Falstaff I Programmheft I Komische Oper Berlin

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GIUSEPPE VERDI

Falstaff



Falstaff Commedia lirica in drei Akten von Giuseppe Verdi Libretto von Arrigo Boito Neuproduktion des Festival d’Aix-en-Provence, in Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin und der Opéra National de Lyon Uraufführung am 9. Februar 1893 am Teatro alla Scala in Mailand


Charaktere Sir John Falstaff Ford, Alices Ehemann Fenton Dr. Cajus Bardolfo in Falstaffs Diensten Pistola Mrs. Alice Ford Nannetta, ihre Tochter Mrs. Quickly Mrs. Meg Page Orchester 3 Flöten (3. auch Piccolo) 2 Oboen Englischhorn 2 Klarinetten 1 Bassklarinette 2 Fagotte 4 Hörner 3 Trompeten 3 Posaunen Cimbasso Pauken Schlagzeug Harfe Streicher Bühnenmusik Gitarre Horn

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Handlung I. Akt Im Gasthof »Zum Hosenband« befindet sich Sir John Falstaff in einer misslichen Lage: Er ist pleite! Doch er hat einen Plan, um sich aus der Misere zu befreien: Mit zwei identischen Liebesbriefen will er die schönen Damen Alice und Meg verführen. Die verfügen nämlich über das Geld ihrer reichen Männer, das er so dringend benötigt. Doch seine Diener weigern sich, die Briefe zu überbringen, das verbiete die Ehre. Falstaff beauftragt stattdessen den Pagen und jagt die beiden davon. Alice und Meg treffen mit den übereinstimmenden Briefen aufeinander. Sie beschließen, Falstaffs Dreistigkeit von mit einer Lektion zu begegnen. Mit der Hilfe von Mrs. Quickly wollen sie Falstaff in eine Falle locken und demütigen. Unterdessen wurde Alices Ehemann Ford von Falstaffs verstoßenen Dienern vor dessen Vorhaben gewarnt worauf hin er einen eigenen Plan schmiedet: Er will Falstaff überführen und zugleich die Treue seiner Frau auf die Probe stellen. Inmitten des Trubels finden Fords Tochter Nannetta und ihr Geliebter Fenton immer wieder Zeit für geheime Momente der Zweisamkeit. II. Akt Mrs. Quickly überbringt Falstaff die Nachricht, Alice und Meg seien tatsächlich unsterblich in ihn verliebt. Nach Falstaffs Zusage zu einem Rendezvous mit Alice verabschiedet sie sich. Daraufhin tritt Ford unter dem Decknamen Fontana ein. Er bietet Falstaff viel Geld dafür, Alice zu verführen. Denn er sei in sie verliebt und einem ersten Fehltritt folge ja bekanntlich leicht der nächste. Falstaff eröffnet Ford, er habe bereits eine Verabredung mit Alice. In Falstaffs Abwesenheit erzürnt sich Ford wutschnaubend über seine vermeintlich untreue Gattin. Alle Frauen machen sich aufgeregt an die Vorbereitungen für ihren Streich. Nannetta berichtet ihrer Mutter Alice niedergeschlagen von den väterlichen Plänen, sie mit Dr. Cajus zu verheiraten. Mit dem Versprechen, dies zu verhindern, verschwinden alle auf ihre Posten, denn Falstaff tritt ein. Als er versucht, Alice zu verführen, platzt Meg herein und kündigt den eifersüchtigen Ford an. Falstaff wird schnell im Wäschesack versteckt. Bei der Suche nach Falstaff und seiner Frau findet der rasende Ford nur Fenton und Nannetta beim Austausch von Zärtlichkeiten. Wütend jagt er Fenton davon. Alice lässt den Wäschesack mitsamt des versteckten Falstaffs in den Graben

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Handlung leeren und zeigt das Ergebnis ihrem Gatten, der erkennen muss, wie lächerlich er sich mit seiner Eifersucht gemacht hat. III. Akt Zurück im Gasthof bemitleidet Falstaff sich selbst, als Mrs. Quickly mit einer neuen Einladung erscheint. Sie überredet Falstaff von neuem, sich mit Alice zu treffen. Versteckt beobachten nun alle, wie Falstaff ihnen erneut ins Netz geht. Um Mitternacht wollen sie ihm, verkleidet als Wesen der Nacht, einen Schrecken einjagen, bis er sein Verhalten bereut. Außerhalb der Hörweite der anderen bespricht Ford mit Dr. Cajus den Plan, ihn nach dem Spuk mit der noch verkleideten Nannetta zu verheiraten. Als Falstaff nachts auf Alice trifft, ist er mit seinem Verlangen wenig zurückhaltend. Die erscheinenden »Geisterwesen« wollen Falstaff bestrafen und fordern ihn auf zu bereuen. Doch als Falstaff unter den Verkleideten seinen Diener Bardolfo bemerkt, fliegt die ganze Maskerade auf. Falstaff muss eingestehen, dass er ein Esel war. Ganz nach Plan bittet Ford nun ein verschleiertes Paar zu sich. Alice bringt noch ein weiteres Paar hinzu und es kommt zur Doppelhochzeit. Als die Schleier fallen, ist Ford schockiert: Er hat Dr. Cajus mit Bardolfo und seine Tochter mit Fenton verheiratet. Da sich das nun auch nicht mehr ändern lässt, können alle gemeinsam mit Falstaff über sich selbst lachen.

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Das Wichtigste in Kürze • Es sollten exakt 50 Jahre nach der letzten erfolgreichen italienischen komischen Oper, Gaetano Donizettis Don Pasquale, vergehen, bis Verdis Falstaff der Gattung der Opera buffa quasi aus dem Stand zu neuem Leben verhilft. Darauf folgende Werke wie Gianni Schicchi oder auch Der Rosenkavalier wären ohne Falstaff nicht denkbar. • Falstaff bildet den Abschluss von Giuseppe Verdis Opernschaffen und feiert seine Uraufführung 1893, Verdi war da bereits 79 Jahre alt. Falstaff ist in seiner ungewöhnlichen Form wegen scheinbar völlig ohne Vorgänger – weder unter Verdis Werken noch in der italienischen Opernliteratur. • Der Genuss steht bei Falstaff im Mittelpunkt: Der Anreiz für den Titelhelden, sich bei den beiden wohlhabenden Frauen Alice Ford und Meg Page einen Namen zu machen, liegt nicht etwa in einer ausgesprochen triebhaften Ader, sondern vor allem darin, dass Falstaff nach einer Geldquelle sucht, um seine ausufernden kulinarischen Gaumenfreuden zu finanzieren. Dass er dafür zwei Frauen verführen will, ist für den Genussmenschen Falstaff eine willkommene Begleiterscheinung. • Falstaff ist bereits in den Vorlagen von Shakespeare, bei Giuseppe Verdi und Arrigo Boito, aber auch in Barrie Koskys Inszenierung als eine Figur angelegt, die Genuss und Witz, Melancholie und Lebensfreude in sich vereint. Man könne Falstaff nicht inszenieren, ohne die Figur zu lieben, so Barrie Kosky. Und auch Verdi hält fest, dass Falstaff »immer so viel Geist hat« und kein »fettleibiger Säufer sein darf«.

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»Es ist unmöglich, Falstaff zu spielen, ohne Falstaff zu lieben!« Barrie Kosky und Ainārs Rubiķis über Melancholie und Leichtigkeit eines einzigartigen Charakters Falstaff ist Giuseppe Verdis letzte Oper … Barrie Kosky … und es ist eine Oper wie keine der Opern, die er zuvor geschrieben hat! Das muss man sich mal vorstellen: Verdi ist fast 80 Jahre alt und entscheidet sich, genau diese Geschichte, genau diesen widersprüchlichen Charakter auf die Bühne bringen. Es ist auch einzigartig, dass das die Musik eines hochbetagten Komponisten am Ende seines Lebens ist. Andere Komponist*innen würden vielleicht große abstrakte Fragen behandeln oder noch einmal in gewohnten Bahnen brillieren. Verdi jedoch möchte unbedingt mit etwas wirklich Außergewöhnlichem seine Opernkarriere beenden. All seine hochdramatischen Geschichten von La traviata zu Il trovatore über La forza del destino bis Otello sind voll von kranken Menschen, Menschen im Krieg, betrogenen Menschen, Heimatlosen, Mord und Rache. All diese Themen, die sein fantastisches Œuvre prägen, sind plötzlich wie weggefegt. Falstaff hat ein Happy End, strotzt vor Vitalität und Hoffnung und birgt so viel Freude in sich, dass es fast ein Kontrastprogramm zu den ersten 79 Jahren Verdi ist. »Ending on a high note« – aber was für einer! Ainārs Rubiķis Die Struktur dieser Oper ist wirklich eine besondere. Ich kenne keine andere Partitur von Verdi, die einen solchen Sog entwickelt. Man vergisst beim Hören und auch beim Arbeiten daran Raum und Zeit, und eh man sich versieht, ist wieder ein Tag mit Falstaff rum. Und obwohl die Komposition sich auf einen langen Zeitraum verteilt hat und immer wieder unterbrochen wurde, hat es Verdi geschafft, diese Oper wie aus einem Guss zu schreiben. Das merkt man daran, dass sich diese Musik überall wunderbar einfügt, egal was man gerade neben-

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Gespräch bei macht: Natürlich kann man wunderbar dazu kochen, ein Glas Wein genießen oder den Haushalt erledigen. Aber zuallererst gehört diese Oper auf die Bühne! Worin liegt der Ursprung, dass Falstaff so etwas Besonderes werden sollte? Barrie Kosky Verdi war sich während der Arbeit zum einen absolut bewusst, dass Falstaff sein letztes Opernwerk sein würde. Zum anderen war er, genau wie sein Librettist Arrigo Boito, besessen von den Werken William Shakespeares. Neben ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit bei Otello hatte Verdi auch über viele Jahre den Plan einer Vertonung von König Lear im Kopf, der dann nicht umgesetzt wurde. Wow, was das wohl geworden wäre, werden wir leider nie wissen! Stattdessen widmeten sie sich nun der Figur Falstaff, die bei Shakespeare sowohl in Heinrich IV. und Heinrich V. als auch bei den Lustigen Weibern von Windsor auftaucht, in Letzteren schon mit einem Schwerpunkt auf die komödiantische Seite. So wie die Werke von Richard Wagner tief beeinflusst vom antiken, griechischen Theater sind, so ist es bei Verdis Werken eindeutig der Einfluss von Shakespeare. Man findet das in den Strukturen seiner Werke, in der Verknüpfung von politischem und psychologischem Drama sowie in der Art der Entwicklung von Charakteren. Wie hat Arrigo Boito diese Figur für die Opernbühne adaptiert? Barrie Kosky Boito war ein Wortgenie! Er hat aus den Shakespeare-Quellen die Themen und die Figuren entnommen und dann ein völlig neues Stück gebastelt, das in seiner Form noch theatralischer als Shakespeare selbst ist und das mit seiner Struktur den Raum für die Musik öffnet. Es ist der vielleicht beste Text für eine Verdi-Oper und bei mir persönlich in den »Top Ten« der besten Opernlibretti aller Zeiten. Ganz klar auf einer Stufe mit Hugo von Hofmannsthals Der Rosenkavalier oder Alban Bergs Einrichtung von Georg Büchners Woyzeck! Denn Boito bringt es fertig, aus den Shakespeare-Zutaten einen dreidimensionalen Falstaff-Charakter mit all seinen Widersprüchen neu zu formen: Diese Figur zeichnet ein unfassbares Spektrum an Emotionen aus, seien es Melancholie, Sehnsucht oder Spaß. Die Handlung wiederrum strotzt vor Vitalität, Erotik und einer geradezu mit Händen greifbaren Spielfreude und Lebenslust. Daneben stehen Momente, wo es richtig böse und sarkastisch wird, und im letzten Akt mit der Bloßstellung von Falstaff fast makaber. Aber es gibt auch ein melancholisches Flair, das durch die Seiten der Partitur schwebt. Ich kenne keinen anderen Komponisten, der das am Ende seines Lebens so gemacht hat.

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Gespräch Und wer ist Falstaff in dieser Melange? Barrie Kosky Falstaff ist für mich vor allem eines nicht: Ein Mann im Fatsuit, mit roter Nase und Rauschebart! Bevor man überhaupt darüber nachdenkt, welches Kostüm Falstaff trägt, sollte man darüber sprechen, wer er ist: Dieser Mann liebt den Wein, er liebt das Essen, er ist dem Genuss verfallen und er verehrt das weibliche Geschlecht. In Zeiten von MeToo ist wichtig zu sagen, dass Falstaff keinesfalls ein Vorgänger von Harvey Weinstein ist, er ist kein frevelhafter Don Giovanni und auch kein Baron Ochs. Falstaff ist Romantiker und Genussmensch. Seinen Liebesbriefen an Alice Ford und Meg Page geht voraus, dass ihm das Geld fehlt, um seinen kulinarischen Genüssen zu frönen. Dafür in der »Not« zwei Frauen den Hof zu machen, ist für ihn das leichteste Mittel zum Zweck, aber kein abgründiger Trieb. Natürlich schreibt jemand wie Falstaff den Frauen ganz altmodisch einen Brief – denn auch Falstaff will am Ende des Tages gemocht werden. Er will, dass die Menschen wissen, dass er ein guter Kerl ist. Natürlich hat er diese narzisstische, eitle Seite, aber eben gepaart mit einem altmodischen Gespür für Romantik. Was ihn von frauenfeindlichen Figuren wie Don Giovanni weiter unterscheidet, ist dabei die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Dass am Ende nicht nur er über sich, sondern auch alle anderen über ihn lachen können, ist vielleicht mit sein wichtigster Charakterzug. Ich sage, es ist unmöglich Falstaff zu spielen, ohne Falstaff zu lieben! Ein einsamer Mann, voller Ideen und Witz, frech und eitel, dessen Gesellschaft Spaß macht, der aber manchmal auch etwas unappetitlich ist. Aber was soll’s, so ist eben das Leben! Ainārs Rubiķis Musikalisch unterscheidet sich Falstaff auch von den anderen Baritonpartien aus Verdis Werken. Während Simon Boccanegra, Giorgio Germont in La traviata oder auch Amonasro in Aida ihre Wurzeln ganz stark im Belcanto haben, präsentiert Falstaff einen Charakterbariton als Hauptpartie, der mehr in die Zukunft als in die Vergangenheit weist. Diese Partie erfordert eben nicht nur eine lyrische Farbe in der Stimme, sondern hundert verschiedene Farben, die es allesamt braucht, um diese Figur zum Leben zu erwecken. Es ist großartig, mit einem Ausnahmekünstler wie Scott Hendricks dieses Werk gemeinsam zu erarbeiten! Eine große Rolle spielt im Stück und in der Inszenierung der Genuss… Barrie Kosky … denn Falstaff ist ein Kind des Dionysos! Natürlich bin ich besessen von Dionysos, unserem Theatergott, aber hier sehen wir ihn in einer ganz anderen Form als etwa in Hans Werner Henzes The Bassarids. Falstaff ist ein Bacchus in einer sehr menschlichen Form: Ein Mensch mit Problemen, Widersprüchen und Fehlern.

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Gespräch mit dem Regisseur

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Gespräch Es gibt in diesem Stück unter allen Figuren, wie so oft bei Shakespeare, keine Engel oder Teufel. Weder der eifersüchtige Ford, der mit einer nicht funktionierenden Ehe kämpft, noch die offensichtlich gelangweilte Alice. Es gibt nur Menschen – und Falstaff ist der DionysosJünger unter ihnen. Wie gestaltet sich Falstaff von musikalischer Seite? Ainārs Rubiķis Wie Barrie schon eingangs gesagt hat, unterscheidet sich Falstaff auf vielen Ebenen, auch auf der musikalischen, von allem, was Verdi vorher geschaffen hat. Diese Oper arbeitet mit kleinen verkürzten Formen, es gibt kaum noch richtige Duette oder große lyrische Arien. Nicht einmal eine Ouvertüre besitzt Falstaff, es beginnt direkt mitten in der Szene. Und das ist kein Versehen, denn die ganze Struktur hat etwas Organisches, fast Realistisches. Die Menschen singen nicht, sondern sie sprechen die ganze Zeit miteinander. Und das auch noch wahnsinnig schnell und zum Teil gleichzeitig. Eben wie im richtigen Leben. Aber das wirklich Magische ist, dass die musikalischen Versatzstücke, diese kurzen Fetzen, am Ende zu etwas Größerem verschmelzen als die Summe ihrer Einzelteile. Wie bei einer feinen Kette, wo jedes Glied für sich schon funkelt, aber der Reiz erst aus dem Zusammenspiel aller Teile entsteht. Barrie Kosky Es gibt nur wenig Stücke wo jede Note, jede Pause und jeder Takt exakt an der richtigen Stelle sitzen. Falstaff ist so eines, denn in keinem Moment käme man auf den Gedanken, »hier vielleicht ein bisschen kürzer, hier ein bisschen schneller« zu fordern. Für sein letztes Werk schafft Verdi eine Form, die ohne wirkliche Vorläufer in der italienischen Oper ist: weg mit den großen historischen Schinken, weg mit den vier- oder fünfaktigen Opern, weg mit den Balletteinlagen. Giuseppe Verdi ist am Ende seiner Karriere zutiefst aufmerksam, was auf den Bühnen der Welt passiert, wie sich die Kunstform Oper entwickelt. Er wusste zum Beispiel sehr genau, was Richard Wagner so trieb, auch wenn Verdi alles andere als ein Anhänger seiner Musik war. Und tatsächlich: Falstaff wirkt fast wie die Gegenthese zu Die Meistersinger von Nürnberg, nur dass Falstaff für die Gattung der Komödie eine viel größere Bedeutung hat als Richard Wagners Werk. Verdi wird mit seiner letzten Oper zum Vorreiter der musikalischen Komödie des 20. Jahrhunderts: Ein Gianni Schicchi oder auch ein Rosenkavalier wären ohne den Falstaff nicht denkbar. Es war nicht weniger als die Wiederbelebung der komischen Oper an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Verdi bringt in seinem letzten Bühnenwerk eine selbst für seine Verhältnisse unfassbare Virtuosität aufs Papier: ein völlig eigenständiger Orchesterklang, der neben den Figuren auf der Bühne fast zu

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Gespräch einem eigenen Charakter wird, und ein – Entschuldigung! – arschschweres Ensemble-Handwerk, das unfassbar viel Probenarbeit benötigt. Zehn Menschen, die gleichzeitig verschiedene Texte, verschiedene Melodien und in zum Teil verschiedenen Metren singen. Und als wäre das noch nicht genug, verlangt Verdi vom ersten bis zum letzten Takt eine fast mühelose Leichtigkeit. Es ist die musikalische Handschrift eines Genies.

»Machen wir also Falstaff! Denken wir einen Augenblick nicht an die Hindernisse, das Alter, die Krankheiten!« Giuseppe Verdi

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Gespräch

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Gespräch

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Ein Bauch von tausend Stimmen Über Arrigo Boitos und Giuseppe Verdis Liebe zu ihrer Titelfigur von Olaf A. Schmitt

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uf dem Höhepunkt der hämischen Freude, womit im dritten Akt der gepeinigte Falstaff von allen aufgeschaukelten Anwesenden im nächtlichen Park überschüttet wird, schlagen drei Damen in ihrem Gesang plötzlich einen innigen Ton an. Die rasante Musik des spöttischen Piekens und Stichelns weicht unvermittelt einer sakralen Stimmung, die uns Alice, Meg und Mrs. Quickly auf einmal betend in einer Kirchenbank vermuten lässt. Hier erlauben sich Textdichter und Komponist einen in Sekundenschnelle wirkenden Witz, dessen Treffsicherheit und Dimension in ehrfurchtsvolles Erstaunen versetzt. Dem von Alice, Meg und Mrs. Quickly angerufenen »Domine« hält Falstaff ein flehentliches »addomine« entgegen. Das unübersetzbare Wortspiel des Librettisten Arrigo Boito wird durch Giuseppe Verdis heraufbeschworene Litanei zu einem einzigartigen Moment musiktheatralen Humors, wovon diese Oper nur so strotzt. Inmitten des lustvoll grausamen Spiels, das sie mit dem etwas zu durchschaubar aufgetretenen Falstaff treiben, beweisen die Damen auch in der vierfachen Anrufung des Herrn (»Domine«) ihren Sinn für kreative Abwechslung, während der bereits geplagte Sir John ihre scheinheilige Gebetsformel sofort aufgreift und darum bittet, dass sein Bauch erhalten bleiben möge: »Ma salvagli l’addomine.« Viermal beantwortet Falstaff so den Bittgesang der Damen, der es im wahrsten Sinn des Wortes in sich hat: Er beginnt und endet mit der Bitte, Falstaff »sittenrein« zu machen und ihn bereuen zu lassen, enthüllt dazwischen aber seine wahre Intention: »Herr, mach ihn zunichte!« und »Bestrafe ihn, o Herr!« Bereut hat Falstaff in diesem Moment bereits, zumindest hat er es dreimal gesungen. Wie glaubwürdig sein dreifaches »mi pento« (ich bereue) ist, sei dahingestellt, vielleicht reimt es sich einfach auch zu gut auf den Abschluss der

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Ein Bauch von tausend Stimmen kollektiven Schimpftirade, die auf ihn niederprasselt: »Triplice mento!« (Dreifachkinn) singt Ford, »Uom frodolento« (Du Mensch voller Hinterlist!) der Herrenchor. Und damit nicht genug, hat Falstaff auch gleich einen Reim parat, wenn ihn Bardolfo auffordert, sein Leben zu ändern: »Riforma la tua vita! – Tu puti d’acquavita.« (Du stinkst nach Schnaps.) Wenn es ums Bereuen geht, ist die Kirche nicht weit, also stimmen die drei Damen eine Litanei an. Diese wenigen Takte im dritten Akt kondensieren die einzigartige Leistung des fast achtzigjährigen Komponisten in seiner letzten Oper: Unmittelbar und intuitiv folgen wir als Publikum dem oft atemraubend schnellen Verlauf der Handlung, schenken unsere Sympathie mal mehr der einen, mal mehr einer anderen Figur. Wenn es Vergnügen bereitet, lässt sich beinahe in jedem Takt ein geistreiches Wortspiel, eine Anspielung auf Verdis eigenes Werk oder das seiner Kollegen in den Jahrhunderten vor ihm entdecken. Wer eine Sammlung der abstrusesten italienischen Schimpfwortkreationen sucht, wird in Boitos Text besonders fündig. Dennoch sollte Verdis Rat an den Sänger der Hauptrolle, Victor Maurel, wenige Monate vor der Uraufführung, im November 1892, auch unsere heutige Wahrnehmung lenken: »Seid auf der Hut, in der Kunst ist das Vorherrschen der reflektiven Tendenzen ein Zeichen von Dekadenz. Das will heißen, wenn die Kunst zu einer Wissenschaft wird, dann ergibt sich daraus etwas Kitschiges, das weder Kunst noch Wissenschaft ist. […] Bei Eurem großen Talent als Singschauspieler, bei dem Akzent und der Aussprache, die Ihr habt, wird die Figur Falstaffs, habt Ihr die Partie erst einmal gelernt, als vollkommene Schöpfung zutage treten, ohne dass Ihr Euch das Hirn zermartert und ohne Studien zu betreiben, die Euch schaden könnten.« Das Königreich des Bauchs

Seinen persönlichen Schaden sieht Falstaff in der angesprochenen Szene besonders deutlich vor Augen. Für seine Gier nach Geld – denn sie ist der eigentliche Grund, warum er Alice und Meg den Hof machen möchte – sieht er sich vors Jüngste Gericht gestellt, wo ihm unheimliche Gestalten nach dem Leben trachten. Anders als Mozarts Don Giovanni, der den Aufforderungen des Steinernen Gasts zur Reue widersteht, bekennt er sich sofort schuldig und erhofft sich dadurch Gnade für seinen Bauch. Dieser ist für ihn Zeichen seiner Existenz, wie er in der ersten Szene gegenüber Bardolfo und Pistola bekennt: »Wenn Falstaff vom Fleisch fällt, ist er nicht mehr er selbst, dann mag ihn keiner mehr. In diesem Bauch gibt es tausend Stimmen, die meinen Namen rühmen! Das ist mein Königreich.« Sogleich stimmen die beiden Diener eine mit orchestraler Wucht unterstützte Huldigung an

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Ein Bauch von tausend Stimmen und preisen ihren Herrn als gewaltig und riesig: »Falstaff immenso!« (Enormer Falstaff!) Genau dieses Adjektiv verwenden auch die Priesterinnen in der zweiten Szene des ersten Akts von Aida, um eine altägyptische Gottheit anzurufen: »Immenso Fthà!« Spätestens im vierten Akt dieser Oper wird deutlich, mit welcher Willkür Priester im Namen Gottes selbst Todesurteile verkünden. Die Brutalität, aber auch die theatrale Wirkung religiöser Gemeinschaften thematisierte Verdi in zahlreichen seiner Opern, sei es im Miserere in Il trovatore oder in der finsteren Gestalt des Großinqui-sitors in Don Carlos. In seiner letzten Oper gönnt er seinen drei Prota-gonistinnen ein paar Takte, um mit ihnen über die Scheinheiligkeit von sakralen Formeln zu lächeln. Indem Falstaff mit seiner flehenden Bitte, seinen Bauch zu erhalten, in dieses Lächeln musikalisch und reimend einstimmt, bekennt er seine Fähigkeit, über sich selbst zu lachen und offenbart sich als geistvoller Charakter – eine Facette seiner Hauptfigur, die Verdi besonders am Herzen lag. Im März 1891 ermahnte er Boito in einem Brief: »Falstaff, der immer so viel Geist hat, darf kein fettleibiger Säufer sein.« Verdi und Boito liebten ihre Titelfigur, trotz oder wegen ihrer Maßlosigkeit. In der reichhaltigen Korrespondenz sprachen sie meist liebevoll vom »Schmerbauch« und Boito beschrieb schon im August 1889, wie sehr diese Figur sein Leben bestimmt: «Ich lebe im kolossalen Sir John mit dem Bauch, dem kleinen Nimmersatt, mit Chianti-Kannen, ausgelatschten Pantoffeln, mit Schläuchen voll süßen Weins, mit frischer Butter, zwischen den Fässern der Xeres und den fröhlichen Scherzen jener warmen Küche der ›Osteria di Giarettiera‹.« Die Beschäftigung mit einem Stoff kannte für Boito keine Grenzen, wie sich vor allem in seinen eigenen Opernkompositionen zeigte. Nur eine Oper, Mefistofele, hat Boito tatsächlich vollendet, seine zweite, Nerone, wurde zur jahrzehntelangen Lebensaufgabe und erst nach seinem Tod in eine aufführbare Form gebracht. Es waren die komplexen literarischen und historischen Stoffe, die seine Aufmerksamkeit erregten: Für den Komponisten und Dirigenten Franco Faccio schrieb er ein Libretto nach William Shakespeares Hamlet (Amleto), uraufgeführt 1865; seine erste eigene Oper Mefistofele folgt Johann Wolfgang Goethes Faust und beschäftigte ihn nach der erfolglosen Uraufführung 1868 noch weitere Jahre, bis 1875 eine stark überarbeitete Version auf die Bühne kam, die sich bis heute in den Spielplänen gehalten hat. Bereits 1862 erwähnte er die Beschäftigung mit dem römischen Kaiser Nero, kurz nach der Uraufführung der zweiten Mefistofele-Fassung begann er mit der Komposition einer geplanten fünfaktigen Oper Nerone, die er bis zu seinem Tod 1918 nicht fertigstellen konnte. Verdis erwähnter Rat an Victor Maurel »Gut machen, ja; zuviel machen, nein!« traf in diesem Fall nicht zu, obgleich Boitos tiefgreifende Forschung zum legendären Kaiser manche Erkenntnis brachte, die sich in der Geschichtsschreibung erst Jahrzehnte später durchsetzte. 20


Ein Bauch von tausend Stimmen Wesentlich erfolgreicher war Boito als Librettist für andere Komponisten wie bei Amilcare Ponchiellis La Gioconda und als Übersetzer von Richard Wagners Rienzi, Lohengrin sowie Tristan und Isolde ins Italienische. Die Zusammenarbeit mit Verdi begann 1879 mit dem Libretto zu Shakespeares Otello sowie der Überarbeitung von Simon Boccanegra. Gerade für die Perspektive auf Shakespeares Werke in Italien war Boitos Wirken maßgeblich. Als er mit Faccio die Arbeit an Amleto begann, war dieses Stück des englischen Autors in Italien weitgehend unbekannt und wurde lediglich mit gravierenden Änderungen und einem erfundenen Happy End aufgeführt. Boito und Faccio ging es als Mitglieder der revolutionären Intellektuellen-Bewegung Scapigliatura um ein authentisches Bild auf die Literatur und zudem um eine fundamentale Veränderung der Gattung Oper, womit sie auch die erfolgreichen Werke Verdis massiv kritisierten. Die pikanten Anfeindungen, die sich Verdi und Boito 1863 öffentlich lieferten, ließen zu diesem Zeitpunkt nicht vermuten, dass aus den dreien mit der Uraufführung von Otello an der Mailänder Scala 1887 eines der bedeutendsten Trios der Operngeschichte werden sollte: Boito als Librettist, Verdi als Komponist, Faccio als Dirigent, der dort bereits die italienische Erstaufführung von Aida dirigiert hatte. Wie sehr sich Spuren von Otello noch in Falstaff finden lassen, zeigt sich besonders in der Figur des Ford, dem Boito nicht nur deutliche Züge des eifersüchtigen Grafen in Mozarts Le nozze di Figaro verleiht, sondern ihn seine große Arie im zweiten Akt mit einem dämonischen Credo beenden lässt, das den finsteren Jago aus Otello heraufbeschwört: »Und aus dem tiefsten Grunde meines Herzens preis ich auf ewig die Eifersucht.« Verdi treibt an dieser Stelle die Stimme Fords effektvoll in waghalsige Höhe und verwandelt die Musik – wie so oft in Falstaff – innerhalb weniger Takte von diesem grotesken Ausbruch in die unbekümmerte Heiterkeit des zurückkehrenden Falstaff. Der Geist des Bauchs

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hakespeare bestimmte als literarischer Fixstern das künstlerische Leben Boitos wie auch Verdis. 1847 und 1865 kamen die beiden Versionen von Macbeth zur Uraufführung, seit 1843 beschäftigte Verdi der Gedanke einer Oper nach König Lear, der nie ausgeführt wurde. Angeblich noch drei Jahre früher, wie er in einem Brief 1890 erwähnte, hatte er Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor zum ersten Mal gelesen und sich mit der Idee einer komischen Oper auseinandergesetzt, deren Umsetzung erst mit Boito geschah: »Nun hat Boito sämtliche Aber weggeräumt und mir eine lyrische Komödie gemacht, die keiner anderen ähnlich sieht.« Diese 21


Ein Bauch von tausend Stimmen Einzigartigkeit rührt auch daher, dass Boito nicht einfach ein Libretto nach Shakespeares eher durchschnittlichem Lustspiel entwarf, sondern es massiv veränderte und vor allem zusammen mit Passagen aus den beiden Teilen von König Heinrich IV. sowie Heinrich V., in denen die Falstaff-Figur auch auftaucht, zu einem eigenen Stück entwickelte. Hier zeigt sich erneut der große Literat Arrigo Boito, dem Verdi im Juli 1889, nachdem er die erste Skizze des Librettos – und nochmals sämtliche zugrundeliegenden Shakespeare-Stücke – gelesen hatte, höchsten Respekt zollte: »Ich kann nur wiederholen: wunderbar, weil man nichts Besseres machen konnte, als was Ihr gemacht habt.« Im zweiten Teil von Shakespeares König Heinrich IV. charakterisiert sich Falstaff in seiner Doppelfunktion für die Gesellschaft, die nicht zuletzt sein »Ma salvagli l’addomine.« unterstreicht: »Menschen von aller Art bilden sich was darauf ein, mich zu necken. Das Gehirn dieses närrisch zusammengekneteten Tones, der Mensch heißt, ist nicht imstande, mehr zu erfinden, das zum Lachen dient, als was ich erfinde, oder was über mich erfunden wird! Ich bin nicht bloß selbst witzig, sondern auch Ursache, dass andre Witz haben!« Damit andere Witz haben, benötigt Falstaff seinen Bauch, deshalb ist ihm dieser in der gefühlt existentiellen Bedrohung das höchste Gut, um dessen gnadenvollen Erhalt er bitten muss. Dieser Bauch muss stetig genährt werden und das kostet Geld, wofür er seine unkonventionellen Erwerbswege erfindet. Dieser Bauch bietet nicht nur die Angriffsfläche für Spott, sondern auch eine Metapher für den von Verdi so geschätzten Geist seiner Titelfigur. Falstaffs »Königreich« wird von einem wohlgenährten Geist regiert, dem die sinnliche Erfahrung des Essens und Trinkens ein hohes Gut ist. Theoretische Gedanken darüber lassen sich bereits in antiken Schriften finden, doch erst Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich die sogenannte Gastrosophie als eigenes Wissensgebiet heraus. Harald Lemke weist darauf hin, »dass der altgriechische Ausdruck ›Nous‹, den wir mit dem deutschen Begriff ›Vernunft‹ übersetzen, ursprünglich von Schnüffeln �kommt� und dass sogar die Sophia, im Deutschen die Weisheit, und die lateinische Sapientia, etymologisch auf die Tätigkeit des Schmeckens (lat. sapio) zurückgeht: Denn alles, was wir essen, muss zuvor auf vielfältige Weise Gegenstand unseres Wissens und unserer geistigen Fähigkeiten sein. Es gibt kein Essen ohne Wissen; wir essen, was wir wissen, und allzu oft auch unser Unwissen.« Ende des 19. Jahrhunderts gelang es unter anderem in Frankreich dem Koch Auguste Escoffier, seiner Tätigkeit einen nach wie vor gültigen Status als Kunstform zu verleihen und bis heute die Haute Cuisine zu prägen. Zwei Jahre vor der Uraufführung des Falstaff veröffentlichte der wie Verdi aus der Region Emilia-Romagna

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Ein Bauch von tausend Stimmen stammende Feinschmecker Pellegrino Artusi die erste Auflage seines noch heute verkauften Kochbuchs Von der Wissenschaft des Kochens und der Kunst des Genießens. Bereits bei Shakespeare spricht Falstaff häufig vom Essen und Trinken, was ihn gern auch zu sprichwörtlichen Vergleichen verleitet: Der Wirtin hält er vor, sie habe »nicht mehr Treue als gekochte Pflaumen« und wenn er mit seinen Aussagen nicht Recht habe, so sei er »ein ausgenommener Hering« oder »ein Bündel Radieschen«. Immer wieder ist vom Kapaun die Rede, einem kastrierten und gemästeten Hahn, der heute aus Tierschutzgründen zumindest nur noch selten auf den Tisch kommt, von Verdi aber im Mai 1891 als Hilfe für den immer wieder ins Stocken geratenen Kompositionsprozess herbeigesehnt wurde, wenn er Boito schrieb: »Der Schmerbauch? Der arme Kerl! Nach jener viermonatigen Krankheit ist er mager, mager! Hoffen wir, einen guten Kapaun zu finden, um ihm den Bauch aufzublähen!« Weshalb die Arbeit an Verdis letzter Oper mehrmals für längere Zeit abmagerte, mag verschiedene Gründe haben. In seinen Briefen betonte Verdi immer wieder, dass er die Musik vor allem zur eigenen Freude mache, »ohne irgendwelche Pläne, und ich weiß nicht einmal, ob ich sie beenden werde«. Gleichzeitig hatte er frühzeitig konkrete Personen für die Besetzung einzelner Rollen vor Augen, wies Boito aber auch darauf hin, dass seine »hohen Jahre« das Risiko bergen würden, dass er »mit der Musik nicht zu Ende käme«. Der Gedanke, dass Boito dann vergeblich Zeit und Mühe verschwendet hätte, wäre ihm ebenso unerträglich wie die Ahnung, dass dieser zugunsten Falstaff seinen eigenen Nerone »liegen lassen oder doch vernachlässigen« müsste. Boito gelang es, Verdis Zweifel zu zerstreuen und ihn zu überzeugen: »Es gibt nur einen Weg, um noch besser als mit »Otello« zu endigen: der glorreiche Abschluss mit »Falstaff«. Nachdem wir Schreie und Klagen im menschlichen Herzen geweckt haben, nun mit berstendem Gelächter schließen! Das wird alle umwerfen!« Die Lehren des Bauchs

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och das Ende des Lebens blieb ein Begleiter des Kompositionsprozesses, nicht zuletzt durch das ergreifende Leiden des gemeinsamen Freundes Franco Faccio. Noch 1889 versuchte Verdi, ihm die Stelle des Direktors des Konservatoriums in Parma zu vermitteln, die dieser dann wegen seiner fortschreitenden Gehirnerkrankung nicht antreten konnte. Eine erhoffte Behandlung in einem Sanatorium bei Graz wurde abgelehnt,

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Ein Bauch von tausend Stimmen 1891 verstarb Faccio. Der Austausch darüber bestimmt den Briefwechsel Boitos und Verdis ebenso wie zahlreiche Entwürfe und Details über Falstaff. Darin ist auch zu lesen, dass der einzigartige Schluss der Oper, die berühmte Fuge »Tutto nel mondo è burla« (Alles in der Welt ist Posse) aus einer momenthaften Laune entstanden sein könnte: »Ich unterhalte mich damit, Fugen zu komponieren! – Ja, mein Herr, eine Fuge – und zwar eine Buffofuge, die gut in den Falstaff passen könnte. Aber wie, eine Buffofuge? Warum sagen Sie Buffo-? Ich weiß weder Wie noch Warum. Es ist nun einmal eine Buffofuge!« Lehrreiche Sätze von allen beteiligten Figuren am Ende einer Komödie kannte auch Verdi zuhauf, doch diese Tradition der Opera buffa mit einer der formal strengsten Konstruktionen der Musikgeschichte zu kombinieren, bringt die Singularität von Falstaff auch in seinen letzten Takten erneut auf den Punkt. Erst die Überraschung durch das scheinbar Unvereinbare bringt uns zum Lachen. Boito sollte Recht behalten: »Das wird alle umwerfen!«

»Falstaff, der immer so viel Geist hat, darf kein fettleibiger Säufer sein.« Giuseppe Verdi

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Ein Bauch von tausend Stimmen

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Der Ruhm der kleinen Leute

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Der Ruhm der kleinen Leute

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The Plot Falstaff

Act 1 At the Garter Inn, Sir John Falstaff is in an awkward situation: he’s broke! But he has hit upon an idea to improve his fortunes. By sending two identical love letters, he plans to seduce the attractive ladies Alice and Meg. They are in control of their rich husbands’ money, which he so urgently needs. His servants refuse to deliver the letters, as a matter of honour. Falstaff throws them out. Alice and Meg meet and compare letters. They decide to teach Falstaff a lesson for his brazen behaviour. With Mrs. Quickly’s help they will lure Falstaff into a trap and humiliate him. Meanwhile Alice’s husband Ford has been advised of Falstaff’s intentions by his ex-servants, and devises a plan of his own, whereby he will catch Falstaff out and at the same time put his wife’s fidelity to the test. With everybody thus diverted, Ford’s daughter Nannetta and her lover Fenton are able to share some moments alone together. Act 2 Mrs. Quickly brings Falstaff the message that Alice and Meg are both madly in love with him. Falstaff agrees to a rendezvous with Alice, and Mrs. Quickly leaves. Then Ford enters, introducing himself as Fontana. He offers Falstaff lots of money to seduce Alice. He says he is in love with her and expects to have better luck with her if she has already erred. Falstaff reveals to Ford that he already has an assignation with Alice. In Falstaff’s absence, Ford seethes with rage about his supposedly unfaithful wife. The women all throw themselves excitedly into preparations for the prank. Nannetta dejectedly tells her mother Alice of her father’s plan to marry her to Dr. Cajus. Alice promises her this won’t happen, whereupon they all take up their positions as Falstaff is coming. While he is trying to seduce Alice, Meg bursts in to announce that jealous Mr. Ford is on his way. Falstaff is hurriedly hidden. Searching for Falstaff and his wife, the furious Ford only finds Fenton and Nannetta enjoying an intimate moment. Outraged, he chases Fenton out. Alice has the laundry bag – Falstaff’s hiding place – emtpied into the ditch and shows the result to her husband, who realises what a fool he was to be so jealous.

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The Plot

Act 3 Back at the Garter Inn, Falstaff is feeling sorry for himself, when Mrs. Quickly comes by with a new invitation. She persuades Falstaff once again to meet Alice. Hidden away, everyone sees Falstaff walk right into the trap set for him. At midnight, dressed up as spirits of the night, they will give him such a fright that he finally changes his ways. Out of earshot of the others, Ford tells Dr. Cajus that when the prank is over, he will marry the doctor to Nannetta, who will still be in disguise. When Alice joins Falstaff at midnight, he can barely contain his desire. The ‘spirits’ appear and punish Falstaff, demanding that he repent. But among his tormentors Falstaff recognises his servant Bardolfo and so sees through the whole masquerade. Falstaff has to admit that he has been an ass. As arranged, Ford asks a couple in disguise to come forward. Alice ushers in another couple and a double wedding takes place. When the disguises come off, Ford is shocked: he has married Dr. Cajus to Bardolfo, and his daughter to Fenton! Since nothing can be done about it, everyone along with Falstaff can have a good laugh at themselves.

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L’intrigue Falstaff

Premier acte À l’auberge «La Jarretière», Sir John Falstaff se trouve en mauvaise posture : il n’a plus un sou en poche ! Mais il a déjà une combine pour se sortir de la panade : à l’aide de deux lettres d’amour identiques, il va séduire les belles dames Alice et Meg. Toutes deux disposent en effet de l’argent de leurs riches maris. Ses serviteurs refusent de transmettre les lettres, soucieux de ne pas compromettre leur honneur. Falstaff les chasse. Alice et Meg se retrouvent et s’aperçoivent qu’elles ont reçu la même lettre. Elles décident de donner une leçon à Falstaff pour le punir de son outrecuidance. Avec l’aide de Mme Quickly, elles vont l’attirer dans un piège et l’humilier. Entre-temps, Ford, le mari d’Alice, a été averti par les serviteurs de Falstaff des projets de ce dernier. Il élabore un plan afin de confondre Falstaff tout en mettant la fidélité de sa femme à l’épreuve. Au milieu de cette agitation, Nanetta, la fille de Ford, voit secrètement son amoureux Fenton. Deuxième acte Mme Quickly annonce à Falstaff qu’Alice et Meg sont follement éprises de lui. Falstaff accepte le rendez-vous que lui donne Alice, Mme Quickly prend congé. Ford fait alors irruption sous le faux nom de Fontana. Il demande à Falstaff de séduire Alice contre une grosse somme d’argent. Il se dit amoureux d'elle. Ne sait-on pas qu’un premier faux pas en entraîne facilement un deuxième ? Falstaff confie à Ford qu’il a déjà un rendez-vous avec Alice. En l’absence de Falstaff, Ford pique une colère contre l’infidélité présumée de sa femme. Les femmes s’attellent avec excitation à la préparation de leur farce. Nanetta, abattue, rapporte à sa mère Alice le projet de son père de la marier au Dr Caïus. Sur la promesse d’empêcher ce méfait, tout le monde disparaît à son poste, car Falstaff arrive. Tandis qu'il essaie de séduire Alice, Meg fait irruption et annonce l’arrivée imminente d'’un Ford fou de jalousie. On cache Falstaff en vitesse. Alors qu’il cherche Falstaff et sa femme, Ford surprend Fenton et Nannetta en train d’échanger des caresses. Horrifié, il chasse Fenton. Alice fait vider dans le fossé le panier de linge où s'est dissimulé Falstaff. Elle fait constater le tout à son mari, qui doit bien reconnaître le ridicule de sa jalousie.

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L’intrigue

Troisième acte De retour à l’auberge, Falstaff s'apitoie son sort. C’est alors qu’apparaît Mme Quickly avec une nouvelle invitation. Elle arrive à convaincre Falstaff d’accepter le rendez-vous que lui donne Alice. Cachés, tous observent comme Falstaff tombe une fois encore dans le panneau. À minuit, déguisés en créatures de la nuit, ils ont prévu de l’effrayer jusqu’à ce qu’il regrette sa conduite. À l’abri des oreilles indiscrètes, Ford élabore avec le Dr Caïus un plan pour marier ce dernier à Nanetta à l’issue de la farce. Quand Falstaff retrouve Alice en pleine nuit, il a du mal à retenir son ardeur. Des «esprits» apparaissent pour le punir et l’obliger à se repentir. Sous le déguisement, Falstaff reconnaît son serviteur Bardolfo, ce qui évente la mascarade. Falstaff admet qu’il s’est conduit comme un âne. Conformément à ses plans, Ford demande à un couple voilé de se présenter à lui. Alice appelle un autre couple pour qu’on célèbre un double mariage. Lorsque les voiles tombent, Ford peine à croire ce qu’il a sous les yeux : il a marié le Dr Caïus à Bardolfo et sa fille à Fenton. Comme il est trop tard pour faire marche arrière, chacun peut rire de lui-même de conserve avec Falstaff.

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Konu Falstaff

1. Perde Sir John Falstaff »Dizbağı« hanında müşkül durumdadır: Parasız kalmıştır. Fakat bu güç durumdan kurtulmak için bir planı vardır: Aynı yazılmış iki tane aşk mektubuyla güzel hanımefendiler Alice ve Meg’i baştan çıkarmak ister. Çünkü zengin eşlerinin paralarına onlar bakar. Fakat hizmetçileri mektupları götürmeyi reddeder çünkü onurları kabul etmez. Falstaff ikisinide kovar. Alice ve Meg karşılaştıklarında mektuplarını karşılaştırır. Falstaff’ın bu arsızlığını cezasız bırakmayıp cezalandırmaya karar verirler. Mistress Quickly’nin yardımıyla Falstaff’a bir tuzak kurup aşağılamak isterler. Bu arada Alice’nin eşi Ford’da Falstaff’ın amacından haberdar olur. Falstaff’ın kovduğu hizmetçileri Ford’u uyarmıştır. Ford hem eşini sadakatını denetlemek hem Falstaff’ı suçüstü yakalamak için plan kurar. Bu kargaşanın tam ortasında Ford’un kızı Nanetta ve sevglilisi Fenton gizlice buluşma fırsatları yakalar. 2. Perde Alice ve Meg ölümüne aşık oldukları haberini Mistress Quickly‘nin aracılığıyla Falstaff’a iletirler. Mistress Quickly Falstaff’tan Alice ile randevu onayını alır. Onun ardından Ford kod adı Fontana olarak Falstaff’ın yanına gider ve para karşılığında Alice’yi baştan çıkarmasını ister. Fontana Alice’ye aşık olduğunu söyler ve onun bir yanlış adım attıktan sonra kendisininde şansının yükseleceğini söyler. Falstaff zaten Alice ile bir randevusu olduğunu açıklar. Ford oradan ayrıldıktan sonra eşi Alice’nin sadakatsızlığına çok öfkelenir. Bütün kadınlar büyük bir telaşla kuracakları tuzağın hazırlıklarınıa başlar. Nanetta annesi Alice’ye babasının onu Dr. Cajus ile evlendirmek istediğini anlatır. Alice o evliliği engelleme sözü verdikten sonra herkes saklanır çünkü o an Falstaff gelir. Falstaff Alice’yi baştan çıkarmaya çalışırken Meg içeri girer ve kıskançlıktan köpüren Ford’un geldiğini bildirir. Falstaff hemen saklatılır. Ford onu ararken sadece Fenton ve Nanetta’yı yakalar. Ford onlara da öfkelenir ve Fenton’u anında kovar. Alice Falstaff’ın saklandığı çamaşır sepetini su hendeğine döktürdükten sonra çamaşır sepetini eşine gösterir ve Ford kıskançlığının gereksiz olduğunu anlayıp pişman olur.

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Konu

3. Perde Falstaff hana dönüp kendi kendisine acırken Mistress Quickly yeni bir randevu davetiyesiyle gelir. Falstaff’ı Alice ile buluşması için yeniden ikna eder. Falstaff tekrar tuzağa düşmek üzere. Gece yarısı onu gece yaratığı olarak korkutup yaptıklarından pişman ettirmek niyetindeler. Bu sırada aynı mevkinin yakınlarında Ford ile Dr. Cajus kendi planlarını kurarlar. Bütün bu kargaşanın içinde Dr. Cajus ile Nanetta’nın nikahı yapılacak. Falstaff Alice ile karşılaştığında kendisini tutamaz ve yılışmaya başlar. Hayalet ve peri kıyafetindeki intikamcılar Falstaff’ı cezalandırıp pişmanlık duygusu yaratmaya çalışırlar. Falstaff bunların arasında bulunan kıyafet değiştirmiş Bardofo'yu tanır ve böylelikle korkutma şakası sona erir. Falstaff yaptığı kötülüklerden nedamet duyduğunu itiraf eder. Bu arada Ford kurduğu planı yerine getirmeye çalışır ve duvaklarla gizlenmiş bir çifti yanına çağırır. Alice bunun üzerine bir çift daha çağırır ve çifte düğün yapmaya karar verilir. Duvaklar indirildiğinde Ford çok şaşırır: Dr. Cajus’u Bardolfo ile ve kızı Nanetta’yı Fenton ile evlendirmiştir. Artık hiç bir şeyi değiştiremeyeceklerini anladıktan sonra herkes Falstaff ile birlikte kendi hallerine gülerler.

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Herausgeber Komische Oper Berlin Dramaturgie Behrenstraße 55–57, 10117 Berlin www.komische-oper-berlin.de Intendant Generalmusikdirektor Geschäftsf. Direktorin Redaktion Fotos Layoutkonzept Gestaltung Druck

Barrie Kosky Ainārs Rubiķis Susanne Moser Maximilian Hagemeyer Ellen Stahl (Mitarbeit) Iko Freese/drama-berlin.de State, Design Consultancy Hanka Biebl Druckhaus Sportflieger

Premiere am 30. April 2022 Musikalische Leitung Ainārs Rubiķis Inszenierung Barrie Kosky Bühnenbild und Kostüme Katrin Lea Tag Dramaturgie Olaf A. Schmitt, Maximilian Hagemeyer Chöre David Cavelius Licht Franck Evin Quellen Texte

Alle Texte sind Originalbeiträge. Die Handlung stammt von Ellen Stahl, das Interview führte Maximilian Hagemeyer und der Artikel ist von Olaf A. Schmitt. Übersetzungen von Giles Shephard (englisch), Yasmina Ikkene (französisch) und Kemal Doğan (türkisch).

Bilder Titel Umschlag innen S. 6/7 S. 11 S. 14/15 S. 16/17 S. 25 S. 26/27 Umschlag hinten

Fotos von der Klavierhauptprobe am 21. April 2022 Scott Hendricks Karolina Gumos, Alma Sadé, Ruzan Mantashyan, Agnes Zwierko James Kryshak, Scott Hendricks, Jens Larsen Günter Papendell, James Kryshak, Oleksiy Palchykov, Jens Larsen, Ivan Turšić Alma Sadé, Karolina Gumos, Ruzan Mantashyan, Agnes Zwierko Agnes Zwierko, Scott Hendricks Günter Papendell Karolina Gumos, Günter Papendell, Ruzan Mantashyan, Alma Sadé Ruzan Mantashyan, Scott Hendricks



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Falstaff


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