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Feuilleton Schlussseite

Tex Rubinowitz Die falbe Seite

Meldungen Kultur kurz

Eva-Maria Hagen, 1934–2022

Die Schauspielerin und Sängerin EvaMaria Hagen, Mutter von Punkstar Nina Hagen, starb im Alter von 87 Jahren in Hamburg. Hagen war ein Star der DDR-Kultur, bevor sie aus Protest gegen das kommunistische Regime in den Westen ging. Ihre Schauspielkarriere begann Anfang der 50er-Jahre im Berliner Ensemble, wo Bertolt Brecht Regie führte. Einem größeren Publikum wurde sie dann durch die Filmkomödie „Vergesst mir meine Traudel nicht“ (1957) bekannt, es folgten zahlreiche Kino- und TVProduktionen. Hagen führte eine Beziehung mit dem oppositionellen Liedermacher Wolf Biermann, der 1976 wegen politischen Widerstands ausgebürgert wurde. Als sie dagegen protestierte, wurde die Künstlerin mit einem Berufsverbot belegt. Die Tochter Catharina (später: Nina) Hagen, Jg. 1955, stammt aus der Ehe mit dem Schriftsteller Hans Oliva-Hagen.

#MeToo-Prozess gewonnen

Der ehemalige Intendant der Berliner Volksbühne, Klaus Dörr, 60, war ein Symbol der #MeToo-Bewegung. Nun gewann er, berichtet die Berliner Zeitung, einen Gerichtsprozess gegen die Tageszeitung taz, die 2021 schwere Vorwürfe gegen den Kulturmanager – Machtmissbrauch und „sexualisierte Grenzüberschreitungen“ – erhoben hatte. In der Folge trat Dörr von seinem Amt zurück, beteuerte aber seine Unschuld. Wie die Berliner Zeitung ausführt, beruhten die Sexismusvorwürfe auf Handlungen wie der Verwendung von Begriffen wie „Maus“ oder Handküssen zur Begrüßung. SMS nach Feierabend seien als Machtmissbrauch interpretiert worden. Der Volksbühnen-Skandal hat-

Vom DDR-Star zur Regimekritikerin: die Schauspielerin Eva-Maria Hagen

Von Berlin nach Hollywood: Filmemacher Wolfgang Petersen

te eine enorme Resonanz, da er den patriarchalen Grundzug des Theaterbetriebs vermeintlich aufzudecken schien. Dörrs Karriere war ruiniert; er erhielt nie wieder ein Jobangebot.

Ralf Schenk, 1956 –2022

Er galt als das Gedächtnis des ostdeutschen Films. Der aus Thüringen stammende Filmhistoriker Ralf Schenk studierte Journalistik in Leipzig, schon damals war er dem Kino verfallen und leitete einen Jugendfilmklub. Nach 1990 leistete er Pionierarbeit bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte der DEFA (Deutsche Film AG) und zeichnete als Autor von Standardwerken wie „Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg“ (1994) oder der Monografie „Regie: Frank Beyer“ (1995) verantwortlich. Von 2012 bis 2020 machte er sich als Vorstand der DEFA-Stiftung um die Digitalisierung des Filmerbes verdient und war u.a. Mitherausgeber des Kompendiums „Sie“ (2019) über die Regisseurinnen der DDR. Am 17. August ist Ralf Schenk nach kurzer schwerer Krankheit verstorben.

Wolfgang Petersen, 1941–2022 Jahrelang hatte er sich TV-Routinen bereits zu eigen gemacht, ehe 1977 sein Name dank der „Tatort“-Folge „Reifezeugnis“ (mit Nastassja Kinski) bekannt wurde: Wolfgang Petersen, gebürtig aus der ostfriesischen Stadt Emden, Student der extrem politisierten Filmhochschule Berlin, war von Beginn seiner Regiekarriere an vor allem an Formen populären Erzählens interessiert. Mit dem Weltkriegsdrama „Das Boot“, das 1983 in sechs Kategorien für den Oscar nominiert war, gelang ihm der Sprung nach Hollywood. Petersens dort realisierte Filme waren handwerklich weit weniger anspruchsvolle Starvehikel. Umso sicherer machten sie Kasse. Der Clint-Eastwood-Thriller „In the Line of Fire“ (1993) spielte als erster Film eines deutschen Regisseurs über 100 Millionen Dollar ein. Hits mit Dustin Hoffman („Outbreak“) und Harrison Ford („Air Force One“) folgten, danach mit „Troja“ ein künstlerisches und mit „Poseidon“ ein kommerzielles Debakel. Zum unwürdigen Schlusspunkt seiner Laufbahn wurde die deutsche Gaunerkomödie „Vier gegen die Bank“ (2016). Am 12. August ist Wolfgang Petersen in Los Angeles einer Krebserkrankung erlegen.

Welt im Zitat Fehlleistungsschau

Kahlenpiste

Er ist das beliebteste österreichische Bergfotomotiv auf Instagram: der Dachstein. Platz zwei im InstaRanking belegt mit 15.967 Beiträgen der Arlberg. Auch Platz acht, die Planai, und Platz neun, der Kahlenberg, zeigen, dass vor allem Skigebiete im Ranking vertreten sind.

Aus derstandard.at

Gästetank

Mit der Ungewissheit, ob im Winter noch genügend Gast zum Heizen von Wohnungen und Häusern vorhanden sein wird, schießen auch die Preise von Brennholz und Pellets in die Höhe, und Betrüger machen gute Geschäfte.

Aus derstandard.at

Spitze Kugel

Polizei erschießt mit Messer bewaffneten 16-Jährigen.

Aus yahoo!

Sperrrrstunde!

Immer mehr deutsche Städte gehen gegen die Dauerbeschallung vor. Bis zu 5000 Euro Strafe drohen etwa Tübingern, die nach 22 Uhr noch Musik hören.

Aus dem Falter

Prof. Dr. Isegrim

„Die Verordnung war eine wichtige Maßnahme, auch wenn damit das Problem nicht ausreichend gelöst ist. Experten sagen uns ständig, man kann den Wolf mit Abschlüssen eh nicht mehr ausrotten.“

Aus dem Kurier

Mit den Waffen einer Frau

Hund von ÖVP-Bürgermeisterin mit Schrotflinte erschossen.

Aus Heute

Dramatischer Spielverlauf

Es ist ein menschliches und politisches Drama, das die FPÖ jetzt einholt. Samstagnacht musste Hans-Jörg Jenewein, einstiger FPÖMandatar und enger Vertrauter von Herbert Kickl, mit der Rettung in ein Spiel gebracht werden.

Aus Heute

Kühler Fridiger

Ich habe mir Peter Goedels in jeder Hinsicht coolen Schwarzweiß-Ostsee-Western „Hinter den Elbbrücken“ über einen heimwehkranken Fernfahrer und Häuslbauer angesehen. 82 sehr schöne und bewegende Minuten im formidabel fridigerösen Filmmuseum. Aus dem Falter Nüchtern betrachtet Für gedruckte Zitate erhalten Einsender ein Geschenk aus dem Falter Verlag (an wiz@falter.at) Klaus Nüchtern ist derzeit auf Urlaub. Die Kolumnen als Buch: faltershop.at FOTOS: APA/DPA/STEPHANIE PILICK, AFP/TIZIANA FABI

STADTRAND URBANISMUS-KOLUMNE

DER NEUSTIFTER KIRTAG ZEIGT DAS SCHLECHTESTE AUS BEIDEN WELTEN

Ein Umzug vom Land nach Wien mag die unterschiedlichsten Beweggründe haben: Ausbildung, Arbeit, Liebe. Aber bei den meisten spielt auch ein Verlangen nach Urbanität mit.

Im Dorf aufgewachsen, sehnt man sich weg von der Landdisco, vom Cola-Rot und der Blasmusik. Hin zum abendlichen Angebot, zur Clubkultur und schnell getakteten Öffi-Verbindungen.

Und dann steht man vergangenen Samstagvormittag in der U4, sieht die ersten fünf Wiener in Lederhosen und versteht die Welt nicht mehr. Es war wieder Neustifter Kirtag, das alljährliche Bauern-Cosplay der Wiener Elite. Zwei Jahre lang mussten sich städtische Volksfestenthusiasten gedulden, die Pandemie

Magdalena Riedl will nichts damit zu tun haben

hatte selbst Döbling im Griff. Nun konnte die Hautevolee wieder bei zünftigen Glaserln zueinanderfinden. Auch dem Wiener ist die Sehnsucht nach dem Fremden nicht fremd. Das Provinzvolk, auf das er im übrigen Jahr schimpft, wird nun imitiert, die kulturelle Aneignung gelingt zum Teil: Man kleidet sich in Tracht, trägt dazu aber teure Sneakers. In der lebenswertesten Stadt der Welt feiert er ein Oberklasse-Landleben, das es so kaum gibt.

Am Ende des Abends geht es dann aber mit dem 35A zurück in die Stadt und die Lederne wird bis zum nächsten Jahr in den Wandschrank gehängt.

Oder auch nicht: In fünf Wochen steigt wieder das Wiener Wiesn-Fest im Prater.

Neue Drag Artists sollten sehen, was alles möglich sei, dass auch bizarre Mischwesen erlaubt sind, die überhaupt kein Geschlecht kennen. Eure Dragheit, Seite 34

STADT LEBEN

FOTOS: APA/HARALD SCHNEIDER, MAIK NOVOTNY, DPA-ZENTRALBILD/ARNO BURGI NACHLERNEN

TREND DER WOCHE

Der Sommer der Nachhilfe Vor dem Nachzipf geht’s zur Nachhilfe: Im Juli hat sich um ein Viertel mehr Schüler bei den 80 Nachhilfeinstituten von Lernquadrat angemeldet. Martina PolleresHyll von den Caritas-Lerncafés erzählt von unangekündigten Familien, die nach den Covid-Semestern verzweifelt vor ihrer Tür stünden. Es ist auch ein soziales Problem: Laut einer Arbeiterkammer-Studie vom Juni gehen Kinder aus Haushalten mit unter 2000 Euro Nettoeinkommen fast doppelt so häufig zur bezahlten Nachhilfe als Kinder von Eltern mit mehr als 3000 Euro Monatseinkommen.

NACHRANGIG

ARCHITEKTURKRITIK

Ein halb Neuer Markt Ein autofreier Platz, aus einem Guss gestaltet – es wäre zu schön gewesen. Ganz so sollte es nicht sein: Die neue, absurd anachronistische Tiefgarage darunter durchbricht mit zwei unförmigen großen Betonwimmerln die Oberfläche, zwei Rampen verhunzen den Albertinaplatz auf Jahrzehnte. Der LastMinute-Kompromiss nachbestellter Bäume ist klimatisch akzeptabel, aber optisch willkürlich, die etwas verbeult aussehenden Sitzbänke kein Ruhmesblatt. Herausgekommen ist eine österreichische Lösung, in der das Auto noch dominiert – wenn auch aus der Tiefe.

NACHBARSCHAFT

FRAGE DER WOCHE

Woher kommen all die Ratten am Schwedenplatz?

In der Innenstadt wimmelt’s, auch auf Knöchelhöhe. Zwischen den Würstel- und Kebabstandbesuchern huschen die Ratten, gerade eindrücklich mehr als gewohnt. Dabei sei die Rattenpopulation nicht gewachsen, sagt der Berufszweigvorsitzende der Wiener Schädlingsbekämpfer, Peter Fiedler. Doch die Tiere zeigen sich mehr: Die Baustellen um den Schwedenplatz stören die unterirdische Ruhe und treiben Nager nach oben. Und die Lebensmittelreste aus der Gastronomie machen den Schwedenplatz auch für Ratten zum Food-Hotspot.