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Das Porträt eines Anti-Machiavelli

Philosophie: In Zeiten von Krieg und Seuche dachte Montaigne gegen Gewalt und Korruption an amerikanische Polizei praktisch permanent nach einem „African-American male“ Ausschau hält, während in Europa nach „nordafrikanischen“ und „arabischen“ Männern gefahndet wird, hat laut Banita auch etwas mit rassistischen Vorurteilen über vermeintlich kriminelle Fremde zu tun.

Diese würden Ängste in den Köpfen von Polizisten verstärken. Das mache das Eskalationspotenzial selbst bei harmlosen Kontrollen unverhältnismäßig hoch. Muss eine Polizeikra im Bruchteil einer Sekunde die Gefährlichkeit einer Situation bewerten, dann können diese Bilder zu tödlichen Fehleinschätzungen führen.

„Phantombilder“ ist aber weit von einem Polizei-Bashing entfernt. Die Autorin beteuert ihre Wertschätzung für alle Polizistinnen und Polizisten, die sich täglich verantwortungsbewusst für unsere Sicherheit einsetzen. Ihre Analyse überzeugt jedenfalls mit wissenscha lich fundierten Argumenten und statistisch belegten Beobachtungen. Gerade deshalb könnten manche Leser sich am Ende schwer tun, Banitas Glauben an die Reformierbarkeit der Polizei zu teilen. NICOLLE ADHIAMBO ODONGO stehen. (Reinhardt vermutet dahinter ein Ausweichen vor der Inquisition.) Nicht nur erkenntnistheoretisch verzichtet Montaigne auf festen Boden, auch in der Moralphilosophie liebäugelt er zunächst mit stoischem Gleichmut und epikureischer Genügsamkeit, findet aber angesichts von Alter, Krankheit und Tod Mut zur gänzlichen Trost-Losigkeit.

Für den Historiker Volker Reinhardt hat er sich aufgedrängt: Nach Monografien über Renaissancepäpste und -künstler sowie Philosophen der Au lärung (zuletzt Leonardo, Voltaire) lag Michel de Montaigne in vielfacher Hinsicht in der Mitte. Vom Aufstieg aus dem Besitzbürgertum über den Amtsadel bis zur Würde der Erbaristokratie: Zu Beginn zeigt der Autor den Denker und Politiker (1533–1592) als Kind der Zeit, eingebettet in ihre hierarchischen Kämpfe. Da hat es den Anschein, als würde Reinhardt das wenig sympathische Bild eines Arrivisten zeichnen. Aber nicht Eitelkeit treibt Montaigne um, sondern das Bemühen um Konfliktvermittlung. Ein mühsames Geschä : In Rom ist Gegenreformation angesagt. Inquisition, Ketzerverfolgung und Hexenverbrennung stehen in ihrer „Blüte“, Montaigne selbst ist als Agnostiker dem Atheismusverdacht ausgesetzt. Auch den Protestanten in seiner Heimat Bordeaux mangelt es nicht an Fanatismus.

Als Berater zweier gegensätzlicher Könige (Heinrich III., Sohn der Katharina von Medici, und Heinrich IV., zunächst Protestant, dann Gründer der Bourbonendynastie) hatte Montaigne durchaus politischen Einfluss. Das zeigt das Edikt von Nantes: Es legt für rund 100 Jahre die Duldung der protestantischen Minderheit fest. Die Ablehnung der Todesstrafe und jeglicher Gewalt in der Herrscha sausübung freilich fand kein Echo.

Georgiana Banita: Phantombilder. Die Polizei und der verdächtige Fremde.

Edition Nautilus, 480 S., € 24,70

295 Seiten, englische Broschur EUR 24,90

ISBN 978-3-99029-577-9

PROF. DR. MANFRED

MATZKA

Jurist, Historiker, Autor, der seit fünfzig Jahren Istrien erlebt und erkundet, hat in seinem vierten Buch über die Halbinsel 20 Entdeckungsfahrten zusammengestellt. „Unser Steinhaus steht am Kvarner, aber unsere kleinen Reisen führen meine Frau Anica und mich durch ganz Istrien – und zwar über die geogra sch de nierte Region zwischen Rijeka und Triest, nicht nur durch die kroatische Gespanschaft gleichen Namens. Und an diesen Reisen, die ich so gerne mache, seit ich ein kleiner Bub war, will ich gerne teilhaben lassen.“

Wıeser

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Montaignes radikales Gegenrezept: der Zweifel. Nicht nur stellt er alle überkommenen Wahrheiten und jede scheinbare sinnliche Gewissheit infrage, er ist auch der eigenen Erkenntnis gegenüber skeptisch: „Erst verwirren, danach zu eigenem Denken anregen“ ist das Programm des „Virtuosen des Alles-Hinterfragens“. Er weiß, dass er nichts genau weiß. Folgerichtig nennt er sein Hauptwerk „Essais“, Versuche der Annäherung an eine Wahrheit. Jede neue Auflage „korrigiert“ die früheren, hebt sie aber nicht auf; alte Formulierungen bleiben also be-

Letztendlich war Montaigne in den Augen des Biografen kein bloßer Karrierist. Einfühlsam würdigt dieser ihn als Weisen seiner Zeit: „Wahre Gerechtigkeitspflege tötet nicht, sondern schlichtet friedlich und einvernehmlich.“ Nun warten wir auf seinen Heinrich IV.!

THOMAS LEITNER

Volker Reinhardt: Montaigne. Philosophie in Zeiten des Krieges. C.H.Beck, 330 S., € 30,80

In Istrien reist man gemächlich, auf kurze Distanz, schaut bei jedem Palazzo um die Ecke, hat nur den nächsten Ort zum Ziel, macht Augen, Ohren, Nasen weit auf, freut sich am Kleinen, sieht das Besondere, entdeckt und gustiert, hat Zeit, Lust und Neugier, lässt sich ein, redet mit den Leuten. Die Routen in diesem Buch sind so gewählt. Man kann sie mit dem Auto jeweils in einem halben Tag gut scha en; nimmt man sich viel Zeit für Details und Genuss, wird auch ein ganzer Tag daraus werden.

Bei den einzelnen Stationen gräbt der Autor – Kulturmensch, sorgfältiger Rechercheur, Olivenbauer und Ehrenbürger von Opatija – ziemlich in die Tiefe, spart aber auch nicht mit Witz und Anekdotischem. Fürs Einkehren unterwegs oder nach der Fahrt gibt er Hinweise – aber bewusst nie mehr als zwei pro Ort und nur solche, die er selber kennt.

In jede Reise ist obendrein ein Tipp des Insiders verpackt, den man wahrscheinlich sonst nicht bekommt, und dazu noch eine gute Geschichte oder ein Rezept Anicas, jeweils zur Gegend passend. Karten, Stadtpläne, Fotos der Plätze abseits der Touristenpfade, Literaturhinweise, ein historischer Abriss und ein übersichtlicher Index runden das Ganze ab.