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ehren­felder  #3

2015/2016

Face to face

Rollenspiel unterm Helios-Turm

Immer weiterbeten

Die Zentralmoschee kommt

Zum Nachmachen Mit Widerstand experimentieren

Pfui Ehrenfeld Was soll bloß aus Dir werden?

Der innere Widerstand Die dritte Ausgabe



„All jene Kräfte im Patienten, die sich den Verfahren und Prozessen der Analyse entgegenstellen, d. h. das freie Assoziieren des Patienten behindern und die Versuche des Patienten stören, sich zu erinnern, Einsicht zu gewinnen und sie sich zu eigen zu machen, die Kräfte also, die gegen das vernünftige Ich des Patienten arbeiten und gegen seinen Wunsch, sich zu ändern, all diese Kräfte sind als Widerstand anzusehen.“ Greenson, R. R. (1995): Technik und Praxis der Psychoanalyse. Stuttgart: Klett-Cotta, Seite 97

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Foto: Stefan Flach

Titelfoto: Matthias Knopp

Mehr: Alle Links im Magazin und weitere Inhalte finden sich auf www.ehrenfelder.org/ef3-links

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Ja. Später zahlen, früh aufstehen, Vaters Firma übernehmen Freundlich grüßen, Arsch versohlen, Bierchen aus dem Keller holen Plastik trennen, Fernseh gucken und die Rechnung drucken Bücher lesen, glücklich leben, sich vergnügen, sich benehmen Wat? Hände schütteln, Hemden bügeln und die Wände dübeln Pleite gehn, Urlaub machen, Ordnung schaffen, jaja Koffer packen, Listen schreiben, sich auch mal verkleiden Auto tanken, Sektchen trinken, sicher landen

selber machen lassen Ich sag euch:

Alles muss man selber machen lassen Do it yourself ist out, ich lass das jemand andern machen Alles muss man alleine machen lassen Ich muss mir schon wieder deine Hände dreckig machen

Es ist zum Mäuse melken, Wale retten und genau ins Schwarze treffen Zähne putzen, Brötchen kaufen, dreimal um die Alster laufen Body builden, Daten sammeln, sich ne Freundin angeln Echte Fakten schaffen, alles selber machen lassen Bullen schnappen, Einkauf tragen, auch mal sorry sagen Partner tauschen, Flüge buchen, Wahrheit sagen, Schlüssel suchen Welt erobern, Drogen dealen, Haft antreten, Lotto spielen Brille putzen, Geld verdienen, Knöpfe drücken, Knarre ziehen Alles muss man selber machen lassen Do it yourself ist out, ich lass das jemand andern machen Alles muss man alleine machen lassen Alleine machen lassen, alleine machen lassen

Alles muss man selber machen lassen, oh ja Alles muss man alleine machen lassen, das macht mir Spaß […]

Stimmung halten, Fässer heben, Kerne spalten, Spuckis kleben Stöcke ziehen, demonstrieren, Haare bürsten, gratulieren Spuren bouncen, Rasen mähen und alle Rentner quälen Biere exen, Schnäpse trinken und alle Verstecke finden Runter bücken, Schuhe binden, tolle Schnäppchen finden Lieder schreiben, Geld auftreiben, immer auf’n Gleisen bleiben Felgen tunen, Mate saufen, übelst Korn an Pfeffi saufen Gabel halten, Kabel löten, Fliegen töten Ich sag euch: Alles muss man selber machen lassen Do it yourself ist out, ich lass das jemand andern machen Alles muss man alleine machen lassen

Ich muss mir schon wieder deine Hände dreckig machen Einen fahren lassen und die Fassung verlieren, sag mal kannst du mir mal bitte deine Fresse polieren?! […] Alles muss man selber machen lassen Alles muss man alleine machen lassen […] Na ik wees ja nich. Det Studio sieht eigentlich … Ik hab et mir ehrlich jesagt, … bisschen luxuriöser vorgestellt, bei euch. Naja, wahrscheinlich selber gemacht, wa? Je weniger du selber machst, desto weniger machste och falsch. Denk mal darüber nach, Alter, gar nich so schwer. Die Welt keeps on turning, Alter. Universe keeps on spinning. Wat is los? Ah Ah. Jut Nacht.

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Abdruck des Songtextes mit freundlicher Genehmigung von Deichkind

Bonustrack des 2015 erschienenen Albums Niveau Weshalb Warum feat. Felix Brummer (Kraftklub), Campino, Samy Deluxe, Bjรถrn Beton (Fettes Brot), Icke & Er, Maurice Ernst (Bilderbuch), Smudo (Fanta 4), Die Boys, Karl Schumann (Kraftklub), Axel Bosse (Bosse), Kรถnig Boris (Fettes Brot), Marteria, Jennifer Rostock, Jan Delay, Nico (K.I.Z.), Madsen, Sido, Alexander Marcus, Dendemann, Tobi Tobsen (5 Sterne Deluxe, Moonbootica), Kidsimius, Marsimoto, Brutos Brutaloz, Dr. Renz (Fettes Brott), Inga Humpe (2Raumwohung), MC Fitti, Bonaparte, Miss Platnum (Lila Wolken), Sera Finale (Keule), Michael Krammer (Bilderbuch, Gitarrensolo) www.deichkind.de

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Das Editorial

Foto: Olaf Hirschberg

Innerer Widerstand? Zwecklos!

„Was erklärt werden muss, ist nicht, ob wir die Tiere verstehen können. Es ist genau umgekehrt. Das wahre Mysterium ist, was wir Menschen für uns selber sind.“

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Quelle: Žižek, Slavoj (2015): Das Tier existiert nicht. In: Forbes, Duncan et al. (Hgg.): Beastly/Tierisch. Begleitkatalog zur Ausstellung. Leipzig: Spector, 159–165, hier Seite 163

Tiere Die Biester. Siehe Titelfoto.

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Selber-machen-lassen Besser als Deichkind hätten wir dieses Thema auch nicht in Worte fassen lassen können. Seite 2

Tiere knipsen, Kippen schnippen, Nägel kauen, Laute reimen, Tasten drücken, Geld eintreiben, Zähne knirschen, Sätze bilden, Zeit totschlagen, Essen kauen, Texte denken, Blumen schenken, copy pasten, heimlich kochen, sich verkleiden, Leute fragen, steigen lassen, Sau rauslassen, endlos lachen, quer verweisen, Fotos kleben, Türen öffnen, Lyrik dichten, selber schreiben, machen lassen … Das ist sie nun. Die dritte Ausgabe. Vier Jahre später. Längst totgesagt oder schlichtweg verbummelt? Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Die zunächst halbherzigen Anläufe haben uns beschäftigt. Der Sand im Getriebe und das immer schnellere Verglühen eines immer seltener aufflackernden Interesses. Als schließlich auch der/die Letzte von uns die Ausreden leid war, wurde es interessant. Die Welt hat sich weitergedreht. Ehrenfeld auch. Warum hatten wir den Faden verloren? Was könnte unser Thema für eine dritte Ausgabe sein? Vor uns lag ein Vakuum, gefüllt mit einem nicht greifbaren Widerstand. Mit den Füßen tief darin watend wurde uns klar, dass das Thema längst gefunden war: Der Widerstand selbst, widrige Umstände und die daraus resultierenden Lähmungs- oder Ausbruchserscheinungen! Schnell ging es um sehr viel mehr als die banalen Widerstände, mit denen wir selbst gerungen hatten (zu viel Arbeit, zu wenig Zeit, die Familie, unser Verhältnis zum FC ...): Innere Widerstände prägen die Lebenswelten aller Menschen; als ‘Betroffene‘ finden sie sich wieder in einem Zustand der inneren Abwehr gegen das So-sein-müssen, gegen das Nicht-veränderbare, das Unausweichliche, das Verallgemeinernde und das Vereinfachende, das oftmals ins Stereotype abrutscht. Neben dem Erkunden von Widerständen sind auch die vielfältigen Auswirkungen beobachtenswert: Wann schlägt ein innerer Widerstand in äußeren um (Michael Douglas im Stau)? Und inwiefern führen neben menschlichen Widerständen auch Objekte zu Gegenreaktionen, bieten Widerstand, hemmen und widersetzen sich?

Gerade vor dem Hintergrund der politischen Geschehnisse zeigt sich, wie unerlässlich Widerstand ist. Weil oftmals die aus Widerstand resultierenden Handlungen und Attitüden Veränderungen initiieren. Und weil sie vielleicht heute wichtiger sind denn je: Im Jahr von Charlie Hebdo, in einer Zeit neu belebter geografischer und damit auch innerer Grenzen in Europa, in einer Phase der Neuauflage von Vorurteilen und Nationalismen. Das heißt auch, Widerstand mit Vorsicht zu genießen. Sein Verborgensein im Innern macht ihn zu einer unkalkulierbaren Größe, was uns zu einem achtsamen Umgang miteinander, mit den Dingen und zum rechtzeitigen Dialog anhalten sollte. Dementsprechend versucht ehrenfelder #3, die inneren Widerstände des Viertels und der Menschen darin auszuloten und offenzulegen. Und apropos Selber-machen-lassen: Wir danken all denen sehr, die sich mit Ehrenfeld in Texten, Bildern, Collagen, Illustrationen und Gedanken auseinandergesetzt haben. Sie aßen Pansen, tauschten Rollen oder dislikten ein ehemals geliebtes Veedel; befassten sich mit den Widerständen in Ehrenfeld und mit den eigenen: den elektrischen, den psychischen, den inneren, den äußeren, den politischen, den räumlichen, den visuellen, den akustischen … Viel Spaß beim Lesen wünscht die ehrenfelder #3-Redaktion: Jessica Hoppe, Matthias Knopp und Prasanna Oommen

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Inhalt Ich weiß, ich bin paranoid, aber bin ich paranoid genug?* Wer in der Öffentlichkeit eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.** Außerdem empfand ich meine Tätowierung immer als eine Art nach außen getragenen Widerstand, durchgesetzt gegen den (inneren) Widerstand meiner Epidermis.***

Für uns das Zentrum des Inneren Widerstandes:_U2 Das Helios-Gelände. Und Freud.

Waffen strecken, Handtuch werfen, resignieren_02 Über alles muss man selber lachen.

Editorial_04 Da kann man sich noch so auf den Kopf stellen, Slavoj Žižek hat zu allem was zu sagen.

Don’t do it yourself_08 Alles hat seine Grenzen, innen wie außen. Bernd Wilberg lotet aus, kikkerbillen illustriert.

Harald, Susanne und geil_12 ROAs Hase lockt sie alle aus den Löchern.

Experimentalwiderstände_14 Nane Weber zur Theorie und Empirie Innerer Widerstände, drei Selbstversuche: Folge 1 – Karneval

Ich bin Du und Du bist ich_15 Das Rollenspiel zum Helios-Gelände und eine interessante Annäherung.

Nur ein kleiner Schritt_26 Schwellenüberschreitung schwer gezeichneter Menschen.

Die Moschee kommt_28 *Aus: Wallace, David Foster (2009): Unendlicher Spaß/Infinite Jest. – 4. Auflage; aus dem amerikanischen Englisch von Ulrich Blumenbach. Köln: Kiepenheuer & Witsch, Seite 1483 (Fußnote 211) **Karl Lagerfeld in der Talkshow Markus Lanz, ZDF, 19. April 2012 ***Aus dem Teaser für ehrenfelder #3

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Wir glauben fest dran.


Ein Haus in der Klemme_34

Urban Imkering_60

Klein, gelb, dazwischen, und idyllisch – ein Bewohner lässt tief einblicken.

Klar, auch Ehrenfeld brummt.

Platter ging’s nicht_38

Nane Weber zur Theorie und Empirie Innerer Widerstände, drei Selbstversuche: Folge 3 – Essen

Wir scheuen uns vor nichts mehr: Mitte ist Innen und Widerstand ist Ohm.

In jedem TV: Widerstände!_40

Experimentalwiderstände_64

Kein Widerstand gegen Innereien_65 Auf dem kürzesten Weg zur Suppe.

Die physikalische und kategoriale Seite des farbenfrohen Widerstands

Weißes Eisen_66 Und wir stehen nur da. Ganz still.

Ursache Wirkung_41 Adrian Kasnitz‘ Notizen zum Inneren Widerstand, kompiliert.

Was bleibt_70 Widerstände in der Zeit, resümiert.

Widerstand, plakativ_42 Wenn nur noch das Netz hilft, Widerstände zu überwinden.

Die Gesichter hinter ehrenfelder #3_72 Wer dieses Mal dabei war.

Experimentalwiderstände_43 Nane Weber zur Theorie und Empirie Innerer Widerstände, drei Selbstversuche: Folge 2 – Lachyoga

Schnauze voll, Feierabend_74 Der letzte macht das Licht aus.

Im Herzen leer_44

Impressum_76

Rosanna d’Ortona und Klaus-Ulrich Pech begegnen dem inneren Widerstand eines Hochhauses.

Danke!

Ehrenfeld breaks bad_52 Ein Stadtteil schmückt sich mit dem Bösen, vielleicht auch nur ein Fan.

Ganz normale Menschen?_54 Anja Schlamann macht sich ihr eigenes Bild.

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d l e f n e r Eh n e t h c a r e v

Er ist da. Ich spüre es. Ich kann es nicht länger dementieren. Der innere Widerstand attackiert das Zentrum, er ist in meinem Kopf. Er besetzt die Synapsen, blockiert die Gedankengänge, er leitet die Bewusstseinsströme um. Der innere Widerstand ist nicht zu fassen, immer dort, wo man ihn am wenigsten erwartet, schlägt er zu. Er schickt telepathische Video­botschaften hinein meine Tagträume und Phantasien. Sie sollen mein gesamtes System destabilisieren. Er stellt mir Ultimaten, die nicht einzuhalten sind. »Verachte das Getue um Ehrenfeld – jetzt sofort!« Text: Bernd Wilberg, Illustration: Jule und Matthias Steffen

Wie kam dieser innere Widerstand auf? Da waren anfangs sogenannte erste Bedenken: Benötigen wir noch mehr Kinderlätzchen mit ulkigen Sprüchen? Schmeckt das Bio-Pesto zwischen den Focaccia-Deckeln tatsächlich so gut, nur weil es selbstgemacht ist? Und warum gibt

es hier mehr DJs als Menschen, die tanzen wollen? Anmaßende Fragen sind das. Bislang blieb ich stumm, kein Kommentar. Doch in dieser Stille hörte ich schon, wie die Einschläge näherkamen. Der innere Widerstand operiert mit der Strategie der kleinen Nadelstiche: Er sät hier einen Zweifel, er nährt dort einen Verdacht. Es ist sein asymmetrischer Kampf gegen das, was die zivilisatorischen Errungenschaften in Ehrenfeld verbürgt: Handy-Taschen kleiner FilzManufakturen, vegane Cupcakes für Allergiker, ironisch möblierte Kneipen mit Craft-Beer für all die interessanten Menschen aus der Kreativwirtschaft. All dies ist nun ins Visier des inneren Widerstands geraten. Warum aber erliegen immer mehr Menschen seiner wahnsinnigen Ideologie? Warum hegt man von Mülheim bis Porz-Langel, von Niehl bis Weiß, von Dellbrück bis Weiden mittlerweile Ressentiments gegen Ehrenfeld? >>>

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Es gilt Ruhe zu bewahren. Sämtliche Zugeständnisse an den inneren Widerstand sind strikt abzulehnen. Mit Ehrenfeld-Verächtern darf man nicht verhandeln. Man muss konsequent bleiben, für unsere Werte eintreten: Kreativität! Design! Individualität! Jede Kritik an dieser Trinität ist blasphemisch. Aber man darf sich auch nicht zu übereilten Reaktionen verleiten lassen. Denn das wäre genau das, was der innere Widerstand will. Und dann hätte er schon gewonnen. Die Situation ist ernst, sie muss analysiert werden. Erst wenn man weiß, woraus sich dieser sinnlose und zynische innere Widerstand gegen Ehrenfeld speist, kann man ihn bekämpfen.

Nadelstiche Mögliche Folgen gezielter Nadelstiche zeigen sich, durchaus plastisch, auf Seite 4.

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„Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Ehrenfeld wieder mehr Nagelstudios, Spielhallen und Kneipen mit Schlagermusik braucht!“ – warum reden dort die Menschen so? Woher dieser Hass? Es ist der Neid auf jenen Lebensstil, der es uns ermöglicht, jeden mit Laptop und Rhabarberschorle verplemperten Vormittag als »Konzept-Brainstorming für mein neuestes Projekt« zu deklarieren.

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Was ist noch Ursache, was bereits Wirkung? […] und jetzt, in seinem letzten Jahr an der E.T.A [Tennisakademie], hat sich diese Angst vervielfacht und ist einer der Gründe, warum Pemulis bei all seinen außerschulischen Aktivitäten so ausgefuchste Sicherheitsvorkehrungen trifft – sich von seinen Betäubungsmittelkunden explizit nötigen lässt und so –, und deshalb haben Hal und Schacht ihm zu seinem letzten Geburtstag das Poster geschenkt, das in seinem Zimmer über der Konsole hängt, einen sorgenzerfressenen König zeigt, der unter seiner großen Krone auf dem Thron sitzt, sich übers Kinn streicht und vor sich hin brütet, mit der Bildunterschrift: Ja, ich bin paranoid – aber bin ich paranoid genug? (Quelle: Siehe * auf Seite 6)

Man darf sich keine falsche Vorstellung machen: Der innere Widerstand ist kein erratischer Block, er gibt sich nicht als Auffälligkeit in der Topografie zu erkennen. Der innere Widerstand gegen Ehrendfeld ist fluid, das macht ihn so beweglich. Er ist die Emanation eines Misstrauens, er ergießt sich in die Lücken des Ehrenfeld-Systems und höhlt es aus. Er lauert unter den Oberflächen, er ist der Untergrund. Und so aufwändig ich auch nach ihm fahnde, stets fällt er durchs Raster. Er sickert einfach hindurch, in winzigen Fluten, die umso mächtiger sind und alles niederreißen können. Eine böse Ahnung: Längst bin ich infiltriert vom inneren Widerstand gegen Ehrenfeld. Bin ich womöglich selbst der innere Widerstand? Wer sagt hier eigentlich ich in all den Verlautbarungen, den Durchhalteparolen? Wer ist es denn in Wahrheit, der hier die Anordnungen erteilt, Ruhe zu bewahren? Das ist das Perfide: Seinen Widerspruch zum System tarnt der innere Widerstand als Bekenntnis zum System. Und seine Bekennerschreiben unterzeichnet der innere Widerstand in meinem Namen. Es nützt nichts, die internen Kassiber, die im inneren Widerstand kursieren, abzufangen – sie schreiben sich erst in jenem Moment, da ich sie mühsam dechiffriere. Die Kategorien sind in der schändlichsten Verwirrung: Der innere Widerstand kehrt die Kausalitäten um. Was ist noch Ursache, was bereits Wirkung? Ist das die Bedeutung, wenn ich sage: Wer bin ich, dass ich Ehrenfeld kritisiere? Oder ist hier ein erbarmungsloser Determinismus am Werk, der in der Idee von Ehrenfeld selbst schon angelegt ist? Bin ich nur Mittel zum Zweck? Ist der innere Widerstand womöglich auch nur Teil eines übergeordneten Programms, das sich selbst ent-wickelt und das niemand überblickt? War Ehrenfeld schon immer zum Scheitern verurteilt? Ist also mein Weg von der Verachtung des Ein-Euro-Ladens über den Lobpreis der Fairtrade-Boutique hin zum

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Überdruss an all dieser öden Vervollkommnung vorgezeichnet? Mündet meine Verachtung des Konventionellen notwendigerweise in meine Verharmlosung jenes Kommerziellen, das sich als Stegreif-Handel tarnt? – in Cafés und Kneipen und kleinen Geschäften. Wo man mich als Kunden weder zum König, noch zum Bettler macht, sondern zum Freund. Zu jenem Typus des follower, der weder juristische noch moralische Rechte beansprucht und der noch zum schlechtesten aller möglichen Schaumkaffees seine bedingungslose Zustimmung bekunden muss? Seit wann kann ich eigentlich nicht mehr durch Ehrenfeld gehen, ohne dass sich Beklemmung einstellt: Wo früher Heiterkeit herrschte, sind Angsträume entstanden: Darf ich mit meiner Discounter-Tüte hier bio-zertifizierten Kakao trinken? Und ist das vor der Tür wirklich nur eine Fahrrad-Abdeckplane oder schon street art? So ist ein Klima der Verunsicherung entstanden. Und wer in Ehrenfeld vermag noch die Wörter „Lastenfahrrad“, „Soja Latte“ oder „Pfandring“ aussprechen, ohne zu glauben, sich dafür rechtfertigen zu müssen? Geht hier etwas zu Ende? Ich spüre es. Der innere Widerstand hat von mir Besitz ergriffen. Ich möchte diese Handtasche aus Autohimmel lieben, sie originell finden. Aber es geht nicht mehr. Ich sehne mich nach Industrie, nach Don’t-do-it-yourself, nach dilettantischen Social-Media-Kampagnen, nach erbärmlichem Grafik-Design. Ich stehe in der Schlange, ich will einen Coffee to go kaufen, das tun schließlich alle. Kein Grund, die Nerven zu verlieren. Kein Grund, sich derart vehement gegen das Prozedere zu wehren. Aber ich spüre ihn wieder, den inneren Widerstand. Und dann höre ich, wie jemand durch meinen Mund die Worte schreit: »Ihr habt keine Laktose-Intoleranz. Es steht viel schlimmer um euch: Ihr seid völlig wahnsinnig!« Man muss den inneren Widerstand als eine Befreiung begreifen. Widerstand gegen den Widerstand ist zwecklos.



Foto: Stefan Flach

‌ fressen und gefressen werden


5 comments on “ROA beim CityLeaks Festival, Köln”

Pingback: Roa @ Cityleaks, Cologne Harald 13.09.2011 um 10.43

Hat sich mal irgendeiner überlegt wie es ist, jedes mal, wenn man in seine Straße einbiegt, diesen abgezogenen, ausgebluteten Menschen mit Hasenpfötchen und Horrorfratze anzusehen. VIELEN DANK! Auf Kunst dieser Art können wir hier im Viertel gern verzichten, besonders unsere Kinder! Was muss man eigentlich spritzen, um so eine kaputte Scheiße zu verzapfen? Vielleicht sollte man mal mit einem Eimer Alpinaweisse eine spontane Gegenkunstaktion veranstalten?! AUA AUA AUA ein wirklich angepisster Anwohner Antworten

Schade, hätte mich über ein schönes Artwork gefreut. Und dann sowas… Ist das Kunst oder kann das weg? Muss man Angst haben, dass die Kinder das nachmachen? Bei uns gab es zwar schon vorher keinen Hasenbraten, aber was soll das? Kann mir nun auch nicht den tieferen Sinn vorstellen und will auch gar nicht wissen, was der Künstler uns damit sagen will. Ich weiss nur, der Hausbesitzer macht scheinbar alles mit, was Geld bringt. Demnächst ist der Hase weg und dort prankt Werbung von der Humbug-Mülleiner oder so. Ich weiss grad nicht, was schlimmer ist: Fritz, begrüss doch mal unseren Mann von der Humbug-Mülleimer! Na, Du A…loch. Sehen Sie, man kennt uns.

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Susanne 13.09.2011 um 10.55

Künstler http://tinyurl.com/qbl2fr3

Antworten geil 01.09.2013 um 21.56

also ich wohne auch in der steasse und ich finse das vild super wenn manche verfoxkten hurensöhnige spieser darauf nicht klar kommen dann sollen die sixh verpissen ich lenne die hausbesitzer und die genissen ihr leben wrnigsyebs ynd kuemmern sich um ihren eigenen kram ubd ubriegens haben sie kein geld dafuer bekommen und ubrogens susannr nur weil du nichts zu poppen hat musst du nicgt deine zeit mit spiesser kommentarwn vergeuden opfee ynd du harald kannst ma schon zuiruck in dein loch krichen Antworten geil 01.09.2013 um 21.59

wer noch gegen die ist bitte in die kommentare schreiven Antworten Schreib einen Kommentar Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert * Name * E-Mail-Adresse * Website Kommentar

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I.

Wie ich einmal versuchte, meinen inneren Widerstand gegen den Karneval zu überwinden

Text und Illustration: Nane Weber

Nicht jeder konzentriert sich bei allem immer auf das negative Potenzial. Nicht jeder sieht eine Reitergarde und denkt: Einmarsch. Oder fragt sich, warum Funkenmariechen alle fünf Meter den Hitlergruß machen müssen. Aber wirft der Karneval nicht viel zu viele Fragen auf? Warum seit Jahrzehnten kein Humor-Update mehr durchgeführt wurde zum Beispiel. Wie amüsiert man sich, wenn überall Musik von den Höhnern läuft? Schunkeln nicht dieselben Menschen zu „Dicke Mädchen haben schöne Namen“, die den Rest des Jahres gern einen auf Stilpolizei machen? Und warum liegt ein Kotzeteppich in der Südstadt – trinken die Leute den Rest des Jahres denn keinen Alkohol? Wer lässt all die sechzehnjährigen Stewardessen ohne Hose aus dem Haus? Was soll diese Kölschtümelei, warum ist Köln überhaupt ein Gefühl? Warum machen die Bläck Föös nicht mal ein Lied über einen bulligen SUV-Fahrer, der mitten auf der Kreuzung anhält, um eine Radfahrerin zusammenzubrüllen? (Derlei sehe ich in Köln zumindest häufiger als den Dom.) Und muss man nicht ein bisschen verklemmt sein, um heutzutage noch einen genehmigten Ausnahmezustand nötig zu haben? Mit etwas Wohlwollen sieht die Sache (wie die meisten Sachen) natürlich anders aus. Was ist dagegen einzuwenden, sich einmal im Jahr durch die Verschiebung von Geschmacksgrenzen und das Brechen von Gewohnheiten in einen Rausch hineinzumanövrieren, gegen den die anderen kleinen Räuschlein des Jahres einfach nicht anstinken können? Vor dem man sich vermutlich vier Wochen danach immer noch ein bisschen ekelt, aber den Rest des Jahres davon zehrt und sich aufs nächste Mal freut? (Im Übrigen komme ich mit der Verschiebung von Geschmacksgrenzen gemeinhin wunderbar zurecht; einmal war ich aus Neugier sogar zu Gast beim „Frühlingsfest der Volksmusik“.) Viele meiner Bekannten macht der Karneval glücklich. Sie trinken sich lustig durch die Stadt, lernen viele Leute kennen und übertreiben dabei konsequent. Sie denken einfach nicht über die Lappenclown-Dichte nach und stehen eben für ein paar Tage auf Schlager. Das kann doch nicht so schwer sein. Einmal habe ich es schon versucht, aber sehr schnell gemerkt, dass man mit Ironie und Brusthaartoupet als Frau nicht weit kommt. Man muss sich schon ein bisschen engagierter anpassen.

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Cowgirl www.ehrenfelder.org/ karneval

An Weiberfastnacht besorge ich mir bei Kik das HäschenSet. Es besteht aus pinkfarbenen Satinhandschuhen, rosa Öhrchen und einem rosa Stummelschwanz. Tanja kommt und malt mir ein Näschen. Mit wackligen Knien in Glitzerstrumpfhose finde ich mich auf der Venloer Straße ein. Passend zum Thema kaufe ich erst einmal fünf Feiglinge. Zwei trinke ich sofort, einen gebe ich dem ersten Gardisten mit Dreizack aus, der meinen Weg kreuzt. Er sieht nett aus und ist vermutlich kein Faschist. Wir treffen Batman und den Tod und machen ein Foto. Keiner steckt mir seine Zunge ins Ohr. Es läuft gut. Als wir im Ehrenfelder Brauhaus einkehren, werden wir schon kritischer beäugt. Man hat uns hier noch nie gesehen und braucht auch keine neuen Bekannten. Ein Mann, der aussieht wie Heinz Schenk auf einer Elendsdroge, weist uns darauf hin, dass alle Plätze besetzt sind, dabei wollen wir uns gar nicht setzen. Ausgerechnet jetzt muss Tanja aufs Klo. Niemand will mit mir reden. An der Wand hängt ein blöder Plastikclown, davor steht ein trauriges Cowgirl. Zwei Kölsch bringen rein gar nichts. Wir ziehen weiter zum nächsten Etablissement. Hier ist die Atmosphäre launiger, die Leute sehen dem Anlass entsprechend beschwingt aus; allerdings ist es bumsvoll. Als Alternative zur Theke bleibt uns nur das Büdchen am Lenauplatz. Wir trinken mehr Bier, tauschen Fingernägel zum Aufkleben und treffen sogar ein paar Bekannte. Dass Karneval die fünfte Jahreszeit ist, merke ich vor allem daran, dass ich draußen in der Kälte stehe und kalte Sachen trinke. Man vermischt also den Winter mit Dingen, die im Sommer Spaß machen; das vermischt man dann mit Dingen, die man sonst nie macht (sich als Häschen verkleiden, Feigling trinken) und Dingen, die überhaupt keinen Spaß machen (20 Minuten vor der Toilette anstehen). Daraus ergibt sich dann hoffentlich etwas, das insgesamt Spaß macht.


! f f O Face


Ein Rollenspiel mit Hanswerner Möllmann, Sprecher der Bürgerinitiative Helios in KölnEhrenfeld und Paul Bauwens-Adenauer, Projektentwickler/Architekt/Investor. Interview und Text: Prasanna Oommen Fotos: Stefan Flach

! f f O Face


Im Actionfilm Face Off von John Woo (1997) mit Nicolas Cage und John Travolta geht es um den Kampf zwischen Gut und Böse, ausgetragen von einem Terroristen und einem FBI-Agenten. Der Agent schlüpft in die Maske seines im Koma liegenden Gegners, dessen Ganoven-Gesicht diesem per Laser-Operation vom Kopf geschält und auf das Gesicht des Star-Agenten transplantiert wird. Nun ist, rein äußerlich, der gute Agent der böse Ganove. Natürlich wacht der echte Ganove schließlich aus dem Koma auf und zwingt den Chirurgen dazu, ihm nun seinerseits das im Kühlschrank liegende Antlitz des Agenten zu übertragen. Der inszenierte Rollentausch ist perfekt – ab jetzt kämpft das Böse in der Maske des Guten. Eine einfache, aber wirkungsvolle Idee: Auf der Suche nach der Wahrheit in einer auswegslos erscheinenden Situation wird ein notwendiger Perspektivwechsel vollzogen.

etting Das S Donnerstag, 04.09.2015

Zeit: Treffpunkt: Requisiten:

Helios-Gelände, Köln-Ehrenfeld Ein weißer Stehtisch, zwei Wimpel

Protagonisten: Zwei fast gleich große Männer, die gegensätzlicher nicht sein können. Die scheinbar nur ihr gemeinsames Thema und die Dreiteiligkeit ihrer Namen verbindet: Ein rauchender Lehrer mit Schultasche, als lässige Umhängetasche getarnt, trifft auf einen Mini-fahrenden Investor im sportiv-eleganten Look, dem man das Golfspielen auch ohne Golfschläger ansieht.

Wir haben uns gefragt, ob sich dieses Experiment auch in einem städtebaulichen Entwicklungsprozess, z.B. in Ehrenfeld, durchführen ließe, um darin die komplexe Auslotung von Wunsch, Traum und Wirklichkeit spiegeln zu können. Und wir hatten Glück. Weil zwei mutige Menschen sich auf unseren Versuch einließen.

Das Interview

ehrenfelder: Statt einer Transplantation brauchen Sie nur diese Wimpel zu tauschen und dann in die neue Rolle zu schlüpfen. Bekommen Sie das hin?

Beide Protagonisten: (überzeugt) Ja. Bitte stellen Sie sich kurz vor, bevor die Wimpel und damit die Rollen getauscht werden.

Hanswerner Möllmann: Ich bin Hanswerner Möllmann, fast 50, Lehrer und seit fünf Jahren Sprecher der Bürgerinitiative Helios (BI Helios). ––– Paul Bauwens-Adenauer: Ich heiße Paul Bauwens-Adenauer, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Bauwens. Ich habe das Helios-Gelände vor Jahren erworben und versuche nun, aus dem Gelände das Bestmögliche zu machen. >>>

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Hanswerner Möllmann und Paul Bauwens-Adenauer repräsentierten zu Beginn des Bürgerbeteiligungsprozesses rund um das Helios-Gelände eigentlich gegensätzliche Fronten (wir berichteten in ehrenfelder #1 und #2). Jetzt, fünf Jahre später, nachdem die ersten Weichen für eine Neubebauung im mehrheitsfähigen Sinne der Beteiligten gestellt sind, haben sie sich bereit erklärt ,ihr‘ Thema noch einmal durch die Brille des sogenannten Gegners zu betrachten. Herausgekommen ist ein Rollenspiel mit einer interessanten Annäherung.

fünf Jahre später

Die Weichen sind gestellt. Sichtbar ist allerdings weiterhin nur: Brache. Doch in Ehrenfeld ist man Warten gewöhnt. Am anderen Ende der Venloer Straße steht die erneut eingerüstete Moschee, die vor vier Jahren bereits eröffnet werden sollte, Seite 30

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Ich bin Du Du bist ich. Mit der Wimpelübergabe werden die Rollen getauscht. Wie wichtig sind Geld, Macht und Partizipation?

Paul Bauwens-Adenauer in der Rolle von Hanswerner Möllmann (Bauwens-Adenauer als Möllmann): Geld: 7, Macht: 8, Partizipation: 4. (Fasst sich an die Stirn) Ach so – Korrektur bitte. Bitte, versuchen Sie es noch mal – in der richtigen Rolle.

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Partizipation an erster Stelle: 8. Geld und Macht beide 5. ––– Hanswerner Möllmann in der Rolle von Paul Bauwens-Adenauer (Möllmann als Bauwens-Adenauer): Ich würde Geld und Macht nicht großartig voneinander trennen, weil beides viel miteinander zu tun hat. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich auch nicht als reich empfinden würde, Geld: 6. Für Partizipation muss man ja auch Kompetenzen haben. Also, Partizipation: 4.

Ich bin nicht der typische Lehrer, den man vielleicht abgespeichert hat in seinem Hirn.

Wie würden Sie sich selber beschreiben. Was für ein Typ sind Sie?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ich bin nicht der typische Lehrer, den man vielleicht abgespeichert hat in seinem Hirn. (kichert) Zwischenfrage: Wie hat man denn den typischen Lehrer abgespeichert?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ich glaube, ich finde zu der Generation, die ich unterrichte, einen guten Kontakt. Nicht nur einen oberflächlich kumpelhaften. Sondern einen ernsthaften. Ich bin ein fairer Lehrer und Mensch. Und ich habe aufrichtig Interesse an den jungen Leuten. Haben Sie auch Ecken und Kanten?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ecken und Kanten? Ja, ich rauche. Das ist ein ernsthaftes Problem (lacht). Ich gehe halt schlecht mit meiner Gesundheit um, bin da kein so gutes Vorbild. Das ist ja ein Stück Selbstdisziplin, wenn man bei so was die Kurve kriegt (lacht noch mal). Nein, im Ernst: Auch ich, Hanswerner Möllmann, muss mit meiner Umgebung leben, ich kann also nicht leugnen, dass ich mittlerweile politisch hier und da rund geschliffen bin. (lacht wieder) Herr Bauwens, Sie haben die Beschreibung gehört. Herr Möllmann war ja recht ehrlich. Wie würden Sie sich denn beschreiben?

Möllmann als Bauwens-Adenauer: Ich bin, glaube ich, einer, der den Spagat macht. Zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Interesse, das darüber schwebt. Ich bin eben Bauwens-Adenauer als Möllmann: (murmelt, überlegt) Was einer, der auch idealistisch ist und mit Sicherheit nicht hat der für Grundwerte? (lange Stille) versucht, mit dem Mainstream zu schwimmen. Natürlich bin ich auch Projektentwickler. Mit Spagat meine ich, dass Oder besser Prinzipien? Macht es das leichter? ich trotzdem nicht als knallharter Geschäftsmann auftreBauwens-Adenauer als Möllmann: (wieder lange Stille) Ach te. Ich könnte auch durchaus irgendwo in der Kultur oder diese Werte meinen Sie. Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit in der Kunst aufgehoben sein, weil ich irgendwo auch ein auch, und … Empathie. Freigeist bin. Dieser Spagat macht es in der Außendar––– stellung nicht immer leicht. So komme ich zu den Ecken. Möllmann als Bauwens-Adenauer: (lacht) Ich hatte ja jetzt ein Nicht wissen, wo dran man ist, kennen Sie das? Also – diebisschen länger Zeit zum Nachdenken und bin bisher nur se eindeutige Identifikation, die geht bei mir einfach nicht. darauf gekommen: Verantwortungsbereitschaft (Stille) … dann Verlässlichkeit sicherlich … und Ehrlichkeit. Nennen Sie uns bitte Ihre Grundwerte.

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Also – fehlt die Klarheit?

Möllmann als Bauwens-Adenauer: Genau! Das bereitet zwischendurch ein bisschen Bauchschmerzen, denn das Gegenüber meint, mit jemandem zu tun zu haben, der ehrlich ist. Und dann weiß es nicht genau, ob morgen nicht doch meine andere Seite des Spagats überwiegt. Natürlich muss immer wieder auch der Wettbewerb das Wort haben. Weil sich ohne Wettbewerb nichts entwickelt. Da muss natürlich auch jeder einzelne Kaufmann für sich rechnen, was er sich leisten kann und was nicht. Die BI Helios hat eine eigene Potenzialanalyse nach der MFI (Management für Immobilien AG) gemacht, sie hat sich professionalisiert, Workshops veranstaltet, internationale Aktivisten aus dem Bereich „bürgerschaftliches Engagement“ eingeladen und insgesamt einen hohen persönlichen Einsatz gebracht. Die Bauwens GmbH & Co. KG konnte die eigenen Pläne nicht verwirklichen – geschweige denn einen möglichen Baustart avisieren. Würden Sie sich beide noch mal auf so etwas einlassen? Wenn nein, was würden Sie anders machen? Wenn ja, warum?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Wir haben ja Tage und Nächte in den unterschiedlichsten Kreisen zusammen gehockt. Wir glauben einfach, dass wir mit dem, was wir wollen, die Seele Ehrenfelds in uns tragen und diese Seele auch transportieren. Und wir fühlen uns darin ermutigt, denn wir haben mit dem zähen Arbeiten erreicht, dass es kein Einkaufszentrum geben wird. Die Mühe hat sich gelohnt und wir würden es wieder machen. ––– Möllmann als Bauwens-Adenauer: Natürlich würde ich das immer wieder machen. Das ist ja unser Geschäft und schließlich muss man ja auch Verantwortung für Arbeitsplätze übernehmen. Ich würde das Projekt auch nicht als gescheitert betrachten. Immerhin haben wir ja hier gemeinsam eine Großtankstelle verhindert, die auch kurz vor Beschluss war, bevor wir das Gelände erworben haben. Wenn noch mal so etwas käme, würde ich mich auf die Aussagen der Politik und der Verwaltung allerdings nicht mehr blind verlassen. Sondern ich würde dafür sorgen, dass die Bürgerbeteiligung anders abläuft. Damit auch die Menschen Gehör finden, die einem Einkaufszentrum durchaus positiv gegenüber stehen. Ist das Sterben des Kleingewerbes, wie hier im Falle der Schreinerin und des Polsterers eigentlich wirklich unvermeidbar? Müssen solche Kleinstunternehmer einem Stadtbild nicht unbedingt erhalten bleiben?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Es gibt ja nicht nur hier, sondern überall in der Welt die Diskussion darüber, wie sich Städte entwickeln sollen. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht monotone, einzelbestimmte Situationen geschaffen werden, sondern dass Stadt eine Situation abbildet, in der Vielfalt Platz hat. Jetzt ist es aber so – Sie konnten ja nicht alle mitnehmen. Können sie sagen, Sie haben alles versucht? Um auch diese Schreinerin mitzunehmen oder den Polsterer?

Aktivitäten? Wenn ich die schaffe, dann kann sich auch etwas etablieren. Was ich nicht sehe, dass wir alle den Großen ausgeliefert sind. Es gibt ja kein ökonomisches Gesetz, das die Größe vorschreibt. Natürlich muss immer wieder auch der Wettbewerb das Wort haben. Weil ohne Wettbewerb entwickelt sich nichts. (alle lachen) Das würde der Möllmann sagen?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: (lacht) Das würde der Möllmann sagen … ach so, ich bin im falschen Set (lacht erneut). Was wir wollen, da sind wir uns doch mit allen einig, wir wollen Atmosphäre. Wir möchten eine Atmosphäre, die anregt, in der man sich wohlfühlt und das bietet nur die Vielfalt. ––– Möllmann als Bauwens-Adenauer: Wir sind da ja auch nur eine Art Rad im Getriebe. Da spielt Wirtschaftlichkeit nun wirklich eine Rolle. Und wenn man das aufs Helios-Gelände projiziert, dann ist es natürlich so gewesen, dass hier Leute Handwerk und Handel getrieben haben, zu Preisen, die weit entfernt waren von dem, was ortsüblich ist. Wir haben versucht, die Leute mitzunehmen und Möglichkeiten zu schaffen – auch außerhalb dieses Quartiers. Wie haben Sie das versucht?

Möllmann als Bauwens-Adenauer: Zum Beispiel haben wir uns mit auf die Suche gemacht. Nach einem bezahlbaren Grundstück für den italienischen Supermarkt, der hier war. Also hier in der Nähe – im Innenstadtbereich?

Möllmann als Bauwens-Adenauer: Im Ehrenfelder Bereich, also im Einzugsbereich seiner Kunden. Aber da ist die Spanne riesig gewesen, zwischen dem, was hier bezahlt wird und dem, was er irgendwo anders bezahlen musste. Da muss natürlich auch jeder einzelne Kaufmann für sich rechnen, was er sich leisten kann und was nicht. Aber das würde ja bedeuten, dass künftig nur derjenige, der sich das leisten kann, das Stadtbild dieses Viertels prägt?

Möllmann als Bauwens-Adenauer: Aus wirtschaftlicher Sicht ja. Da bestimmt einfach nicht nur das, was Sie sich leisten können, sondern auch die Nachfrage und das Angebot zählen. Wenn die Nachfrage groß genug ist, dann kommt man mit Sicherheit auch an teureren Plätzen unter. >>>

Ich bin Hawe Möllmann

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Das sind zwei verschiedene Ebenen. Die eine ist die der wirtschaftlichen Existenz. Die hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten. Da kann man auch nicht etwas künstlich machen und das hat ja auch immer verschiedene Gründe, warum etwas geht. Man kann sich aber fragen: Welches Angebot schaffe ich? Welche Räume schaffe ich für bestimmte Betriebe und für bestimmte

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Ich bin Paul BauwensAdenauer

Der Leiter der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung, Prof. Hans Lietzmann von der Uni Wuppertal, sagt: „Die Leute heute sind besser ausgebildet und darauf eingestellt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dass sie ihr Umfeld nicht ebenfalls mitgestalten können, passt da nicht mehr zusammen.“ Braucht eine Gesellschaft, die sich zwischen Verwaltung, Politik und Privatwirtschaft verorten und organisieren muss, bürgerschaftliches Engagement? Verlangsamt das nicht nur die Prozesse?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Also ich glaube, dass unsere Gesellschaft das braucht. Und ich glaube nicht, dass das unsere Gesellschaft langsamer macht, sondern dass es die Qualität steigert. Und dass wir aus einer Bürgerschaft heraus, die sich wohl fühlt, letztendlich auch leistungsfähiger sind. Und stabiler. Insofern halte ich das für einen sehr wichtigen Prozess. Es gibt ja den mittlerweile viel verwendeten Begriff des Wutbürgers. Trifft der das Engagement der Bürger aus Ihrer Sicht?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ja, der Wutbürger ist sicher ein Ansatz, der da greift. Aber diesem Typus geht es aus meiner Sicht zu viel ums Eigeninteresse und zu wenig ums Gemeinwohl. Mir geht es aber um das Gemeinwohl, in dem Sinne, dass wir ein übergeordnetes Ziel verfolgen: die Qualität. Nicht nur einfach aus einer Laune heraus sagen, das passt mir jetzt nicht. Ich glaube, dass zentrale Räume einer Stadt nicht einfach so dem Lauf der Dinge überlassen werden können, sondern dass man die Menschen mit einbinden sollte – auf geeignete Art und Weise. ––– Möllmann als Bauwens-Adenauer: Köln kommt nicht ohne Investoren aus. Eine Beteiligung von Bürgern ist im städtebaulichen Kontext grundsätzlich aber auch sinnvoll. Weil die Bürger durchaus die Kompetenzen haben, genau zu wissen, wie sich ihr Stadtteil entwickeln könnte oder sollte. Ich denke aber, man müsste Verfahren entwickeln, die es Investoren möglich machen, zu rechnen. Wenn man sich beispielsweise diesen Prozess auf dem Helios-Gelände anguckt, dann ist ja sehr unwägbar gewesen, wie lange dieser Prozess dauert und wie das Ergebnis sein wird. Kalkuliert man denn als Investor den sich oft schleppenden Baustart und die damit verbundenen Kosten, die da zwangsläufig produziert werden, mit ein?

Möllmann als Bauwens-Adenauer: Zunehmend. Investoren machen sich Gedanken darüber. Ich glaube, im Moment sind es 3  % des Investitionsvolumens, die man miteinkalkuliert.

> Anna Ditges drehte den sehenswerten Dokumentarfilm Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung (2015) über die Bürgerbeteiligungsprozesse auf dem Helios-Gelände in Köln-Ehrenfeld. www.wemgehoertdiestadt-derfilm.de

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Wenn ich dann Einkaufszentrum höre, dann bin ich vollends auf den Beinen, weil ich diese Buden überhaupt nicht leiden kann, da muss man was tun. Die Filmemacherin Anna Ditges sagt: „Für die Bürger geht es um Heimat, um Verortung, um Identität – und um das Gefühl, sich das alles selbst schaffen und gestalten zu können.“ Warum ist der Stellenwert von Identität heute so eng mit dem Lebensraum verbunden?


Zunächst einmal, die Menschen dort sind nicht durchgängig symphatisch, würde ich mal sagen. Und an mancher Stelle bestätigen sie auch mein Vorurteil. Da kann man schon auf die Idee kommen, dass Stadtentwicklung wie eine Ware betrachtet wird. Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ich glaube, dass man früher ein stärkeres Obrigkeitsdenken als heute hatte. Man war zwar nicht einverstanden, hat es aber nicht gesagt. Heute äußern sich die Menschen. Da macht sich auch das Gefühl für die Wurzeln bemerkbar. Das ist ein wichtiges, ein gutes Gefühl, denn ich glaube, bei aller Globalisierung, ist der Ort, an dem man sich zu Hause fühlt, etwas ganz Wichtiges. Dort wird ja auch Kultur transportiert und erzeugt. Wenn wir das aus den Augen verlieren, dann sind wir austauschbar. Und wir wollen zwar mit der ganzen Welt Kontakt haben, aber austauschbar wollen wir nicht werden. ––– Möllmann als Bauwens-Adenauer: Wir leben in einer Zeit und in einer Gesellschaft, in der es, wenn es um Identitätsfindung und Identitätsentwicklung geht, bereits einen Markt der Möglichkeiten gibt. Ich kann auch nachvollziehen, dass Menschen eine Orientierung dafür suchen, wohin sie sich mit ihrer Identität entwickeln. Auf dem Markt der Möglichkeiten in einem sich durchaus langsam entwickelnden Stadtteil können die Menschen eben auch Identitätsstiftendes wiederentdecken. Was die Bürgerbeteiligung angeht, würde ich die aber weniger mit Identitätsfindung in Zusammenhang bringen. Es ist doch schlichtweg eine Möglichkeit, unserer Gesellschaft: Wir müssen uns nicht ständig darum kümmern, wo morgen das Essen für die Familie herkommt und haben also die Zeit dafür, uns zu engagieren. Und dann ist es im Endeffekt genauso, wie in dem Kinderzimmer, in dem man sich als kleiner Bub wohlfühlt, weil man es mitgestaltet hat. Das weite ich eben auf mein Veedel oder auf die Stadt aus und versuche es dort dann auch mit der Mitgestaltung. Jetzt haben wir noch ein paar Fragen, die nur einer von Ihnen jeweils beantworten muss: Herr Bauwens-Adenauer, was war ihre erste Reaktion, als Sie erfahren haben, dass die ersten Besprechungen im DQE (Design Quartier Ehrenfeld) stattgefunden haben? Sie haben diesen Raum doch überhaupt erst ermöglicht. Also, ich hätte mich geärgert …

Möllmann als Bauwens-Adenauer: Nein, habe ich nicht. Es ist ja auch nicht frevelhaft, sich an der Entwicklung des Geländes zu beteiligen. Im Gegenteil, wir haben ja gesehen, dass dabei durchaus etwas Positives rauskommt und insofern war ich den Menschen nicht besonders böse. Ich war eher enttäuscht von den Zusagen der Politik und von den Entscheidungen, die sie getroffen hatten. Die jetzt vollkommen obsolet waren. Das trifft mich aber nicht persönlich, sondern als Projektentwickler, weil ich da einfach keine Planungssicherheit mehr habe.

Herr Möllmann, was verbinden Sie mit Investoren wie Herrn Bauwens-Adenauer? Was haben Sie, bevor dieser Prozess gestartet ist, mit Investoren wie ihm assoziiert?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Zunächst mal löst es große Sorge aus, wenn man hört, hier wird ein großes Stück der Umgebung verändert. Das soll in einem Guss geschehen. Da ist dann erstmal egal, was es ist. Die Sorge ist vielmehr, dass wir überfahren werden und dann mit irgendwas leben müssen, was uns vorgesetzt wird. Wenn ich dann noch Einkaufszentrum höre, dann bin ich vollends auf den Beinen, weil ich diese Buden überhaupt nicht leiden kann, da muss man was tun. Sie waren zum ersten Mal in Ihrem Leben im Rotonda Businessclub in Köln, dort treffen sich die Projektentwickler, die Investoren, einflussreiche Menschen aus dieser Stadt. Wie war es da? Was für Eindrücke haben Sie mitgenommen?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Die Menschen dort sind nicht durchgängig sympathisch, würde ich mal sagen. Und an mancher Stelle bestätigen sie auch mein Vorurteil. Da kann man schon auf die Idee kommen, dass Stadtentwicklung wie eine Ware betrachtet wird. Ich weiß aber auch, dass nicht alle gleich sind und dass die Dinge auch sehr unterschiedlich sein können. Was wäre Ihre ganz persönliche Vorstellung für das Helios-Gelände gewesen, das sich ja gerade so weitläufig und frei anfühlt? Was wäre die ideale Bebauung gewesen?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ich bin nun mal Lehrer und deswegen habe ich immer ein Faible für Schule gehabt. Ich freue mich auf die Schule und empfinde sie als einen sehr wichtigen Baustein. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass hier Vielfalt ist, das heißt Wohnen und Handel. Also Mischnutzung?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ja, Mischnutzung, etwas Quirliges, wo man sagen kann, hier bewegt sich was Veränderungsfähiges. Es gibt ja nicht die eine Lösung, sondern nur den Weg dahin. Helios muss offen sein. Es muss die Veränderung auch begünstigen. Es muss im besten Sinne ein Ort sein, der auch eine demokratische Ausstrahlung hat. Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass die Schule kommt und was passiert, wenn nicht?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Die Schule wird kommen, davon gehe ich aus, 100 %ig. Weil Köln diese Schule braucht. Weil diese Schule beschlossen ist. Weil das Grundstück mittlerweile im Besitz der Stadt Köln ist. Es hat einen hochqualifizierten Wettbewerb gegeben. Es gibt schon eine Architektur, eine formale Sprache. Die Schule kommt. Wenn sie nicht kommt, … das ähm … das kann ich nicht beantworten. Also noch einmal: Kann die Stadt die Schule wirklich stemmen?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Die Stadt hat das Geld eingestellt und hat eine Summe gesagt: 94 Mio. oder was? Die Grundschule hat bereits in der Interimslösung in der Mommsenstraße ihren Betrieb aufgenommen. >>>

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Werden Sie weiterhin am Ball bleiben als BI Helios? Menschen treffe. Ich bin woanders, mein Beruf ist ein anBauwens-Adenauer als Möllmann: Ja natürlich. Wir werden derer und ich hab auch einen anderen Spirit. Ich will mich den Prozess des Schulbaus begleiten. Und unser Engagenicht mit Bauprojekten auseinandersetzen. Ich hab meiment einbringen – da wo die öffentlichen Räume berührt ne Profession, aber ich habe mittlerweile, möglicherweise sind. durch diesen Prozess, Berührungsängste oder Befürchtun––– gen abgebaut. Möllmann als Bauwens-Adenauer: Dazu möchte ich auch kurz – – – etwas sagen: Was die Chancen für die Schule angeht, wür- Möllmann als Bauwens-Adenauer: Natürlich treffe ich auf solde ich sagen, die Stadt lässt ja leider kein Fettnäpfchen che Menschen, weil ja letzten Endes alle Bürger sind. Ich bin aus. Die 100 % von Herrn Möllmann würde ich deshalb ja auch Bürger. Ich treffe ja auch meine Nachbarn und ich vielleicht auf 98 % reduzieren. Wenn sie allerdings nicht treffe auf andere Menschen, die nicht alle nur Geschäftsleukommt, wäre es nach der Oper eine weitere große Blamate oder Projektentwickler sind. Was die bürgerbeteiligten ge für die Stadt und für die Verwaltung. Und es wäre für Menschen angeht, ist es sicher weniger der Fall, dass ich solalle, die sich mit diesem Prozess der Bürgerbeteiligung chen „Möllmännern“ begegne (beide lachen). – egal auf welcher Seite des Tresens – beschäftigen und sich darauf einlassen, natürlich ein enormer Rückschritt, wenn das keine Verlässlichkeit hätte. Mit Sicherheit ist das

Gutmenschentum nicht das Schlimmste.

Wir sind am Ende angelangt. Sie dürfen wieder Sie selbst werden. Also: Face zurück. Wimpel tauschen.

Bauwens-Adenauer als Bauwens, Möllmann als Möllmann: (Beide lachen etwas erleichtert und tauschen die Wimpel) Vielen Dank! Wir haben jeweils fünf Zitate von Aussagen Ihres ‚Gegners‘ (Quellen: Film Wem gehört die Stadt und eigene Recherchen zu Helios): „Geld und Macht gewinnen immer.“

Bauwens-Adenauer: (zögernd) Nicht immer (aber oft). Was haben Sie von Helios für die Zukunft gelernt?

„Man kann nicht nur dagegen sein, sondern muss auch für etwas

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Ich persönlich habe gelernt, sein.“ dass, wenn wir Erfolg haben wollen, wir lernen müssen, Bauwens-Adenauer: Das ist richtig. erstmal unsere Begriffe zu sortieren. Dass man sich tief mit der Sache auseinandersetzt und dass man nicht mit „Die Bürger sind nicht nur dagegen, sondern beraten auch komPhrasen arbeitet. Man kann eben in der Ausformung viel petent.“ reden und nachher wird’s dann doch nicht so einfach. Das Bauwens-Adenauer: Mitunter. heißt also, runterkommen, aber hart an der Sache bleiben und jede Auseinandersetzung führen, aber nach Möglich- „Man kann nicht nur ein bisschen bauen, das muss man dann keit keine persönliche Auseinandersetzung. auch schon richtig machen.“ ––– Möllmann: Das ist richtig – … also was ist richtig? D’accord. Möllmann als Bauwens-Adenauer: Sicherlich, dass Stadt- und Wenn’s richtig flächendeckend ist, dann allerdings nicht Projektentwicklung zukünftig anders laufen wird. Das mehr. Das hört sich jetzt nach der Fläche an. Bisschen meine ich durchaus wertneutral und das finde ich nicht bauen? Ähm … (denkt nach) … das geht. schlimm. Weil ich auch gelernt habe, dass die Partizipation des Bürgers an sich nicht schlecht ist. Ich hatte mir „Gutmenschentum ist das Schlimmste.“ das inkompetenter vorgestellt. Ich will jetzt nicht, dass Möllmann: Nein, nein, nein, nein! Ich glaube auch, dass Herr Bürger anfangen, Klötzchen hin und her zu schieben und Bauwens-Adenauer das anders gemeint hat. Dass er diedie Aufgaben von Fachleuten zu übernehmen – aber bis ses, als Fahne vorweg getragene, außerhalb von jeder Sazu einem gewissen Grad ist es auch befruchtend für das che stehende, immer-Gutmensch-sein meint. Und wenn Projekt, dass eine Beteiligung da ist. Ich habe aus dem Hedas so zum persönlichen Prinzip erkoren ist und nichts lios-Projekt sehr viel über Ehrenfeld gelernt. Vorher kannAltruistisches oder Gesellschaftsfähiges mehr hat, würde te ich den Bezirk hier mittelmäßig gut und jetzt würde ich ich es vielleicht auch so sehen. Aber mit Sicherheit ist das sagen, ich bin schon fast Ehrenfelder geworden. Gutmenschentum nicht das Schlimmste. Sie beide wären nie aufeinander getroffen, wenn es Helios nicht gegeben hätte. Treffen Sie im Alltag auf Menschen, die eher die Perspektive Ihres Gegners einnehmen?

Bauwens-Adenauer als Möllmann: Also, ich jetzt als Herr Möllmann? Das ist nicht die Regel, dass ich auf diese

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Vielen Dank, Herr Möllmann, vielen Dank, Herr Bauwens-Adenauer, für das Gespräch. Es hat sehr viel Spaß gemacht.


> runterkommen Wir haben uns das Ganze mal von oben angesehen. Seite 26–27

Das heißt also, runterkommen, aber hart an der Sache bleiben und jede Auseinandersetzung führen, aber nach Möglichkeit keine persönliche Auseinandersetzung. Bauwens-Adenauer als Möllmann

Vorher kannte ich den Bezirk hier mittelmäßig gut und jetzt würde ich sagen, bin ich schon fast Ehrenfelder geworden. Möllmann als Bauwens-Adenauer



Foto: Florian BrĂźckner

Ich war mal ein Einkaufszentrum


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Die (un)endliche Moschee Text: Jessica Hoppe Fotos: Jörg Dicke, Stefan Flach

05.01.2015

Die Redaktion hat beschlossen, ehrenfelder #3 herauszugeben. Viel Zeit ist vergangen seit der letzten Ausgabe, es hat sich wieder einiges getan im Viertel. An einem der ersten grauen Arbeitstage des Jahres sitzen wir deshalb zusammen und stellen uns die Frage: Was muss rein ins neue Heft? In die noch müde Runde sagt ziemlich schnell jemand: die Moschee. ---- Wir gucken uns an. Die Moschee. Wir blinzeln. Kann das wahr sein? Doch, richtig, es stimmt ja tatsächlich, dass sie immer noch nicht fertig ist, die Bauzäune sehen wir jeden Tag. Irgendwie haben wir nur aufgehört, darüber nachzudenken, wir haben sie in ihrem dauerhaft unfertigen Status als soweit erledigt abgehakt. Doch jetzt wird uns klar, dass die Moschee nach 2010 (ehrenfelder  #1) und 2011 (ehrenfelder #2), dem Jahr, in dem sie eigentlich fertig werden sollte, auch 2015 wieder als Ehrenfelds Unvollendete Thema in unserem Heft sein wird. Wenn es nicht so platt wäre, könnte man sagen: Bei dieser Erkenntnis fallen wir fast vom Glauben ab. >>>

>

Die Älteren werden sich erinnern: Ehrenfeld sollte eine Moschee bekommen, die größte Moschee Deutschlands. Und sie wurde sogar gebaut. Doch aus der feierlichen Eröffnung im Herbst 2011 wurde bis heute immer noch nichts.

Eröffnung Oder sind wir zu ungeduldig? Am Kölner Dom wurde schließlich 632 Jahre gebaut.

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26.08.2015 21.6.2015

In der Zeitung stand zu lesen, dass es nun irgendwie weitergehen soll auf der Baustelle der Moschee. Wir nehmen Kontakt auf und werden prompt eingeladen – zum Nachbarschaftstag im Ramadan, zum gemeinsamen Fastenbrechen mit der muslimischen Gemeinde. Neugierig betreten wir den großen, hellen Konferenzsaal mit den schön gedeckten Tischen. In den bereits genutzten Räumen der Moschee waren wir noch nie. Wie uns geht es auch den meisten Ehrenfeldern, die wir hier treffen. Auch sie seien heute hier, um endlich mal hereinzugucken, erzählen zwei Tischnachbarinnen. OB Jürgen Roters hat die Moschee definitiv schon von innen gesehen, ist aber trotzdem noch mal gekommen – um zu grüßen, zu essen und sich zu freuen, wie er sagt: für die Gemeinde, für die Moschee, für sich ganz persönlich, für ganz Köln. Er bleibt bis nach dem Essen. Da ist es etwa 23.30 Uhr. Wir dürfen zu dieser späten Stunde unverhofft noch einen Blick in die künftige Ladenzeile werfen. Zwei prächtige Holztore sind vor zwei Tagen geliefert und an den Eingängen angebracht worden. Die machen was her. Auch den erhabenen Vorplatz vor der Kuppel dürfen wir im Dunkeln noch besichtigen und ein paar schnelle Fotos machen. Und es sieht auch hier tatsächlich nach Arbeit aus. Flatterband, Geräte, Baumaterial. Nach dem Ramadan, stellt uns Ayse Aydin, die Pressesprecherin der DITIB, in Aussicht, werden die Ladenzeile und vielleicht auch schon der Vorplatz eröffnet und zugänglich sein. Wir sind begeistert: Das wäre ja was!

< Innenausstattung Zu diesem Thema hatten auch wir uns in ehrenfelder #2 (Seite 99–103) schon einmal Gedanken gemacht. Gerne holen wir diese Ideen noch einmal aus der Schublade, sollte Interesse bestehen ...

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Und wirklich – in diesem Sommer sehen wir wieder Bauarbeiter rund um die Moschee, drinnen und draußen. Okay, aus der Teileröffnung ist unmittelbar nach dem Ramadan noch nichts geworden. Aber auf der Baustelle tut sich vieles, verspricht uns Ayse Aydin und empfängt uns zu einer zweiten ausführlichen Ortsbegehung. Wir kommen mit zwei Fotokameras und vielen Fragen. Wie geht es voran? Was macht der Rechtsstreit? Wird die große Kuppel in diesem Leben noch fertig? Eins nach dem anderen. Die Freitreppe werde nun zeitnah fertiggestellt. Wenn dabei keine unerwarteten Probleme auftreten, könnten sie und der Vorplatz schon bald geöffnet sein. Auch in der Ladenzeile im Erdgeschoss sieht es jetzt schon ganz schön fertig aus, ein Laden wird schon inneneingerichtet: Als erste Mieterin wird hier eine Bücherei der DITIB einziehen. Insgesamt soll es eine bunte „Ehrenfelder Mischung“ werden, betont Ayse Aydin, ein belebter, einladender Einkaufsbereich. Ab Ende September soll die Vermietung der Lokale vorangetrieben werden. Wir stellen fest: Es geht an der Moschee schon jetzt sehr viel lebendiger zu, als wir es uns vorgestellt hatten. Viele Büroräume sind bereits genutzt, auf Schritt und Tritt begegnet man hier Mitarbeitern der DITIB. Und auch der temporäre Gebetsraum, erfahren wir, wird sehr rege genutzt: von 450 und mehr Menschen, vor allem zu den Freitags- oder Feiertagsgebeten. Eigentlich ist die Moschee also schon ziemlich in Betrieb – wäre da nicht diese Kuppel, das Herzstück des Bauwerks, das als Opfer des Sachmängelstreits dasteht wie ein großes trauriges Vakuum, ungenutzt und scheinbar ohne Perspektive. Aber doch, auch hier werde die Phase des „Stillstands“ genutzt, um trotzdem in einigen Punkten voranzukommen, erfahren wir. Stichwort: Innenausstattung. Wir dürfen hineingehen in das imposante Bauteil und auch fotografieren. Nur den Baustellenmüll nicht. „Das ist hier keine Mängelführung“, scherzt Aydin süffisant. Wir sind beeindruckt von diesem wunderschönen Raum. Wann hier jemals bis zu 1.200 Menschen beten können, bleibt leider weiterhin ungewiss … >>>


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16.10.2015

Heute ist unser Druckunterlagenschluss. Und wie befürchtet, gehen wir auch in die dritte ehrenfelder-Ausgabe mit einer unfertigen Zentralmoschee. Schade. Aber wer weiß: Vielleicht passiert in den nächsten Monaten doch das Unglaubliche. Eines Morgens, vielleicht ein Dienstag, werden, ganz ohne Ankündigung und ohne Tamtam, plötzlich Zäune weggeräumt und Türen aufgesperrt. Hereinspaziert! Zugegeben erscheint das nach all der Zeit ziemlich utopisch. Aber man darf ja noch Träume haben.

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Utopisch Utopien waren das große Thema in ehrenfelder #2. Wir haben gelernt: Sie essen und trinken nicht, sie tun niemandem weh und es kann helfen, sie zu haben.

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Im Innern wohnen

Interview und Text: Matthias Knopp Fotos: Stefan Flach

Man selbst muss hier nicht wirklich Widerstand leisten.


Kartografisch strenggenommen liegt der im Folgenden beschriebene Ort nicht in Ehrenfeld, aber man sieht ihn von dort aus. Bewegt man sich auf der Venloer von der Ehrenfelder Zentralmoschee stadteinwärts, fällt rechter Hand ein kleines gelbes Mehrfamilienhaus ins Auge, das sich in fast schon absurder Weise zwischen zwei Hochhäuser zwängt – eins zum Wohnen, eins zum Verwalten. Als Betrachter fragt man sich unweigerlich, wie das winzige Haus gegen die Wolkenkratzer an seinen Flanken besteht, und ob die Bewohner viel Widerstand dagegen leisten müssen. Deshalb sprach ehrenfelder mit einem der Bewohner, Yasin S. Yavuz, der im Großen und Ganzen dort erstaunlich wenige Widerstände erlebt.

Das Haus ist wie ein gelber Farbklecks zwischen all dem Grau der Hochhäuser – zumindest der Büroturm ist abends immer bis 23 Uhr bunt beleuchtet.


ehrenfelder: Wenn man hier bei euch vorbeikommt fragt man sich unweigerlich, wie viel Widerstand die Bewohner leisten müssen, um zwischen diesen beiden riesigen Hochhäusern zu leben. Man malt sich das wild-romantisch aus, ganz David gegen Goliath-mäßig. Was war zuerst da, die Hochhäuser oder euer Haus?

Yasin: Unser Haus, das haben meine Eltern vor circa 20 Jahren bei einer offenen Versteigerung der Stadt Köln gekauft. ehrenfelder: Stand das mal zur Diskussion, dass euer Haus weg muss? Yasin: Soweit ich weiß nicht.

Yasin: Mir macht das gar nichts aus, das Leben hier ist sogar sehr angenehm und friedlich. Meine Freunde finden die Lage von unserem Haus sogar ziemlich lustig: Immer wenn sie vorbeifahren sagen sie: „Sieh mal, da wohnt der Yasin“. Das Haus ist für meine Kumpel fast schon zu einer Art Symbol geworden; im Sinne von „zwischen den beiden Hochhäusern, da wohnt der Yasin.“ Den Straßennamen benutzt keiner meiner Freunde, wenn, dann sagen sie „Haus dazwischen“, „bei der Moschee“ oder „beim Fernsehturm“. ehrenfelder: Wer lebt hier alles im Haus?

Yasin: Es gibt insgesamt drei Etagen mit jeweils zwei Wohnungen und das Dachgeschoss; meine Eltern und ich wohnen hier, dann immer relativ viele Studenten, meistens in Wohngemeinschaften, und eine Künstlerin. Momentan sind das fünf Parteien. Das Haus ist ziemlich multikulti, meistens sind das auch eher junge Leute die hier wohnen, und die wechseln natürlich auch häufiger. ehrenfelder: Hast du von hier aus einen Bezug zu Ehrenfeld?

Yasin: Ja klar, jetzt grad war ich auch noch Einkaufen dort, und die Moschee gehört ja auch zu Ehrenfeld. Früher war ich oft zum Fußballspielen auf dem Platz hinter der Moschee, und einmal in der Woche gehe ich zum Beten in die Moschee, und natürlich im Ramadan, dann esse ich dort jeden Tag nach Sonnenuntergang. ehrenfelder: Das Haus liegt auch stadtteilmäßig ‚dazwischen‘, hast du eine bevorzugte Bewegungsrichtung?

Yasin: Das ist in beide Richtungen gleich: Zu Freunden nach Bickendorf fahre ich quer durch Ehrenfeld, wenn ich in die Stadt will, eben genau in die andere Richtung. ehrenfelder: Habt ihr viel mit den Leuten aus dem Wohnhochhaus nebenan zu tun, gucken die oft runter? Euer Haus sitzt ja wie auf dem Präsentierteller. Wenn man hier im Garten steht und den Blick hebt, fühlt es sich fast so an, als würden sich die beiden Hochhäuser über euer Haus und euren Garten wölben bzw. darauf einstürzen.

21-jähriger Bruder Fatih in Köln geboren, studiert am Ubierring Informationswirtschaft und findet Köln tolerant und Ehren-

Yasin: Mich stört das nicht; manchmal schauen die Leute, wenn wir grillen, aber ansonsten gibt es keinen direkten Kontakt. Mein Bruder hat ganz links oben im Wohnhochhaus ein paar Kumpel. Einmal nachts bei einer Party im Wohnhochhaus, da haben Leute Gegenstände in unseren Garten runtergeworfen, so einen Glasaschenbecher zum Beispiel, aber das kommt zum Glück nicht so häufig vor. Einen ganz praktischen Bezug haben meine Eltern, die mieten dort einen Parkplatz.

feld schön, so wie es ist. Er lebt seit seinem sechsten Lebensjahr in der Kreutzerstraße und hat den Entstehungsprozess der neuen Moschee von Anfang an mitverfolgt. Wenn Yasin die Wahl hätte würde er als erstes den Fernsehturm Colonius abreißen (lassen), weil es ihn so sehr ärgert, dass dieser nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

ehrenfelder: Apropos Wölben: Würdest du sagen, dass es hier ein wenig dunkler ist wegen der Hochhäuser links und rechts?

Yasin: Oft verschwindet die Sonne hinter den Hochhäusern, klar, aber wahnsinnig viel dunkler ist es dadurch meiner Meinung nach nicht. Aber unser Garten kriegt durch die Hochhäuser kaum Sonne ab, deshalb wuchert das Unkraut so, und die Erde ist wie Ton. Manche Leute glauben, dass hier immer ein heftiger Wind weht zwischen den Hochhäuser, aber das ist nicht so. ehrenfelder: Wem oder was musst du oder müsst ihr hier Widerstand leisten? Insgesamt hört sich das recht idyllisch an, hier zu leben.

Yasin: Ist es eigentlich auch, unser Garten zum Beispiel, der ist für mich wie eine Oase. Anders als viele Leute annehmen, finde ich es hier ziemlich leise, wenn man auch ab und zu die Sirenen der Krankenwagen hört. Aber daran gewöhnt man sich, die Straße ist ja zum Glück weit genug weg. Außer damals beim WM-Finale, als Deutschland Fußballweltmeister wurde, da zogen stundenlang riesige Horden von Fans an unserem Haus vorbei Richtung Innenstadt; das war krass, die Straße war total zu. ehrenfelder: Das heißt, ihr müsst hier nichts und niemandem Widerstand leisten?

Yasin: Ja, der einzige Widerstand, den wir hier leisten, ist räumlich; und der ergibt sich ja automatisch. Doch, einmal mussten wir uns wehren, als die Glasmüllcontainer vom Wohnhochhaus direkt an unser Haus gebaut werden sollten. Das wollten meine Eltern natürlich nicht und haben sich erfolgreich dagegen zur Wehr gesetzt.

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ehrenfelder: Wie fühlt sich das an mit diesen beiden Ungetümen links und rechts? Wird man da nicht erdrückt?

Yasin S. Yavuz, 25 Jahre alt und wie sein

Mehrfamilienhaus Mehr Fotos gibt es hier zu sehen: www.ehrenfelder.org/ mehrfamilienhaus

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5 000 000 Ohm: eine 5 mit 6 Nullen!

Fig. No. 1 (Theorie) 1 Mahlzeit (M)

Je größer die Wurst, desto kleiner der innere Widerstand. Wie verführerisch, die Wurst, die Du Dir als Mahlzeit mit Brot und Senf  …

Fig. No. 2 (Praxis)

_ 5 Megaohm (M  O)

Ein Wiener Würstchen hat den elektrischen Widerstand von 5 Megaohm (5 000 000 Ohm; eine 5 mit 6 Nullen). Das entspricht ca. 10 000 von den im Heft eingeklebten Widerständen. Wie stark der Widerstand ist? Einfach nachrechnen: www.tinyurl.com/ouwtzco

> Mit Essen mehr erleben:

Text und Grafik: Stefan Flach

www.srsdsgn.com

Collage auf der rechten Seite: Adrian Kasnitz

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Das kaputte Pferd

<

Wie es wurde, was es ist:

Foto: Stefan Flach

www.sebastiankarbowiak.de/?p=501


II.

Wie ich einmal versuchte, meinen inneren Widerstand gegen das Mitmachen zu überwinden

>

Text und Illustration: Nane Weber

Beweisfoto www.ehrenfelder.org/ lachyoga

Im Raum sind etwa 30 Menschen, kein einziger im Als ich vor ein paar Jahren merkte, dass meine Höhenangst mit der Zeit immer stärker geworden war, ging orangefarbenen Gewand (ich weiß auch nicht, wie ich ich ins Agrippabad und sprang vom Siebeneinhalber. darauf kam), sondern ein freundlicher Querschnitt Es fühlte sich davor an wie Sterben und danach wie durch Ehrenfeld, nur mit weniger Hipstern. Bei der ersten Übung stehen wir im Kreis, fassen uns an den ein großer Triumph. Dann fiel mir neulich auf, dass mein Kopf meinen Händen und lassen den Kopf nach unten baumeln. Es Körper ausknockt; vor allem, wenn es darum geht, funktioniert sofort. Alle fangen gleichzeitig an wie einfach mal irgendwo mitzumachen, bewahrt er mich verrückt loszuwiehern, und auch ich will mich wegmeistens davor. Bei einem Konzert würde ich mich schmeißen vor Lachen. Ich fühle mich gleich dafür lieber entleiben als im Takt zu klatschen oder – Gott belohnt, mich überwunden zu haben. Leider hat sich bewahre – laut mitzusingen, und in Tanzlokale gehe das bei der zweiten Übung bereits wieder erledigt: Jetzt sollen wir so tun, als ob wir uns gegenseitig Torich ausschließlich zum Trinken. Was löst diesen Unwillen aus – stelle ich mir etwa ten ins Gesicht klatschen und dabei lachen. Ich mache vor, dass meine sorgsam gehegte Individualität in dem mit – erst einmal mit einem körperlichen Lachen, weil Moment, da ich anfange, mich mit anderen Bäumchen mein Kopf nicht versteht, was daran eigentlich witzig im Wind zu wiegen, mit den Individualitäten um sie sein soll. Ich schaue mir die anderen Teilnehmer an, herum zu einem faden, grauen Brei verkocht? Am die den Anschein erwecken, als hätten sie den Spaß Ende bin ich einfach nur ein Schisser, der sich mit ei- ihres Lebens. Ausgelassen bewegen sie sich durch den nem Fuß auf dem anderen steht und sich um seinen Raum und bilden immer neue Paare, die sich gegenseiAnteil an der Energie bringt, die das Kollektiv freisetzt. tig anlachen und aufputschen und dabei die wildesten Diese Erkenntnis wirft unwillkürlich ein Bild an die Grimassen schneiden. Vor allem einer fällt mir auf; er Wand, auf dem ich als furchtsam aggressive Früh- lacht am lautesten von allen und bewegt sich unendrentnerin zu sehen bin, die beim ersten Anzeichen lich sicher und routiniert auf seinem Terrain. Wäre von Lebensfreude im Stockwerk über sich die Polizei dies hier ein sportlicher Wettbewerb, trüge er sicher anruft. Analog zum Sprung vom Turm, mit dem ich die funktionierendste Funktionskleidung und hätte den Schwindel bezwungen hatte, will ich mich nun die meisten anderen schon abgehängt – Time for Winalso wieder dem Reiz aussetzen, um den Widerstand ners! Im Verlauf der Stunde wird er mich noch einige Male darauf hinweisen, dass bei meiner Performanz ja zu überwinden: An einem Donnerstag Nachmittag komme ich mit wohl noch Luft nach oben sei (siehe Beweisfoto). Den Rest der Zeit, die sich wie Kaugummi zieht, Mareile, die das Beweisfoto macht, ins Bürgerzentrum Ehrenfeld. Rainer, der die Lachyoga-Gruppe leitet, und verbringe ich damit, das zu tun, was ich nicht tun soll: ein paar Teilnehmer sind schon da – ich darf mitmachen Ich versuche, das alles lustig zu finden. Das gemein(darf übrigens jeder). Lachyoga ist eine Mischung aus same Lachen stärkt bestimmt die Gruppe, wer sich Atem- und Bewegungsübung und fußt auf der Erkennt- allerdings noch nicht als Teil von ihr fühlt, ist richtig nis, dass Lachen gesund ist, und zwar nicht nur dann, draußen. Jetzt ist mir irgendwie zum Heulen. wenn man etwas lustig findet, sondern auch, wenn das Lachen rein körperlich und willkürlich hervorgerufen ist. Man lacht zunächst einfach, um zu lachen, und daraus soll ein ‚echtes‘ Lachen erwachsen, mit dem man dann gar nicht mehr aufhören kann („Fake it till you make it“). Das Lachen soll entspannen und entkrampTime for Winners fen und als Reflexbewegung die Aufmerksamkeit weg Siehe ehrenfelder #2, Seite 48! vom Körper lenken. Super Idee.

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Gerade – Ungerade Kann ein Wohnhaus widerständig sein? Herkules-Hochhaus, rund tausend Bewohner, Concierge-Dienst, hunderte Briefkästen, vier Fahrstühle, 30 Stockwerke zum Wohnen, im 31. ein Schwimmbad. Wo droht da Widerstand? Text: Klaus-Ulrich Pech Fotos: Rosanna d’Ortona

1 Grundlagen

Ich wohnte rund sieben Jahre im Herkules-Hochhaus, zu Beginn des neuen Jahrtausends, fast ganz oben, knapp hundert Meter hoch, Blickrichtung Westsüdwest. Wie macht sich diese Höhe beim Wohnen bemerkbar? Beim Sehen – weit, fern, von oben herab – auch im übertragenen Sinn. Seltsamerweise verschieben sich die Proportionen: die Ferne kommt näher, aber die Weite wird nicht enger. Beim Hören – Da gilt der Merksatz: Man hört so weit wie man sieht. Also: Autoverkehr Autobahnanfang Autobahnende Ringverkehr Querverkehr Ehrenfeldverkehr, alles ohne Pause Tag und Nacht. Immer irgendwo ein Martinhorn.

Güterzug, mit scheppernden Metallplatten beladen, rechts, von Rotterdam, um das Hochhaus herum, das Sirren des Thalys, Bremsenquietschen eines Regionalzugs im Ehrenfelder Bahnhof, der gleiche Güterzug, mit scheppernden Metallplatten beladen, nun links, nach Oberitalien, Rock und Pop aus dem Fußballstadion, Glockenläuten, Schreie Rufe von nahen Sportplätzen, ferne Echos von Junggesellenabschieden, sommerliches Privatfeuerwerk in der Südstadt (übrigens, wie alle Feuerwerke von oben betrachtet: lächerlich), Sommerfeste der Schrebergärtner, laute Beziehungskonflikte auf mehreren der Balkons, zu hunderten einseh-, einhörbar, der nächste Güterzug, der nächste Unfall, der nächste Abschied. >>>

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Die Höhe beim Wetter – das Wetter äußert sich in knapp hundert Metern Höhe deutlich markanter, gar drastischer als unten. Einmal, an einem Wintermorgen, hatte ich nach dem Aufstehen das große Fenster weit zum Lüften geöffnet. Draußen ein standardgrauer, nichtssagender, regloser Himmel. Ich ging ins Bad. Als ich nach zehn Minuten das Bad verließ und auf die Zimmertür zuging, hörte ich schon ein hollywoodeskes Pfeifen und Jaulen des Windes durch die Türritzen. Ich öffnete die Tür: mein Zimmer eine blendend weiße Schneelandschaft inmitten eines tobenden Schneesturms. Schneeflocken prasselten, stochen auf meinen nackten Körper. Eben noch im warmen, ruhigen, sanften Bad, mußte ich jetzt mit nackten Füßen mich durch den Blizzard, halbblind, zum Fenster vorkämpfen und es gegen den harten Winddruck schließen. Ich sprang in den trockenen, frühlingshaften Flur zurück und blickte dann in mein Zimmer. Alles war von einer dichten Schneedecke überzogen, Tisch Stühle Bett Schreibtisch Rechner, kleine Schneewächten hinter den Tisch-, den Stuhlbeinen, hinter dem Kopfkissen. Also nochmals: draußen ist es weit, draußen ist es laut, draußen ist viel Wetter. Doch drinnen, im Haus, da ist es ruhig. Sehr ruhig. Still.

2 Musik

Wo sind die Menschen, die hier wohnen, fragte ich mich anfangs immer? Drunten, beim Eingang, da herrschte zumeist ein reges Kommen und Gehen, Briefkastenöffnen, Müll wegbringen, Concierge befragen, auf einen Fahrstuhl warten. Doch fahre ich hoch, steige aus, blicke in den langen Flur links und rechts, trete zum Weggehen in den langen Flur mit den vielen Türen, blicke links und rechts, warte, lausche – nichts. Kein Mensch zu sehen. Kein Mensch zu hören. Ich nahm zunächst an, das sei Zufall, das liege nur an meinem Stockwerk. Also begann ich, andere Stockwerke zu besuchen, weiter nach unten zu gehen. Doch überall dasselbe: nichts. Stille, Verlassenheit, Todesstille. Endlich, sechs oder sieben Stockwerke unter mir, ein Lebenszeichen! Vor einer Tür steht eine Plastiktüte mit Müll, eine Tüte voller Zeichen gegenwärtigen Lebens. Zufrieden gehe ich wieder hoch. Interessehalber besuche ich am nächsten Tag nochmals diesen Flur: die Mülltüte steht noch da. Auch am übernächsten Tag, auch in der nächsten Woche. So gegenwärtig kann das Leben hinter dieser Tür nicht sein. Wo also sind die Menschen? Dann, eines Nachts,

gegen vier Uhr, wache ich auf, nein, werde aus dem Schlaf katapultiert durch mächtige, kraftvolle („fette“, „krasse“) TechnoBässe, so laut, als ständen die Boxen in meiner Wohnung. Der Nachbar, denke ich, ich habe also tatsächlich einen Nachbarn. Ich ziehe mich an und gehe in den Flur. Ich lausche an der Tür links von mir: kein Techno ist zu hören. Ich lausche an der Tür rechts von mir: auch dahinter ist alles still. Die Musik kommt wohl von oben. Also ein Stockwerk höher, wofür ich, da die Fahrstühle nur jeden zweiten Stock halten – unten muß man nach den geraden und den ungeraden Stockwerken den entsprechenden Fahrstuhl wählen – hinaus ins Freie muß zum Nottreppenhaus, gleich wieder umbrandet vom Stadtlärm. Die Wohnung, die Wohnungen über mir: Stille. Nur in der Ferne nach wie vor die Technobässe. Nächste Option: eine der Wohnungen unter mir. Doch auch dort: Stille hinter den Wohnungstüren, unverändert die Musik in den Mauern. Ich fuhr zwei Stockwerke nach oben: nichts. Ich fuhr zwei Stockwerke nach unten: nichts. Ich lief um vier Uhr nachts durch die langen leeren Flure, lauschte an Wohnungstüren, wechselte immer weiter die Stockwerke, hatte schließlich keinen Überblick mehr, in welchem ich gerade war, denn ein Flur sah aus wie der andere. Der Ehrgeiz, die Neugierde hatten mich gepackt. Ich gab meine Suche in dem menschenleeren TausendMenschen-Hochhaus nicht auf. Und ich wurde belohnt! Als ich einen weiteren Flur drei oder fünf oder sechs Stockwerke unter mir betrat, hörte ich es schon an der Erweiterung des Frequenzspektrums: hier mußte es sein. Und tatsächlich. Ich identifizierte die Wohnung, ich läutete, naja, vergebens, klar, ich klopfte, ich hämmerte gegen die Tür, ich wollte mich gar nicht beschweren, ich wollte nur endlich mal einen Menschen hier antreffen, ich rummste gegen die Tür, nur einmal, wenigstens einmal ein Beispiel eines Mitbewohners, ich … da ging die Tür auf, eine junge Frau, oh, störe ich, Entschuldigung, mach ich sofort leiser, Tür zu. Ja, Tür zu. Musik aus. Stille.

3 Schwimmbad

Sie sitzen in einem Flugzeug, eng beieinander. Sie stehen etwas umständlich, fast akrobatisch auf, gehen den schmalen Gang entlang, schieben sich an einem entgegenkommenden Passagier, an einer Flugbegleiterin, am Tomatensaftwägelchen vorbei, stehen vor dem schmalen Toilettentürchen, öffnen es – und vor Ihnen erstreckt sich eine weite Halle, eine große Wasser>>>

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fläche, surreal, traumähnlich. So erging es mir beim ersten Mal, so erging es mir immer wieder, wenn ich in den 31. Stock fuhr, einen schmalen Betongang entlangging und dann die Tür zum Schwimmbad öffnete. Hundert Meter hoch, hunderte von Wohnungen, tausend Menschen unter einem, und dann ein weiter Raum, gekachelt, alles gekachelt vom Schwimmbecken bis zur Decke, eine klassisch geschwungene Chromtreppe am Beckenrand, Chlorgeruch, in der Ferne das Siebengebirge und die Voreifel, eine unermeßlich wirkende Wasserfläche, Wassermassen über all diesen Wohnungen. Ein Luxus, ein Schwimmparadies – doch kein Mensch ist im Wasser, keiner krault sein Morgenpensum, keiner plätschert zur Erholung nach durchzechter Nacht, keiner trainiert für ein Sportabzeichen. Niemand im Wasser, niemand am Beckenrand, kein Handtuch, um einen Platz zu reservieren, keine Badetasche, kein Wasserball. Leer, menschenleer. Nur die Ecken der Halle und das blitzblanke Treppchen und das Wasser und der Geruch. Sorgfältig gekachelte und wohltemperierte Leere.

4 Menschenkugel

Doch dann, eines Abends, Poltern und Rufen, Lachen und Schreien vor meiner Wohnungstür. Menschen! Und anscheinend mehrere sogleich! Ich öffnete, ohne lange nachzudenken, ohne Scham wegen meiner Neugierde die Tür und blickte auf eine Menschenkugel. Eine Menschenkugel, die langsam an meiner Tür vorbei den Gang entlangrollte, kurz zurück, dann wieder weiter, mal seitwärts, dann voran. Ja, eine Kugel aus Leibern, aus Armen, Beinen, Köpfen, ein halbes Dutzend Männer, korpulente Männer, ineinander verkeilt, manche kopfstehend, andere quer liegend, dicht ineinander verhakt, voller Lebensübermut, von scharfem Alkoholdunst umgeben, in einer osteuropäischen Sprache rufend und brüllend und kichernd und prustend. Eine Menschenkugel, eine Männerkugel. Doch mittendrin eine Frau, eine bis auf einen blinkenden Hüftschmuck nackte Frau, jung und schlank und biegsam, bestimmt eine Trapezkünstlerin oder eine Kunstreiterin, denn wohin auch die Männerkugel rollte, die Frau hielt sich immer inmitten der Männerleiber und Arme und Füße aufrecht, ja, es schien sogar, als ob sie die Kugel steuere. Doch sie war gar nicht nackt, im Gegenteil, sie war von Fuß bis zum Hals in ein fleischfarbenes Trikot gehüllt. Sie schaute auf mich, wohlwollend über meine Verblüffung lächelnd. Dann

war die Menschenkugel am Ende des Ganges angekommen, sie rollte, wie auch immer sie das schaffte, in eine Wohnung hinein, die Tür schloß sich, und wieder herrschte Stille. Ich hätte beinahe an eine Sinnestäuschung geglaubt, hinge nicht der Alkoholdunst noch im Gang – oder kam der Geruch aus dem stillgelegten Müllschlucker? Da öffnete sich plötzlich nochmals jene Tür am Ende des Ganges, ein Mann, wohl einer der Menschenkugelmänner, denn seine Kleidung war noch recht derangiert, kam, leicht schwankend auf mich zu und drückte mir ein kleines Holzboot mit einem Stoffsegel in die Hand und eine dicke feste Fettschicht mit ledriger Haut auf der einen, mit Fleischresten auf der anderen Seite – eine Speckschwarte, dachte ich, obwohl ich noch nie eine Speckschwarte gesehen hatte. „Zum Feiern, zur Erinnerung“, sagte der Mann ernsthaft, so verstand ich damals, so bildete ich mir vielleicht auch nur ein, drehte sich um und verschwand wieder in jener Wohnung. Ich ging in meine hinein, legte das ominöse Fettstück in die Spüle, betrachtete mir das kleine, anscheinend selbstgebaute Boot, das einen Namen in kyrillischen Buchstaben trug. Waren das Geschenke? Endlich etwas befremdlich unbeholfene, aber ersehnte Menschenzeichen? Ich sah eine Weile auf das Segelboot. Dann ging ich hoch in den 31. Stock, betrat das wie immer leere Schwimmbad und setzte das Boot auf das Wasser. Kaum merklich trieb es vom Beckenrand fort. Ich sah auf das Wasser, auf seine weite Oberfläche, und auf einmal erkannte ich kleine Wellenmuster auf der Wasseroberfläche, ganz fein, kaum erkennbar, die sich nach irgendeinem Rhythmus bildeten und ausbreiteten und wieder neu bildeten. Kreise und Quadrate und seltsame geometrische Figuren, immer in feiner rhythmischer Bewegung auf der Wasseroberfläche. Wellenmuster. Chladnische Klangfiguren. Töne fürs Auge.

Epilog

Keine Chance auf Anonymität in diesem Haus. Denn zu ihr braucht man, so paradox es klingen mag, andere Menschen. Erst in der gewollten oder gefürchteten Unbekanntheit und Distanz, erst im Desinteresse von ihnen oder gegenüber ihnen entsteht Anonymität. Hier aber fehlten die Menschen, hier war nur Leere, war nur nichts.

> Chladnien

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Breaking Down Lang, Christine & Dreher, Christoph (2015): Breaking Down Breaking Bad. Dramaturgie und Ă„sthetik einer Fernsehserie. Paderborn: Wilhelm Fink

> konkrete Szene www.tinyurl.com/l2df5us (ab 01:07)

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Say my Name


Mit dem Rad fahre ich an einem Wochentag im April die Vogelsanger Straße vom Ehrenfeldgürtel aus gesehen stadteinwärts, am Fröbelplatz fällt mein Blick auf das gesprühte Konterfei DES Protagonisten der US-amerikanischen Fernsehserie Breaking Bad, untertitelt mit „Say my Name“. Diese Faszination am Bösen wirft die Frage auf, welche Widerstände, innere und andere, in der Serie wirken und mitreißen und warum man diesem Entzücken in Ehrenfeld Ausdruck verleiht. Text und Foto: Matthias Knopp

[…] Dealer (lacht): „Who the hell are you? Heisenberg (langsam, betont deutlich): You know. We all know exactly who I am. Say my name. Dealer: Do what? I don … I don’t have a damn clue who the hell are you. Heisenberg: Yeah you do. I’m the cook. I’m the man who killed Gus Fring. Dealer: Bullshit. Cartel killed Fring. Heisenberg (leise): Are you sure? (Lange Pause) That’s right. Now say my name. Dealer (kaum hörbar): Heisenberg. Heisenberg (zwischen den Zähnen hervorpressend): You are god damn right.

Breaking bad – Verlauf und chronische Entwicklung des ‚Bösewerdens‘ – auch: ‚Sichdem-Bösen-zuwenden‘ oder ‚raise to hell‘ – in die Hölle recken – kann man als Zuschauer durchaus unterhaltsam und plausibel nachempfinden, wie uns die höchst erfolgreiche Fernsehserie zeigt: „Der middleclass-Chemielehrer Walter White benötigt aufgrund seiner Krebserkrankung Geld, will er seine medizinische Behandlung ermöglichen und die Versorgung seiner Familie nach seinem absehbaren Ableben sichern. Durch bestimmte Umstände kommt er auf die Idee, ins Drogengeschäft, genauer gesagt in die Herstellung von Methamphetaminen (Crystal Meth) einzusteigen. Durch die Krebserkrankung des Protagonisten wird eine Handlung in Gang gebracht, die als größter dramaturgischer Bogen die Serie umspannt. Walter White wird kriminell, und es ist die Frage, ob er entdeckt und bestraft wird oder nicht. Darunter subsumieren sich viele kleinere dramaturgische Bögen, die mal in einer Folge, mal über mehrere Folgen und mal über eine Staffel hinweg erzählt werden“ (Lang/Dreher 2015: 36f). Hier argumentieren die Drehbuchautoren um Vince Gilligan durchaus erklärlich für die innere Wendung eines bis dato unbescholtenen Chemielehrers, der vermehrt in (s)einer moralischen Ambivalenz versinkt. War bislang der innere Widerstand von Walter White (aka W. W., aka Heisenberg) zu groß, um

moralisch fünfe gerade sein zu lassen – oder bestand bislang einfach keine Notwendigkeit dazu –, so wird in der Serie das Moment des Bösewerdens zerdehnt und ausgekostet: „Es sind nachvollziehbare Motive, die Walter dazu bringen, ins Drogengeschäft einzusteigen. Eine logische Kette wird aufgebaut, die Walters Motive zunächst altruistisch erscheinen lassen“ (Lang/Dreher 2015: 56). In dieser vermeintlich logischen Kette handelt W. W. aber moralisch zunehmend fragwürdig. Nebenbei wohnen der Legitimierung der Handlungen von Walt drei zentrale US-amerikanische, ideologische Mythen inne: Der stolze unabhängige Mann, der keine Almosen braucht, der zum Millionär gewordene Tellerwäscher sowie das Wohl der Familie, das es um jeden Preis zu erhalten gilt (vgl. ebd.). Hier geht es also um das Innere, das den USamerikanischen Traum zusammenhält. Das Moment des Bösewerdens ist letztlich als Zentrifugalkraft über die gesamte Serienlaufzeit hinweg wirksam, konzertiert aus vielen kleinen Nadelstichen in den Moraltank hinein: von Walts heimlichem Kurzschließen der Autobatterie des unendlich selbstzufriedenen, dauertelefonierenden Erfolgsproleten (im Ergebnis: dem Abfackeln von dessen Cabriolet), über die ‚Geburt‘ Heisenbergs, bis hin zum angedrohten Tod Gretchens und Elliott Schwartz‘. Treibkraft ist das infernale ‚Nothing to lose‘, das als autarker und Auswege entziehender Faktor immer schwergewichtiger wird und zunehmend zum rasant beschleunigten Zeitlupenexzess in alle Richtungen führt. In diesem Sinne ist der innere Widerstand als innerliche moralische Instanz zu begreifen, die uns vom Ärgsten abhält, – uns vor einem Zustand bewahrt, in dem jegliche Regeln, Ordnungen, soziale Normen, Gewissen, Maximen und kategorische Imperative fehlen oder zumindest zeitweilig außer Kraft gesetzt sind (Anomie). Und wir wissen und sehen in der Entfaltung der Serie, dass all dies keineswegs binär ist, sondern dass vielfältige und farbenprächtige Schattierungen bestehen: Man kann ein bisschen böse werden, manchmal. Dieses in Ehrenfeld am Fröbelplatz auf den Stromkasten gesprühte Konterfei Heisenbergs verweist in seiner Text-Bild-Verknüpfung nun über die allgemeine Serienreferenz hinaus auf eine konkrete Szene, in der der innere Widerstand einer Person gebrochen wird; in der sich das laute, offensichtlich Böse dem stillen, tiefgreifenden Bösen beugt.

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Ganz normale Menschen Fotos: Anja Schlamann

Anja Schlamann fotografiert für ehrenfelder  #3 Menschen, denen es auf unterschiedliche Weise gelingt, durch ihren Umgang mit inneren oder äußeren Widerständen positive Reibung und Energie zu erzeugen. Z.B. durch einem Dokumentarfilm, als Gärtner eines eigenwilligen Bunkergartens, …

Marinos, Guerillakoch, Seite 54 Rainer Kiel, Bunkergärtner, Seite 56 Günter Wallraff, Enthüller, Seite 57 Martin Schmittseifer, Beschäftigungsförderer, Seite 58

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Dietrich Schubert, Filmemacher, Seite 59

Menschen Nicht wundern, nur Typen. Reiner Zufall. Alle Geschlechter gibt’s hier zu sehen: www.ehrenfelder.org/menschen

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„Die sticht nicht, die will nur sammeln“


Manche Menschen macht schon eine einzige Biene nervös. Andere leben freiwillig mit tausenden von ihnen dicht an dicht. Text: Jessica Hoppe Fotos: Stefan Flach

Stadtimkern ist angesagt. Auch Ehrenfeld summt. Eigentlich nur folgerichtig: Denn wo urban gegärtnert, geerntet und gebraut wird, darf gern auch der Honig aus dem Veedel stammen, von Bienen, die man kennt. Und so bevölkern sie immer öfter mitten in der Stadt Schrebergärten, Dachterrassen und sogar Balkone. Weil Bienen hier ein reiches Nahrungsangebot finden, vor den Pestiziden der Landwirtschaft sicher sind und ihr Honig zudem von Abgasen und Feinstaub offenbar unbelastet bleibt, zählt der größte Kölner Imkerverein inzwischen rund 200 aktive Mitglieder im Stadtgebiet, 18 davon im Bezirk Ehrenfeld. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Bienenbasics auf der Brache Auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs an der Vogelsanger Straße herrscht reges Treiben; vor allem donnerstags. Dann treffen sich abends um sechs Bieneninteressierte und Neuimker, um die Bienenvölker des Lernbienenstands „Just Bee“ zu studieren. Immer dabei: Imker-Vater Peter Mann. Er begleitet das Projekt mit Rat und Tat, seit es 2012 am Obst-

hain Grüner Weg startete – damals mit einem Bienenvolk. Heute sind es fünf Völker, und jedes von ihnen brachte im vergangenen Jahr eine Ernte von 70 kg ein. Ein gutes Bienenjahr war das, im Gegensatz zu 2015. Der Honig der Lernbienen wird vor Ort und auf Straßenfesten verkauft, der Erlös fließt in die weitere Arbeit. Doch nicht nur der Honig ist Thema bei den wöchentlichen Treffen. Die Anwesenden treiben Fragen um wie: Wie geht es Königin und Brut, haben die Bienen ausreichend Nahrung, sind sie gesund oder droht Unheil durch die gefährliche Varroa-Milbe? Um solche Fragen zu klären, muss der Stock schon mal geöffnet werden – und spätestens jetzt schlüpft auch der erfahrene Imker in einen der astronautenartigen Anzüge, die vor Bienenstichen schützen. Doch ab und zu, das lernt man hier schnell, kriegt jeder einen Stich ab. Halb so wild. Alles in allem herrschen hier auf der Brache perfekte Bedingungen für Bienen und Bienenfreunde. Noch. Denn weil auf dem Gelände an der Bahnstrecke nun Wohnprojekte realisiert werden sollen, bekam Just Bee Anfang des Jahres Post. Und ist jetzt auf der Suche nach einer neuen Heimat innerhalb der Stadtgrenzen. >>>

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Bienenstich Stefan Flach musste beim Fotografieren selbst aus nächster Nähe in seinem Inneren keinen nennenswerten Widerstand überwinden. Die Kollegin blieb lieber auf Distanz. Wer wurde gestochen?

Honig aus bester Lage Wir fliegen weiter, Richtung Colonius. Hier, zwischen Subbelrather Straße und Innerer Kanalstraße, mit Blick auf das bunte Herkules­ Hochhaus, imkert Christiane Martin in ihrem Schrebergarten. Zusammen mit Partner Hawe und Tochter Luise kümmert sie sich um vier Bienenvölker, die hier den „Ehrenfelder Honig“ sammeln. 300 Kilo waren es im letzten Jahr, 150 Kilo in diesem. Jedes der vier Völker ist im Sommer 50 000 Bienen stark. Im Winter bleiben nur 5 000 übrig. Unvorstellbar, dass der Garten eine solche Masse an Bienen beherbergt. Doch guckt man etwas genauer in den hinteren Teil, in dem vier großformatige Kisten stehen, merkt man, dass eigentlich überall etwas summt, krabbelt oder fliegt. Vor vier Jahren hat Christiane Martin, die Geographie und Botanik studiert hat, die Bienen für sich entdeckt und erst einmal beim Lernbienenstand mitgeimkert. Mit der Unter-

stützung eines erfahrenen Imkers und ihrer Familie machte sie sich im Jahr darauf dann selber ans Werk. Dass es ein sehr intensives Hobby werden würde, sei ihr klar gewesen, erzählt sie. Vor allem das Honigernten und -schleudern kostet viel Zeit und ist körperlich anstrengend. „Doch dass man sich ständig Gedanken über die Bienen macht, hatte ich nicht erwartet. Jedes Volk ist anders und jedes Jahr ist anders. Man lernt irgendwie nie aus.“ Zumindest um die Konfektionierung und Etikettierung der Honiggläser muss sie sich nun nicht mehr kümmern. Das übernimmt ihr Partner Hawe. Zu den Bienen selbst hält er inzwischen Abstand – für seinen Geschmack wurde er ein paar Mal zu oft gestochen. Apropos Stiche: Was sagt denn die Schrebergartenkolonie zu so vielen Bienen in der direkten Nachbarschaft? „Hier und da hat es am Anfang Bedenken gegeben, aber inzwischen hat sich das alles beruhigt.“ Nicht von ungefähr wandert ein Teil vom leckeren „Ehrenfelder Honig“ gleich hier über den Gartenzaun.

Christiane Martin beherbergt im Sommer über 200 000 Bienen.

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III.

Wie ich einmal versuchte, meinen inneren Widerstand gegen ekliges Essen zu überwinden

Text und Illustration: Nane Weber

Dieser Text wird nicht so gut, weil ich ihn ganz schnell schreiben muss. Ich muss ihn deshalb so schnell schreiben, weil mir schlecht ist und mir immer schlechter wird, je mehr ich über das Thema nachdenke. Vor vielen Jahren sah ich eine Folge Jackass, in der ein verrückter Mann erst alle Zutaten für ein Omelett einzeln aß, dann die Masse in eine heiße Pfanne erbrach und schließlich das fertige Gericht verspeiste. Am anderen Ende dieser Skala gibt es Menschen, die sich vor Bananen ekeln. Ich bin keines dieser Extreme, und doch gibt es bestimmte Lebensmittel, gegen die ich mich sträube, ohne sie je probiert zu haben. Dazu gehören Innereien in jedweder Form. Wenn es bereits ethisch fragwürdig ist, wie ich überhaupt Fleisch zu essen, ist es noch viel fragwürdiger, das Filet zu essen und den Rest wegzuschmeißen. Ich erinnere mich an Situationen in meiner Kindheit, in denen ich meinen Abscheu gegen Oliven oder extrem reifen Käse überwand. Heute gehören beide zu meiner persönlichen Auffassung von einem gelungenen Leben. Ich entscheide, dass ich jetzt alt genug bin, die letzten Vorurteile dieser Art in meinem Kopf zu überwinden. Hoffentlich wird mir die Pansensuppe, die ich zu diesem Zweck heute probieren werde, ebenfalls eine Bereicherung bringen. Dunja begleitet mich zu dem türkischen Restaurant, in dem ich mittags schon oft Linsensuppe oder den Klassiker, der übersetzt „Der Imam fiel in Ohnmacht“ heißt, gegessen habe. Pansensuppe ist in der Türkei so beliebt wie in Köln Reibekuchen. Sie besteht hauptsächlich aus dem Vormagen von Wiederkäuern, der zunächst gereinigt und von Talg befreit und dann sehr lange in Salzwasser gekocht wird. Ihre cremige Konsistenz erhält sie durch eine Mischung aus Mehlschwitze und Eigelb, die Würze durch Knoblauch und Zitrone. Als die Suppe vor mir steht, bin ich überrascht, wie viel Fleisch sie enthält. Alle Komponenten haben dieselbe fahlweiße Farbe. Der Geruch ist ungewohnt und undefinier-

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bar und verheißt mir, dass das nichts ist, was ich normalerweise mag. Ich nehme den ersten Löffel und versuche mich zu konzentrieren, damit ich darüber berichten kann. Aber ich vermag nicht zu sagen, wonach es schmeckt. Der Geschmack hat überhaupt keine Ecken oder Spitzen, so wie die Röstaromen an Gegrilltem oder die Bitternis hinter der Frische an einem Radieschen. Das Essen erinnert mich einfach nur daran, dass es aus dem Inneren eines Tieres kommt. Es schmeckt tierisch und innerlich. So schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt. Am meisten macht mir die Konsistenz des Fleischs zu schaffen – sie ähnelt der von in Wasser eingelegten Gummibärchen. Der zweite Löffel scheint im Mund immer mehr zu werden; beim dritten muss ich den Versuch abbr

… und bitte! Dieses und andere Experimente online ansehen: www.tinyurl.com/p6dn2lf

Alle Komponenten Wer traut sich?


joghurt 0,5 l

wasser 0,5 l

Knoblauch 6 Zehen

mischen

butter 2 EL

Puliber 2 TL

anschwitz

en pansen 400 g

0,1 l

ablöschen

rühren

Mehl 2 EL

pfeffer Schwarz

Türkische pansensu p #graphic

alcookin

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Foto und Gestaltung á la graphical cooking: Stefan Flach

zum kochen bringen

Das Auge isst mit! Mit freundlicher Genehmigung von Johannes Ippen, der einige Rezepte grafisch eingekocht hat: www.graphicalcooking.com

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< bitterer Ernst

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Das ergaben zum Beispiel unsere Recherchen für das Magazin Choices, Ausgabe November 2011, Beitrag Mülheim 2020.

Bürgerinitiative

Eingaben

Ein Beispiel: die Tempo 30-Initiative Mülheimer Freiheit/Deutz-Mülheimer Straße. Erste Eingabe im März 2013, erste Verkehrsverengungen im Oktober 2015.

Eine Bürgereingabe kann jeder machen. Zur Behandlung der Eingaben an den Rat der Stadt Köln gibt es einen eigenen Ausschuss für Anregungen und Beschwerden. Anliegen können an ihn direkt oder an die zuständige Bezirksvertretung gesendet wenden.

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Die Geisterräder Text: Prasanna Oommen Fotos: Stefan Flach, Olaf Hirschberg

Urbane Mahnmale in Köln

Eine Fahrradfahrerin ist tot. Ein Fahrradfahrer ist tot.

In der Kölner Stadtverwaltung bearbeiten Sachbearbeiter die verkehrstechnischen Belange von Stadtteilen, in denen sie teilweise noch nie waren. Das ist leider kein Gerede, sondern bitterer Ernst. Für gemeinsame Ortsbegehungen hinWiderstand Widerstand Widerstand Wisichtlich der Verbesserung der Sicherheit gefährdeter VerWiderstand Widerstand Widerstand Widerstand derstand Widerstand Widerstand Widerkehrsteilnehmer, müssen die Bürgerinnen und Bürger die Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand stand Widerstand Widerstand Wider stand entsprechende Eingaben machen, einen langen Atem und Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand einen gewissen Hang zur ehrenamtlichen Selbstausbeutung In Köln stehen weiße Fahrräder an Orten, die von vieler mitbringen. Beispiel: Dass Tempo 30-Schilder in der Nähe Art Blumen geziert werden. Hübsche Teile, diese weißen Rä- von Kitas, Grundschulen und Seniorenresidenzen wenig bis der. Ästhetisch veredeln die Geisterräder, mitsamt der Blu- gar nichts bringen, wenn die führende Tageszeitung Kölns men, schmucklose Straßen. Faktisch symbolisieren sie das parallel genau jene Straßen offiziell als alternative Umgenackte Grauen. Sie sind Mahnmale. Ausdruck von grenzen- hungsstraßen ausruft (KStA, 28./29.6.2014), führt alle anloser Trauer über einen Tod, der sinnloser nicht sein könnte: geblichen Sicherheitsmaßnahmen ad absurdum. Denn mit dieser freundlichen Empfehlung wird jeder Schutzbefohlene Als radfahrendes Opfer eines illegalen Autorennens. Ortsfremden (zugegebenermaßen wichtige Wirtschaftsfaktoren einer wachsenden Großstadt) und ihren – als ‚KavaWiderstand Widerstand Widerstand Widerstand Wistand Wider stand Wider Wider stand stand Wider Wider stand Widerstand Wiliersdelikte‘ gehandelten – Geschwindigkeitsübertretungen Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Wider stand Wider dersta stand Wider Wider ndnd stand dersta Wider stand Widerzum Fraß vorgeworfen. Eine kleinere Bürgerinitiative in Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand stand Wider stand Wider stand stand Wider Wider stand stand Wider stand Wider stand Köln braucht in der Regel bis zu drei Jahre ehrenamtliches Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand stand Wider Wider stand stand Wider Wider stand Engagement, um allenfalls Teilerfolge zu erzielen. Während Widerstand Widerstand dieser Zeit müssen Verkehrsopfer wohl einkalkuliert werden. Heißt das, dass Kollateralschäden in einer Kommune mit prekärer Haushaltslage und dementsprechend überlasEine Fahrradfahrerin ist tot. teter Verwaltung unvermeidbar sind? Wie soll man es deuEin Fahrradfahrer ist tot. ten, dass ein Raser/Drängler nicht empfindlich lange seinen Führerschein verliert, auch wenn er/sie noch keinen MenSie waren 19 und 26. schen getötet hat? stand Wider Wi Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand nd sta derstand Wider Wi nd sta derstand Wi Wider stand Wi nd Wi Wider stand Wider dersta Wider stand Wi stand Wider WiWider standWistand Wider Wider stand stand WiWider stand Wider stand Wider der stand Wi Wider nd -Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand der Wi Widerstand dersta Wi nd nd sta nd Wi sta der der Wi dersta Wi nd Wi nd sta nd sta der sta Wider der Wi stand der Wi nd Wider nd sta dersta stand sta der nd Wider der Wider nd Wi Wider stand dersta stand Widerstand Widerstand standWiderstand Wider Wider - nd Widerstand ndWider -- derstand Wider Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand sta Wider der stand Wi nd nd sta der dersta sta der Wi der Wi nd Wi nd sta nd sta der sta der Wi der Wi nd Wi nd sta stand nd sta der Wider sta der Wi stand Wi nd Wider stand nd sta stand Wider sta der Wider Wider stand Wider stand stand Wider stand Wider standWider Wider stand standWider Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand stand stand stand stand Wider stand derstand Wi nd derstand Widerstand nd Wi sta der ndsta der Wi sta Wi nd der sta stand Wi Wider der nd Wider stand Wi sta stand Wider Wider stand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand stand Widerstand standWider Widerstand Wider >>> Widerstand Widerstand

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Eine Fahrradfahrerin ist tot. Ein Fahrradfahrer ist tot. Sie waren 19 und 26.

nachhaltige Wirkung aus. Es irritiert ungemein inmitten der politischen, gesellschaftlichen und medialen Raserei. Unvergessen ist beispielsweise die Revolution der iranischen Studenten, die 2009 ihre Solidarität mit der Opposition einfach friedlich mit grünen Armbändern und Überfahren von Autofahrern, die es nicht Schals demonstrierten. Auf einmal war die Farbe grün da und kurz darauf schauten wir bewundernd zu, wie die etwa eilig hatten, sondern einfach nur Fußballspieler der iranischen Nationalmannschaft mit spielten – mit Autos und mit Leben. dem Tragen dieser Armbänder übermenschlichen Mut bewiesen, ohne ein einziges verbales oder schriftliches stand Wider Wi nd sta Statement abzugeben. Unvergessen ist auch Duran Adam, Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand der Wi nd sta Wider stand Wi Wider stand Wider Wider stand stand Wider Wider stand Wider stand WiderWi nd sta der Mann, der 2013 einfach dastand, auf dem TaksimWiderstand Widerstand Widerstand Widerstand der Wi nd sta der Wi nd sta Wider stand der Wider dersta stand nd Wider Wider nd stand dersta Wider stand Wider -Wind sta Platz in Istanbul, und stundenlang das Porträt von Atatürk Widerstandstand Widerstand Widerstand Widerstand der Wi nd stand sta Wider der stand Wi Wider nd stand sta Wider der Wi Wi stand nd der sta sta Widerstand Widerstand Widerstand Wind Wider stand Wi stand Wider der Wider stand sta stand Wider nd stand WiWider Wider der stand stand Wi anschaute und dadurch – sowie seine unzähligen WiWiderstand Widerstand Widerstand Widerstand Wider stand Wider Widerstand stand der Wider nd Wi dersta nd sta der der sta Wi nd derstand Widerstand Widerstand Wi stand Wider der Wider stand sta stand Wider nd Wider stand WiderstaWiderstand Widerstand Widerstand Widerstand nd Wi der Wider W stand Wider id Wider stand derstandes Nachahmer – in Istanbul, Ankara, New York stand erst Wider Wider sta stand stand nd Wider Wian Wi der Wider dW sta stand nd sta idstand Wi nd der er Wi stand Widerstand Widerstand Widerstand sta der st nd sta an Wi-sta nd dW Wi und vielen anderen Städten zur Ikone des individuellen Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand der sta id nd er Wi der st an d dersta Wi- ndde nd Wider rs der stand sta Wider tand nd stand Wider Wi stand der Wider W stand sta id Wider nd Wi erst Wi der der sta sta ansta Widerstand Widerstand nd nd Wi dWiderstand Widerstandes gegen die Gewaltherrschaft des Kollektivs Widerstand Widerstand Widerstand Wi der der W iderstand Widnd stand Wider er an stand stast Wider nd dW stand Wi Wider der id stand sta er Wi stnd der an sta wurde. Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand nd dW Wi derstand iderstand W iderstand Wider W stand Wider id Wi stand der er sta stnd an Wi der dW Vielleicht klingt der Vergleich hoch gegriffen. Und doch: Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand sta nd id erstand Es geht um den Widerstand in einer Situation, in der uns Die Geisterräder sind vom ADFC Köln für getötete Rad- die Hände gebunden zu sein scheinen. Eine Situation, in fahrer in Köln eingeführt worden. Sie sind Ausdruck einer der sich die städtebaulich Verantwortlichen in Köln zu urbanen Ohnmacht. Die Geisterräder klagen die Dumm- lange und zuviel Ignoranz geleistet haben. Das bedeutet heit und Ignoranz der vielen Beteiligten an dem Sterben in der todbringenden Konsequenz: Radfahrer haben am der Radfahrer an, ohne laut zu werden. Sie stehen einfach wenigsten Platz und Fußgänger müssen sich einfach dada. Dieses Dastehen hat uns zu diesem Beitrag bewegt. mit abfinden, dass Autofahrer am längeren Hebel sitzen, Denn in unserer lauten, sich um sich selbst drehenden, wenn es um Leben und Tod geht. Fast jeder Kölner kennt Gesellschaft, löst das Dastehen zuweilen eine äußerst diese Realität.

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Eine Fahrradfahrerin ist tot. Ein Fahrradfahrer ist tot. Sie waren 19 und 26. Überfahren von Autofahrern, die es nicht etwa eilig hatten, sondern einfach nur spielten – mit Autos und mit Leben. Sie beide waren chancenlos. nd Widersta nd Wi dersta Wi nd sta Wider stand Wi Wider stand Wider Wider stand stand Wider Wider stand Wider stand WiderWi nd Widerstand Widerstand Widerstand dersta Wi ndWiderstand dersta Wi nd sta Wider stand der Wider dersta stand nd Wider Wider nd stand dersta Wider stand Wider -Wind Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand dersta nd Wi stand sta Wider der stand Wider nd Wi stand sta Wider der Wi Wi stand nd der Wider sta sta stand Widerstand Widerstand Widerstand Wind Wider stand Wi stand Wider der Wider stand sta stand Wider nd stand Wi Wider der stand sta nd Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Wi WiderWiderstand stand stand der Wider nd Wi dersta nd sta der der sta Wi nd derstand Widerstand Widerstand WiderWi stand nd WiWider der Wider sta stand sta stand der Wider nd Wider Wi stand Wi nd der sta Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand sta der nd Wi Wi nd der sta Wi-der stand Wi Wider Wider W stand stand Wider Wider id Wi stand Wider stand stand der er Wider stand Wider Wider sta stand Wider stand st stand nd Wider Wi Wider Wian Wi stand ndWi stand der Wider sta d Wista stand W der nd Wi sta id Wi nd nd der er sta Wi stand Widerstand Widerstand Widerstand der sta der der st nd Wi sta an nd Wi nd nd sta sta d Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Wi Wider W der der stand Wi Wi sta nd id Wider nd sta stand er Wider Wi Wider der stand der st Wi stand Wider sta an nd Wider stand sta Wider Wider d stand der dersta stand Wder de Wider nd WiWider dersta i- nd stand rs der stand nd Wider Wider sta Wider tand stand nd dersta -- nd stand nd Wider Wi stand Wider der stand Wider Wi W Wider stand sta nd id Wider nd sta Wi er der Wi der Wi der st sta nd sta an Widerstand Widerstand sta nd sta nd Widerstand Widerstand Widerstand Widerstand Wi der der dW Wi der Wi Wi der Wind nd -sta stand idder sta sta Wider nd Wider erstand stand der stand Wi Wider st Wider nd dersta stand stand an sta nd Wider Wider nd der dWider stand dersta Wi Wi Wder stand Wider nd der Wider id sta stand sta stand Widerstand Widerstand Widerstand Wist Wider Wider er nd Wider -Wistand an stand Wi sta stand - 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Und es werden noch mehr werden.

Nachtrag: Am 14. April 2015 fuhr unser Redaktionsmitglied Prasanna Oommen ca. 20 Sekunden vor dem tödlichen Unfall der 19-jährigen Radfahrerin auf dem Auenweg zwischen Deutz und Mülheim an zwei jungen Männern vorbei, den mutmaßlichen Verursachern des Unfalls. Hier sind ihre Gedanken zu den Geschehnissen: Zwei ,dicke schwarze Karren‘ rasen an mir vorbei, sie veranstalten anscheinend ein illegales Autorennen. Ich habe panische Angst, weil ich in meinem deutlich kleineren Smart ziemlich scharf ausweichen muss. Fahre mit hohem Puls weiter und rufe nicht die Polizei, weil ich keine Freisprechanlage habe und denke, dass die ja sowieso wieder keiner erwischt. Außerdem wartet die Babysitterin zu Hause auf mich. Am nächsten Tag erfahre ich von dem Unfall und wenig später vom sinnlosen Tod dieser jungen Frau, die ich anscheinend vorher noch überholt haben muss. Sie fuhr mit dem Fahrrad von der Uni nach Hause und trug einen Helm. Tödlich falsche Zeit, tödlich falscher Ort. Ich spüre, dass die Wut regelrecht körperlich in mir aufsteigt: Das waren sie, die Fahrer der ,dicken Karren‘, die mich abgedrängt hatten. Ich habe einem von ihnen kurz vorher in die – ,völlig vom Spiel gefesselten‘ – Augen geschaut. Was reitet diese Menschen, die mit Leben spielen, bitteschön? Was fehlt ihnen? Anscheinend eine Menge. Aber trotz aller kläglicher Erklärungsversuche des Unbegreiflichen ist die junge Frau tot. Ihr und ihren Angehörigen nutzen Erklärungsversuche nichts. Ist es wirklich so, dass ungenügende gesellschaftliche, berufliche oder andere fehlende Anerkennung der Täter im Jahre 2015 in einem innerstädtischen Autorennen münden muss?

Zunächst mache ich meine Zeugenaussage und führe resignierte Gespräche über das Nichthandeln der VerkehrsamtBürokraten, den Lobbyisten der Automobilindustrie und so weiter und so fort. Zwei Monate später stirbt wieder ein radfahrender Student in Köln. Plötzlich wird der Auenweg, auf dem vor zwei Monaten die Studentin starb, in einer Nachtund Nebelaktion verkehrsberuhigt. Nach zwei Monaten und nach einem zweiten Toten. Ein Opfer war scheinbar noch nicht genug gewesen. Warum braucht der Mensch so viele Schleifen, obwohl das Richtige meist schon sehr früh feststeht? Ich beschließe, widerständig im Rahmen meiner Möglichkeiten zu werden. Dem bisher reinen inneren Widerstand einen Weg nach außen zu verschaffen. Die Endlosrunden anderer kann ich nicht verhindern, aber ich werde nicht länger zusehen und mitmachen. Ab sofort werde ich Kennzeichenspezialistin. Telefonnummern muss man sich ja nicht mehr merken, aber Kennzeichen. Kein Raser, Drängler und Aggressor ist mehr sicher vor mir. Mein innerer Widerstand zwingt mich dazu. Sicher nicht, weil ich zuviel Zeit habe. Sondern weil ich die mangelnde Priorisierung auf kommunaler Ebene, wo Verwaltung und Politik zuviel über Zuständigkeiten streiten und in Seelenruhe zu zahnlosen, bewegungsunfähigen Tigern werden, statt das Wohlergehen ihrer Bürger im Blick zu haben, schlichtweg satt habe. Kommt nicht eine städtebauliche Neubewertung von übersehenen Gefahrenzonen, Angsträumen und Fehlplanungen hinsichtlich der Verkehrssicherheit einer sich wandelnden Gesellschaft schon viel zu lange zu kurz? Die leisen Geisterräder mit ihrer nachhallenden Traurigkeit mahnen uns alle. Danke, ADFC Köln.

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ADFC Köln Der ADFC Köln und Umgebung e.V. betreibt als Interessenverband die konsequente Förderung des Fahrradverkehrs und arbeitet mit allen Vereinen, Organisationen und Institutionen zusammen, die sich für mehr Sicherheit und Umweltschutz im Verkehr einsetzen.

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Was widerstand Text und Foto: Matthias Knopp


Mitte?

Die räumlichen Verhältnisse in Ehrenfeld sind, kaum überraschend, weitgehend gleich geblieben. Neu: In einem ungleichen Scharmützel sollen Fahrräder nun den Automobilen auf der Venloer Straße Paroli bieten. Karneval?

Zwar mittlerweile ohne Glas auf der Zülpicher Straße, in Ehrenfeld aber insgesamt kein „Humor-Update“ (N. W.), sowohl die Hunnenhorde als auch die Ihrefelder Zigeuner marschieren weiterhin an Fastelovend durchs Veedel.

Widerstand lässt sich auch auffassen als Gegenkraft, die Moschee? Steht, wird zum Beten genutzt, ist aber auch nicht wirklich fertig, seit Neuesmöglicherweise dazu führt, tem wieder eingerüstet. dass etwas zwischen zwei Leuchtturm? Noch immer der Öffentlichkeit nicht zugänglich und ohne AussichtsplattZeitpunkten fortbesteht, formrestauration – die Tauben müssen es gut haben dort. obwohl darauf Kräfte wirken, Ecke Venloer Straße/Gürtel (Powercorner Big E)? Weiterhin kein Piccadilly Circus in Sicht; aber Kaltgetränke, Matratzen, die unter Umständen eine Burger und Döner hat die Kreuzung wie gehabt in petto. Veränderung herbeiführen Häusermuster? Langsam aber sicher weichen die Fliesenfassaden den Neubauten. könnten. So kann ein altes Ehrenfelds Grenzen? Haus dem Verfall widerstehen Keine uns bekannten Verschiebungen oder Eingemeindungen; aber rein subjektiv verschiebt sich das hippe Zentrum hin zur Peripherie. oder ein Kind (nicht) den Brachfläche Alter Güterbahnhof? Verlockungen des Eisverkäufers. Die Baumaschinen scharren mit den Hufen, der solitäre Eisenbahnwagon verschwand bereits vor drei Jahren nach einem Brand. Wir haben geschaut und Barthonia-Forum/4711-Haus? resümieren, welche Themen Widersteht der Sonne weiterhin in bezauberndem Orange, die Jung-Designer-Subventionen hat die Stadt eingestellt. aus ehrenfelder #1 und #2 wie Utopien? widerstanden, oder eben nicht. Ehrenfeld liegt noch immer nicht am Meer. Da hatten wir uns, offen gesagt, mehr erwartet. Außer der auf dem Helios-Gelände ist alles in allem wenig Utopisches in Sicht. Not in our Name? Ehrenfeld wird gefühlt weiter gentrifiziert, wenn auch weniger darüber geredet wird. Helios-Gelände?

Klingt schmerzhaft, ist aber so im September 2015: im Herzen ausgeweidet. Das Shoppingcenter/die Arkade E bleiben Ehrenfeld gottlob erspart. Der Helikopter

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wurde ausgetauscht, um wenige Meter verräumt (von der neuen KITA aus mag man nicht auf einen ausgedienten Apocalypse Now-Militärhubschrauber schauen), und hatte scheinbar einen Gastauftritt beim unsäglichen Germany’s Next Topmodel.

ehrenfelder #1

Die Schafe

sind bis auf eins verschwunden, stattdessen finden sich überall gestickerte spitzzähnige Dellenkopfmonster.

gibt’s endlich digital und gratis: www.issuu.com/ehrenfelder/docs/ef_1

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Die Redaktion

Stefan Flach Diplom–Designer. Lebt in Köln-Sylts, arbeitet in Ehrenfeld. Gestaltet, fotografiert und denkt für ehrenfelder. www.filter-design.de

Prasanna Oommen PR-Journalistin, Autorin, Sprecherin. Lebt in Köln-Mülheim, arbeitet in Ehrenfeld. Schreibt und denkt für ehrenfelder. www.oommenhoppe.de

Matthias Knopp ist weiterhin angewandter Sprachwissenschaftler, lebt und arbeitet zunehmend innerstädtisch, denkt und schreibt wie gehabt für ehrenfelder und die Linguistik. www.designorama.de

Jessica Hoppe

Foto: Stefan Flach

Texterin. Lebt in Köln-Mülheim, arbeitet in Ehrenfeld. Schreibt und denkt für ehrenfelder. www.oommenhoppe.de


Autoren, Fotografen und Illustratoren Florian Brückner

Klaus-Ulrich Pech

ist selbständiger Kameramann, probiert im Moment Köln-Sülz aus und studiert seit drei Semestern an der KHM, damit mal was aus Ihm wird! www.florianbrueckner.de

Literatur- und Kulturwissenschaftler. Lebt jetzt in einem Bungalow im Bergischen Land.

Jörg Dicke

Anja Schlamann

wurde ausgebildet und sozialisiert in Köln, Wiesbaden und Frankfurt und lebt in Ehrenfeld. Er arbeitet heute als freiberuflicher Fotograf. www.joerg-dicke.de

ist Fotografin, lehrt Fotografie, stellt ihre Fotografien aus und macht Bücher mit ihren Fotografien. www.schlamann.com

Rosanna d’Ortona

Jule und Matthias Steffen

ohne Titel, Mitglied Fotoraum Köln eV, Ausstellungsmacherin & Projektmitarbeit im Bereich Kunst & Inklusion (Kunsthaus Kat18, Ohrenkuss, Neuland)

sind gemeinsam kikkerbillen - Büro für Gestaltung. kikkerbillen findet visuelle Lösungen für experimentelle Arbeiten und kommerzielle Projekte. www.kikkerbillen.de

Olaf Hirschberg

Katrin Wälz

ist Fotograf und Filmemacher. Er lebt und arbeitet in Köln-Mülheim. www.olafhirschberg.de

Katrin Wälz, geboren in Ulm. Sie unterrichtet Tai Chi, macht Musik, und schreibt unermüdlich. Sie lebt in Köln. www.the-real-hot.com

Peter Hoffmann

Nane Weber

Peter Hoffmann ist Illustrator und Designer. Er lebt mitten in Köln und zeichnet jeden Tag. www.glashaus-design.com

hat zwar Kommunikationsdesign studiert, könnte sich aber auch vorstellen, in die Ameisenforschung zu gehen. www.blickheben.de

Adrian Kasnitz

Bernd Wilberg

geb. ab der Ostsee, aufgewachsen in den westfälischen Bergen, lebt in Köln. Er schreibt Lyrik und Prosa, zuletzt erschienen von ihm ‚Kalendarium #1‘ und ‚Sag Bonjour aus Prinzip‘ (beides Lyrik) sowie der Roman ‚Wodka und Oliven‘. adriankasnitz.wordpress.com

ist geboren in Porz – jetzt Köln. Er arbeitet als Journalist und ist Politikredakteur des Monatsmagazins StadtRevue, wo er unter anderem für die Ressorts Stadtplanung und Stadtentwicklung zuständig ist.

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Foto: Matthias Knopp Störung: Stefan Flach

… und tschüss!


25.10.2011 | 17.15 Uhr | Kachina

Viel Spaß noch – habt Euch alle lieb – der letzte macht das Licht aus. eure KACHINA – 10 Jahre Ehrenfeld sind genug!

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Ich habe die Schnauze so voll von dem ganzen Schmutz, Lärm, Müll, Schmierereien, Gedrängel, Gebettel, tatütata, überfahrene Radfahrer und Schulkinder, Ratten, Kakerlaken und Gejammer, dass ich so schnell es irgend geht aus dem „tollen“ Ehrenfeld abhauen werde. Meine Fresse – was für ein Scheiß – dann ist endlich Ruhe und Platz gemacht für noch mehr so selbstverliebte Spinner, Multikultis, Burka- Turban- und Sandalenträger, Glatzen, Punx und am aller fiesesten: megatolerante Jasager.

Licht aus www.tinyurl.com/nlkhw4k

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IMPRESSUM *Diesem Beispiel für inneren Widerstand – wir leugnen es nicht: Wir haben den Begriff im allerweitesten Sinne genutzt – stehen viele andere zur Seite (s. Editorial, Seite 4–5), von Mitstreiter/innen, die die Widerstände gegen Thema, Zeit und Sachzwänge überwanden und bei ehrenfelder #3 mitmachten, ohne dafür – genauso wie wir – monetär entlohnt zu werden. Obwohl sie großteils von ihrem kreativen Schaffen leben. Wie zuletzt gilt: Ohne sie alle gäbe es ehrenfelder #3 nicht. Danke! In ehrenfelder #3 drucken wir Artikel, Fotos, Collagen, Comics und Illustrationen ab, deren Urheber Kapazitäten auf ihrem jeweiligen Gebiet sind. Dennoch gibt das Abgedruckte nicht immer unsere Meinung wider. Neben aller Prüfung und allem Lektorat (verbleibende Fehler sind von der Redaktion zu verantworten) haben wir insbesondere formale Änderungen vorgenommen. Die ehrenfelder #3-Redaktion. CHEFREDAKTION Jessica Hoppe, Matthias Knopp, Prasanna Oommen-Hirschberg KREATIVDIREKTION Stefan Flach Gastautoren Adrian Kasnitz, Klaus-Ulrich Pech, Katrin Wälz, Nane Weber, Bernd Wilberg FOTOS Florian Brückner, Jörg Dicke, Rosanna d’Ortona, Stefan Flach, Olaf Hirschberg, Matthias Knopp, Anja Schlamann ILLUSTRATIONEN/Grafik/COMIC Peter Hoffmann, Adrian Kasnitz, Jule und Matthias Steffen, Nane Weber LEKTORAT Reiner Hoppe, Susanne Knopp, Daniel Quade, Nane Weber

DANKE! allen oben genannten sowie Interviewpartnern, Musen, Fotomodellen etc.; allen, die sich Zeit für uns und unsere Autoren genommen haben und uns im Entstehungsprozess mit ihren Ideen, ihrer Zeit, Ihrer Musik, ihren Schöpfungen und ihren Orten bereichert haben, im Besonderen: Ateliergemeinschaft Mülheimer Freiheit 126, Ayse Aydin, Paul Bauwens-Adenauer, Oliver Bedorf, Marion Berens, Dunja Brang, Florian Brückner, Mareile Busse, Deichkind, €URO-ELIT Möbel, Marco Fietzek, Ali Gharib, „Harald, Susanne & geil“, Olaf Hirschberg, Ich & Chopin, Johannes Ippen, Just Bee Ehrenfelder Lernbienenstand, Katharina Köhler, Christiane Martin, Hawe Möllmann, Daniel Scheuch, Martin Sinken, Tanja Steffen, Yasin S. Yavuz, Thor Zimmerman VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT ehrenfelder, Vogelsanger Straße 193, 50825 Köln, info@ehrenfelder.org Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Vervielfältigung dürfen nur nach schriftlicher Zustimmung der Herausgeber erfolgen. Alle Rechte vorbehalten. www.ehrenfelder.org

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Eine Taube pickt innerhalb einer bepflanzten Baumscheibe draußen auf der Venloer Straße nach einer Zigarettenkippe. Sie tut dies mit großem Eifer und ohne Unterlass, so dass lediglich eine unscharfe Fotografie ihres Kopfes gelingen kann. In vielen Betrachtern erregen Tauben Ekel, Widerwillen, Abwehr, Widerstand; auf dem Cover von ehrenfelder #3 womöglich dreifach: Neben der Taube an sich (1) durch das permanente Fressen-wollen, das heißt Picken als Ausdruck von Fressgier (2), sowie durch das Picken nach einem Zigarettenstummel, etwas Ekelerregendem und nicht Genießbarem, das heißt Picken als Ausdruck von Dummheit (3). Dabei ist die Population der Taube in weiten Teilen Ergebnis der Zivilisation: Ohne unsere Städte und unsere Abfälle gäbe es dieses eine Exemplar eventuell gar nicht. Auch nicht in KölnEhrenfeld. Irgendwie schizophren, aber eben darum auch vielleicht besonders interessant.*

Foto: Matthias Knopp

HERAUSGEBER ehrenfelder


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Foto: Matthias Knopp

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