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Der Einzel-Attentäter

Der Historiker Wolfgang Benz würdigt den Schreinergesellen Georg Elser, der 1939 ganz allein einen Anschlag auf Hitler verübte

Auch in ihrer sogenannten Erinnerungskultur erweisen sich die Deutschen als obrigkeitshörig: Das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 – ausgeführt von adelsblütigen Wehrmachtsoffizieren unter der Leitung von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die jahrelang das Unrechtsregime durch ihr Zögern und Mittun gestützt hatten – ging irgendwann nach dem Krieg als wesentlichster Akt der Auflehnung ins kollektive Gedächtnis ein. Die Verschwörer des 20. Juli wurden zu Helden: Es gab ja doch aufrechte Offiziere!

Der Historiker Wolfgang Benz hält diesem Putschversuch – in dem Moment, als der Krieg verloren war – in seinem Buch „Allein gegen Hitler“ einen anderen Protagonisten entgegen: Georg Elser plante sein Attentat auf Hitler bereits im Jahr 1938, als immer klarer wurde, welche Ziele dieser verfolgte. Elsers Anschlag auf die NS-Führungsriege am 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller war eine logistische und technische Meisterleistung – und eine moralische Überzeugungstat. Zufälle vereitelten das Gelingen des Tyrannenmords, der möglicherweise der Geschichte einen anderen Verlauf gegeben hätte. Elser verschwand in Konzentrationslagern und wurde kurz vor Ende des Krieges hingerichtet.

Nach 1945 gab es wilde Spekulationen über den Einzeltäter. Teils wurde die NS-

Propaganda reproduziert, Elser sei ausschließlich ein Instrument ausländischer Mächte gewesen; teils die These vorgetragen, die Nazis selbst hätten das Attentat inszeniert: um dem Volk zu demonstrieren, dass die „Vorsehung“ den Führer gerettet habe und um Vorwände für den bevorstehenden Westfeldzug zu liefern. Erst in den 1980er-Jahren setzte ein Umdenken ein, unter anderem mit Klaus Maria Brandauers Spielfilm „Einer aus Deutschland“. Georg Elser hatte alleine gehandelt und ging dabei professioneller vor als später die militärische Elite des Reiches. Eine Gleichstellung mit den Helden des 20. Juli aber gelang nie zur Gänze.

„Stets und ständig“ werde Elser „als schwäbischer Schreinergeselle tituliert, als müsse ein Makel konstatiert werden, da er weder von Adel noch aus dem Militär, nicht einmal aus dem Bildungsbürgertum stammte“, stellt Wolfgang Benz ernüchtert fest. „Deshalb wird er über die Region und durch die kleinen Verhältnisse, aus denen er kam, definiert und – bewusst oder absichtslos, aber stets eindeutig – auch stigmatisiert, denn das Attribut ‚schwäbisch‘ konnotiert die Herkun mit Charaktereigenscha en wie Einfalt, Unbildung, Provinzialität, beschränktem Horizont, Naivität.“

Der Antisemitismus- und Widerstandsforscher ist freilich nicht der Erste, der über

Wolfgang Benz: Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser. C.H. Beck, 224 S., € 27,80