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Der leidenschaftliche Zeitgenosse

Georg Elser schreibt. Und auch nicht der Erste, der ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen will. Aber er tut das auf überzeugende Weise, was vielleicht auch mit einer heimatlichen Verbundenheit zu tun hat: Benz, nur unweit von Elsers Heimatort Königsbronn geboren, erörtert dessen Widerstandsgeist aus den regionalen Besonderheiten heraus, gibt tiefe Einblicke in das Milieu, dem Elser entstammte. Und er versucht, die charakterlichen Dispositionen des Widerständlers aus den wenigen erhaltenen Dokumenten zu entwickeln, vor allem den Vernehmungsprotokollen, Zeugenaussagen und Erinnerungen von Zeitgenossen.

Weil es kaum einen besseren Kenner der Hitlerzeit gibt, lässt Benz en passant das Klima dieser Jahre und die politischen Hintergründe einfließen – und all das auf lesenswerte, profunde Weise. Detailliert schildert er die Planungen Elsers, die Ausführung des Attentats sowie die Zufälle, die zu seiner Ergreifung geführt haben. Und die Folgen, die der Anschlag hatte – samt allen internationalen Reaktionen.

Deutlich wird in Benz’ „Allein gegen Hitler“ die Einzigartigkeit dieser couragierten Tat: Der Handwerker Elser folgte keiner Philosophie, keiner Staatsräson, keiner Ideologie, sondern ausschließlich seinem Gewissen.

ULRICH RÜDENAUER

Literatur: Zwei neue Bücher arbeiten sich an Leben und Werk von Thomas Mann ab – und könnten unterschiedlicher nicht sein

Wer hätte das gedacht? Thomas Mann findet heute größere Aufmerksamkeit als etwa Bertolt Brecht, er hat sich als die übergroße Figur der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts durchgesetzt.

Es sind die Widersprüchlichkeiten, das Schlachtfeld der geistigen Kämpfe, die Kälte seiner Beobachtungen und Personenbeschreibungen, die nicht nur eine akademische Leserscha in seinen Bann ziehen. Auch in der aktuellen Burgtheateraufführung des „Zauberbergs“ (empfehlenswert!) kann man erleben, wie sehr der Nobelpreisträger nach wie vor fasziniert.

Die Spezialität seines riesigen belletristischen Lebenswerkes war die Ironie, mit der er die bürgerlichen Verfallsgeschichten ummantelte und dabei das Kunststück zuwege brachte, dass der gebrochene Realismus seiner Romane auch die großen geistigen Auseinandersetzungen der Zeit integrierte.

Ebenso imponiert die politische Lernkurve seines langen Lebens. Früh studierte Thomas Mann den Faschismus („Mario und der Zauberer“) und analysierte in vielen Essays, weshalb sich das Bürgertum ihm so schnell ergab. Die spezifische deutsche Tradition, schrieb er, mache anfällig für die „machtgeschützte Innerlichkeit“.

Jetzt sind (wieder einmal) gewichtige Bücher über Thomas Mann erschienen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und einander doch ergänzen. Zwei Bücher, die auf langjährige Vorarbeiten und Beschäftigung au auen und von sehr verschiedenen Temperamenten und Schreibweisen geprägt sind.

Zwei Biografien, die den Zugang zum „Zauberer“ komplett anders anlegen: Dieter Borchmeyer schießt gleich im Vorwort kräftig gegen einen weit verbreiteten ThomasMann-Biografismus, der Leben und Werk angeblich unlauter vermengt (und sich allzu gern auf die homophilen Neigungen des Meisterschri stellers stürzt).

Allein die Seitenanzahl ist imponierend. Borchmeyer, der den Anspruch hat, die „erste große Werkbiographie“ zu schreiben (was Thomas Mann-Auskenner wohl für übertrieben halten), konzentriert sich ganz auf die „mythisch-kulturgeschichtlich-philosophischen Bezüge“.

Hier waltet eine detektivische Philologie, die alle Arten von Quellen aufspürt. Sehr lehrreich die ausführlichen Passagen über die enorme Bedeutung von Musik in Manns Werk; er befand sich nicht nur „Im Banne Wagners“ (so ein Kapitel). Und dann sind da noch viele Seiten reserviert für die ausführliche Präsentation und kundige Analyse seiner politisch-philosophischen Essays und Mahnreden. Ein monumentaler Reader, eher für den Spezialisten.

Hanjo Kesting: Thomas Mann. Glanz und Qual. Wallstein Verlag, 400 S., € 28,80

Die so unterschiedliche Konzeption der beiden Bücher ist sicherlich auch den Branchen geschuldet, in denen die beiden Autoren gearbeitet haben. Dieter Borchmeyer legte als Germanist und Theaterwissenscha ler im akademischen Betrieb große Arbeiten über die Weimarer Klassik und Richard Wagner vor. Hanjo Kesting war jahrzehntelang Kulturredakteur des Norddeutschen Rundfunks und publizistisch sehr rührig.

Gemäß seiner Schulung pflegt er mehr den pointierten, publizistischen Zugriff, bekennt gleich in der Einleitung, dass er nicht immer ein besonderer Verehrer des Nobelpreisträgers war. Sein Buch verfährt nicht systematisch, sondern schlägt eklektizistische Schneisen ins Werk.

Dieter Borchmeyer: Thomas Mann. Werk und Zeit. Insel, 1552 S., € 59,70

Klar, dass „Die Buddenbrooks“, „Der Zauberberg“, „Joseph und seine Brüder“ eigene Kapitel bekommen, aber vieles andere fällt weg. Hanjo Kesting tut in gewissem Sinn genau das, was Borchmeyer anprangert, widmet einzelne Kapitel dem MannClan (Heinrich, Klaus), wertet genussvoll Thomas Manns Tagebücher als Quelle aus und erzielt so erfrischende, unheroische Innenansichten in „Glanz und Qual“ (so der Untertitel seines Buchs) des Meisterschri stellers.

Diejenigen, die eine Einführung wollen, sind hier gut aufgehoben. ALFRED PFOSER