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IM SCHATTEN DER BURG

Im Norden Istriens, unweit der kroatisch-slowenischen Grenze liegt ein kleines malerisches Dorf nahe einer alten Ruine.

278 Menschen leben hier. Es ist still, und trotzdem ist Einiges in Bewegung. Was hier gerade entsteht, ist ein kulinarischer Hotspot, in der sonst recht verschlafenen Gegend.

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234. Eine Jahreszahl, die wir uns im Geschichtsunterricht oft gewünscht hätten. Nicht wegen der Zahl an sich. Einfach, weil sie leicht zu merken ist. So, wie »333 –vor Issos Keilerei.« Das haben sich sogar die Deppen gemerkt. Jedenfalls wurde im Jahr 1234 die Burg von Momjan gebaut. Auf einem Felsen nahe der slowenisch-kroatischen Grenze. Unterhalb der Burg verlief eine der ältesten Straßen Istriens. So alt, dass sie bereits von den Römern saniert werden musste. Ein Meilenstein auf dieser Straße wurde auf das Jahr 1 nach Christus datiert. Die Burg selbst erlebte wilde Zeiten während der Völkerwanderung, wechselte irgendwann im 16. Jahrhundert für 5500 Goldmünzen den Besitzer und ist heute ein markantes Wahrzeichen der Region. Heute ragt über dem Tal des Flusses Dragonja nur noch einer der ursprünglich vier Türme. Ein stattlicher und stummer Zeitzeuge eines reichen historischen Erbes von Istriens Norden.

Momjan Und Der Wein

Wein wurde rund um Momjan schon (fast) immer angebaut. Die besagten Römer nutzten bereits die besagte Straße, um mit Wein aus Mom- jan die Märkte in Rom, Triest und Istrien zu versorgen. Heute ist Istrien ein spannendes Weinland, in dem viel in Bewegung und viel zu entdecken ist. Die mit einigem Abstand wichtigste Rebsorte der Halbinsel ist der Malvasier. Genauer gesagt, der Malvazija Istriana. Obwohl es – vor allem in Italien – gezählte 58 Varianten der Malvasia-Traube gibt, ist Malvazija Istriana sicher eine der spannendsten. Vor allem deshalb, weil es eine Rebsorte ist, bei der sich die Geister scheiden. Sie kann zu Weinen führen, die blitzsauber und technisch brillant gemacht werden. Die Weine riechen dann intensiv nach

Sommer, exotischen Früchten. Im Idealfall sind das Weine mit Substanz und Struktur, die mit ihrer noblen Gelbfruchtigkeit und Eleganz schon beinahe burgundische Anklänge haben. Einer dieser Weine kommt aus Momjan, vom Weingut Kozlovic´. Das Weingut, es liegt in Valle, genau gegenüber der historischen Burg Momjan, wurde 1904 gegründet und wird heute von Antonella und Gianfranco Kozlovic´ bereits in der vierten Generation geführt. Es ist natürlich nicht mehr dasselbe wie vor 120 Jahren. Es befindet sich einerseits gerade in der Umstellungsphase zur Biozertifizierung. Andererseits fügen sich ein modernes Hauptgebäude und ein Keller als architektonische Ikonen trotz ihres modernen Stils harmonisch in die pittoreske Landschaft ein. Der Architekt des Weinguts, Zeljko Buric ist nicht einfach nur einer der angesagtesten Designer Kroatiens. Er ist auch ein guter Freund von Gianfranco Kozlovic´ und gleitet oft an dessen Seite mit dem Bike über die Hügel Istriens.

Die Weine von Kozlovic´ folgen einer kristallklaren Linie. Er gilt seit den frühen 90ern als einer der Pioniere der kroatischen Qualitätswein-Offensive. Klasse statt Masse sozusagen. Heute baut Kozlovic´ sowohl in den etwa 5 Hektar rund um das Weingut in Valle in der Top-Lage Santa Lucia (in Buje) neben den autochthonen istrischen Rebsorten Malvazija Istriana, Momjanski Muskat und Teran auch Sauvignon Blanc, Cabernet Sauvignon und Merlot an und produziert daraus etwa 200.000 Flaschen pro Jahr. Die Weine werden ganz klassisch in Stahltanks, großen Holzfässern und in kleinen Barriques ausgebaut. Mit dem Stil freakiger Natural Wines kann Kozlovic´ nichts anfangen. Auch wenn Leute wie Giorgio Clai oder Mladen Rožanic´ mit ihren wuchtigen Experimenten in – zumindest einem Teil der Weinwelt – Furore machen. Gianfranco Kozlovic´s Weg ist ein anderer.

Der erwähnte Weingarten in Santa Lucia geht auf das Jahr 1961 zurück, und in guten Jahren wachsen hier die Trauben für den besten Wein aus dem Hause Kozlovic´. Santa Lucia Malvazija. Perfekt gereiftes Erntematerial, 18 Monate im Stahltank ausgebaut, dann noch 6 Monate im kleinen Holzfass. Das gibt dem Wein die Substanz und den Charakter, die für einen großen Wein mit langem Lager- und Entwicklungspotenzial notwendig sind. Das sehen auch KritikerInnen und JurorInnen internationaler Bewerbe so. Bei Vinistra 2022 wurde der Malvazija Santa Lucia 2017 zum besten Malvasier der Welt ausgezeichnet. Dem renommierten Decanter World Wine Award war der Wein sogar 97 Punkte wert. Neben dem Malvazija Istriana hat Kozlovic´ noch eine Reihe anderer Weine im Sortiment. Santa Lucia crna ist eine Cuvée aus Merlot, Cabernet Sauvignon und der regionalen Rebsorte Teran. Aus Merlot und Teran wird auch noch Violetta, der Rosé des Hauses, gekeltert und gemeinsam mit anderen Winzern rund um das Dorf Momjan entsteht noch eine süße Rarität. Muškat Momjanski. Der Momjaner Muskat ist eine autochthone Rebsorte aus Momjan. Und somit selten und einzigartig. Seine Farbe hat ein leichtes Zitronengelb. In der Nase ist er ausgeprägt und voll. Er erinnert an Lychee, Limette und andere reife, saftige gelbe Früchte. Er ist von deutlicher Restsüße geprägt und mit einer wundervoll cremigen Beschaffenheit gesegnet, bleibt aber aufgrund seiner markanten Säure doch lebendig und frisch. Am Gaumen ist er sehr intensiv und lieblich-würzig, was auch schon der Geruch vermuten lässt. Komplex und ausgewogen. Und erstaunlich lange anhaltend.

AMPHOREN-MALVAZIJA

Einer der Kooperationspartner, mit dem der Muškat Momjanski entsteht, ist das Weingut Kabola. Ebenfalls in Momjan. Nur auf der anderen Seite des Hügels. Kabola ist noch älter als Kozlovic´. Die Wurzeln des Betriebs gehen ins Jahr 1891 zurück. Klarerweise gibt es auch bei Kabola Malvazija.

Ketchup di pomodoro

 Fruchtiger Geschmack aus italienischen Tomaten

 Unsere Ketchup-Familie rundet nicht nur Ofengemüse oder Gegrilltes genussvoll ab.

 In fünf würzigen Sorten: von klassisch bis speziato!

Nur anders. Kabola ist schon biozertifiziert und Marino Markežic´ hat ein Faible für georgische Amphoren. Den Malvasier gibt es in den Varianten Istarska (klassisch, resch, frisch), (maischevergoren, füllig, gerbstoffreich) und Amfora (wuchtig und elegant gleichermaßen). Dazu hat Markežic´ aber auch eine Vorliebe für den Teran, den regionalen Rotwein der Region. Jedenfalls kommt auch der Most der besten Teran-Trauben zum Ausbau und zur Reifung in die Amphore. Markežic´ ist übrigens der erste kroatische Winzer, der sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat, und der auch die ersren aus Georgien nach Istrien geholt hat.

Besuchsempfehlung

Beide, Kabola wie Kozlovic´, sind Weingüter bei denen sich ein Besuch lohnt. Auf den Weingütern, aber noch besser gleich für eine längere Weile in der Region. Wohnen könnte man bei Tom Riederer in seinem Casa Dante, quasi das Basislager für ausgedehnte Wanderungen oder kulinarische Erkundungstouren im Norden Istriens. Wunderschön und stilvoll eingerichtete Apartments gleich neben dem Kirchturm von Momjan. Riederer kocht nach eigenen Angaben vorwiegend mit regionalen Zutaten und vegetarisch, bio ist leider allerdings hier kein Thema.

Und so vielfältig die istrischen Weine in ihrer Stilistik sind, so vielfältig sind sie auch als Speisenbegleiter. Pršut Istarski, eine kroatische Variante des italienischen Prosciutto, ist mit Teran ein Gedicht. ´ Cevapc�ic´i, die vermutlich bekannteste Spezialität Istriens steht stellvertretend für die Grillkultur der Halbinsel. Nirgendwo auf der Welt wird derart viel und intensiv gegrillt, wie in Istrien. Gut, in Serbien vielleicht noch. Oder auf der Donauinsel. Auch hier empfiehlt sich ein rustikaler Teran. Wenn es einmal etwas anderes sein soll als Bier.

Last not least noch der Diego. Jeder im Dorf und drumherum weiß, wer gemeint ist, wenn man Diego sagt. Ein Bauer mit Ziegen, ein paar Kühen und einem Hund. Und einer, dessen Hoftür immer offen ist, und der allen, die vorbeikommen, ein Brett von seinem Käse und mitunter auch eine Flasche von seinem Wein hinstellt. Ohne Etikett, denn in Istrien sind alle, die hinter oder neben ihrem Haus ein wenig Grund haben, auch WinzerInnen.