Bowie meets Bruckner I Sinfoniekonzertheft I Komische Oper Berlin

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Bowie meets Bruckner

S I N F O N I E KO N Z E R T M I T S C H A L L U N D R A U S C H




inhalt PROGRAMM

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DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

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HELDEN, NICHT NUR FÜR EINEN TAG von Jakob Robert Schepers

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BIOGRAFIEN

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In a nutshell

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L’essentiel

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Özetle eserler

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GLOSSAR

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VORSCHAU

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IMPRESSUM

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S A M S TA G , 10. F E B R U A R 2 024

SINFONIEKONZERT MIT SCHALL UND RAUSCH

Bowie meets Bruckner DIRIGENT

James Gaff igan Es spielt das Orchester der Komischen Oper Berlin.

PROGRAMM D AV I D B O W I E [1947 -2 0 16] “ Her oes” f ür Orch es ter arrangiert von Ian Anderson 1. Beauty and the Beast 2. Joe the L ion 3. “Heroes” 4 . S ons of the Sil ent Age 5. Bl ackout 6 . V-2 S chneider 7 . S ense of Doubt 8 . Moss Garden 9 . Neuköl n 10. The S ecret L ife of Arabia PA U S E A N T O N B R U C K N E R [18 24-18 9 6 ] Si n f o n i e Nr. 6 A-Dur WAB 10 6 I. Maj estoso II. Adagio. S ehr feierl ich III. S cherzo. Nicht schnel l – Trio. L a n g sa m IV. Final e. Bewegt, doch nicht zu sc hn e l l

Einführungsgespräch 45 min vor Beginn im Vollgutlager Dauer: ca. 2 h inkl. Pause #KOBSiKo


DIE WERKE IN KÜRZE

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Die werke in Kürze DAVID BOWIE (ARR. IAN ANDERSON): “HEROES” David Bowies Album “Heroes” entstand 1977 in den Berliner Hansa Studios als zweiter Teil seiner Berlin-Trilogie. Anders als Low (ebenfalls 1977) und Lodger (1979) wurde das Album vollständig in Berlin geschrieben und aufgenommen. Musikalisch nimmt die Trilogie Einflüsse aus Krautrock, Disco, elektronischer Musik und Ambient Music* auf, wobei “Heroes” am stärksten von der Berliner Atmosphäre geprägt ist. Mit noch experimentelleren Klangcollagen (Sense of Doubt, Moss Garden, Neuköln) und dominanteren Synthesizerklängen schließt es direkt an Low an. Die Songtexte sind stark assoziativ und entstanden oft spontan, wodurch sie Projektionsfläche bieten, ohne eindeutig ausdeutbar zu sein. Durch diesen hohen Abstraktionsgrad und den instrumentalen Charakter der Klangcollagen eignet sich das Album besonders gut für eine Orchesterbearbeitung. Das Arrangement von Ian Anderson für das heutige Konzert ist eine Uraufführung. ANTON BRUCKNER: SINFONIE NR. 6 A-DUR WAB 106 Anton Bruckners 6. Sinfonie entstand 1879-81, ihre Uraufführung 1899 erlebte er nicht mehr. Den Majestoso überschriebenen ersten Satz beginnen die Violinen mit einem scharfkonturierten ostinaten* Motiv* im typischen Brucknerrhythmus, leise spielen die tiefen Streicher das Hauptthema*. Fragmentarisch wandert es durchs Orchester, bis es unvermittelt und in größter Lautstärke im Tutti* der Bläser und Violinen erklingt. Motive werden immer weiter verarbeitet und dichter miteinander verwoben. Die Coda* beginnt dann auch mit einem zärtlich-ungetrübten Bläsersatz, der das Hauptthema in stets neuem Licht aufscheinen lässt und über das Anfangsmotiv zu seiner Apotheose* führt. Der düster-wogende Beginn des tiefsinnig-grüblerischen Adagios erinnert an Brahms, bevor die klagende Oboe ganz Bruckner-typisch einsetzt. Der Trauermarsch wiederum weist auf die Sinfonien Gustav Mahlers voraus. In der verklärenden Coda scheint die Musik dann nicht loslassen zu wollen und wird immer zähflüssiger, bis schließlich der letzte Tropfen zögerlich vom Blatt perlt. Das zügig voranschreitende Scherzo besitzt trotz 3/4-Takt einen fast marschartigen Charakter. Sein Vorwärtsdrang kulminiert wiederholt in schweren, fanfarenhaften Blechbläser-Tutti. Im Kontrast dazu steht das langsame, aus kleinsten Motiven montierte Trio im 2/4-Takt, das Bruckners Fünfte Sinfonie zitiert. Mit leisen Streichertremoli* beginnt das von Klangextremen geprägte Finale. Sein lyrisches Hauptthema erscheint verdunkelt in Oboen und Geigen, wird aber jäh von einer dramatischen Blechbläserfanfare unterbrochen, die gewichtig expandiert. In einer immensen Steigerung kehrt schließlich das ostinate Streichermotiv aus dem ersten Satz zurück. Das zu erwartende Hauptthema der Sinfonie folgt nicht; stattdessen nimmt die Musik noch einmal groß Anlauf, bevor das lang ersehnte Thema die Sinfonie prosaisch beschließt. Damit unterläuft der Schluss alle Erwartungen. Hat Bruckner etwa Humor?

* Lost in translation?

Mehr dazu im Glossar auf S. 23



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Helden, nicht nur für einen Tag Wie z we i Unve rs t and e n e i n d e r Frem de z u m rad i ka l mo d e r n e n Kunst we rk fan d e n von Jakob Robert Schepers

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uropa, 1866. Die Sinfonik steckt in einer tiefen Krise. Beethoven, der das Genre revolutionierte, ist seit 40 Jahren tot. Doch was kann nach seiner monumentalen, weltumarmenden 9. Sinfonie noch kommen? Seine direkten Nachfolger Mendelssohn und Schumann sind verstorben, ohne einen Weg aus der Sackgasse zu weisen. Johannes Brahms, von Schumann als musikalischer Heilsbringer verkündet, bekommt von der Kritik umso schärferen Gegenwind und leidet unter Selbstzweifeln. Erst 1876 wird er seine 1. Sinfonie beenden. Gustav Mahler geht noch zur Grundschule. Nur ein ungehobelter Dorfschullehrer aus der Provinz, in grenzenloser Ahnungslosigkeit frei von der Last, Beethoven ebenbürtig sein zu müssen, komponiert ungezwungen seine 1. Sinfonie im beschaulichen Linz. Wien, 1880. Eine große, spartanisch eingerichtete Wohnung am Ringtheater. Die wenigen Möbel sind mit wild in den Raum ragenden Notenblättern bedeckt. An der Wand ein schlichtes Kreuz. Ein untersetzter Mann Mitte 50 – kurzgeschorene Haare, schlechtsitzender Anzug – beugt sich konzentriert über die Noten auf seinem Schreibtisch. Zweimal schon hat er das Finale seiner sechs Jahre alten »Romantischen« Sinfonie von Grund auf überarbeitet. Diesmal muss ein vollständig neuer Finalsatz her. Es wird nicht die letzte Überarbeitung bleiben.


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Das Bild von Anton Brucker ist bis heute von tiefen Widersprüchen, wilden Übertreibungen und haltlosen Vorurteilen geprägt. Heitere Anekdoten über den ungeschickten Dörfler, der dem Dirigenten Trinkgeld gibt und den Schädel des exhumierten Beethoven küsst, untermalen die Erzählung. Andererseits habe er durch seine tiefen Selbstzweifel und seine Autoritätshörigkeit Kritik und »Verbesserungsvorschlägen« stets nachgegeben. Die Unvereinbarkeit dieser beiden Positionen ist offensichtlich, dennoch prägen sie weiterhin die populäre Brucknerrezeption. Anton Bruckner wurde 1824 in Ansfelden bei Linz geboren. Sein Vater war Dorfschullehrer, eine Laufbahn, die er selbst einschlagen sollte, bevor er Organist am Stift St. Florian und am Linzer Dom wurde. Nebenher nahm er Kompositionsunterricht. Die Uraufführung seiner Sinfonie Nr. 1 in Linz 1868 wurde ein Achtungserfolg, kurz darauf zog er nach Wien. Hatte er sich zuvor fast ausschließlich der Kirchenmusik gewidmet, konzentrierte er sich von nun an auf sein sinfonisches Schaffen. Zahlreiche Misserfolge und sein Außenseiterdasein in der Wiener Musikwelt brachten ihn nicht davon ab. Nach spätem Erfolg, der mit der Fünften Sinfonie langsam einsetzte, verstarb er 1896 während der Arbeit an seiner Sinfonie Nr. 9. »BRUCKNER WAS A KLUTZ!« (DAVID HURWITZ) Vieles über die Persönlichkeit Anton Bruckners ist anekdotisch überliefert. Leider neigen Anekdoten Anton Bruckner: zur Übertreibung und Erfindung. Was sich sagen Sinfonie Nr. 6 lässt: Anton Bruckner hatte einen Zahlentick. Die A-Dur WAB 106 Blätter seiner zahlreichen Kompositionshausaufgaben nummerierte er konsequent durch. Eine Komponiert: Anekdote besagt, er habe zwanghaft stehenbleiben 1879-81 müssen, um die Steine einer Hauswand durchzuzählen. Und überall in seinem Werk finden sich Uraufführung: Varianten eines typischen Musters aus einer 26. Februar 1899 Zweier- und Dreierfigur, dem »Brucknerrhythmus.« in Graz Sein persönliches Auftreten war in unseren Dirigent: Worten »socially awkward«. Oft wird dies auf seine Gustav Mahler ländliche Herkunft zurückgeführt. Doch andere Zum erst en Mal mit Menschen lernen schnell die sozialen Codes einer dem Orchester der neuen Umgebung und passen sich an. Nicht so Anton Bruckner. Eine Anekdote berichtet davon, Komischen Oper wie er einem Dirigenten, der eine seiner Sinfonien Berlin am 14. Dezember 1953. aufführte, nach gelungener Probe Trinkgeld geben wollte. Andere erzählen, dass er mal under-, dann Dirigent:

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WER IST ANTON BRUCKNER?


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vollkommen overdressed zu verschiedenen Anlässen erschien. Besonders wird auf seine schlechtsitzenden Anzüge und seine kurzgeschorenen Haare verwiesen. War Bruckner bewusst sozial unangepasst? Seine unterwürfige Haltung gegenüber Autoritäten und zahlreiche Bittbriefe sprechen dagegen. Diagnosen an Verstorbenen sind mit großer Vorsicht zu genießen, doch wird vermehrt vermutet, Bruckner sei neurodivergent gewesen, was seine soziale Unangepasstheit erklären würde. In jedem Fall gelang es Bruckner nie ganz, in der Wiener Gesellschaft anzukommen »SYMPHONISCHE RIESENSCHLANGE[N]« (EDUARD HANSLICK) Das menschlich Außergewöhnliche fällt zusammen mit einem Kompositionsstil, der auf wenig Verständnis stieß. Bruckner dehnte die Sinfonie zu ungeheuerlicher Länge, die kürzesten Werke liegen bei einer Stunde. Zudem erinnern seine musikalischen Strukturen auf den ersten Blick an aneinandergereihte, abgeschlossene musikalische Blöcke, die sich recht frei streichen oder hinzusetzen lassen. Dass die Entwicklung und Verarbeitung musikalischer Themen* oft nicht an diesen Blockgrenzen halt macht und ein größerer musikdramaturgischer Bogen besteht, wurde lange übersehen. Bruckner strebte ein ungewohnt durchsichtiges und klares Klangbild an, im Gegensatz zum populären Mischklang seines Idols Richard Wagner. Praktische Einflüsse des Orgelspiels – Bruckner war ein anerkannter Orgelvirtuose – wie Generalpausen zum Registerwechsel taten ihr Übriges, um die Erwartungshaltung seiner Zeitgenoss:innen zu stören. All das hatte zur Folge, dass Dirigenten häufig größere Teile der Musik strichen und stark in die Orchestrierung eingriffen, um die fremdartigen Werke verständlicher wirken zu lassen – was sie grob verfälschte. MEHR FASSUNGEN ALS FIELMANN Für die allermeisten Komponist:innen ist es eine Ausnahme, wenn sie ein Werk weit nach seiner Uraufführung nennenswert überarbeiten. Bei Bruckner ist es umgekehrt. Die meisten seiner Sinfonien liegen in mehreren Fassungen vor, die sich teils stark unterscheiden. Die Sinfonien Nr. 5 bis 7 bilden hier eine Ausnahme. Da seine Werke Zeit seines Lebens von den Wenigsten verstanden wurden, wurde Bruckner lange als Komponist nicht anerkannt. In erfolglosen Aufführungen ließe sich ein Motiv für seine vielen Umarbeitungen erkennen. Jedoch gibt es auch Hinweise, dass er nicht aus Frust revidierte. Nach dem großen Erfolg seiner 5. Sinfonie, an den nicht leicht anzuknüpfen war, legte er eine längere Überarbeitungsphase ein, in der er sich früheren Sinfonien widmete. Daraus gewann er den Schwung zur Komposition seiner 6. und 7. Sinfonie. Ein Opportunist auf der Suche nach Anerkennung? Oder ein Perfektionist, der sich weiterentwickelt und seine Werke aktualisiert?


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»FREMD BIN ICH EINGEZOGEN, FREMD ZIEH’ ICH WIEDER AUS …« Die beiden Künstler David Bowie und Anton Bruckner trennt ein halbes Jahrhundert. Ihre Musik scheint wenig zu verbinden, doch in ihren Lebensumständen finden sich überraschende Parallelen. Die Identität beider Künstler lässt sich für die Nachwelt kaum greifen. Und so wie Bruckner in Wien ewig fremd blieb, so David Bowie: bedrückte auch Bowie ein tiefes Gefühl der “Heroes” Fremdheit, als er sich 1976 entschloss, Los Angeles den Rücken zu kehren. Diese Fremdheit half ihm Komponiert: 1977 zwar, im Film Der Mann, der vom Himmel fiel Arrangement von Ian Anderson: 2023 (1976) ein Alien zu verkörpern, es befeuerte aber auch seinen schweren Drogenmissbrauch. Insgesamt befand sich Bowie an einem Tiefpunkt. Uraufführung in Die Isolar-Tour war künstlerisch erfolgreich, zahlte diesem Konzert sich finanziell aber nicht aus und setzte ihm mit dem Orchesgesundheitlich zu. Er trennte sich von seinem ter der Komischen Manager, seine Ehe war im Dauerkrisenmodus und Oper Berlin.

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Fans und Forscher:innen streiten sich leidenschaftlich, welche Fassung die beste oder gültigste ist – wenn sie nicht gleich so weit gehen, ihre eigene zu erstellen. Die größeren editorischen Fragen bei Mahler lassen sich hingegen an einer Hand abzählen, und immer hat sich seine letztgültige Fassung durchgesetzt. Was für den »empfindsamen Intellektuellen« Mahler gilt, gilt nicht für den »Dilettanten« Bruckner. Zwar verfügte er testamentarisch, welche Fassungen Gültigkeit besitzen, doch wird seine Autorität über das eigene Werk nicht anerkannt. Teils geschieht das in bester Absicht, wenn etwa der Dirigent Kent Nagano in den frühen Fassungen der Sinfonien eine hohe Modernität entdeckt, die Bruckner unter schlechtem Einfluss in Revisionen zurückgenommen habe. Doch auch die Nazis sprachen schon vom schlechten Einfluss der teils jüdischen Schüler auf den »naiven« Komponisten, der sein Werk verfälscht hätte. Damit legitimierten die Nationalsozialist:innen tiefe Eingriffe in Bruckners Werk, um es ihrem Weltbild anzupassen. So entstand die bis heute populäre, alles andere als originale »Originalfassung« der 8. Sinfonie durch Robert Haas. Wieder andere folgen unausgesprochen Hans von Bülows Urteil »halb Genie, halb Trottel«, um immer neue Frankenstein-Editionen zu legitimieren. Es ist nicht verwerflich, die Autorität der Schöpfenden über ihr Werk infrage zu stellen. Allerdings geschieht es bei Bruckner in einer Art und Weise, die zu denken gibt und sich nur aus einem verzerrten Brucknerbild erklären lässt. Es ist Bruckners unfreiwilliger Nonkonformismus, sein Außenseiterstatus in der geschlossenen Wiener Gesellschaft, aber ebenso die radikale Neuartigkeit seiner Kompositionen, die ihm lange den verdienten Erfolg verweigerten und heute noch das populäre Brucknerbild prägen.


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kokainabhängig war er auch. In der Presse wurde er mit der Aussage zitiert, Großbritannien könne von einem faschistischen Führer profitieren, an der polnisch-sowjetischen Grenze wurde er mit NS-Devotionalien erwischt und in London entstand ein Foto, das seinen ausgestreckten Arm beim Winken wie einen Hitlergruß aussehen ließ. Erst gab Bowie den Drogen die Schuld, später übte er harsche Selbstkritik. So oder so war der Skandal perfekt. Der Star zog mit der Familie in die Schweiz, um in der ruhigeren Umgebung wieder zusammenzufinden. Bald aber verschwand Bowie mit seinem Produzenten Tony Visconti und seinem Musikerfreund Iggy Pop nach Frankreich, um gemeinsam dessen Album The Idiot zu produzieren. Für Bowie diente das Projekt als Experiment auf der Suche nach einem neuen Sound, er steuerte mehrere Songs für sein »Versuchskaninchen« (O-Ton Bowie) bei. Gitarrist Carlos Alomar, der Bowie auf den folgenden Alben begleitete, brachte Einflüsse von deutschen Gruppen wie Kraftwerk, Can, Neu! und Tangerine Dream ein. Nach dem Abmischen des Albums trifft Bowie zwei große Entscheidungen: Er möchte clean werden, und er kontaktiert Brian Eno. Eno trat als Mitglied der Band Roxy Music ähnlich androgyn auf wie Bowie, schlug dann aber einen anderen Weg ein. Inspiriert von John Cage, Steve Reich und Terry Riley entwickelte er die Ambient Music*, atmosphärische Musik aus collagierten Klangtexturen. Dafür experimentierte er mit neuen Methoden, Klänge im Studio zu manipulieren. Bowie wollte diesen Sound mit Rock fusionieren. So begann die Arbeit an Low. Nach ersten Aufnahmen in Frankreich siedelte das Projekt nach West-Berlin über, wo man in den Hansa Studios aufnahm. Diese befanden sich etwa 500 Meter von der Mauer entfernt, durchs Fenster konnte man die Grenzposten sehen und stand ständig unter Beobachtung. David Bowie zog mit seiner Assistentin Coco Schwab und Iggy Pop in eine kleine Wohnung in Schöneberg. Der Umzug wurde ein Befreiungsschlag, in diese eingemauerte Stadt, umgeben von Stacheldraht, Zäunen und Wachtürmen mit schussbereiten Soldaten. Hier wurde Bowie nicht an jeder Straßenecke erkannt und überwand seine Kokainabhängigkeit – wurde allerdings alkoholkrank. Er sog die Einflüsse nur so auf, sei es das diffuse Angstgefühl durch die Abschottung oder das seltsam-bizarre Nachtleben, seien es die Spuren der NS-Zeit oder das kulturelle Erbe der 20er und 30er. Besonders faszinierte ihn die expressionistische Künstlergruppe »Die Brücke«, zu der Maler wie Emil Nolde, Max Pechstein, Otto Mueller und Erich Heckel zählten. Das Cover zu “Heroes” zeigt dann auch Bowie in einer Pose aus Heckels Gemälde Roquairol. Zu dieser Zeit schwankte der Star zwischen Euphorie und Depression, zwischen überwältigenden neuen Eindrücken, der düsteren Stimmung Berlins und privaten Krisen wie dem Scheitern seiner Ehe.



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ALEATORIK UND ELEKTRONIK Bei den Low-Sessions kamen Enos »Oblique Strategies Cards« zum Einsatz – Karten, die zufällig gezogen werden und den Musiker:innen abstrakte Spielanweisungen geben – was die Kreativität der Gruppe befeuerte. Das Album Autobahn (1974) der deutschen Band Kraftwerk inspirierte Bowie, Einflüsse elektronischer Musik einzubringen. Low etablierte eine Aufteilung der LP, wie sie auch für “Heroes” fortgeführt wurde. Auf der A-Seite befinden sich Popsongs, auf der B-Seite von Enos Ambient Music* beeinflusste Kompositionen, für die er auf Fade-ins und Fade-outs, mechanische Rhythmen und schwebende Klänge zurückgriff, in einem Instrumentalsound, der selten durch verzerrte Stimmen ergänzt wird: kreative Experimente statt narrativer Songs. Musikalisch wandte sich Bowie damit vom Glitzer der Vergangenheit ab und erfand sich minimalistisch neu. Teile der LP entstanden für den unvollendeten Soundtrack zu Der Mann, der vom Himmel fiel, aus dem auch das Coverfoto stammt. Die Plattenfirma lehnte Low kategorisch ab. Bowie setzte sich durch, das Album wurde ein großer Erfolg und legte die musikalischen Grundlagen für “Heroes”. Nach dem Erfolg von Low schloss Bowie keine eigene Tour an und »schonte« sich, indem er als Pianist mit Iggy Pop auf Tour ging und dessen neues Album Lust for Life (1977) mitproduzierte. Im Anschluss wandte er sich “Heroes” zu. Dieses Mal nahmen sie im Hansa Studio 2 auf, einem großen Saal, in dem die Gestapo einst Bälle veranstaltet hatte. Auch hier schützten nur schwere Vorhänge vor den Blicken der Grenzsoldaten. Dennoch war die Atmosphäre, die bei Low noch von Bowies Entzugserscheinungen getrübt wurde, diesmal entspannt. Bowie und Visconti produzierten das Album gemeinsam, Eno war als Ideengeber und Klangcollagenkomponist mit von der Partie und regte Bowie zu noch drastischeren Experimenten an. Visconti hatte bereits für Low einen Harmonizer der Firma Eventide besorgt, der die Tonhöhe einer Aufnahme manipuliert, ohne die Geschwindigkeit zu verändern. Bei “Heroes” kam er nun verstärkt zum Einsatz. Dazu trat der stärkere Gebrauch von Synthesizern. Viele der Songtexte entstanden spontan, was man ihrem assoziativen Charakter anmerkt. Die Songs entwickelten sich in diesem Produktionsprozess zusehends zu ganzen Klanglandschaften. Abgemischt wurden die Aufnahmen im schweizerischen Montreux. Das Album beginnt mit dem explosiven, stark vom Discosound beeinflussten Beauty and the Beast. Joe the Lion ist eine Hommage an den Künstler Chris Burden, zu dessen provokativen Performances eine Kreuzigung auf einer Motorhaube zählte (»nail me to my car«). Den Titelsong “Heroes” speisten unterschiedlichste Einflüsse: der verheiratete Visconti beim Knutschen mit einer Anderen vor der Mauer, die Erzählung Das Mädchen auf dem Delphin (1956) von Alberto Denti di Pirajno über eine unmögliche Liebe, das Gemälde Liebespaar zwischen Gartenmauern (1916) von Otto Mueller. So entstand ein geradliniger Rocksong über eine Liebe gegen alle Widerstände, der trotz konkreter Verweise auf die Berliner Mauer


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immer ungefähr bleibt. Ein Vergleich mit ähnlich angelegten Songs wie Bonnie and Clyde (1968) von Serge Gainsbourg, The Ballad of John and Yoko von den Beatles (1969) oder – vor gleicher Kulisse – Mädchen aus Ost-Berlin (1973) von Udo Lindenberg macht das besonders deutlich. Sons of the Silent Age nimmt starke Anleihen an das Album The Man Who Sold the World (1970), während Blackout auf den zweitägigen Stromausfall in New York City 1977 verweist. V-2 Schneider ist eine weitere Hommage, diesmal an Florian Schneider von der Band Kraftwerk, in deren Stil Bowie mithilfe eines Vocoders seine Stimme verfremdet. Zugleich ist der Titel eine Referenz auf die »Vergeltungswaffe 2«, eine von KZ-Zwangsarbeiter:innen hergestellte ballistische Fernrakete, mit der das nationalsozialistische Deutschland zivile Ziele im Ausland bombardierte. Hier spiegelt sich Bowies schwierige Faszination für den Nationalsozialismus. Sense of Doubt ist das erste der großen Instrumentalstücke auf der B-Seite der LP. Alle Beteiligten hielten sich hierbei streng an die Vorgaben von Enos Karten und verrieten nicht, was sie gezogen hatten. Moss Garden wiederum wurde von den saftiggrünen Landschaften des Moosgartens im japanischen Hakone Museum of Art inspiriert, die Bowie während seiner Ziggy Stardust-Tour 1973 kennenlernte. Er spielt hier das Koto, ein traditionelles japanisches Saiteninstrument. Außerdem kommt der Yamaha CS-80-Synthesizer zum Einsatz, der im Blade Runner-Soundtrack (1982) von Vangelis besondere Prominenz erfuhr. Diese Filmmusik enthält zahlreiche Verweise auf das Album und ist deutlich von Enos Ambient Music* beeinflusst. Das falschgeschriebene Neuköln ist nach dem Berliner Stadtbezirk benannt. Bowie schätzte besonders seinen kosmopolitischen Charakter, den seine vielen türkeistämmigen Bewohner:innen bis heute prägen. Mit dem Saxophon ahmt Bowie hier den Klang eines Nays nach, einer Flöte aus dem Nahen Osten. Auf dem letzten Track The Secret Life of Arabia verbindet Bowie dann arabische Melismen mit der Düsternis Berlins und Einflüssen aus der Disco-Musik und schlägt so den Bogen zum Beginn des Albums. Bruckner und Bowie – Außenseiter und Außerirdische in ihrer Zeit und ihrer Welt – eint, so unterschiedlich sie auch zu sein scheinen, der unbedingte Wille zur bestmöglichen Kunst. Gegen alle Widerstände und jede Wahrscheinlichkeit, in aller Unangepasstheit, Schrägheit und seelischem wie körperlichem Herausgefordertsein. Sie waren und sind empowernd und herausfordernd zugleich – und gerade deshalb Helden, nicht nur für einen Tag.


BIOGRAFIEN

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James Gaffigan Der amerikanische Dirigent James Gaffigan, der für seine Leichtigkeit und seinen außergewöhnlichen kollaborativen Arbeitsgeist bekannt ist, hat als Dirigent von Sinfonieorchestern und Opern internationales Aufsehen erregt. Gaffigan ist in der einzigartigen Position, Musikdirektor an zwei internationalen Opernhäusern zu sein. Seit der Spielzeit 2023/24 ist er Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin und bereits in seiner zweiten Saison als Musikdirektor des Palau de les Arts Reina Sofía in Valencia. Außerdem ist er Musikdirektor des Verbier Festival Junior Orchestra, wo er sich für die Ausbildung vielversprechender junger Musiker:innen einsetzt. Gaffigan ist als Gastdirigent bei führenden Orchestern und Opernhäusern in Nordamerika und Europa sehr gefragt. In der Saison 2023/24 kehrt er zum Chicago Symphony Orchestra und Civic Orchestra of Chicago, dem Cincinnati Symphony Orchestra, dem Pittsburgh Symphony Orchestra und dem St. Louis Symphony Orchestra zurück, wo er eine konzertante Produktion von Cavalleria Rusticana leitet. Im Sommer 2023 leitete Gaffigan die Produktion La Bohème an der Metropolitan Opera sowie das Orchestre de Paris mit dem Jazz at Lincoln Center Orchestra und dem Verbier Festival Junior Orchestra. In seiner ersten Saison als Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin wird Gaffigan Produktionen von Jewgeni Onegin, Der goldene Hahn, Der fliegende Holländer und Le nozze di Figaro leiten. Gaffigan legt Wert darauf, insbesondere auch junges Publikum anzusprechen und wird an der Komischen Oper Berlin auch Kinderkonzerte und weitere Angebote für Kinder leiten. Zuletzt trat er mit dem London Symphony Orchestra, Royal Concertgebouw Orchestra, Orchestre de Paris, Wiener Symphoniker, Münchner Philharmoniker, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Norske Opera and Ballet, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Staatskapelle Berlin, Tschechische Philharmonie und dem Luzerner Symphonieorchester auf. In Nordamerika arbeitet Gaffigan regelmäßig mit dem New York Philharmonic, dem Cleveland Orchestra, dem Philadelphia Orchestra, dem San Francisco Symphony, dem National Symphony Orchestra, dem Los Angeles Philharmonic, dem Detroit Symphony Orchestra und dem Toronto Symphony Orchestra zusammen. Gaffigan, der sich leidenschaftlich für die musikalische Nachwuchsförderung einsetzt, wuchs in New York City auf und besuchte die LaGuardia High School of Music & Art and Performing Arts, bevor er sein Dirigierstudium begann.




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Der Komponist und Bratscher Ian Anderson ist Mitglied verschiedenster Ensembles, darunter Wooden Elephant (erweitertes Streichquartett, das klassische elektronische Popmusik-Alben in zeitgenössische Werke klassischer Musik verwandelt), yllwshrk (Alternative Rock-Band yellow shark), das Berliner Streichquartett für zeitgenössische Musik »Sonar Quartett« und das Scottish Ballet (wo er Stimmführer der Bratschen ist). Er ist Alumnus der Royal Academy of Music in London (Bratsche) und des Royal Conservatoire of Scotland in Glasgow (Komposition). Wooden Elephant schuf in Zusammenarbeit mit dem Beethoven Orchester Bonn und der amerikanischen Musikerin und Dichterin Moor Mother eine symphonische Konzertfassung des Moor Mother-Albums Analog Fluids of Sonic Black Holes und mit dem Ballett am Rhein und dem Choreographen Gil Harush ein Ballett zu SOPHIEs Album OIL OF EVERY PEARL’S UN-INSIDES. Aktuell ist Wooden Elephant vom Verbier Festival beauftragt, Miles Davis’ wegweisendes Album In a Silent Way neu zu interpretieren. Das Werk wird im Zuge des einhundertsten Geburtstags der Jazzlegende im Jahr 2026 seine Uraufführung feiern. 2020 veröffentlichte die Band yllwshrk ihr Debütalbum I AM ALADDIN. Auf dem Album spielen sie gemeinsam mit dem London Contemporary Orchestra, der Folksängerin Hannah Read, dem Jazzpianisten Fergus McCreadie sowie Andi Toma vom Duo Mouse on Mars. Der einflussreiche Musikblog Record of the Day beschrieb es mit den Worten: »Die akustischen Klanglandschaften von Radiohead treffen auf die kreative Genialität von Bowies Blackstar-Album.« Der erste Song des Albums wird auch im NetflixFilm Little Wing mit Succession-Star Brian Cox zu hören sein. Ian ist Stammgast des London Contemporary Orchestra, mit dem er auf Alben wie A Moon Shaped Pool von Radiohead, Blonde von Frank Ocean und zuletzt A Light for Attracting Attention von The Smile spielte. Regelmäßig schlägt ihm Enttäuschung entgegen, wenn sein Gegenüber feststellt, dass er nicht »der« Ian Anderson von Jethro Tull ist.

BIOGRAFIEN

Ian ANDERSON


ORCHESTER

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Orchester der Komischen Oper Berlin Zur Komischen Oper Berlin gehört von Anbeginn das eigene Orchester: Die Eröffnung des Hauses 1947 war auch die Geburtsstunde dieses neu gegründeten Klangkörpers, mit dem Walter Felsenstein seine Auffassung von Musiktheater verwirklichen wollte. Von Anfang an profilierte sich das Orchester durch einen Konzertzyklus. Dirigenten wie Otto Klemperer, Václav Neumann, Robert Hanell und Kurt Masur prägten das Orchester dabei maßgeblich sowohl in Opernproduktionen als auch im Konzertbereich. Zahlreiche Aufnahmen zeugen von der schon damals erreichten Ausstrahlung des Orchesters, die von späteren Generalmusikdirektoren wie Rolf Reuter, Yakov Kreizberg, Kirill Petrenko und Henrik Nánási noch intensiviert wurde. Viele bedeutende Gastdirigent:innen haben das künstlerische Spektrum erweitert, unter ihnen Rudolf Kempe, Hartmut Haenchen, Rudolf Barschai, Lothar Zagrosek, Fabio Luisi, Neville Marriner, Roger Norrington, Vladimir Jurowski, Simone Young und Dennis Russell Davies. Ein besonderes Gewicht wurde und wird auch der zeitgenössischen Musik beigemessen. So hat das Orchester der Komischen Oper Berlin viele Uraufführungen in Zusammenarbeit mit Komponist:innen wie Benjamin Britten, Hans Werner Henze, Giuseppe Manzoni, Siegfried Matthus, Aribert Reimann, Krzysztof Penderecki, Hans Zender und Christian Jost erarbeitet. Auch die Liste international renommierter Gastsolist:innen aus dem Inund Ausland spiegelt die große Bandbreite musikalischer Stile und Genres in der Arbeit des Orchesters: Es sangen, musizierten und rezitierten gemeinsam mit dem Orchester so unterschiedliche Künstler:innen wie Rudolf Buchbinder, Gidon Kremer, Barbara Hendricks, Gabriela Montero, Maria Farantouri, Dominique Horwitz, Lars Vogt, Daniel Hope, Till Brönner und viele andere. Das Repertoire spiegelt die ganze Vielfalt der Musikgeschichte wider: von Monteverdi über Händel und Mozart, die großen romantischen Komponist:innen des 19. Jahrhunderts bis hin zur frühen Moderne und dem Musikschaffen unserer Zeit. In Kammerkonzerten in unterschiedlichsten Formationen setzen sich die Mitglieder des 112 Musiker:innen umfassenden Orchesters zudem für die Kammermusik ein. Einen wichtigen Schwerpunkt legt das Orchester der Komischen Oper Berlin auf Konzerte für Kinder und Jugendliche, die die pädagogische Verantwortung und den Wunsch unterstreichen, neue und junge Publikumsgenerationen für klassische Musik zu begeistern. Seit der Spielzeit 2023/24 ist der US-amerikanische Dirigent James Gaffigan neuer Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin.



IN A NUTSHELL

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IN A NUTSHELL DAVID BOWIE (ARR. IAN ANDERSON): “HEROES” David Bowie’s album “Heroes” was recorded at Berlin’s Hansa Studios in 1977 as the second part of his Berlin trilogy. Unlike Low (also 1977) and Lodger (1979), the album was written and recorded entirely in Berlin. Musically, the trilogy incorporates influences from Krautrock, disco, electronic and ambient* music, but Berlin’s atmosphere can be felt most pervasively in “Heroes”. With even more experimental sound collages (Sense of Doubt, Moss Garden, Neuköln) and more dominant synthesizer sounds, it picks up directly from Low. The lyrics are highly associative and were often conceived spontaneously, allowing for projections but avoiding clear interpretations. This high degree of abstraction and the instrumental character of the sound collages make the album particularly suitable for an orchestral arrangement. The arrangement by Ian Anderson for today’s concert is a world premiere. ANTON BRUCKNER: SYMPHONY NO. 6 IN A MAJOR, WAB 106 Anton Bruckner’s Sixth Symphony was composed in 1879-81; he did not live to see its premiere in 1899. The violins open the first movement, entitled Majestoso, with a sharply contoured ostinato* motif* in the typical Bruckner rhythm, while the low strings softly play the main theme*. It wanders fragmentarily through the orchestra until it is suddenly heard at maximum volume in the tutti* of the winds and violins. Motifs are explored further and further and interwoven more densely. The coda* then also begins with a tender, unclouded wind movement that allows the main theme to shine in ever new light and leads to its apotheosis* via the opening motif. The dark, undulating opening of the profoundly brooding adagio is reminiscent of Brahms, before the plaintive oboe begins to play in typical Bruckner fashion. The funeral march, in turn, anticipates Gustav Mahler’s symphonies. In the transfiguring coda, the music does not seem to want to let go and becomes more and more viscous until the last drop finally rolls hesitantly off the page. The rapidly progressing scherzo has an almost march-like character despite being in 3/4 time. Its forward momentum repeatedly culminates in heavy, fanfare-like brass tutti. In contrast to this is the slow trio in 2/4 time, composed of the smallest motifs, which quotes Bruckner’s Fifth Symphony. The finale, characterized by sonic extremes, begins with soft string tremolos*. Its lyrical main theme appears darkened by oboes and violins but is abruptly interrupted by a dramatic brass fanfare that expands weightily. The ostinato string motif from the first movement finally returns in an immense climax. The expected main theme of the symphony does not follow; instead, the music gathers momentum once again before the long-awaited theme brings the symphony to a prosaic close. The ending thus subverts all expectations. Perhaps Bruckner had a sense of humor?


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DAVID BOWIE (ARR. IAN ANDERSON): “HEROES” L’album “Heroes” de David Bowie, créé en 1977 dans les Berliner Hansa Studios, constitue la deuxième partie de sa trilogie berlinoise. À la différence de Low (1977 aussi) et de Lodger (1979), cet album avait été entièrement écrit et enregistré à Berlin. Sur le plan musical, la trilogie trouve ses influences dans le Krautrock, la disco, la musique électronique et l’Ambient*, “Heroes” étant par-dessus tout empreint de l’atmosphère berlinoise. Avec des collages sonores encore plus expérimentaux (Sense of Doubt, Moss Garden, Neukölln) et les sons puissants du synthétiseur, l’album se raccorde directement à Low. Les textes des chansons, créations souvent très spontanées et riches d’associations, s’offrent comme des surfaces de projection sans être clairement explicites. C’est ce haut degré d’abstraction et le caractère instrumental des collages sonores qui font que cet album se prête si bien à une adaptation orchestrale. L’arrangement de Ian Anderson pour le concert d’aujourd’hui est une création inédite. ANTON BRUCKNER : SYMPHONIE N°6 IN A-DUR, WAB 106 La 6e symphonie d’Anton Bruckner fut créée entre 1879 et 1781. Bruckner n’a pas assisté à la Première en 1899. Les violons amorcent le premier mouvement, intitulé Majestoso, avec un ostinato* au contour très marqué et typiquement brucknérien, les cordes graves jouant en douceur le thème* principal qui traverse l’orchestre en fragments jusqu’à résonner de manière soudaine et retentissante dans le tutti* des cuivres et des violons. Les motifs* sont développés et de plus en plus étroitement imbriqués. La coda* commence elle aussi par un mouvement tendre et paisible des instruments à vent, qui éclaire diversement le thème principal conduit à son apothéose* par le motif initial. Le début de l’adagio, profondément méditatif avec ses sombres modulations, rappelle Brahms avant les sons plaintifs du hautbois à la manière typique de Bruckner. La marche funèbre quant à elle annonce les symphonies de Gustav Mahler. Dans la coda, la musique, comme transfigurée, semble ne pas vouloir lâcher prise et devient toujours plus suave, jusqu'à ce que la goutte ultime perle de la feuille. Le scherzo rapide a presque un caractère de marche malgré sa mesure à 3/4. Sa fougue culmine à plusieurs reprises en lourds tutti de cuivres façon fanfare. Le lent trio en 2/4, assemblage de motifs minuscules qui cite la 5e symphonie de Bruckner, contraste avec ce mouvement. Le finale, marqué de sonorités extrêmes, débute par de légers tremoli*. Le motif ostinato lyrique des cordes, qui semble plus sombre dans les hautbois et les violons, est néanmoins brusquement interrompu par une fanfare de cuivres dramatique, qui va en s’amplifiant. L’ostinato des cordes du premier mouvement revient pour finir avec une intensité accrue. Mais contre toute attente, la musique reprend une nouvelle fois vivement avant que le thème principal tant attendu ne vienne prosaïquement clore la symphonie. Cette fin n’est pas sans surprendre. Bruckner ferait-il ici montre d’humour ?

L’ E S S E N T I E L E N B R E F

L’ESSENTIEL EN BREF


ÖZETLE ESERLER

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ÖZETLE ESERLER DAVID BOWIE (ARR. IAN ANDERSON): “HEROES” David Bowie’nin “Heroes” albümü, Berlin üçlemesinin ikinci parçası olarak 1977 yılında Berlin’deki Hansa Stüdyoları’nda kaydedildi. Low (yine 1977 yılında) ve Lodger’ın (1979’de) aksine, albüm baştan sona Berlin’de yazıldı ve kaydedildi. Müzikal olarak üçleme Krautrock, disko, elektronik müzik ve Ambient* müzikten etkiler taşırken, Heroes Berlin’in atmosferinden en güçlü şekilde etkilenen albüm oldu. Daha da deneysel ses kolajları (Sense of Doubt, Moss Garden, Neuköln) ve daha baskın synthesizer tınılarıyla doğrudan Low’un devamı niteliğindedir. Şarkı sözleri son derece çağrışımsal nitelik taşır ve çoğunlukla spontane ortaya çıkmıştır. Bu sayede açık ve net biçimde yorumlanamasalar da bir projeksiyon yüzeyi sunar. Bu yüksek soyutlama derecesi ve ses kolajlarının enstrümantal karakteri, albümü orkestral bir düzenleme için özellikle uygun kılar. Ian Anderson’ın bugünkü konser için yaptığı düzenleme bir dünya prömiyeri niteliğindedir. ANTON BRUCKNER: SENFONI NO. 6, LA MAJÖR, WAB 106 Anton Bruckner’in 6. Senfonisi 1879-81 yılları arasında bestelenmiştir; ancak bestecinin ömrü 1899’daki prömiyeri görmeye yetmemiştir. Majestoso başlıklı ilk bölüme kemanlar tipik Bruckner ritminde* keskin konturlara sahip bir ostinato* motifiyle* başlarken, alt yaylılar ana temayı* yumuşak bir şekilde çalar. Bu tema orkestra içinde parçalı bir şekilde dolaşır ve birdenbire üflemelilerin ve kemanların tutti’sinde* en yüksek sesle duyulana kadar sürer. Motifler işlenmeye devam eder ve giderek daha yoğun bir şekilde iç içe geçer. Koda*nın başlangıcında yumuşak ve her türlü bulanıklıktan uzak bir üflemeli bölümü yer alır. Bu bölüm ana temaya yeni bir ışık tutar ve ilerleyen aşamalarda açılış motifi aracılığıyla temanın tanrısallaşmasına* yol açar. Derin düşüncelere sevk eden Adagio’nun karanlık, dalgalı açılışı Brahms’ı anımsatırken, ağıt yakan obua tipik Bruckner tarzında devreye girer. Cenaze Marşı ise Gustav Mahler’in senfonilerinin habercisidir. Başkalaşan Koda’da adeta müzik hiç dinleyicinin karşısından ayrılmak istemez ve en son nota tereddüt içinde sayfadan uçup gidinceye kadar ayak direr. Hızla ilerleyen Scherzo, 3/4’lük ritmine rağmen neredeyse marşı andıran bir karaktere sahiptir. İleriye doğru gitme dürtüsü tekrar tekrar ağır, marş borusuna benzeyen teneke üflemelerinin hızlı ritmiyle doruğa ulaşır. Bruckner’in 5. Senfonisi’nden alıntılar yapan, minik motiflerden oluşan 2/4 ritimli yavaş trio ise, bunun tam tersi özellikler taşır. En uç tınılarla karakterize edilen final bölümü, yumuşak yaylı tremoloları* ile başlar. Lirik ana tema obua ve kemanların gölgesinde belirir, ancak dramatik bir marş borusunun ağır tenekemsi sesiyle aniden kesintiye uğrar. İlk bölümdeki ostinato yaylı motifi nihayet muazzam bir doruğa ulaşarak tekrar geri döner. Senfoninin beklenen ana teması bunu takip etmez; bunun yerine, dört gözle beklenen tema, senfoniyi sıradan bir bitişe ulaştırmadan önce son bir defa yükselişe geçer. Böylece final tüm beklentileri altüst eder. Acaba Bruckner burada mizah anlayışını mı sergilemek istemiştir?


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AMBIENT MUSIC (von engl. ambience »Umgebung«) Musikrichtung, die maßgeblich von Brian Eno geschaffen wurde. Sie ist atmosphärischer Natur, geprägt durch warme, lang ausgehaltene Töne, vermischt mit verfremdeten Effekten und der Tendenz zur Klangcollage. Im Zentrum steht (Schön-)Klang. Rhythmus und Struktur fehlen meist völlig. Eno entwarf sie als Hintergrundmusik für öffentliche Gebäude. APOTHEOSE (altgriechisch apothéōsis »Gottwerdung«) In der romantischen Sinfonik populäres, sich ins höchst Positive steigernde Ende einer Komposition oder eines Satzes, bis zur Überhöhung oder Verklärung. Zumeist erscheint das Hauptthema in prachtvoller, erhabener, besonders hervorgehobener Art und Weise. Typisch sind eine Entwicklung von Moll zu Dur, große Instrumentierung sowie strahlende, helle Klangfarben. CODA (ital. »Schwanz«) Angehängter Schlussteil einer Komposition, der Vorangegangenes schlüssig zum Ende führt, meist ohne damit verwoben zu sein. In langsamen Sätzen wirkt die Coda oft wie ein Nachspiel, in schnellen steigert sie sich typischerweise durch Tempobeschleunigung zum abschließenden Höhepunkt. Ihre Länge variiert zwischen wenigen Takten und großen Abschnitten. MOTIV Kurze, charakteristische musikalische Figur, die in einer Komposition wiederholt vorkommt. Es grenzt sich vom Thema* durch Kürze und meist fragmentarische Natur ab und besteht oft aus Themenbruchstücken. Richard Wagner u. a. entwickelten daraus die Leitmotivtechnik, die spezifischen Personen, Orten oder Konzepten bestimmte Motive zuordnet. THEMA Musikalischer Gedanke, der über ein Motiv hinausreicht und häufig Ausgangspunkt für ein Werk ist, besonders für Sinfonie, Sonate, Streichquartett, Fuge, Variationen. OSTINATO (vom ital. Wort für »stur«) Klar definierte musikalische Phrase, die über lange Strecken beharrlich wiederholt wird, meist in gleicher Tonhöhe und Stimme. TREMOLO (vom ital. Wort für »zittern«) Spielweise, die besonders bei Streichinstrumenten Anwendung findet. Sie wird hier entweder durch rapides Auf- und Abwärtsstreichen des Bogens auf kürzester Strecke erzeugt, während immer der gleiche Ton gespielt wird (Bogentremolo), oder aber durch beständiges Wechseln der Finger zwischen zwei Saiten, während diese mit dem Bogen angeschlagen werden (Fingertremolo). Der entstehende Effekt wirkt oft dramatisch oder bedrohlich. TUTTI (ital. »alle«) Passagen, in denen alle Instrumente einer zuvor definierten Gruppe oder des gesamten Orchesters gemeinsam spielen. Bei Konzerten mit Solist:innen gibt die Anweisung »tutti« dem Orchester das Signal, nach einem Solo wieder mitzuspielen.

GLOSSAR

Glossar


24 VORSCHAU

Vorschau VON SINFONISCHEN TÄNZEN

HUDSON, SEINE UND

UND MASKERADEN

BOSPORUS

MASKENBALL!

NEUJAHRSKONZERT / YENI YIL KONSERI MIT FAZIL SAY & CEM ADRIAN

TERMIN Sa, 4. Nov 2023

20 Uhr

Sinfoniekonzert mit Marzena Diakun

SINFONISCHE ZEITEN-REISE

GO EAST! TERMIN Fr, 12. Apr 2024

20 Uhr

Sinfoniekonzert mit James Gaffigan, Danae Dörken und Alma Sadé @Konzerthaus Berlin

@Konzerthaus Berlin TERMIN Mo, 1. Jan 2024

18 Uhr

EIN LITERARISCH-SINFONISCHER CHOR-ABEND

EIN DOKUMENTARISCHES SINFONIEKONZERT

1923

Sinfoniekonzert mit James Gaffigan, Fazıl Say und Cem Adrian

ANTIGONE

@Schillertheater

Fr, 3. Mai 2024

TERMIN

Sinfoniekonzert mit David Cavelius

TERMIN Fr, 8. Dez 2023

19:30 Uhr

19:30 Uhr

Sinfoniekonzert mit James Gaffigan und Iñigo Giner Miranda

@Schillertheater

DAS TANZENDE SINFONIE-

@Schillertheater SINFONIEKONZERT

KONZERT

MIT SCHALL UND RAUSCH

BOWIE MEETS BRUCKNER TERMIN Sa, 10. Feb 2024

FLOTTE SOHLE Sinfoniekonzert mit Erina Yashima TERMINE

18 Uhr

Fr, 14. Juni 2024

19:30 Uhr

@Zelt am Roten Rathaus

Sinfoniekonzert mit James Gaffigan

Di, 18. Juni 2024 @Ernst-Reuter-Saal

@Vollgutlager

19:30 Uhr


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IMPRESSUM Herausgeberin

Komische Oper Berlin @Schillertheater Dramaturgie Bismarckstraße 110, 10625 Berlin www.komische-oper-berlin.de

Intendanz Generalmusikdirektor

Susanne Moser, Prof. Philip Bröking James Gaffigan

Redaktion Lektorat Layoutkonzept Gestaltung Druck

Jakob Robert Schepers Theresa Rose, Pia Syrbe www.STUDIO.jetzt Berlin Hanka Biebl Druckhaus Sportflieger

Quellen

Die Werke in Kürze, der Artikel und das Glossar sind Originalbeiträge von Jakob Robert Schepers für dieses Programmheft. Übersetzungen von Saskya Jain (Englisch), Monique Rival (Französisch) und Mehmet Çalli (Türkisch).

Bilder

S. 5: Anto Bruckner, ca. 1854. Lebrecht Music & Arts / Alamy Stock Foto S. 11: Erich Heckel, Roquairol, 1917 Die Inhaber:innen der Bildrechte konnten leider nicht in allen Fällen kontaktiert werden. Wir bitten Sie, sich gegebenenfalls mit uns in Verbindung zu setzen.

Redaktionsschluss

2. Februar 2O24 Änderungen vorbehalten


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