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Tassilo Wallentin der Präsidentschafts- kandidat der Krone

Altbau, ein bisschen moderne Kunst an den Wänden, die Möbel ein wenig abgewohnt, eine betagte Dackeldame schleicht zwischen den Sesselbeinen des Besprechungszimmers herum. Nichts in der Wiener Innenstadtkanzlei von Tassilo Wallentin vermittelt das Gefühl, dass hier ein politisches Start-up seine Zentrale hat. Außer vielleicht die zwei unterschriebenen Unterstützungserklärungen, die jemand auf dem Tisch hat liegen lassen.

Tassilo Wallentin will für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren.

Der 48-jährige Wiener tritt ohne die Unterstützung einer politischen Partei an, er ist nicht die Frontfigur einer Bürgerbewegung. Tassilo Wallentin ist Kolumnist der Kronen Zeitung. Seit beinahe zehn Jahren schreibt der Wiener Rechtsanwalt in der Wochenendbeilage der Krone, was die Menschen lesen wollen. Sein Gespür für das Publikum von Österreichs auflagenstärkster Zeitung will er jetzt politisch verwerten.

Die publizistische Karriere von Tassilo Wallentin beginnt mit einem Rücktritt. Als Papst Benedikt XVI. im Februar 2013 sein Amt als höchster Funktionär der katholischen Kirche zurücklegt, hat Wallentin gerade einen Termin in der Redaktion der Kronen Zeitung in der Muthgasse. Er ist mit Herausgeber Christoph Dichand seit vielen Jahren gut bekannt und vertrat ihn gelegentlich als Rechtsanwalt. „Ich hatte alle theologischen Schriften von Benedikt gelesen und bot an, eine Glosse über ihn zu schreiben“, erzählt Tassilo Wallentin. Seitdem schreibt er regelmäßig in der Krone bunt und erhält viel Applaus auf den Leserbriefseiten. Seine Kolumnen verkaufen sich auch in Buchform gut.

In seiner Kolumne „Offen gesagt“ bedient Tassilo Wallentin den klassischen Kanon der Kronen Zeitung: EU-Bürokratie, Massenzuwanderung, abgehobene Eliten. Allerdings kommt bei Wallentin auch eine gewaltige Portion Endzeitstimmung dazu. Seine Texte lesen sich teilweise wie vom Algorithmus einer Telegram-Gruppe von Verschwörungstheoretikern ausgespuckt. Nach der Corona-Pandemie befürchtet Wallentin den „großen Reset“ mit einem allmächtigen Staat, totaler Kontrolle der Bürger, der Abschaffung des Bargelds. Dazu kommt die Angst vor dem Vermögensverlust, die Wallentin von Beginn seiner Kolumnistentätigkeit an begleitet.

Dabei vermittelt er seinen Lesern oft, dass er einen Blick hinter die von den Mächtigen aufgebauten Kulissen wirft. Schon 2013 entdeckte er „auf Seite 49 eines 107 Seiten starken Berichtes des IWF“ den Plan „einer Zwangsabgabe von 10 % auf alle Privatvermögen der Bürger“. Das von Wallentin skizzierte Szenario: „Es soll zu einer Enteignungswelle kommen. Auch für Haushalte, die über ganz geringe Ersparnisse verfügen.“ Das Thema „Massenenteignungen“ beschäftigt ihn bis heute. Erst vor wenigen Wochen warnte er wieder vor „Massenenteignung durch Zwangsabgaben, Einfrieren von Sparguthaben, Einziehung von Goldmünzen“.

Anwalt Angstlust

Rechtsanwalt und Krone-Kolumnist Tassilo Wallentin will Bundespräsident werden. Mit düsteren Prophezeiungen und einem autoritären Amtsverständnis

PORTRÄT: JOSEF REDL FOTO: HERIBERT CORN

Tassilo Wallentin (48)

Der Wiener maturierte bei den Schulbrüdern in Strebersdorf, sein Jus-Studium absolvierte er in Salzburg. Als Rechtsanwalt vertrat er die Familie Dichand in einem Schiedsverfahren gegen die WAZ-Gruppe. Zu seinen Klienten gehörten auch der frühere Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) und Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner Dafür, dass er diese vermeintlich unangenehmen Wahrheiten ausspricht, erhält Tassilo Wallentin viel Zustimmung. Diese Stimmung beschreibt er so: „Immer mehr Menschen spüren, dass es so nicht weitergehen kann. Das ist natürlich eine Gefahr für die abgehobenen Eliten aus Politik und Wirtschaft, die es sich mit ihren Privilegien und Pfründen sehr bequem eingerichtet haben.“

Beinahe würde er selbst schon zu den Eliten zählen. Nach der Nationalratswahl 2017 paktierten ÖVP und FPÖ in einem Sideletter zu ihrer Regierungsübereinkunft Personalfragen. Tassilo Wallentin war dabei als Verfassungsrichter vorgesehen. Seine Bestellung dürfte jedoch am Veto von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gescheitert sein. Im Sideletter von ÖVP und FPÖ stand neben Wallentins Namen „unabhängig“. Aber ein Naheverhältnis zu den Freiheitlichen ist evident. Er war Rechtsanwalt des früheren Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ). Für Heinz-Christian Strache brachte er im Jahr 2012 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegen den EuroRettungsschirm ESM ein. Und zuletzt verhandelte er über mehrere Wochen hinweg mit Parteichef Herbert Kickl über einen Antritt bei der Bundespräsidentenwahl auf einem FPÖ-Ticket.

Der Grund für sein Antreten ist so etwas wie Notwehr: „Das Land fährt politisch gegen die Wand“, sagt Wallentin. Seine Vorstellung vom Präsidenten ist eine autoritäre. Noch bevor er überhaupt die notwendigen 6000 Unterstützungserklärungen beisammenhat, liebäugelt er damit, die Regierung zu entlassen: „Wenn jemand offensichtlich nicht in der Lage ist, ein Land zu führen, und das in einer Extremsituation endet, dann kann man als Bundespräsident nicht zuschauen.“ Wie er sich das genau vorstellt? „Ich sage denen nicht, was sie zu tun haben. Aber man muss mir ein Konzept vorlegen, von dem ich sage: Das macht Sinn“, sagt Wallentin. Nach welchen Kriterien er über die Sinnhaftigkeit politischer Konzepte entscheidet? „Am Schluss ist das immer eine Ermessensfrage.“

Geht es um die eigene Wahlkampagne, bleibt der sonst so thesenstarke Rechtsanwalt vage. Es gibt schon „gewisse Personen“, die ihm helfen, aber das sei „alles im Aufbau“. Wer diese Menschen sind und was sie genau machen, verrät er nicht. Nur das ist ihm wichtig: Ein klassischer Parteimanager oder gar ein Spindoktor sind nicht darunter.

Seine Kolumne hat Tassilo Wallentin für die Dauer des Wahlkampfes ausgesetzt. Verzichten will er auf die Kronen Zeitung aber nicht. Am Sonntag buchte er drei ganze Seiten in der Wochenendbeilage inklusive Unterstützungserklärung zum Ausschneiden. Die Kosten – der Listenpreis liegt bei über 110.000 Euro – hat der Industrielle und frühere Parteigründer Frank Stronach übernommen.

Im Preis inbegriffen: ein Geburtstagsinterview mit dem austrokanadischen Milliardär. F