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Im Trend: Quartiersentwicklungen

Westfield Hamburg-Überseequartier Fotocredit: Unibail-Rodamco-Westfield | E. Breuninger GmbH & Co. Visualisierung: moka-studio

IM TREND: QUARTIERSENTWICKLUNGEN – KRITERIEN ZUM ERFOLG

Quartiersentwicklungen sind u.a. ein Investors Darling fürs Portfolio von Institutionellen. Auch bei vielen anderen Beteiligten der Branche erfreuen sich z.B. Mixed-Use-Quartier wachsender Beliebtheit. Doch was macht die Quartiere wirklich erfolgreich?

Der globale Immobiliendienstleister CBRE hat die Erfolgsfaktoren von Quartieren untersucht und in einem Report zusammengefasst. In Zusammenarbeit mit der European Business School wurden fünf Kategorien entwickelt, mit denen die wirtschaftliche, die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit von Quartieren abgebildet werden können. Zusätzlich unterstützt wurde dies nit einer Umfrage von 108 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Lehre, öffentlicher Hand und Bürgervertretern.

Das Ergebnis sind die fünf Kategorien:

- Urban Needs / Urban Mix, - Infrastruktur, - Identität, - Konnektivität und - Built Environment, aus denen wiederum 25 einzelne Erfolgsfaktoren für urbane Quartiere abgeleitet wurden.

„Der Quartiersbegriff ist von vielen unterschiedlichen Perspektiven geprägt. Klar ist nur, dass der Erfolg von Quartieren nicht nur für Projektentwickler und Investoren, sondern langfristig vor allem für Städte und Gemeinden und deren Bevölkerung von entscheidender Bedeutung ist. Unser Ziel ist es deswegen, alle Akteure dabei zu unterstützen, Quartiere langfristig erfolgreich zu entwickeln und zu betreiben“, sagt Prof. Dr. Alexander von Erdély, CEO von CBRE in Deutschland. Seit einigen Jahren ist das Interesse institutioneller Investoren stark gestiegen, großvolumige, gemischt genutzte Quartiersentwicklungen in ihr Portfolio aufzunehmen. 2019 flossen etwa neun Mrd. Euro in Quartiere und Quartiersentwicklungen, acht Mal so viel wie noch 2013. Und selbst im Pandemiejahr 2020 war das Volumen für Quartiersinvestitionen mit mehr als fünf Mrd. Euro überdurchschnittlich. „Trotz eines Rückgangs des Transaktionsvolumens im Pandemiejahr ist damit zu rechnen, dass durch multifunktionale Durchmischung von Quartieren und steigende Anforderungen an eine Risikodiversifikation Quartiere weiterhin stark nachgefragt werden“, sagt Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland.

Der Report verdeutlicht aber auch, dass der Quartiersbegriff von vielen Akteuren derzeit mehr als Vermarktungsbegriff verstanden wird. Eine allgemeingültige inhaltliche Abgrenzung fand bis dato nicht statt. „Quartiere sind grundsätzlich multidimensional zu verstehen. Sie sollten funktional in den umliegenden Stadtraum integriert sein und ihre einzelnen Bestandteile müssen miteinander verknüpft sein. Dabei trägt ein breiter und vielfältiger Nutzungsmix wesentlich zum Erfolg eines Quartiers bei“, so Jirka Stachen, Team Leader Research bei CBRE.

Kategorie Urban Needs / Urban Mix

Ein Quartier definiert sich über seine Funktionalität und den Nutzungsmix. „Unterschiedliche Nutzungen in meh-

reren oder einzelnen Gebäuden, die eng miteinander verwoben sind und sich gegenseitig unterstützende Funktionen bieten, sind essenziell für den langfristigen Erfolg eines Quartiers“, sagt Stachen. Synergien zwischen den Nutzergruppen sorgen für Resilienz gegenüber ökonomischen und gesellschaftlichen Trends. Der Nutzungsmix ist auch als Funktionsergänzung im städtischen Raum zu sehen. Dabei müssen alle Nutzerbedürfnisse eines Quartiers berücksichtigt werden, kommerzielle ebenso wie soziale. Aufenthaltsqualität fungiert als Erfolgsindikator und wird durch begrünte Flächen, den Zugang für die Öffentlichkeit und vor allem durch den Nutzungsmix mit 24/7-Nutzung mit der damit einhergehenden Belebung des Quartiers gewährleistet. Das Sicherheitsgefühl der Nutzer sollte bei der Konzeption von Aufenthaltsorten innerhalb des Quartiers ebenfalls im Fokus stehen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, den passenden Nutzungsmix für die spezifische Situation des Quartiers zu entwickeln, „One-size-fits-all“-Konzepte greifen hierbei regelmäßig zu kurz.

Kategorie Infrastruktur

Neben dem Nutzungsmix bestimmt die Erreichbarkeit die Akzeptanz im Stadtgefüge eines Quartiers. „Infrastrukturen dienen insbesondere zur Verbindung des Quartiers mit dem Stadtgefüge“, sagt Linsin. Ausgebaute Straßenverläufe, gut erreichbarer und ausgebauter ÖPNV, Parkmöglichkeiten für alle Fahrzeugtypen sowie das Angebot von Shared Mobility sind maßgebliche Erfolgskriterien. Kurze Wege innerhalb des Quartiers mit entsprechendem Fußgänger- und Radwegenetz mit Anbindung an die angrenzenden Stadträume sind essenziell. Dabei geht es nicht nur um die schnellstmögliche verkehrliche Vernetzung, beispielsweise im Rahmen einer 15Minuten-Stadt, sondern vor allem auch um Verkehrsvermeidung. Lokale Angebote, zum Beispiel ein Lebensmittelgeschäft oder soziale Einrichtungen für Kinder und ältere Menschen, können dazu beitragen, dass zusätzliche Fahrten vermieden werden.

Kategorie Identität

Eine wahrnehmbare und vor allem positiv besetzte Identität eines Quartiers führt dazu, dass sich Nutzer mit ihrer Umgebung und dem Layout der gebauten Umwelt identifizieren, sich langfristig im Quartier einbringen, dieses beleben und es letztendlich annehmen. „Die Identifikation mit einem Quartier trägt maßgeblich dazu bei, dass sich Nutzer und Bewohner wohlfühlen“, sagt Stachen.

Neu errichtete Quartiere stehen vor der Herausforderung, innerhalb kürzester Zeit einen Charakter zu entwickeln. Sie müssen nach außen die Distanz zur Umgebung reduzieren, nach innen die Interaktion zwischen den Nutzern erhöhen und eine eigene Identität entwickeln. Eine offen gestaltete, die Häuser eines Quartiers verbindende Architektursprache, der öffentliche Zugang unterschiedlicher Interessengruppen und eine individuelle, städtebauliche Gestaltung unterstützen bei der Identitätsbildung.

Kategorie Konnektivität

Neben der attraktiven und nutzerorientierten baulichen Struktur ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Interessengruppen in der Planung essenziell. Dazu gehören Partizipationsprozesse während der Planung, ein nutzerorientiertes Quartiersmanagement und auch die aktive Vernetzung der Nutzer, Bewohner sowie der Öffentlichkeit. Die klassischen Beteiligungsverfahren in der städtebaulichen Planung können durch eine Community-App oder soziale Medien ergänzt werden. „Bei der Aufrechterhaltung der anhaltenden Attraktivität des Quartiers muss ein Quartiersmanagement eine aktive

Rolle spielen“, sagt Linsin. Ein solches ist nicht nur für den Immobilienbetrieb wichtig, sondern sichert u. a. durch identitätsstiftende Aktivitäten und Veranstaltungen, durch Unterstützung der sozialen Interaktion oder die Präsentation des Quartiers in sozialen Netzwerken die (inter-)aktive Kommunikation mit allen Akteuren im Quartier über diverse Kanäle – offline und online – ab.

Kategorie Built Environment

Das Image und die Identität eines Quartiers werden maßgeblich durch die bauliche Struktur positiv beeinflusst. Auch das Design, die Anordnung der Gebäude und Freiflächen sowie die Flexibilität des Quartierlayouts sind grundlegend für das Interesse der Nutzer, in einem Quartier zu wohnen und/oder zu arbeiten. Für das Erleben einer (Quartiers-)Gemeinschaft sind Außenräume vorzuhalten, die eine hohe Aufenthaltsqualität aufweisen und als identitätsstiftendes Element das Erleben des Quartiers aus städtebaulicher Sicht unterstützen. Dabei gilt: Je zentraler das Quartier, desto dichter die Bebauung. Dieses Erlebnis kann heute durch zukunftweisende Technik im Bereich Smart Building unterstützt werden und hat daher immer mehr Relevanz für Investoren. „Städtebau, Architektur, Design und eine nachhaltige Konzeption tragen entscheidend zur Akzeptanz eines Quartiers bei Nutzern und Bewohnern bei“, fasst Stachen zusammen.

Fazit

„Die dem Quartiersreport zugrunde liegenden Untersuchungen haben bewiesen, dass langfristig und nachhaltig erfolgreiche Quartiere komplexer Natur sind. Sie bedürfen wesentlich mehr als die kleinteilige Beimischung zusätzlicher Nutzungsarten zu einer sonst monofunktionalen und beliebig austauschbaren städtebaulichen Baumaßnahme – deren weitere Entwicklung nach Fertigstellung gar sich selbst überlassen wird“, resümiert von Erdély. Vielmehr gilt es, einen vielfältigen Nutzungsmix, eine vernetzte Infrastruktur, eine eigene Identität, ein nutzerspezifisches Quartiersmanagement zur Förderung der sozialen Interaktion und eine das alles unterstützende städtebauliche Struktur sinnvoll und wirtschaftlich miteinander in Einklang zu bringen. „Das ist eine ebenso spannende wie überaus herausfordernde Aufgabe für die stark fragmentierte Immobilienwirtschaft“, sagt von Erdély.

I/D Cologne. © Art-Invest OSMAB Projekt GmbH

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