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Lingens Außenblick

Frauenpower dürfte Trump verhindern

Peter Michael Lingens kommentiert hier jede Woche vorrangig das wirtschaftspolitische Geschehen

Der Autor

war langjähriger Herausgeber und Chefredakteur des Profil und der Wirtschaftswoche, danach Mitglied der Chefredaktion des Standard. Er schreibt hier jede Woche eine Kolumne für den Falter. Siehe auch: www.lingens.online

lingens@falter.at

PETER MICHAEL LINGENS

Noch hat Donald Trump nicht bekanntgegeben, ob er neuerlich für das Amt des Präsidenten kandidiert, aber ich bin sicher, dass er es tun wird: Nur so kann er die gegen ihn laufenden Verfahren als Hexenjagd diffamieren, und nur als Präsident kann er verhindern, für Jahre im Gefängnis zu landen. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat er Steuern hinterzogen, stünde er bei funktionierender Justiz längst wegen der Anstiftung zum Sturm aufs Kapitol vor einem ordentlichen Gericht und hätte er jetzt den Diebstahl geheimer Akten zu verantworten. Trump droht lebenslanger Kerker – daher wird er alles tun, um wieder Präsident zu werden.

Für Europa wird von seinem Erfolg abhängen, ob es durch eine intakte Nato geschützt wird oder ob die USA in Trumps zweiter Amtszeit womöglich aus dem in seinen Augen „obsoleten“ Bündnis austreten, wie er das ernsthaft erwogen hat. Denn auch sein Verhältnis zu Wladimir Putin ist außergewöhnlich: Der russische Kriegsherr kann jederzeit beweisen, dass er Trumps Wahl 2016 massiv unterstützt hat und dass Trumps Imperium mit Geldern des KGB vor der Pleite bewahrt wurde.

Ob Trump wiedergewählt wird, ist daher die zweifellos wichtigste Entscheidung der Nachkriegszeit: Gelingt ihm die Wiederwahl, so hört der mächtigste Staat der Welt auf, eine rechtsstaatliche Demokratie zu sein, und das ist mit den Worten Simon Wiesenthals „die größte Katastrophe, die der freien Welt zustoßen kann“. Die schlechte Nachricht lautet: Dieser GAU ist in keiner Weise ausgeschlossen oder auch nur „höchst unwahrscheinlich“. Die gute Nachricht lautet: Im letzten Monat ist er um einiges unwahrscheinlicher geworden – die Chancen, dass ein Demokrat 2024 über Trump siegt, haben sich stark verbessert.

Am Rande, weil die erfolgreiche Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland die Erinnerung an das Fiasko Joe Bidens beim Afghanistan-Abzug langsam in den Hintergrund drängt. Vor allem aber, weil der Kongress im letzten Moment – nachdem ein widerstrebender demokratischer Senator spezielle Zusagen für seinen Bundesstaat erhalten hatte – Bidens Investitionspaket für Klima und Soziales doch noch gebilligt hat. Dadurch scheint die Konjunktur der USA gesichert. Zwar wurde das Paket von geplanten 3,5 Billionen Dollar auf 1,85 Billionen abgespeckt, was den Klimawandel kaum wie erhofft eindämmen, wohl aber Jobs schaffen wird.

Gleichzeitig wird die Inflation den Amerikanern nicht mehr im Ausmaß der letzten Monate zusetzen. Nicht weil die USNotenbank die Zinsen soeben zum zweiten Mal drastisch um 0,75 Prozent erhöht hat

Die Chancen Donald Trumps, neuerlich zum Präsidenten der USA gewählt zu werden, sind im letzten Monat erheblich gesunken. Kämpferischen Frauen und der OPEC sei Dank

– denn das wirkt erst mit Verzögerung –, sondern weil die OPEC die Ölförderung drastisch erhöht. Bekanntlich haben die Golfstaaten sie angesichts der Pandemie mit freudiger Zustimmung Putins, der bereits an die Finanzierung seines UkraineKrieges dachte, massiv gedrosselt, und die USA haben das angesichts der Probleme ihrer Fracking-Industrie, die Öl eher teuer fördert, geduldet.

Diese Duldung hat Biden beendet und den Golfstaaten wie in der Vergangenheit klargemacht, dass sie nur mit US-Waffenhilfe rechnen können, wenn Öl wieder billiger wird, indem sie mehr davon fördern. Das tun sie, und es hat den Treibstoffpreis als sichtbarstes Zeichen der Inflation bereits erheblich gesenkt und wird auch andere Preise sukzessive senken. Denn die nun beendete Verteuerung des Öls und daneben das pandemiebedingte Abreißen wichtiger Lieferketten – nie die „Geldschwemme“ der Notenbanken – waren und sind die zentralen Ursachen der Inflation. Nur dass sie in den USA, anders als in der EU, schon unter Trump auch durch große Einkommenszuwächse beflügelt wurde und daher in den USA noch höher ausfiel.

Die in meinen Augen gewichtigste Steigerung haben die Chancen der Demokratischen Partei aber durch die Abstimmung erfahren, die im Bundesstaat Kansas darüber abgehalten wurde, ob es dort weiter beim gesicherten Recht auf Abtreibung bleibt: Gut 60 Prozent der Bevölkerung dieses höchst konservativen Bundesstaates votierten am 2. August dafür, den Abtreibungsschutz in der Landesverfassung zu belassen – nur 39 Prozent stimmten dagegen. Hätte die Mehrheit dagegen gestimmt, wäre es der republikanischen Regierung dank der seit Juni geänderten Rechtsprechung des Supreme Court möglich gewesen, das Abtreibungsrecht massiv zu verschärfen. Umfragen hatten dieses Ergebnis nicht entfernt erwarten lassen: Frauen wagen es in republikanischen Staaten zwar offenbar nicht, offen für das Recht auf Abtreibung einzutreten – doch in der Wahlzelle tun sie es sehr wohl.

Es ist zwar sehr schwer, das Ausmaß dieses Effekts abzuschätzen, wenn die Abstimmung statt des konkreten Rechts auf Schwangerschaftsabbruch eine allgemeine politische Entscheidung zum Gegenstand hat. Dennoch halte ich es, anders als vor dem Wahlgang in Kansas, nicht mehr für völlig ausgeschlossen, dass die Demokraten bei den Midterm-Wahlen am 8. November ihre schmale Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus doch behalten. Aber selbst wenn sie sie verlieren und Joe Biden damit für den Rest seiner Amtszeit innenpolitisch zur „lahmen Ente“ degradiert wird, wird der Schwangerschaftsabbruch doch ein emotionales Atout der Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen bleiben. Zusammen mit all dem, was über den Sturm auf das Kapitol selbst zu Amerikanern durchgedrungen sein muss, die sich Augen und Ohren zuhalten, sollte „Frauenpower“ reichen, den Trump-GAU abzuwenden.

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