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JOHANNES GENSKE (56) verkauft Holz dank Kohle. In einer Notlage wandte sich der Biomöbelhändler an Stammkunden. Diese halfen ihm anstelle der Hausbanken aus der Kreditklemme.

flammt seinen Zigarillostummel aufs Neue. So verschieden die beiden Inhaber und ihre Geschäfte sind – eine Gemeinsamkeit haben sie: Sie schöpfen Geld aus der gleichen Quelle. Jeder hat sich mehr als ein Dutzend private Geldgeber gesucht, sogenannte stille Teilhaber, die das Unternehmen unterstützen. Dahinter stecken nicht die Jungs von der sozialistischen Nachbarschaftshilfe, die mal ein bisschen mitarbeiten, keine barmherzigen Samariter, die etwas spenden, und auch keine sogenannten Business Angels, die das Ruder übernehmen. Es handelt sich um Kuponschneider: Die Herrschaften wollen Jahr für Jahr Zinsen einstreichen. Und zwar – vergleichsweise – hohe (siehe Grafik Seite 27). Genske schüttete in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt 6,17 Prozent pro Jahr aus, Kirsch zahlt seit drei Jahren 6 Prozent. Zum Vergleich: Wer sein Geld zur Bank getragen hat, bekam bei Anlagen mit kurzen Kündigungsfristen zwischen 2 und 3 Prozent. Mit den 135.000 Euro, die Genske bei dreizehn von tausend per Brief angesprochenen Stammkunden einsammelte, hat er seinen Verkaufsraum aufgemöbelt und seine Webseite erneuert. Kirsch haben rund ein Dutzend Vermögende mehr als 250.000 Euro überlassen. Es waren vor allem Ruheständler, die auf seinen selbst gebastelten Flyer ansprangen. Dessen Kernaussagen: „Erhalten Sie zu wenig Zinsen? Schluss mit Gürtel enger schnallen!“ – „Arbeiten müssen Sie natürlich nicht. Das tun wir für Sie.“ Kirsch, umtriebig und untersetzt, nutzt die Liquidität für Gelegenheitskäufe. Durch neue Tabakgesetze, Lagerräumungen oder Rabattaktionen landen immer wieder Unmengen Genussmittel auf dem Schnäppchenmarkt. „Ruft die Zigarrenfabrik an und bietet 100.000 Zigarillos für die Hälfte – dann kann ich nicht erst in einem Jahr bezahlen“, sagt Kirsch. Solche Einkäufe helfen ihm dabei, als einer der letzten kleinen Großhändler im Kölner Raum mit Konzernen wie Metro oder Lekkerland konkurrieren zu können. Ihre Investitionen haben die Ehrenfelder Händler früher meistens mit Bankdarlehen finanziert. Das ist nicht mehr so einfach möglich, und das nicht erst seit der Finanzkrise. Als Genske im Jahr 2003 seine Düsseldorfer Filiale

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in der Nähe der Kö mangels Umsatz schließen musste, kündigte eine seiner Banken die Kreditlinie. Die anderen sprangen nicht ein. „Da standen wir im Regen“, sagt Genske. „Es gibt eben gute und schlechte Jahre“, sagt Kirsch. Auch er hat „immer mal wieder“ von seinen drei Hausbanken kein frisches Geld bekommen. Ein Blick in sein chaotisches Büro böte eine allzu einfache Erklärung dafür. Mit den Augen eines Bankers betrachtet, gibt es dort ein paar verstörende Unsicherheiten. Die „gefühlte Kreditklemme“ von Unternehmen, von der die Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln spricht, liegt in Kirschs Fall aber gewiss nicht an dem Manhattan aus Papierstapeln oder dem fernöstlichen Tinnef, der vor sich hin staubt. Zumindest Letzterer stammt noch vom Vater, dem Firmengründer, ebenso wie das Flammen-Logo, das nicht retro ist, sondern tatsächlich altmodisch, da noch aus der Nachkriegszeit: „Feu-Ki“ heißt „Feuerzeuge Kirsch“. Dass Banken zögern, hat andere Ursachen. Sie leihen sich derzeit nicht mal mehr untereinander viel.

„ARBEITEN MÜSSEN SIE NATÜRLICH NICHT. DAS TUN WIR FÜR SIE.“ Die Kreditinstitute sind klamm, weil sie zu viel Geld verloren haben und absehbar weiteres verlieren werden – in Finanzmarktgeschäften, in Fehlinvestitionen, in Firmenpleiten, in Fusionen oder in Strategiewechseln. Die Sparkasse Köln-Bonn beispielsweise büßt kräftig für die Spekulationsverluste der WestLB, an der sie beteiligt ist. Unter anderem deswegen benötigte die Sparkasse im Jahr 2009 von ihren Eigentümern, den Städten Köln und Bonn, selbst eine stille Einlage von 350 Millionen Euro. Von einer Kreditverknappung für kleine Unternehmen will die Sparkassensprecherin zwar nichts wissen. Laut IHK-Umfragen zum Thema „Kreditklemme – Phantom oder reale Bedrohung?“ hat sich die Zahl der Firmen in der Region, die über


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