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TV-Serie: „House of the Dragon“

FOTO: HBO

Mit diesem Finsterling bricht ein neues Zeitalter an: Daemon Targaryen (Matt Smith) macht es sich auf dem Eisernen Thron gemütlich

Mord, Sex und Hochverrat

„House of the Dragon“ erzählt die Vorgeschichte von „Game of Thrones“. Wer teuren Trash mag, wird begeistert sein

SERIENKRITIK: MICHAEL PEKLER

Es ist ein unerhörter Moment. Daemon Targaryen (Matt Smith), der jüngere Bruder von König Viserys (Paddy Considine), hat sich auf den Eisernen Thron gesetzt. Heimlich. Weil er das als Zweitgeborener gar nicht darf. Als er sich von Prinzessin Rhaenyra (Milly Alcock) dabei absichtlich erwischen lässt, weil er eigens für sie auf dem – aus den Schwertern gefallener Feinde und in Drachenfeuer geschmiedeten – Thron lungert, schenkt er der Erbin zum ersten Mal sein hämisches Lächeln. Mit diesem Mann bricht, so viel steht bereits in der ersten Episode von „House of the Dragon“ fest, ein neues Zeitalter an.

An wem die populärste TV-Serie des vergangenen Jahrzehnts nicht spurlos vorübergegangen ist, weiß aus „Game of Thrones“, was diese Provokation vorwegnimmt: Mord, Hochverrat, Eifersucht, Intrigen, Sex und – weil die Herrschaft des weißblonden Königsgeschlechts der Targaryens auf deren Macht beruht – Feuer speiende Drachen. Wer teuren Trash liebt, wird auch von „House of the Dragon“ von Beginn an begeistert sein.

In jeder anderen Serie und jedem Kinofilm wäre eine solche Szene mindestens lächerlich. Doch in „House of the Dragon“ ist das Gegenteil der Fall: Denn das Prequel des vor drei Jahren zu Ende gegangenen Fantasyepos „Game of Thrones“, das 200 Jahre später angesiedelt ist und in dem sich mit Daenerys Targaryen die letzte Nachfahrin des Hauses – leider, wir wissen es bereits – durch die Sieben Königslande kämpft, steht seinem Vorgänger in puncto Vordergründigkeit in nichts nach.

Acht Staffeln und 73 Episoden dauerte die Fernsehschlacht, ein ganzes Autorenteam erzählte acht Jahre lang hemmungslos dahin – zunächst nach der Bestseller-Vorlage von George R. R. Martin, später, weil der Autor mit dem Schreiben fürs Fernsehen nicht schnell genug vorankam, von eigenen Ideen befeuert. Mit „Game of Thrones“ gelang dem US-Sender HBO die erste Serie, an der anscheinend – vergleichbar mit Franchise-Filmreihen wie „Lord of the Rings“ und „Harry Potter“ – kein Weg vorbeiführte und die zum tatsächlich globalen Phänomen avancierte. Es war die letzte große Serie vor dem Streamingboom, die man noch gefühlt als kollektives Erlebnis teilen konnte.

„House of the Dragon“ basiert auf Martins 2018 erschienenem Roman „Fire & Blood“ und ist nun Vorgeschichte, Fortsetzung und Wiedergutmachung zugleich: Die Vorgeschichte aus Westeros findet endlich im Fernsehen ihre Fortsetzung; und sie muss dem Branchenblatt Variety zufolge für 20 Millionen Dollar pro Folge jene Heerscharen von Fans wieder zufriedenstellen, die diverse Schlampigkeiten des Vorgängers – der Kaffeebecher von Daenerys nach der Schlacht von Winterfell! – nicht so einfach hinnehmen wollten. Wobei auch „House of the Dragon“, sobald die Charaktere einmal in Position gebracht und die Schauplätze etabliert sind, eine Tendenz zur unfreiwilligen Komik nicht abzusprechen ist. Weshalb sich nach ein paar Streamingstunden weniger die Frage stellt, wie diese im Grunde ausbuchstabierte Geschichte weitergeht, sondern wie es ihr gelingt, tatsächlich alles genau so aussehen und klingen zu lassen, wie man sich das vorstellt. Wie sie unzählige Motive aus dem Archiv der Mythologie schöpft und zum modernen Fernsehmärchen aufeinanderhäuft:

Ein gütiger König, der sich zwischen Frau und Kind entscheiden muss und der in seiner Freizeit an einer Steinburg bastelt; eine auf einem Drachen reitende Prinzessin, die sich ihrer Bestimmung nicht entziehen kann, bei der Liebesgefühle für einen edlen Ritter erwachen und die sich von der besten, weil einzigen Freundin verraten fühlt; ein grausamer Usurpator, der Wagenkarren voller verstümmelter Leichen zurücklässt. Soll heißen: Liebe, Zerstörung und Wahnsinn als pure Unterhaltung. Es geht also um alles und um nichts.

Irgendwann stehen Nichte und Onkel einander auf einer hässlich computergenerierten Steinbrücke gegenüber und streiten um ein Drachenei. Aber der Vertraute des Königs weiß, was hier gespielt wird: „This is a truly pathetic show.“ F

Jetzt auf Sky, zehn Episoden

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