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Mehr Raum für Flussbetten. Was Renaturierung für Biodiversität und Hochwasserschutz tun kann

Alles fließt

Das Life-Iris-Projekt will Österreichs Flüsse renaturieren. Wenn Flussbetten mehr Raum bekommen, profitieren Biodiversität und Hochwasserschutz

REPORTAGE: LINA PAULITSCH

Kurz vor der Ortseinfahrt nach Oberwart, versteckt hinter dichtem Gebüsch, liegt eine kleine Schotterinsel, mitten im Lauf der Pinka. Nur Wasserrauschen ist hier zu hören, vereinzelt radeln E-Biker vorbei. Ein Stück wilde Natur, ein Erholungsraum fern der Zivilisation.

Folgt man dem Fluss von hier aus weiter Richtung Ortskern, zeigtsich allerdings ein anderes Bild: Schnurgerade verläuft der Fluss hier bis ins Zentrum, eingekesselt in Steinwände. „Das ist das Schlimmste, was einem Fluss passieren kann“, sagt Helena Mühlmann, Gewässerökologin des Landwirtschaftsministeriums. Sie hat Landschaftsplanung an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert. „Das Ökosystem muss immer in Bewegung sein. Ein Fluss gräbt sich Ufer ab, lagert Materialien um und transportiert sie weiter.“ So entstehen Habitate für Insekten, Fische und Pflanzen. Lebensräume, die in einem fixierten, also betonierten Flussbett verschwinden.

Die idyllische Schotterinsel setzte die Gemeinde Oberwart erst vor kurzem in die Landschaft. Zuvor war die Pinka in den 1960er-Jahren begradigt worden, viele Teile des Flussbetts wurden dabei betoniert. Dieser Abschnitt um die Schotterinsel wurde nun renaturiert, das Ufer umgegraben und die ursprünglichen Flussschlingen – sogenannte Mäander – wurden wiederhergestellt. Gesamtkosten: 3,2 Millionen Euro.

Mühlmann leitet das Life-Iris-Projekt, das sich ebenjene Renaturierung zum Ziel gesetzt hat. Bund, Länder, Gemeinden und EU finanzieren mit vorerst 16,5 Millionen Euro eine Art Testprogramm. Über neun Jahre werden an acht Pilotgewässern, dar-

Wien Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Donau suchte sich damals ihr Flussbett selbst und verfügte über zahlreiche Nebengewässer. Sie durchquerte fünf Kilometer Aulandschaft. Dörfer wie Floridsdorf und Stadlau waren regelmäßig überschwemmt. Ab 1870 begann die Regulierung

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unter die Donau und die Enns, einzelne Stellen dereguliert und beobachtet. Ähnliche Renaturierungsprojekte sollen später in ganz Österreich umgesetzt werden.

An der Pinka fiel der Startschuss 2016, ein Jahr lang wurde gebaggert. Anhand historischer Pläne versuchten die Flussbauer den ursprünglichen Verlauf wiederherzustellen. Den Rest erledigte der Fluss bald von selbst. Äste, Steine und Schotter spülte das Wasser als kleine Staudämme an. Die seien wichtig, um verschiedene Fließgeschwindigkeiten entstehen zu lassen, erklärt Helena Mühlmann. „Hier neben der Insel ist ein tieferer Bereich, das Wasser fließt ein bisschen langsamer. Dort sind feinere Sedimente drin, wo Insektenlarven leben. Weiter vorn ist ein Rinner, ein schnell fließender Bereich. Das ist wieder für andere Arten wichtig, gerade für Fische. Die brauchen verschiedene Strömungsbedingungen, um Kinderstuben einzurichten, und für die Larvenaufzucht.“

Die Anzahl und Artenvielfalt der Fische ist generell ein guter Gradmesser dafür, in welchem ökologischen Zustand sich ein Fluss befindet. Sie reagieren sehr sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraums. Haben sie keinen Platz zum Laichen oder Flachbereiche, um Jungfische großzuziehen, kann sich der Bestand innerhalb weniger Jahre drastisch verringern. Und verschwindet eine Fischart, ist das Gleichgewicht des Ökosystems insgesamt in Gefahr. Wie viele Fische es gibt, wirkt sich auf Insekten, Vögel, Pflanzen und letztlich den Menschen aus.

Momentan herrschen so niedrige Wasserstände wie seit 500 Jahren nicht mehr. 47 Prozent der europäischen Flächen sind von Trockenheit betroffen, es mangelt an Trinkwasser, die Elbe stellte ihren Fährbetrieb kurzerhand ein. Den Flüssen mehr Bedeutung beizumessen, sie zu hegen und zu pflegen wird nun auch politisch wieder wichtig.

Mehr als die Hälfte der österreichischen Flüsse ist laut Landwirtschaftsministerium in keinem guten ökologischen Zustand. Das bedeutet, dass zu wenige Fische, Algen oder Organismen im Wasser zu finden sind. Bei 95 Prozent dieser Flüsse kam es zu diesen Problemen, weil sie verbaut wurden: begradigt, gestaut oder durch Flussschwellen verlangsamt.

Seit dem Jahr 2000 gibt es die sogenannte EU-Wasserrahmenrichtlinie, die das verpflichtende Ziel hat, alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen, diesen zu erhalten und damit die Flora und Fauna in Gewässern zu schützen. „Aber wir

Die Pinka nahe Oberwart. Sie wurde in den 1960er-Jahren reguliert

Der renaturierte Bereich der Pinka, wenige hundert Meter flussaufwärts. Fische, Insektenlarven und Libellen finden hier neue Lebensräume

kämpfen noch mit einer massiven Menge an Altlasten“, sagt Mühlmann. In Österreich gebe es keinen einzigen Fluss mehr, der vollständig naturbelassen verlaufe; Handlungsbedarf bestehe so gut wie überall. In ganz Europa gibt es nur mehr einen völlig unberührten Wildfluss, nämlich die Vjosa in Albanien. Sie wurde erst vor kurzem unter Naturschutz gestellt.

Aber nicht nur die Tiere und Pflanzen haben ein Problem mit den eingeengten Flussläufen. Auch etwa starke Regenfälle haben in Österreich in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Im Life-Iris-Projekt arbeitet Helena Mühlmann deshalb mit Martin Wenk zusammen, einem studierten Geografen, der im Landwirtschaftsministerium für Hochwasser-Risikomanagement zuständig ist. Je geradliniger ein Fluss verlaufe, desto mehr beschleunige das Wasser und schieße irgendwann mit voller Wucht aus dem Flussbett heraus. „Ein renaturierter Bereich, wo der Fluss in die Breite gehen kann, ist aus Hochwassersicht sehr sinnvoll“, sagt Wenk.

Über Jahre hinweg war es aber gerade der Hochwasserschutz, der den Eingriff in die Flussnatur legitimierte. Ein „schnürlgerades, betoniertes Gerinne, wo das Wasser möglichst schnell herausrinnt“, sei das Dogma gewesen, so Wenk. Heute habe ein Sinneswandel stattgefunden. „Jetzt versuchen wir dem Fluss mehr Raum zu geben, damit er das Hochwasser selbst unterbringen kann. Er darf ruhig fluten. Nicht überall, aber dort, wo er keinen Schaden anrichtet.“ Ein Beispiel dafür ist der Lech in Tirol. Um sich ausdehnen zu können, vergrößerte man das Flussbett um ganze 32 Fußballfelder, 7000 Meter Längsverbauungen wurden entfernt. So entstanden neue Laichgewässer für Fische, Amphibien und Libellen. Verschwundene Pflanzenarten, wie

der Zwergrohrkolben, wurden wieder angesiedelt. Sind begradigte Flüsse also immer reine Bausünden? Damals hätten eben andere moralische Argumente gesiegt, sagt Gertrud Haidvogl, Umwelthistorikerin an der Universität für Bodenkultur Wien. Für die Flussbauer ging es damals um bessere Mobilität. Und darum, die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen zu können. „Mit der Industrialisierung, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, entwickelte sich ein Glaube an den Erfolg von Technik. Man hat damals gedacht, man wird die Flüsse, unabhängig von ihrer Größe, bändigen können“, so die Historikerin. Vor 150 Jahren beschränkte sich die Regulierung zunächst auf Uferbefestigungen. Mit Pflöcken und Pfählen versuchte man, die Flüsse in ihrem Bett zu halten. Als die Schiffe immer größer wurden, begann man, die neuen Transportwege zu verbreitern und eng beieinanderliegende Mäander zu planieren.

Im 20. Jahrhundert bauten viele Städte ihren Hochwasserschutz komplett aus. Dämme, neue Flussbetten und stillgelegte Altarme veränderten das Landschaftsbild. Die Stadt Wien schaffte etwa 1870 ein Überschwemmungsgebiet der Donau und bündelte das weitverzweigte Augebiet zu einem Hauptarm. Die Stadt vollendete die Wiener Donauregulierung in den 1970erJahren mit der Donauinsel. Die Donauinsel ist ein sogenanntes Entlastungsgerinne. Zwar zerstörte es frühere Habitate für Tiere und Pflanzen, schützt die Hauptstadt aber bis heute zuverlässig vor Hochwassern. Renaturierungen sind in großen Städten also kaum möglich. Begradigt wurden auch die kleineren Flüsse spätestens

Gertrud Haidvogl ist Umwelthistorikerin an der Boku, Schwerpunkt Flussgeschichte

Helena Mühlmann leitet das Life-IrisProjekt. Sie ist Gewässerökologin

Martin Wenk, studierter Geograf, ist bei Life Iris zuständig für Hochwasserschutz

in den 1950er- und 60er-Jahren. „Es ging damals um Nahrungsmittelknappheit“, erklärt die Historikerin Haidvogl. „Da sich die Flüsse nicht mehr schlängelten, wurde viel Platz frei. Diesen gewonnenen Boden konnten die Bauern zum Anbau nutzen.“ Als „zehntes Bundesland“ bezeichnete die Wasserbauzeitschrift 1948 stolz die neuen Ackerflächen.

Das alles wieder zurückzubauen ist deshalb nicht nur technisch herausfordernd. Die größte Hürde sind die aktuellen Grundbesitzer, zumeist Landwirte, die man überzeugen muss, ihr Land abzutreten. Bund und Gemeinden kaufen den Grund zurück. „Dadurch dauert es irrsinnig lange“, sagt Martin Wenk vom Life-Iris-Projekt. „Eines unserer Pilotgewässer ist die Leitha. Dort haben wir 350 Grundeigentümer – und von allen brauchen wir ein kleines Stückerl. Als Erstes mussten wir also alle an einen Tisch bekommen und ein Tauschkonzept erstellen.“

Bei Renaturierungen versuchen die Gemeinden häufig, den Landwirten einen alternativen Grund an einem anderen Ort anzubieten und gegen ihr Flussufer zu tauschen. Dieser Verhandlungsprozess dauert oft mehrere Jahre.

Überhaupt seien verschachtelte Zuständigkeiten in den Gemeinden das Hauptproblem beim Renaturieren, klagt Wenk. So wie beim Umweltschutz generell. Wird ein Fluss baulich verändert, ist in Österreich die Gemeinde nicht nur Bauherr, sondern auch Eigentümer. Das bedeutet, dass übergeordnete raumplanerische Konzepte sehr schwer umzusetzen sind. „Als Landwirtschaftsministerium haben wir limitierte Möglichkeiten. Eigentlich muss die Gemeinde auf uns zugehen und ihren Fluss verändern wollen.“ Das passiere zumeist dann, wenn es um Hochwasserschutz gehe. Ihr Ziel sei es, sagt Mühlmann, Bürgermeistern auch ökologische Maßnahmen schmackhaft zu machen.

Langfristig profitieren auch die Landwirte von der Natur rund um ihre Felder. Denn verbaute Flüsse steigern auch den Bewässerungsbedarf. Je schneller ein Fluss fließt, desto tiefer gräbt er sich in den Boden – und desto stärker sinkt der Grundwasserspiegel. Damit wird die Erde trockener, die Brunnen liegen tiefer und müssen von den Bauern neu abgegraben werden.

Auch die steigenden Temperaturen haben mit den begradigten Gewässern zu tun. Könnten mehr Flüsse aus ihrem Betonbett heraus, würde es zumindest ein bisschen weniger heiß. Vor der globalen Erderwärmung kühlten Aulandschaften das Klima herunter. In Wiesen und Wäldern mit kleinen Nebengewässern konnte das Wasser versickern und verdunsten, die Umgebung wurde feuchter. Bis das wieder der Fall ist, wird es noch dauern. Eine „Mammutaufgabe“ erwarte die nächsten Generationen, sagt Helena Mühlmann. Um verbaute Landschaften wieder natürlich zu machen, brauche es „extrem viele Maßnahmen und Milliarden von Euro“.

An der Pinka joggen zwei Männer vorbei, sie kühlen ihr Gesicht im Wasser. Früher hätten sie diesen Flussabschnitt gar nicht registriert, erzählen sie, jetzt kämen sie gerne auf die Schotterinsel. Mühlmann gräbt im Wasser im Sand, sie entdeckt kleine Krebse. Ein gutes Zeichen, sagt sie. F

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Radiohören ist mein Universitätsstudium

Evangelium des 21. Sonntags im Jahreskreis, Lesejahr C: „Viele werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.“ (Lk 13,22–30)

Zum heutigen Evangelium freu ich mich, dass der Oberste Gerichtshof beschlossen hat, dass das Mädchen Tina aus Georgien nach Österreich zurückkehren darf und die großartige Leiterin der Kindeswohlkommission, Irmgard Griss, das Kindeswohl in Österreich im Auge hat.

Und der Attentäter, der Salman Rushdie in einer Buchhandlung in Chautauqua, New York, schwer verletzte, staunte nachher, dass Salman Rushdie überlebt hat. Auf jeden Fall wird die göttliche Dreifaltigkeit Salman Rushdie umarmen und diesen Attentäter in die Hölle schmeißen!

Meinen Sachwalter hab ich gebeten, dem schrecklichen Verein Radio Maria jedes Jahr 100 Euro zu überweisen, denn ich sterbe jetzt ohne Radio, und nur dieses Radio Maria unterhält mich. Dank meines göttlichen Engels Hannes besitze ich nun einen Computer-Anstecker, mit dem ich mir drei Sender einspeichern kann: Ö1, Radio Burgenland und Radio Maria.

Wenn ich dann gestorben sein werde, würde meinereins im Jenseits mit Abraham, Isaak und Jakob jausnen können? Gibt es dort oben ein göttliches Bedienungspersonal?

Mein Hauptschul-Niveau steckt noch immer in mir. Radio Maria sendet jeden Dienstag einen Vortrag über Philosophie. Zuletzt war wieder „mein“ Philosophieprofessor Dr. Peter Egger zu hören, er redete über den Neomarxismus, die 68er-Bewegung und den großen Philosophen Jürgen Habermas, der mit Kardinal Ratzinger einmal einen Auftritt hatte.

Der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl ist kein Freund des Neomarxismus, sagte er in der Wiederholung der Sendung „Im Gespräch“ auf Ö1: „Die Sozialdemokratie hat allen Versuchungen widerstanden, auf dieses eher ja menschenfeindliche Weltbild des Neoliberalismus hineinzufallen, ohne jetzt die Marktwirtschaft zu verdammen, der Neoliberalismus ist eigentlich antimarktwirtschaftlich, das muss man ja auch eimal sagen in der Deutlichkeit.“

Mein Radiohören ist quasi mein „Universitätsstudium“. Und da schnappe ich so Worte wie „Neomarxismus“ Gott sei Dank auf. Fragen Sie Frau Andrea Informationsbureau

Sekkieren Sie noch oder nerven Sie schon?

Andrea Maria Dusl beantwortet seit 20 Jahren knifflige Fragen der Leserschaft Liebe Frau Andrea, der Autor David Baum hat mich auf Ihre Kolumne aufmerksam gemacht. Er hatte recht, als er sagte, das wird Dir gefallen. Ich bin Hobby-Wiener und genieße die Stadt mit angemessenem Abstand. Manchmal tauche ich dann aber doch ein. Das Wort „sekkant“ ist mir erschienen. Zwei Fragen: Ich wäre gern sekkant, was muss ich tun? Wo könnte mir dieses Wort begegnet sein? Ich habe es nicht gehört, ich habe es gelesen, weiß aber nicht mehr, wo. Wahrscheinlich liebe ich Wien. Liebst & Herrlich, Friedrich Liechtenstein, Berlin-Mitte, Guten Morgen! Per E-Mail

Lieber Friedrich, wollte man in Wien zum Ausdruck bringen, jemand nerve, sei aufdringlich, lästig, griffe man zum bestens bekannten Verb sekkieren. In Sätzen wie diesen: „Da Schef sekíad mi ollaweu mid blede Dands!“ (Der Chef belästigt mich immer mit dummen Ideen!).

Eskalationen auf diesem Gebiet quittierte man mit Feststellungen wie „bis aufs Bluad hoda mi neilich sekíad“ (bis aufs Blut hat er mich neulich genervt). Das von Ihnen in Kaffeehausliteratur, möglicherweise auch in journalistischer Prosa aufgelesene „sekkant“ ist das Adjektiv zum Zeitwort sekkieren.

Wir wären versucht, eine Verwandtschaft zur Sekante zu erblicken, jener Linie, die einen Kreis oder eine andere Kurve schneidet, wüssten wir es nicht besser.

Kommt doch sekkieren nicht von schneiden (italienisch und lateinisch secare), sondern von verdorren, austrocknen, trocknen (italienisch seccare, lateinisch siccare). In seiner Nebenbedeutung verstehen die Italiener unter „seccare“ belästigen, auf die Nerven gehen.

Das Wienerische hat aus dem italienischen seccare sekkieren gemacht und mit ihm auch einen verwandten Ausdruck importiert. Aus seccatura, der Belästigung, wurde die Sekkatur (ausgesprochen: Sekadúa), in weiterer Folge die Sekkiererei (Sekíararei).

Von Ihrem Vorhaben, sekkant zu sein, möchte ich dringend abraten, allzu leicht „gabads a Gfret“, gäbe es ein Gefrett (Ärger, Plage, Unannehmlichkeit). Vermeiden Sie Sekkaturen jeder Art! Eine übliche Quittung bliebe Ihnen erspart: „Gwööns wen ondan!“ (Quälen sie jemand anderen!)

Doris Knecht Selbstversuch

Hm, okay, ist uns glaub ich wuascht

Weil ihr nach dem Hund gefragt habt: Geht ihr gut! Schläft unterm Tisch, springt begeistert Freundinnen an, buddelt beeindruckende Löcher in die Wiese, in denen man sich gut die Knöchel brechen kann. Wenn man sie zuschaufelt, buddelt sie daneben ein neues. Man merkt sich also einfach, wo die Löcher sind und abends, wenn Gäste kommen, stellt man Teelichter hinein, damit die sich nicht die Knöchel brechen, während der Hund sie anspringt. Jaaaah.

Wir trainieren eh Gelassenheit sowie Spazierengehen an der lockeren Leine und Nicht-jeden-Hund-Anbellen, dem wir begegnen. Bitte, sie kann auch einiges: problemlos und still allein daheim bleiben, dabei keine Schuhe und nichts anderes zerbeißen, nicht mehr jeden anbellen, der am Gartentor vorbeigeht, beim Essen nicht betteln und High Five. Der Rückruf sitzt auch einigermaßen.

Das mit dem Bellen und Anspringen wird schon, sagen die Nachbarn, wart bis sie noch ein bisschen älter ist. Ich warte doch eh! Was, glaub ich, nichts mehr wird, ist das mit der Begeisterung fürs Autofahren. Alles ausprobiert. Immerhin, sie übergibt sich nur noch jedes achte oder neunte Mal, die Chance lebt. Ach ja, blad ist sie auch nicht mehr, das war nur eine Phase, ihr braucht sie nicht mehr bodyshamen, – ja, talkin’ to you, G.!

Es ist jetzt schon dunkel am Abend und ich begrüße das. Für Early-Schlafengeherinnen wie mich ist der August der beste Monat im Jahr: Es ist noch Sommer, es ist noch warm, die Paradeiser sind reif (nicht meine, die vom Horwath, ich hab heuer kei-

Doris Knecht ist gespannt wie ein Seilbahnkabel

Ich bin jetzt schon gespannt, wer von den angekündigten Hilfen wieder profitieren wird, wer an unserem Steuergeld wieder fett verdient

ne), die Zwetschken, die Subira und ein paar frühe Apfelsorten, man kommt mit blauen, brombeersüßen Händen vom Morgenspaziergang. Wenn man um sechs aufwacht, ist es draußen hell, wenn man um neun vor der Tür sitzt, sieht man Sterne und, wenn man Glück hat, ein paar Sternschnuppen. Mehr regnen sollte es, aber sonst kann es gern so bleiben von der Jahreszeit her.

Wäre auch wegen dem Heizen und dem Strom gut. Meine vierteljährlichen Stromvorauszahlungen haben sich fast verdoppelt. Es graut mir vor dem Winter: So vielen Familien in Österreich wird es schlecht gehen, so viele Kinder werden frieren. Ich bin jetzt schon gespannt, wer von den angekündigten Hilfen wieder profitieren wird, wer an unserem Steuergeld wieder fett verdient. Wir sind in Österreich – kaum denkbar, dass es diesmal anders sein wird.

Immerhin, ich habe gelesen, der Tiroler Seilbahnsprecher „erwäge“ beim Wintersport in Tirol zu sparen. Man ist gespannt wie ein Seilbahnkabel, wie diese Erwägungen wohl ausgehen.

Apropos Tirol, die Mitterer-Geschichte amüsiert mich so. Der Autor der „Piefke-Saga“ sollte dem Land Tirol eine „TourismusAbgabe“ zahlen. Eine Tourismus-ABGABE! Die Kulturschaffenden sollen den größten Tiroler Wirtschaftszweig UNTERSTÜTZEN! Hahaha. Mitterer zieht jetzt weg.

Ein anderer bekannter, deutschsprachiger Schriftsteller hat dieser Tage geäußert, er halte nicht viel vom Gendern, und was soll ich sagen: Ja. Okay. Is ma wuascht.

Heidi List Stadtstreife

RESPEKT

Es war eine sehr wienerische Woche. Der Tod ist mitgeschwungen. Jemand aus dem erweiterten Kreis der Familie. Alles kompliziert, kaum Kontakt in den vergangenen Jahren. Vor allem politisch Lichtjahre auseinander. Als die Nachricht darüber bekannt wurde, tat vor allem das Leid derer weh, die ihn gerne gehabt haben, die Kinder und die Enkel.

Man hat sich vorgestellt, wie er gelebt hat, so in der Pension. Hie und da wohl Besuch. Sonst vor dem Fernseher, wahrscheinlich polternd über die vielen Fremden, die „das Land plündern“ und „die Kultur unterwandern“. Und was man halt so denkt als Rechter. Kaum Freunde wohl. Na ja.

Ich war nicht auf dem Begräbnis, es schien mir nicht passend aufgrund der vielen Dispute zu Lebzeiten. Aber danach wurde mir davon erzählt. Es waren viele Leute bei der Feier. Und es sei schön gewesen, was die Leute zu erzählen hatten. Er war in einer Wandergruppe. Und in einer Fahrradgruppe.

Die eine oder andere Dame war dabei. Sie waren Freundinnen und auch mehr. Erzählten von seinen großen Reisen in alle Welt. Kanada oder Kenia. Er habe die Enkel vom Kindergarten abgeholt, wöchentlich. Habe

Heidi List betrachtet die Wiener und lässt uns mitschauen. Diesmal: am Fluss

immer ein offenes Haus gehabt, auch wenn es schwierig war mit den Beziehungen zum einen oder anderen.

Aber das Haus blieb offen. Und er habe gekocht, für die Vinzirast. Einfach so. Dienst an der Gesellschaft, auch wenn er da wohl auch ein paar von den „Fremden“ zu versorgen hatte.

Das war bewegend zu erfahren. Und erstaunlich. Man stellt sich die Leute in dem Zustand verharrend vor, in dem man sie aus den Augen verloren hat. Nun ist bei mir ein Gefühl der Achtung für ihn aufgekommen. Und das war, muss ich zugeben, sehr schön. Viel besser als Empörung.

Zu traurigen Gedanken passt ein Spaziergang am Wienfluss. Er ist dieser Tage ohnehin nur ein Rinnsal. Da und dort sieht man Inschriften am Boden. „Ruhe sanft“ steht da. Oder „In Liebe“. Alte Grabsteine wurden beim Bau des Flussbetts Ende des 19. Jahrhunderts einfach als ergänzende Materialien verwendet. Man liest Namen, „Mathilde“ oder „Franz“. Einer hieß „Dolfi Rosnberg“. Ein unmöglicher Name, wenn man bedenkt, wie sich die Geschichte dann entwickelt hat. Und man liest Jahreszahlen. So banal ist der Tod.

Ruhe auch du sanft, lieber H. Du hättest es wohl gehasst, im Falter erwähnt zu werden. Oder, wer weiß, vielleicht auch nicht mehr. Respekt.

KIN DER TIP PS

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