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Schriftsteller Norbert Gstrein im Gespräch

„Mich interessiert die vor sich hintaumelnde Welt“

Der österreichische Autor Norbert Gstrein stellt einen neuen Roman vor. Ein Gespräch über Rassismus, Lockdown-Literatur, Tiroler Hoteliers, Bob Dylan und Bonnie Tyler

INTERVIEW: SEBASTIAN FASTHUBER

Norbert Gstrein legt mit „Vier Tage, drei Nächte“ den Schlusspunkt einer Trilogie über dubiose Figuren Tiroler Herkunft vor. In den Büchern klingen von Rassismus bis MeToo viele große Themen an, allerdings werden sie nicht auf zeitgeistige Art abgehandelt, sondern in gefinkelt fiktionalisierter Form.

Zunächst als Raststätten-Gespräch am Weg in den Urlaub von Hamburg nach Kroatien geplant, wurde das Interview schließlich über einen Vormittag schriftlich mit hin- und herfliegenden Mails geführt.

Falter: Herr Gstrein, Sie fühlen sich beim Schreiben auf dünnem Eis wohler als auf abgesichertem Gebiet. Ihre letzten Romane werden angetrieben von der Idee: Wie weit kann ich mich vorwagen?

Norbert Gstrein: Schiere Provokation wäre uninteressant. Eher geht es mir darum, Geschichten zu erzählen, die unverkennbar heutige Geschichten sind, inspiriert von heutigen Diskursen, ohne denen am Ende verhaftet zu sein. Die Welt ist komplizierter geworden, und noch komplizierter scheint geworden zu sein, wie wir darüber sprechen. Das ist der Raum, der mich interessiert.

Eine dieser komplizierten Fragen ist: Wer darf noch worüber sprechen? In Ihrem neuen Roman schreibt ein Mann eine Abrechnung über eine Beziehung, die Frau darauf die Replik „Was der kleine Klaus nicht erzählt hat“. Als weißer Mann gehöre er „fast schon automatisch der Vergangenheit an“, heißt es. Gstrein: Das ist der Befund einer Romanfigur, und das ist auch der Eindruck, den man gewinnen kann, wenn man die Scharmützel beobachtet, die auf dem Markt der Öffentlichkeit bei bestimmten Themen geführt werden. Gleichzeitig ist das nicht etwas, woran ich selbst glaube. Das mag mit meinem Alter und mit meiner Pigmentierung zu tun haben. Das hat vor allem aber auch damit zu tun, dass ich mir eine Diskussion wünsche, in der es um das bessere Argument geht und nicht um diese oder jene Eigenschaft, die man dem jeweiligen Sprecher, der jeweiligen Sprecherin zuweisen kann. „Was der kleine Klaus nicht erzählt hat“ ist im Übrigen ein Zitat. Mario Vargas Llosas erste Frau Julia hat auf dessen Roman „Tante Julia und der Kunstschreiber“ mit einem eigenen Buch reagiert. Es heißt „Was der kleine Mario nicht erzählt hat“.

Ihre weibliche Protagonistin arbeitet an einem Roman mit dem Titel „Drei Arten, ein Rassist zu sein“. Es geht um eine Dreiecksgeschichte mit einem schwarzen Liebhaber. Welchen Shitstorm würde dieses Buch bekommen?

Gstrein: Das ist ein Roman, den ich selbst nicht schreiben wollte. Deshalb habe ich ihn einer meiner Figuren untergeschoben. Mich hat dabei interessiert, ob man sich nicht allzu leicht und schnell auf der sicheren Seite wähnt und ob nicht Situationen denkbar sind, in denen selbst Figuren aus einem aufgeklärten Milieu sich plötzlich selbst als rassistisch wahrnehmen müssen. Ein Hintergrund ist dabei auch meine anhaltende Lektüre des US-Schriftstellers William Faulkner. In seinem Werk gibt es eine schreckliche Reihe von furchtbar agierenden Figuren, aber selbst die wenigen, die man als positiv und aufgeklärt empfinden kann, agieren nicht mehr so, wenn die Sexualität ins Spiel kommt. Niemand ist dann mehr zurechnungsfähig und schon gar nicht berechenbar.

„Vier Tage, drei Nächte“ erzählt eine Dreiecksgeschichte. Der Erzähler übernimmt die abgelegten Liebhaber seiner Halbschwester. Was hat Sie an dieser alten Konstellation gereizt?

Gstrein: Diese beiden Halbgeschwister sind eine einzige Figur, wenigstens in meinem Kopf. Das muss verwirrend klingen, aber so empfinde ich es, deshalb auch ihr inzestuöses oder halb-inzestuöses Verhältnis zueinander. Es ist für mich hauptsächlich eine Perspektivenfrage gewesen: Ein Mann schreibt über eine Frau und ist ihr sehr nahe. Bei der Frage, wie nahe er ist,

Norbert Gstrein,

geboren 1961 in Mils bei Imst, studierte Mathematik in Innsbruck und Stanford. Er debütierte 1988 mit der Erzählung „Einer“. Es folgten Romane wie „Die englischen Jahre“ oder „Das Handwerk des Tötens“. Zuletzt erschienen in schneller Folge „Als ich jung war“, „Der zweite Jakob“ und nun „Vier Tage, drei Nächte“. 2021 erhielt Gstrein den ThomasMann-Preis. Er lebt mit Frau und Tochter in Hamburg

Ich versuche den Eindruck zu erwecken, als hätte ich Geld und als würde es nie ein Problem sein

NORBERT GSTREIN

hat sich mir immer mehr diese Konstellation aufgedrängt, Bruder und Schwester, die vielleicht auch noch mehr sind als Bruder und Schwester.

Sie haben einmal gesagt: „Wenn ich nicht aufpasse, werden meine Figuren immer verrückter.“

Gstrein: Die beiden nehmen sich für mich immer noch vergleichsweise harmlos aus, obwohl der Bruder schon eine sehr problematische Figur ist. Er könnte ein später Nachfahre von Quentin Compson aus Faulkners Romanen „Schall und Wahn“ und „Absalom, Absalom!“ sein. Der sieht sich auch als Verteidiger der „sexuellen Unversehrtheit“ seiner Schwester und kann sich leichter einen Inzest mit ihr vorstellen, als dass er die Vorstellung zulässt, sie könnte etwas mit einem anderen Mann haben. Noch einmal bedacht, ist er schon ziemlich verrückt, dieser Bruder, in der Art, wie er mit den Liebhabern seiner Schwester umgeht, und die Schwester steht ihm in ihrer eigenen Verrücktheit kaum nach. Gstrein: Wenn Sie Trilogie sagen, denke ich sofort an einen Schuber, in dem die drei Bände stecken, in allerfeinster Ausstattung, Leineneinband, fadengeheftet, Lesebändchen. Das hört sich nach einer untergegangenen Welt an, aber natürlich lassen sich zwischen den Romanen deutliche Bezüge herstellen. Das beginnt mit der Herkunft und mit den Schauplätzen. Alle drei Erzähler, so unterschiedlich sie sind, stammen aus Tiroler Hoteliersfamilien, und in allen Romanen gibt es einen für die Geschichte ganz wesentlichen amerikanischen Strang. Was die Bücher aber am meisten verbindet, sind wohl die Ich-Erzähler. Ihnen haftet allen etwas Unheimliches an. Sie erzählen Dinge von sich, die sie vielleicht besser ungesagt ließen, und scheinen manchmal sogar damit zu kokettieren. Wenn ich nicht Angst hätte, dann gleich wieder für 100 Jahre nicht aus der katholischen Ecke hervorgelassen zu werden, würde ich sogar von einem Beichtzwang reden. Bekenntniszwang reicht aber wohl auch.

Welche Rolle spielt Tirol in Ihren Büchern? Die Figuren versuchen sich zu distanzieren, aber sie kommen von ihrer Herkunft in den Bergen nicht los, weil sie vom Geld der Hotelierseltern abhängen.

Gstrein: Das sind wohl halb ins Schizophrene gehende Abspaltungen meiner eigenen Person. Es gibt in ihnen beides, Anziehung, zumal was die eigene Kindheit betrifft, und Abstoßung oder sogar Abgestoßensein. Irgendwo müssen die ja herkommen, und wenn sie sich allein mit ihrer Herkunft unter einen Verdacht stellen, soll mir das nur recht sein. Dann kann ich sie um so tiefer in diesen Verdacht hineinerzählen, aber eben nur in den Verdacht, und weil ich schon lange nichts mehr davon halte, wenn jemand ein Problem entdeckt und kritisiert und sich nicht gleichzeitig als möglichen Teil dieses Problems begreift, brauchen sie diese Verstrickung. Sie sind ihrer Herkunft nicht entkommen und werden im Zweifelsfall durch das Geld, das auch Schwarzgeld sein kann, auf sie zurückgebunden.

Es gibt eine fantastische Szene, in der die großen Tiroler Hoteliers als „ihre eigenen Tschuschen“ den Müll wegbringen. Am Mistplatz trinken sie ihr erstes Bier. Der Vater ist selig, „unbelästigt von Gästen in den üblen Gerüchen und dem von der Halde heraufdringenden Baggerlärm stehen zu können, als wäre das die einzige Möglichkeit für ihn, noch etwas zu finden, das sich echt und wahrhaftig anfühle“. Nicht erfunden, oder?

Gstrein: Diese Geschichte, in einer weniger zugespitzten Form, hat mir ein Freund erzählt, und natürlich bin ich bei unserem Treffen sofort auf die Toilette gegangen, um sie aufzuschreiben. Ich glaube im Übrigen nicht sehr an Erfindungen und bin eher abgeschreckt, wenn ich in einem Roman den Eindruck bekomme, etwas sei reine Erfindung. Das hat meistens mit der Form zu tun und damit, dass etwas nicht gut erzählt ist. Ich glaube eher daran, dass man in

Norbert Gstrein: „In der Fiktion sollte man noch auf die winzigsten Erfahrungskeime vertrauen“

der Fiktion noch auf die winzigsten Erfahrungskeime vertrauen sollte. Welche Blüten die dann treiben, ist eine ganz andere Frage, und man muss nicht verblüfft, sondern eher glücklich sein, wenn ein Apfelbaum am Ende Kirschen trägt.

Amerika ist Ihnen ewiger Sehnsuchtsort. In den 1980ern haben Sie ein Jahr in Stanford studiert. Waren Sie nie versucht, dauerhaft rüberzuziehen?

Gstrein: Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich zum ersten Mal wieder vor dem Haus in Palo Alto gestanden bin, in dem ich damals gewohnt habe, 2590 Webster Street. Dort habe ich mein erstes Buch geschrieben, und merkwürdigerweise hat mich ein Riesenschrecken erfasst, als ich nach so vielen Jahren wieder zu meinen damaligen Fenstern hinaufgeschaut habe und alles rundherum unverändert schien. Ich hätte genauso gut noch dahinter sitzen und an der Schreibmaschine herumhacken können, die ich aus Österreich mitgebracht hatte, und etwas daran hat dieses Entsetzen ausgelöst. Denn ich hätte mich andererseits auch noch irgendwo auf dem Campus herumtreiben können, hätte ich mir nicht eingebildet, ich müsste jeden Nachmittag nachhause gehen, um ein paar Zeilen zu schreiben, und die Vorstellung, ich würde mich immer noch dort auf dem Campus herumtreiben, ist eine schöne Vorstellung geblieben. Es ist also eher ein amerikanisches Phantasma als ein amerikanisches Leben, das für mich möglich gewesen wäre, aber natürlich kann ich auch da nicht anders, als damit zu kokettieren.

Glauben Sie an die Zukunft des Romans?

Gstrein: Lassen Sie es mich pathetisch sagen: Ich nehme das Abendlicht deutlich wahr, und das bedeutet, dass es bald Nacht

Fortsetzung von Seite 25

werden könnte, aber gleichzeitig gibt es nichts Schöneres als dieses Abendlicht, und jeder Roman, der etwas taugt, kann immer noch die Kraft haben, die Nacht ein wenig hinauszuzögern. Weniger pathetisch gesagt: Es gibt eine sehr enge Beziehung zwischen einer durch Romane begreifbaren Welt und einer menschlichen Welt. Mein Glaube an die Zukunft des Romans ist manchmal ein bisschen angekränkelt, aber wenn ich am Ende nicht doch daran glauben würde, würde es mir schwerfallen, überhaupt an eine Zukunft zu glauben.

Wie sieht es mit Hochgefühlen beim Schreiben aus? In den letzten Jahren scheint Buch um Buch aus Ihnen herauszupurzeln.

Gstrein: Na ja, es sind ja viele Jahre Vorarbeiten. Elias Canetti hat in seiner Autobiografie sein Leben so dargestellt, als hätte er schon als Säugling gewusst, dass er später der Elias Canetti werden würde, den wir kennen. Wenn Sie sich mich also als einen anderen Säugling vorstellen, der in seiner Tiroler Bergwelt vom ersten Atemzug an mit nichts anderem beschäftigt war als mit dem Norbert-Gstrein-Werden, dann ist das schon eine sehr gründliche Recherche. Aber im Ernst: Ich mag diese Selbstdarstellungen von Autoren nicht, die sagen, sie hätten zehn Jahre lang im Schweiße ihres Angesichts gerungen, um ihre Bücher damit aufzuwerten. Zehn Jahre gerungen, und dann ist es doch ein schlechtes Buch geworden.

Die Kindheit in einem Tiroler Hotelbetrieb wirkt auch in Norbert Gstreins neuem Roman nach

Da sind mir kürzere Zeiträume schon lieber, ohne dass ich irgendwelche falschen Zugeständnisse mache.

Vorangestellt ist dem Roman ein Zitat aus einem Song der Popsängerin Bonnie Tyler. Kann ein Vier-Minuten-Song manches besser ausdrücken als ein 300-Seiten-Werk?

Gstrein: Alles zu seiner Zeit und alles an seinem Ort. Ich war nicht glücklich über Bob Dylan als Nobelpreisträger, im Gegenteil, es hat für mich ausgesehen wie eine momentane Selbstaufgabe der Literatur. Andererseits hat das Zitat von Bonnie Tyler natürlich eine wichtige Funktion in meinem Roman: „Every now and then I fall apart.“ Die Schwester hat für ihren Bruder eine Aufnahme gemacht, sie selbst singt den Song, und für ihn hat die Zeile eher etwas Triumphales als etwas, das er fürchten müsste.

Manche werden das Buch als LockdownRoman lesen.

Gstrein: Das kann passieren, aber ich hoffe nicht, dass mein Roman irgendwann in der dann wahrscheinlich viel zu langen Liste von Lockdown-Romanen auftaucht. Er spielt kurz vor Weihnachten 2020 und im letzten Kapitel im Sommer darauf, und natürlich gibt es dadurch Beobachtungen in ihm, die genau mit dieser Zeit zu tun haben, aber die Figuren des Romans begreifen Corona nicht als ihr Thema. Ich hätte Angst gehabt, wenn es für mich in diesem Sinn ein Thema gewesen wäre, wie es in den von Ihnen so genannten LockdownRomanen wohl eines ist. Da stelle ich mir dann immer Autoren vor, die wenig erlebt haben und es gar nicht erwarten können, sich auf etwas zu stürzen, das ihnen die Wirklichkeit nun doch anliefert. Ich fürchte tatsächlich, die Verlage könnten es in naher Zukunft noch mit vielen Weltuntergangsromanen zu tun bekommen. Es war und ist schrecklich, was die Pandemie auf der Welt angerichtet hat, aber die Welt ist nicht untergegangen, und diese Untergangsfantasien und diese Untergangslust gibt es nur in den Köpfen von Autoren und natürlich auch Autorinnen. Eine untergehende Welt, die man vielleicht retten könnte, hat für sie mehr Gewicht als eine, die nur irgendwie vor sich hin taumelt, wie sie es in der Wirklichkeit tut. Diese vor sich hin taumelnde Welt interessiert mich.

Der alte Patriarch im Buch glaubt, mit Geld alles regeln zu können. Er ist schockiert, als er erfährt, wie hoch bzw. niedrig Literaturstipendien dotiert sind.

Gstrein: Wo Geld ist, wird in der deutschsprachigen Literatur allzu automatisch auch schnell einmal das Böse verortet. Natürlich ließe sich darüber erzählen, aber es müsste halt erzählt und nicht als ewig wahre Prämisse vorausgesetzt werden. Die Wahrheit ist eher, dass die meisten von uns Autoren ganz einfach keine Ahnung haben und zu faul zum Recherchieren sind. Wenn ich mich richtig erinnere, hat der US-Schriftsteller Richard Ford in einem Interview einmal gesagt, er habe nichts gegen Geld, er schätze es sehr, seiner Frau manchmal etwas Schönes zum Anziehen kaufen zu können. Abgesehen davon, dass das nicht mehr ganz heutig klingt – können Sie sich vorstellen, dass ein deutschsprachiger Autor jemals so etwas gesagt hätte?

Nein. Wie ist Ihr Verhältnis zu Geld?

Gstrein: Ich habe keines, versuche gleichzeitig aber in allen Lebenslagen den Anschein zu erwecken, als hätte ich Geld und als würde es nie ein Problem geben. Das hat entschieden mit meiner eher kleinbürgerlichen als unternehmerischen Herkunft zu tun, und vor die Wahl gestellt, zu jammern oder hochstaplerisch aufzutreten, ist mir das Hochstaplerische allemal lieber. Der Vater im Roman sagt: „Was bekommt so ein Literaturstipendiat denn?“, durchaus verächtlich, und dem lässt sich nur mit Stärke begegnen. F

Vom Inzest bis zur Corona-Party: Norbert Gstreins Identitätsspiele

Fluid-sexuelle Figuren und Beziehungs-Talk bestimmen den neuen Gstrein-Roman. Wie in seinen letzten Büchern ist er nah an der Gegenwart dran, ohne sich in Zeitgeistigem zu verlieren. Es gibt im Hintergrund einen Tiroler Hoteliersvater, gleichzeitig Witzfigur und Sponsor der Geschwister, dessen legendäre Preseason-Sause Ende 2020 zur Corona-Party wird. Den Fall in die Tiefe, ins Existenzielle löst im Roman aber nicht die Pandemie aus, sondern der Blick in die eigenen Abgründe.

Ich-Erzähler Elias ist ein unzuverlässiger Berichterstatter, der gutherzig und bisweilen naiv rüberkommt, aber auch Hintergedanken hat. Das Schwarzweißdenken, das so viele Romane heute auszeichnet, die klare Einteilung in Gut und Böse, die Figuren zu Pappkameraden macht, all das liegt Gstrein fern. Sein Held, wenn man ihn so nennen möchte, ist so widersprüchlich gestaltet, wie Menschen es eben sind.

Wenn es gefährlich wird, greift der Autor gern auf die Tiroler Bergwelt als Kulisse zurück. Hat Elias Matt, den amerikanischen Freund von Ines, bei ihrer Wanderung zu dritt absichtlich gestoßen? Und was ist mit dem jungen deutschen Touristen, der beim Skifahren tödlich verunglückt ist? Welche Rolle haben die Halbgeschwister damals gespielt? „Vier Tage, drei Nächte“ hätte das Zeug zum Thriller, doch wäre es kein Gstrein-Roman, würde am Ende jemand einer Tat überführt. Stattdessen vertieft er sich in die Identitätsspiele und Selbstinszenierungen seiner beinahe inzestuösen Hauptfiguren.

Was kann man vom Leben der anderen wissen, was weiß man überhaupt von sich selbst? In makellosen, gern auch etwas weiter ausholenden Sätzen arbeitet sich Norbert Gstrein in seinen Büchern, immer neu ansetzend, an ähnlichen Fragen ab. Dass sein Schreibprogramm nicht langweilig wird, spricht für ihn.