ein Begriff. Mit seinen 18 Kilometern Länge wird dieser weltweit längste Absenktunnel die Überquerung von Schleswig-Holsteins Ostküste nach Dänemark auf unter zehn Minuten verkürzen. Im kommenden Jahr beginnen die Bauarbeiten auf dänischer Seite. Aktuell ist die Eröffnung des Projektes für Ende 2029 angesetzt.

Seinen Ursprung hat dieses Projekt bereits im Jahr 1992, als erste Voruntersuchungen und Machbarkeitsstudien eingeleitet wurden. Der hier gestartete Prozess gipfelte dann im deutsch-dänischen Staatsvertrag von 2008, in dem wesentliche Rahmenbedingungen zwischen beiden Staaten festgehalten wurden. So ist es zum Beispiel vertraglich geregelt, dass das Königreich Dänemark sämtliche Baukosten sowie die Instandhaltung des Tunnels übernimmt, wohingegen Deutschland die Hinterlandanbindung und den Straßenausbau organisiert.

Finanzierung Finanziert wird das Projekt durch ein Staatsgarantiemodell, das es der dänischen Projektgesellschaft Femern A/S ermöglicht, Kredite international zu günstigen Bedingungen aufzunehmen. Die Finanzierung samt dem laufenden Betrieb wird dann in Zukunft durch eine Maut zurückgezahlt. Nach aktuellen Projektionen ist eine Maut in Höhe von rund 60 Euro für Pkw und 280 für Lkw geplant. Dennoch wird der Tunnel nicht gewinnbringend betrieben, sondern lediglich mit der Zielsetzung, die Instandhaltung und Rückzahlung des Projektes zu gewährleisten. Nach aktueller Finanzplanung amortisiert sich das Projekt in Laufe von 36 Jahren, wobei es für eine Nutzdauer von 120 Jahren ausgelegt ist.

Potenzial für Güterverkehr Der Fehmarnbelt-Tunnel bietet zudem einen Mehrwert für den Güterverkehr. Nach der Eröffnung sparen Güterzüge zwischen Hamburg und den skandinavischen Ländern eine Strecke von rund 160 Kilometern ein. Hiermit wird nicht nur eine direktere Zugverbindung geschaffen, sondern auch die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene vorangetrieben sowie eine nachhaltigere Gestaltung des Transportes. Eine neue Region entsteht Die Verkürzung der Zugfahrt von Hamburg nach Kopenhagen von viereinhalb Stunden auf knapp drei Stunden befördert aber nicht nur den Austausch von Gütern, sondern auch den Austausch von Menschen, Ideen und Kulturen. Die bessere Anbindung sichert so nicht nur wirtschaftliche Zusammenarbeit, sie gewährleistet zudem einen zunehmenden grenzüberschreitenden Austausch in den Bereichen Bildung, Forschung und Kultur. Die Schaffung einer neuen Kernregion, inmitten der Ballungsräume Kopenhagen/Malmö und Hamburg, ist hierbei eine spannende Entwicklung mit viel Potenzial für mittelständische Unternehmen.

Eins steht fest: Die Fehmarnbelt-Querung ermöglicht für viele Unternehmen eine Intensivierung der Beziehung mit den skandinavischen Ländern. Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation sind diese bessere Anbindung sowie zunehmende wirtschaftliche und kulturelle Mobilität der Schlüssel zum Erfolg.

Gut zu wissen

n  n  n  n  n  Schnellere Anbindung an dynamischen Wirtschaftsraum Lediglich 60 Euro bzw. 280 Euro Maut Zukünftig zehn Minuten anstatt einstündiger Fährverbindung Neue deutsch-skandinavische Region entsteht Nutzdauer von 120 Jahren

Benny E. Sørensen

Leiter BVMW Auslandsbüro Skandinavien

www.bvmw.de/skandinavien