Magazin Nr. 10 / Juni 2017

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Nr. 10 / Juni 2017

DER HEIL SA RMEE SCHWEI Z

JETZT WEISS ICH, DASS ICH WERTVOLL BIN

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WOHNHEIM LA RÉSIDENCE

NEUSTART BEI DER HEILSARMEE

PATRIZIA GUGGENHEIM

Mit kleinen Schritten zu mehr Autonomie

Sandra Iff blüht auf

«Heilsarmee-Uniformen haben meinen Vater fasziniert.»


EDITORIAL

INHALTSVERZEICHNIS

Liebe Spenderin, lieber Spender

Seite

Am Abend nach einem herausfordernden Tag spricht mich ein Mann am Bahnhof an. Ich war völlig in meinen Gedanken versunken und fragte deshalb nach, worum es ging. Er wollte einen Franken haben, um etwas zu essen kaufen zu können. Ich antwortete: «Einen Franken gebe ich Ihnen nicht. Doch wenn Sie wollen, kaufe ich Ihnen etwas zu essen». Also gingen wir gemeinsam zum nächsten Sandwichstand. Wir tauschten ein paar Worte aus und ich sagte ihm, dass die Heilsarmee Menschen in Not hilft. Bestimmt ist jeder von uns schon mal auf diese Weise angesprochen worden. Doch wie begegnen wir diesen Menschen? Oftmals haben wir keine Zeit und laufen einfach an ihnen vorbei. Das Gegenüber nehmen wir nicht wahr. Dabei würde schon ein Lächeln helfen, um dem anderen unsere Wertschätzung zu zeigen. Sandra hat es im Leben selbst nicht leicht. Trotzdem ist es ihr wichtig, für andere da zu sein. Was sie motiviert, Menschen am Rand der Gesellschaft zu besuchen, lesen Sie auf den Seiten 14–16.

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La Résidence: Ein sicherer Ort der Regeneration

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Wir vier

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Ein Haus und seine Bewohner

Die Heilsarmee hilft Die Wohnbegleitung berät und unterstützt Menschen nach einer Krise

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Gern gehört

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Musik ist… Ermutigung

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Zum Mitfreuen

Etwas Gesellschaft, zu essen und ein warmes Bett suchten viele auch in Genf. Die Heilsarmee nimmt das Bedürfnis wahr. Bis 2019 stockt sie die Bettenzahl mit einer neuen Notunterkunft auf. Mehr zum Projekt La Sécheron finden Sie auf Seite 22. Nach einem Schicksalsschlag können alltägliche Dinge zu einer schier unüberwindbaren Hürde werden. Auf den Seiten 8–10 erfahren Sie, warum die Wohnbegleitung der Heilsarmee beim Briefe-Öffnen hilft. Ich wünsche mir, dass wir allen Menschen mit Achtung begegnen. Denn Gottes Liebe ist bedingungslos für jeden Menschen da. Dies ist unsere Motivation als Heilsarmee, dem Nächsten in Liebe zu begegnen. Seien auch Sie ein Bote dieser Wertschätzung. Gottes Segen wünschend

8 Die Heilsarmee unterstützt Menschen auch zuhause.

Christoph Bitter Leiter Spenden

heilsarmee.ch

IMPRESSUM Spendermagazin der Heilsarmee Schweiz | Erscheint zweimal jährlich (Juni / Dezember) Herausgeberin Stiftung Heilsarmee Schweiz, Spenden, Laupenstrasse 5, Postfach, CH-3001 Bern Telefon 031 388 05 35 | spenden@heilsarmee.ch | heilsarmee.ch | Spenden PC 30-444222-5 Redaktion Christoph Bitter (Leiter Spenden), Tamara Traxler (redaktionelle Leitung), Florina German, Gino Brenni, Sébastien Goetschmann Übersetzung Übersetzungsdienst der Heilsarmee, Text Control AG Konzept Spinas Civil Voices, Zürich | Layout Nadia Shabani | Druck Stämpfli AG, Bern Gründer der Heilsarmee William Booth | General André Cox | Territorialleiter Kommissär Massimo Paone 2


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Vom Glück verlassen

Von der Strasse in die Heilsarmee-Küche: Sandra Iff hat wieder eine Aufgabe

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Gesagt, getan

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Red und Antwort

Patrizia Guggenheim im Gespräch

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Dies und das

Neues Sozialbüro in Genf und Beschäftigung im Wohnheim Die Brücke in Liestal (BL)

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Fortsetzung folgt

Mehr Betten in der Notschlafstelle Genf

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Im Wohnheim La Résidence können die Bewohner ein würdevolles Leben führen.

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Mit dem Kochen für Obdachlose hat Sandra Iff wieder eine Aufgabe gefunden. Patrizia Guggenheim hält das Erbe ihres Vaters, des Künstlers Varlin, lebendig. Titelbild: Christa Minder Fotos: Lin Geissler, Werner Tschan, Ruben Ung, Christa Minder, Martin Heimann 3


EIN HAUS UND SEINE BEWOHNER

«HIER HABE ICH WIEDER EINE ZUKUNFT»

Das Heilsarmee-Wohnheim La Résidence in Lausanne bietet 32 psychisch kranken Frauen und Männern ein Zuhause. Besonders ist, dass hier auch Menschen einen Platz finden, die anderswo abgelehnt wurden.

Das Wohnheim La Résidence befindet sich am Place du Vallon in Lausanne. Ein gut sichtbares Plakat informiert, dass Besuch des Spendermagazins ansteht. Daniel Cabras, Bereichsleiter Logistik & Gesundheitsförderung, hat die Bewohner auf diesen für sie besonderen Tag vorbereitet. Im grossen Speisesaal ist bereits eine gewisse Aufregung spürbar. Ein Mann läuft hin und her, sichtlich interessiert an der Arbeit des Fotografen. «Heute Morgen waren noch viele Bewohner bereit, einige Fragen zu beantworten», versichert Cabras. «Aufgrund ihrer Krankheit ist es jedoch möglich, dass sie ihre Meinung seither geändert haben.» Die Bewohner sind psychisch instabil oder zeigen Verhaltensstörungen, wie sie beispielsweise bei Schizophrenie auftreten. 4

Persönliche Ziele für die Bewohner Die Betreuung wird auf jeden Bewohner abgestimmt. Sie ist ganzheitlich: biopsychosozial und geistlich. Das Angebot beinhaltet Vollpension, Wäscheservice, Privatzimmer und Mitbenützung der gemeinschaftlichen Räume. «Die hier aufgenommenen Personen befinden sich oft in einer prekären Situation. Manche von ihnen sind zudem von Alkohol oder anderen Drogen abhängig», sagt Christine Mariethoz, Bereichsleiterin Pädagogik. «Wir prüfen beim Eintritt, welche Erwartungen und persönlichen Grenzen die Bewohner haben. Danach erstellen wir ein Konzept, wie ihr Leben zukünftig aussehen könnte.» Auch wenn die Anforderungen im Heim tief sind, müssen sich die Bewohner mit sich


selbst auseinandersetzen. Sie lernen, ihre Krankheit zu akzeptieren und mit ihr bestmöglich zu leben. «Jeder Bewohner erhält eine Bezugsperson. Mit ihr legt er persönliche Ziele fest und bestimmt, wie er diese erreichen kann. Übergeordnetes Ziel ist, dass die Bewohner ihre Autonomie steigern», erklärt Mariethoz. In der Résidence sollen sie selbstbestimmt leben können. Weiter erhalten sie Raum, um neue Fähigkeiten zu entwickeln. Im HeilsarmeeWohnheim finden sie einen sicheren Ort, der sie vor übermässigem Konsum und gefährdendem Verhalten schützt. «Uns ist es wichtig, dass die Bewohner neue Hoffnung schöpfen können», sagt Bereichsleiterin Mariethoz. Etwas zögerlich ist Caroline Blanchet bereit, von sich zu erzählen. «Vor elf Jahren habe ich gemerkt, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Ich habe mich entschieden, hierher zu kommen, damit ich wieder eine Zukunft habe. Als introvertierte Person habe ich mir, gemeinsam mit meinem Betreuer, ein Ziel gesetzt: soziale Kontakte mit der Aussenwelt zu

knüpfen. Dafür arbeite ich jeweils einen Vormittag in der Woche beim Croepi (Zentrum für Ausbildung und Berufsberatung von Menschen mit Behinderungen). Hier verpacke ich Briefe in Couverts und stricke. Die Handarbeiten werden anschliessend in der Boutique La Lausanette verkauft», erzählt sie mit einem Funken Stolz im Blick. Den freien Willen fördern Das Betreuungskonzept der Résidence beruht auf dem freien Willen. Die Bewohner müssen jedoch bereit sein, sich für ihre Genesung einzusetzen. Grundsätzlich kann jeder Bewohner nach Belieben kommen und gehen. Eine sehr geschätzte Freiheit. Sie ist einer der Gründe, warum sich Marion für dieses Wohnheim entschieden hat. Bei der jungen Frau wurde Schizophrenie diagnostiziert. Sie hat eine offene Ausstrahlung und ist hübsch geschminkt. Ihre Worte wählt sie mit Bedacht. «Wir können unsere Zeit frei einteilen. Wer will, kann in der Küche oder im Garten mithelfen. Manchmal musizieren wir gemeinsam, gehen bowlen, ans Comptoir im Lausanner Be-

Im Wohnheim La Résidence kann sich Marion ein stabiles und selbstbestimmtes Leben aufbauen. 5


Jean-Jacques Meyer (rechts) berichtet Daniel Cabras, dem Leiter Logistik & Gesundheitsförderung, von seinen Erlebnissen der vergangenen 30 Jahre im Wohnheim.

aulieu oder ins Museum. Die Familie kann uns jederzeit besuchen und mit uns essen. Unsere Verwandten erhalten zehn Essensgutscheine von der Résidence pro Jahr. Zudem dürfen wir uns am Geburtstag ein Menu wünschen», erzählt sie begeistert. Neben vielen Freiheiten gibt es in der Résidence auch Regeln. Innerhalb des Gebäudes sind Alkohol und Drogen verboten. «Abstinenz ist ein Prinzip der Heilsarmee. Trotzdem verlangt das Wohnheim keine vollständige Abstinenz, ausser es sei ein persönliches Ziel eines Bewohners», bekräftigt Christine Mariethoz. Werte sind wichtig in der Résidence Christliche Werte wie Würde, Hoffnung, Nächstenliebe und Gerechtigkeit prägen das Zusammenleben im Wohnheim La Résidence. «Ich möchte die Werte Respekt, Solidarität, Loyalität und Zuhören hinzufügen. Sie liegen mir besonders am Herzen», sagt Franco Coluni, seit April 2017 Leiter Betreuung der Résidence. «Die wohlwollende Art, mit der wir alle Menschen aufnehmen, muss uns von den anderen Institutionen unterscheiden. Einer unserer Bewohner sagte mir, dass ihn kein Heim aufnehmen wollte. Genau für diese Menschen sind wir da.» Daneben ist die Seelsorge ein integraler Teil der Betreuung in der Résidence.

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Das Wohnheim wandelt sich «Heute herrscht eine ruhige und angenehme Atmosphäre im Haus», flüstert Jean-Jacques Meyer. Der 82-Jährige, der sich nur mühsam an Krücken vorwärtsbewegt, weiss, wovon er spricht. «In dieser Unterkunft hatte es ursprünglich für 100 Männer Platz – drei bis vier pro Zimmer. Das Restaurant war öffentlich und zog allerlei Gestalten an. Regelmässig kam es zu Schlägereien. Doch glücklicherweise haben sich die Dinge geändert», erzählt Meyer, der gerne Polizeiserien im TV schaut. Nun soll sich auch das Gebäude verändern: Ein Umbauprojekt ist in Gange. Am Ort des alten Gebäudes wird ein neues entstehen. «Darin könnten unsere Büros besser integriert werden», freut sich Jessica Cottet, Bereichsleiterin Administration und Finanzen. «Wir denken beim Neubau an weitere Räume – zum Beispiel an einen Veranstaltungssaal, einen Fitness- und Freizeitraum. Vielleicht auch ein kleines Restaurant», fügt Luc Delbrouck, Leiter der Résidence, an. Auch Anwohner aus dem Quartier oder Vereine werden die neuen Räume nutzen können. Dadurch werden die sozialen Beziehungen der Bewohner des Wohnheims bereichert. Text: Sébastien Goetschmann | Fotos: Werner Tschan


WIR VIER

D A NIEL A M AUR

Heilsar meemitg lied Gemeinde Züric h

WA LT ER SOMMER

Leiter Heilsarmee-Gemeinde Chu

r

e und machte mit Ich suchte eine christliche Gemeind tige Gemeinde für Got t einen Deal, dass er mir die rich ter lud mich ein Bemich zeigen soll te. Einige Zeit spä wusste ich: das ist kannter in die Heilsarmee ein. So Korpsoffizier (Gemein Weg. Ich bin seit Juli 2016 kasper essen wir meindeleiter) in Chur. Im Suppen , die Gemeinschaft einmal wöchentlich mit Menschen ässen dar f ich imund Heimat suchen. Bei diesen Anl l jeder Mensch ist mer wieder erfahren, wie wer tvol Sehr gerne bin ich und auch etwas zu geben hat . meinem Enkel. Ich Grossvater und verbringe Zeit mit kommt mir auch in koche auch gerne. Dieses Hobby zugute. meinem Alltag im Suppenkasper

DEBORA GALEUCHET

Praktikantin Heilsar mee-Gemeinde Bern

Meine Eltern sind seit längerem aktiv in der Heilsarmee dabei. Ich bin also natürlich «reingewachsen». Zurzei t mache ich ein Praktikum in der Heilsarmee-Gemeinde Bern, um dann mit meinem Mann Stève im Sommer 2018 die Ausbildung als Heilsarmeeof fiziere anzufangen. Ich bin verant wortlich für Rahab. Das ist ein Angebot der Heilsarmee, bei dem Frauen im Rotlichtmilieu begleitet werden. Ich finde es toll, dass in der Heilsarmee der Glaube ganz praktisch gelebt werden kann und das soziale Engagement einen hohen Stellenwert hat. Ich lese oft, bin gerne draussen und bin gerne in Kontak t mit Menschen.

ER

Ich bin Salu tis tin und spiele in einem trad itionellen Musikkorps. Es gefällt mir mit unserer M usik den Men schen Freude zu bere iten. Ausserdem arbeite ich gern der Kinder- und e in Jugendarbeit m it und bringe mich Leiterin in vers als chiedenen Lage rn und A nlässe Diese A rbei t lie n ei n. gt mir sehr am Her zen. Ich finde wichtig, mit Kind es ern und Jugend lichen Zeit zu ve bringen, sie an rzuhören, erns t zu nehmen und durch verschie sie dene A ktivitäte n auf den Gla hinzuweisen. Ic ub en h bin verheirate t und Mut ter ei er wachsenen To ner chter und drei er Jungs im Te ageral ter. Meine en Familie is t scho n seit mehreren nerationen in de Ger Heilsarmee. So bin ich eigentlic hineingeboren w h orden und noch heute ak tiv dabe i.

THOM AS BAUMGA RT NER

Gesamtleiter Heilsarmee Wohnen Base

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Die Heilsarmee mit ihren viel fält igen Angebo ten im Soz ialbereich habe ich vor meinem Engagemen t als Ges amt leiter nur punktuell wahrgen ommen. Das Wohnen für Männer kennt man in Bas el, wenn man bei schönem We tter dem Rhein entl ang flaniert . In welchem Aus mas s sich die Heilsarm ee für bedürftige Menschen engagiert, habe ich erst nach mei nem Arbeits antr itt vor zwei Jahren erkannt. Seit über hunder t Jahren setzen sich in unseren beiden Wohnhäusern Mit arbeitende mit viel Geduld, Leidenschaft und dem nötigen Fachwi ssen für Men schen auf der Schattenseite des Lebens ein und rechnen mit Got tes Hilf e.

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DIE HEILSARMEE HILFT

BRIEFÖFFNERIN MIT OHR

Nach einem Schicksalsschlag kann vieles zur Belastung werden – auch ungeöffnete Post.

Post erledigen, Müll entsorgen und die Wohnung putzen. Alltägliche Dinge werden nach einer Krise zur Belastung. Die Wohnbegleitung der Heilsarmee berät und unterstützt Menschen nach einem Schicksalsschlag. Sozialarbeiterin Regula Schüpbach besucht eine Frau, die vor kurzem ihren Mann verloren hat. Kaum hat Regula Schüpbach geklingelt, geht die weisse Holztür im dritten Stock auf. Foxy springt ihr entgegen und wedelt mit dem Schwanz. Das flauschige Fellknäuel umkreist die Sozialarbeiterin und tapst zurück in die Wohnung zu seinem Frauchen. Anna Meier* trägt feste Schuhe. «Wollten Sie gerade mit dem Hund spazieren gehen?», fragt die Besucherin. «Nein, wir sind gerade erst zurückgekommen, Foxy und ich. Kommen sie nur herein.» Es ist kurz vor vier und Regula Schüpbachs vierter Besuch heute. Seit eineinhalb Jahren schaut die Wohnbegleiterin der Heilsarmee regel-

mässig bei Anna Meier vorbei. Diese bittet sie, im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Wenn Briefe Sorgen bereiten Das Zimmer ist mittelgross und zweckmässig eingerichtet: Stoffsofa, Salontisch, Holzregal, ein kleines Hundebett für Foxy, ein Fernseher und ein paar DVDs. Regula Schüpbach setzt sich aufs Sofa und schon sprudelt es aus Anna Meier heraus. «Sehen Sie diesen Brief? Ich weiss gar nicht, was ich damit machen soll. So viel Geld habe ich doch gar nicht!» Die Wohnbegleiterin liest den Brief aufmerksam durch und

* Zum Schutz der Privatsphäre wurde der Name geändert und eine andere Person abgebildet. 8


beruhigt ihre Klientin erst einmal. Es geht um eine Leistung, die das Amt zurückfordert. Regula Schüpbach greift gleich zum Hörer und erkundigt sich. «Sie überprüfen die Forderung», sagt sie nach dem Gespräch. «Es ist möglich, dass ein Fehler passiert ist.» In einer Woche wird Anna Meier Gewissheit haben. Die Wohnbegleiterin unterstützt die 54-Jährige regelmässig beim Erledigen der Post und der Rechnungen. Abklärungen bei Behörden gehören auch dazu. Gemeinsam öffnen die Frauen zwei weitere Briefe. Anna Meier hatte Angst, sie allein zu öffnen. Einer ist von Meiers früherem Arbeitgeber und einer vom Bestattungsdienst.

Die Heilsarmee hat Anna Meier auch nach dem Tod ihres Mannes unterstützt.

«Ich bin ein bisschen am Schwimmen» Anna Meier (54) «Letztes Jahr war schlimm für mich», sagt Anna Meier. Ihr Blick schweift durch das Wohnzimmer hinüber zum Regal. Da steht die Urne ihres Mannes Herbert, daneben ein Foto von ihm. Weiter eine Rose und eine weisse Kerze. «Erst als ich die Urne zu Hause hatte, kamen mir die Tränen», erzählt die Witwe. Als Herbert im Pflegeheim der Heilsarmee gestorben sei, habe sie nur noch funktioniert. Sie half sogar beim Einsargen. Später verliess sie die Kraft. Regula Schüpbach hat sie in diesen schweren Stunden

Die Heilsarmee hilft, aus der Abwärtsspirale auszubrechen Die Heilsarmee hilft Menschen, wieder Halt im Leben zu finden – sei dies nach einem familiären Schicksalsschlag oder nach einem Joboder Wohnungsverlust. Bei regelmässigen Besuchen können Hilfesuchende ihre Sorgen mit einer Fachperson teilen und erhalten praktische Unterstützung. Die Wohnbegleitung mietet bei Bedarf auch Wohnungen als Hauptmieterin an – in Bern sind es 40 Wohnungen. Pro Woche gehen bis zu drei Anfragen für eine Wohnbegleitung ein. Viele müssen jedoch abgelehnt werden, da es zurzeit nur wenige freie Wohnungen auf dem Markt gibt. Angebot in: Bern, Amriswil (TG), Basel, Reinach (AG)

unterstützt. Gemeinsam fuhren sie ins Krematorium und holten die Urne ab. «Ich bin wahnsinnig froh, dass mir Frau Schüpbach hilft. Im Moment bin ich ein bisschen am Schwimmen.» Wohnbegleitung füllt Lücke Früher habe sie alles selbständig geregelt, ergänzt die gelernte Pflegehelferin. Sie habe immer viel gearbeitet, und das nicht nur in ihrem Beruf. Anna Meier war im Verkauf, in einem Malergeschäft und sogar auf dem Bau tätig. Krankheitshalber musste sie die Arbeit aufgeben und bezieht nun eine Rente. Im letzten Jahr kamen ein Unfall und die Renovation ihrer Mietwohnung dazu. Die Hundehalterin musste ausziehen und fand kurzzeitig im gleichen Pflegeheim Unterschlupf wie ihr Mann. Für die rüstige Rentnerin war das Heim auf Dauer der falsche Ort. Der Heimleiter fragte deshalb bei der Wohnbegleitung der Heilsarmee an, ob eine

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«Die Heilsarmee hilft mir, bis mein Boot wieder schwimmt», freut sich Anna Meier über die Wohnbegleitung.

Wohnung frei wäre. Die Wohnbegleitung füllt eine Lücke. «Wir unterstützen Menschen, die eine soziale oder psychische Krise durchleben mussten. Für ein Heim oder eine Klinik geht es ihnen trotz allem oft zu gut. Hinzu kommen Alleinerziehende oder Jugendliche, die vorübergehend auf Unterstützung angewiesen sind. Der Kontakt hilft ihnen, Stabilität im Alltag zurückzugewinnen», erklärt Regula Schüpbach.

GERN GEHÖRT

Die Heilsarmee-Sozialarbeiterin beschränkt sich nicht nur auf Besuche. Sie fragt die Klienten auch mal per Telefon oder WhatsApp, wie es ihnen geht. Ziel der Wohnbegleitung ist, dass die Besuchten spätestens nach zwei Jahren wieder in eine eigene Wohnung ziehen können. Text: Tamara Traxler | Fotos: Ruben Ung

Eingesendet von Katharina B.

«Zuerst möchte ich mich herzlich bedanken für Ihr nettes Dankeskärtchen! Damit hatte ich nicht gerechnet. Wissen Sie, ich kann solche Summen nur weitergeben, weil ich auf so vieles verzichte, was man sich normalerweise leistet. Auch schöne Ferien! Meine ‹Ferien› bestehen seit vielen Jahren aus 3 bis 4 OstwindTageskarten fürs Appenzellerland pro Jahr. Auch schön, sehr schön! Bescheidenheit ist heute ein Fremdwort. Das müssen selbst die meisten Hilfeempfänger noch lernen. Aber ich habe den Vorteil, dass ich meinen Wert nicht aus materiellen Gütern beziehe, sondern aus ihm, meinem Gott. Und er ist im Appenzellerland auch immer dabei!»

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MUSIK IST ERMUTIGUNG Markus Frei Projektleiter Heilsarmee Music & Gospel Arts

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts fehlen. Psalm 23.1

Dieses sehr fröhliche und rhythmische Lied ist an den Psalm 23 angelehnt. Es erinnert mich daran, dass Gott immer bei mir ist egal, wie meine Lebensumstände auch sein mögen. Alles, was mir an Schönem und Gutem begegnet, möchte ich nicht als selbstverständlich erachten, sondern als Geschenk dankbar aus seiner Hand annehmen. Vielleicht gerade darum, weil ich erfahren durfte, dass er mich auch in den dunkelsten Momenten meines Lebens trägt.

Everywhere that I go Israel Houghton, Cindy Cruse Ratcliff

Dieses Lied ist auf dem aktuellen Album «Born to Praise» der alive-teens zu finden. Der Heilsarmee-Chor feiert mit dieser CD sein 20-jähriges Bestehen. Alle Infos zum Kinder- und Jugendchor der Heilsarmee finden Sie auf alive-teens.ch. 11


ZUM MITFREUEN

KALTE SCHNAUZE BRINGT EIS ZUM SCHMELZEN Eine Vierbeinerin namens Mélange begleitet seit letztem Sommer tageweise die Kinder des Heilsarmee-Kinderhauses Holee in Basel. Sie gehört der Mitarbeiterin Jasmina Pfister, die sie aus praktischen Gründen mitbringt: So muss sie Mélange nicht extern betreuen lassen. Hunde werden bereits seit den 1970er Jahren erfolgreich in die pädagogische Arbeit einbezogen: Sie können das Eis zwischen Kindern und Erwachsenen brechen oder verhelfen schüchternen Kindern zu mehr Selbstvertrauen. Mélange ist eine gefragte Spielkameradin – die Kinder werfen ihr Stöcke zu, streicheln sie und gehen mit ihr spazieren. Die Mutigeren tollen sogar mit ihr herum. Heimleiter Stefan Wolf war zuerst skeptisch, unterdessen ist er aber überzeugt, dass der zutrauliche Hund eine Bereicherung ist: «Als Biker und Jogger bin ich nicht gerade Fan von Hunden. In der Zwischenzeit durfte ich jedoch feststellen, dass besonders die Kinder der Kleinkindergruppe Mélange sehr schätzen.» kinderhaus-holee.ch Foto: pixabay

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«BRUDER JAKOB» VERBINDET KULTUREN Sechs afghanische Flüchtlinge nahmen letzten Herbst am Musiklager «Brassweek Waldegg» der Heilsarmee teil. Erfahrene Heilsarmee-Musikanten begleiteten die sechs Jungmusiker beim Kennenlernen der unbekannten Instrumente und Noten. Bald schon erklangen einfache, aber mit Inbrunst gespielte Melodien wie «Bruder Jakob». Durch das gemeinsame Musizieren entstanden über alle Unterschiede in Fähigkeiten, Alter, Nationalität, Sprache und Religion hinweg neue Freundschaften. Beim Abschlusskonzert wurde die Flüchtlingsband mit grossem Applaus verabschiedet. Seit dem Lager treffen sich die jungen Männer jeweils am Mittwoch, um unter der Leitung des Musikkorps Zürich Zentral zu üben. Wie das Projekt weitergeht, ist noch offen. Platz für Wünsche bleibt. So sagte einer der jungen Afghanen: «Es ist mein Traum, einmal in der ‹grossen› Musik mitzuspielen.» brassweekwaldegg.ch Foto: Heilsarmee

EIN KREISLAUF DER ZUFRIEDENHEIT Es ist ein fortwährender Kreislauf, an dem die Bewohner der Wohn- und Werkstätten Hasenberg teilhaben – der Kreislauf ihres eigenen Biogartens. Im Winter wird mit Biomist die Erde für die Saat bereitet und es werden die ersten Samen gesetzt. Im Frühjahr gelangen die ersten wachsenden Setzlinge auf dem Setzlingsmarkt in den Verkauf. Es wird weiter gegossen und gepflegt. Ende Mai beginnt die nächste Phase: die erste Ernte. Im Hofladen finden Gemüseliebhaber diverse Tomaten- und Zucchinisorten, Stangenbohnen, Kopfsalat, Lollo und Kohlrabi. Die Bewohner des Hasenbergs stellen die Produkte nach Bio-Richtlinien mit viel Hingabe her. Für Max* bedeutet die Garten-

arbeit mehr Zufriedenheit und Freude: «Ich kann zusehen, wie meine Handarbeit vom Samen bis zur Frucht heranwächst, und die Jahreszeiten erleben. Das hält mich jung und macht mich glücklich.» Vom Garten profitieren aber nicht nur die Kunden: Er liefert der Küche auch die Zutaten für schmackhafte Sugos, Gratins und das tägliche Salatbuffet. In der letzten Phase des Kreislaufs, beim Essen, können Max und die anderen Bewohner die Früchte ihrer Arbeit geniessen. heilsarmee-hasenberg.ch Fotos: Heilsarmee

*Name geändert

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VOM GLÜCK VERLASSEN

S BAHNHOF-MUETI Jeden Dienstag kocht Sandra Iff in der Heilsarmee Aarau für 30 Bedürftige. 14


«Jeder kann neu anfangen. Das will ich den Menschen auf der Strasse mitgeben», beschreibt Sandra Iff ihre Motivation.

Sandras grösster Wunsch ist es zu arbeiten. Seit einem Schicksalsschlag fällt es der Mutter von drei Kindern schwer, wieder Fuss zu fassen. In der Heilsarmee Aarau hat sie Gemeinschaft und eine neue Aufgabe gefunden. Sandra Iff trägt weisse Turnschuhe, jugendliche Jeans und hat eine gelbe Kochschürze umgebunden. Heilsarmee-Offizier Lukas Wittwer schaut ihr im Archeträff der Heilsarmee Aarau beim Kochen über die Schulter. Ihre Worte unterstreicht Sandra mit Gesten, während sie aus ihrem Leben erzählt. Sie ist 44 Jahre alt und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Dass sie jung Mutter wurde, sieht Sandra als Segen. Schon früh wurde sie mit einem Schicksalsschlag konfrontiert, der sie in eine Abwärtsspirale trieb. Die dunkle Seite der Medaille «In meiner Jugend habe ich Leistungssport betrieben und hatte grosse Ziele», erinnert sie sich. Ihre Knieprobleme hielten sie nicht auf, bis sie notfallmässig operiert werden musste. Damals war Sandra 16 und in der Ausbildung zur Köchin. «Mein Lehrmeister sagte, dass ich es nicht schaffe, wenn ich immer fehle. So habe ich damals meine Lehrstelle verloren.» Das Schicksal liess Sandra keine Ruhe. Wenige Jahre später erhielt sie die Diagnose Hautkrebs. Sandra fiel in ein tiefes Loch. Sie gab ihre Träume und auch sich selbst auf. «Ich will niemand anderen für meine Drogensucht verantwortlich machen. Aber ich fühlte mich oft alleine, wenn meine Mutter arbeiten war. Ich bin rumgehangen und traf mich mit Leuten von

der Strasse. Ich suchte Aufmerksamkeit und stürzte in die Drogen.» Dann wurde Sandra schwanger. Ramona hat sie gerettet «Die Schwangerschaft hat mich gerettet», betont die 44-Jährige. Mit Hilfe eines Methadonprogramms besiegte Sandra ihre Sucht. Sie heiratete und kümmerte sich um die kleine Ramona. Zwei weitere Kinder folgten. Heute ist Sandra seit 24 Jahren clean. Mit den Leuten von der Strasse hat sie immer noch Kontakt. «Ich höre mir ihre Sorgen an und muntere sie auf», erklärt Sandra. Einige würden sie als Vorbild sehen, weil sie es geschafft hat, von den Drogen wegzukommen. Die Jugendlichen am Bahnhof nennen sie «S Bahnhof-Mueti». «Die Teenager finden Drogen lässig und probieren hier und da etwas aus. Viele können nicht über ihre Probleme sprechen», weiss Sandra. Sie sei da und höre zu. Ihr sei wichtig, den Jugendlichen aufzuzeigen, was passiert, wenn man in die Sucht abrutscht. «Musik wird dir gut tun» Sandra kennt viele Geschichten der Menschen von der Gasse. Bei fast allen weiss sie, wo der Schuh drückt. Ihre eigenen Probleme verblassen dabei. «Als ich Sandra kennenlernte, ging es ihr sehr schlecht»,

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Sandra Iff schätzt die Hilfe des Heilsarmee-Offiziers. «Lukas hat ein offenes Ohr. Egal, welche Sorgen man hat».

berichtet Heilsarmee-Offizier Lukas Wittwer. «Das war vor drei Jahren», bestätigt Sandra. Sie habe befürchtet, dass der Krebs zurück sein könnte. Mehrmals pro Woche fiel sie in Ohnmacht und konnte sich danach an nichts mehr erinnern. «Ich fühlte mich wertlos. Manchmal fand mich meine Tochter in irgendeiner Ecke der Wohnung.» Die Heilsarmee habe sie in dieser schweren Zeit aufgefangen. Am Bahnhof Aarau drückte ihr der Heilsarmee-Streetworker Marcel Bürgi eine seiner CDs in die Hand. «Er meinte, die Musik würde mir guttun.» Marcel Bürgis Lieder erzählen vom Leben, von Hoffnung und von Gott. Die Zeilen trafen Sandra mitten ins Herz. Bürgi erkannte ihre Leidenschaft für Musik. Er nahm sie mit in die Arche der Heilsarmee Aarau. «Im Keller hat es ein Tonstudio. Dort proben wir mit der Arche-Band», sagt Sandra stolz. «Die Band besteht aus Mitgliedern der Heilsarmee-Gemeinde und Menschen von der Strasse. In der Band erleben viele nach langer Zeit wieder einmal Gemeinschaft», ergänzt Lukas Wittwer. Sandras zweite Familie Auch Sandra hat in der Heilsarmee Anschluss und sogar einen kleinen Job gefunden. Jeden Dienstag kocht sie mit Freiwilligen ein Abendessen für 30 Menschen von der Strasse. «Die Heilsarmee ist ein Ersatz für mich», sagt die arbeitslose Mutter. Ihr grösster Wunsch sei es zu arbeiten. Ohne Aufgabe habe sie keine Perspektive. Die Ohnmachtsanfälle machen es ihr unmöglich, regelmässig zu arbeiten. Der Krebs sei zum 16

Glück nicht zurückgekommen. Aber man habe bei ihr eine erblich bedingte Herzkrankheit festgestellt. Seit der Scheidung von ihrem Mann sei sie auf Sozialhilfe angewiesen. «Ich helfe Sandra, ihr Budget richtig einzuteilen und begleite sie zum Amt», erzählt der Aargauer Heilsarmee-Offizier. Wittwer freut sich, dass Sandra beim Kochen für die Obdachlosen aufblüht. «Die Heilsarmee ist meine zweite Familie», sagt Sandra mit Tränen in den Augen. Text: Tamara Traxler | Fotos: Christa Minder

Die 44-Jährige singt am liebsten Mundart-Lieder.


GESAGT, GETAN

Genf

Liestal (BL)

HILFE FÜR BEDÜRFTIGE KOORDINIEREN

SCHWEIZER WAHRZEICHEN AUF SERVIETTEN

Seit Anfang Januar betreibt die Heilsarmee in Genf ein Sozialbüro. Zuvor hatten zahlreiche Personen die Heilsarmee-Gemeinde Genf um Unterstützung ersucht. Um die Hilfsangebote zu koordinieren, entstand ein Sozialbüro. Es muss jetzt bekannt werden und eine eigene «Kundschaft» aufbauen. «In den vergangenen Monaten habe ich unzählige Gespräche geführt und punktuell Besuche gemacht. Drei Personen betreuen wir regelmässig», sagt Olivier Demarchi, Leiter des Sozialbüros. «Die Fälle sind sehr unterschiedlich. Eine Person steckt beispielsweise in einem Beziehungskonflikt und braucht jemanden, der zuhört. Jemand anderes ist überschuldet und muss ein Budget erstellen.» Im gleichen Gebäude an der Rue de Faucille gibt es ein weiteres neues Heilsarmee-Angebot. «travailPLUS unterstützt Personen bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Im Rahmen dieses Programmes bietet die Heilsarmee Arbeitstraining, Potentialabklärung und strukturierte Arbeitsplätze an.» Zurzeit werden zwei Personen, die ebenfalls im Sozialbüro Unterstützung finden, von travailPLUS betreut.

Im Heilsarmee-Wohnheim Die Brücke finden die Bewohner ein neues Zuhause und eine sinnvolle Beschäftigung. Im kleinen Atelier prägen drei Männer Servietten mit über 40 verschiedenen Sujets. «Wir drucken Schweizer Wahrzeichen wie das Matterhorn oder die Luzerner Kappelenbrücke», erklärt Heimleiter Stefan Inniger. Die Bewohner gestalten die Servietten individuell nach den Wünschen der Kunden. Sie können auch mit Firmenoder Vereinslogos versehen werden. In Handarbeit werden die Servietten mit der Prägedruckmaschine verschönert. Ziel sei, dass die Bewohner sinnvoll beschäftigt sind und bei ihrer Aufgabe Spass haben, sagt Inniger. Gefördert werden Zuverlässigkeit, Teamarbeit, aber auch handwerkliches Geschick. Eine weitere Tagesstruktur bietet Die Brücke ihren Bewohner im Pumpenprojekt. Sie stellen Pedal-Pumpen her, welche in Entwicklungsländern zur Bewässerung der Felder eingesetzt werden. heilsarmee-liestal.ch

Text: Sébastien Goetschmann | Foto: Heilsarmee

132 Jahre gibt es die Heilsarmee-Gemeinde in Genf bereits 770 geführte Infogespräche in den Sozialbüros der Westschweiz 2016 5 Minuten Fussmarsch bis zum Bahnhof Genf-Cornavin

Text: Tamara Traxler | Foto: Stefan Inniger

30 000 Servietten zum Jubiläum des Schweizerischen Weltgebetstags bedruckt 40 verschiedene Sujets 7 Marktstände pro Jahr

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RED UND ANTWORT

MEIN VATER, DER MALER PATRIZIA GUGGENHEIM HÄLT DAS ERBE IHRES VATERS LEBENDIG. SIE KÜMMERT SICH UM DAS ARCHIV UND DIE AUSSTELLUNGEN DER BILDER DES ZÜRCHER KÜNSTLERS VARLIN. BEREITS IM ALTER VON 20 JAHREN NAHM SIE SICH DIESER AUFGABE AN.

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Varlin, Ihr Vater, hat für die Expo 1964 in Lausanne ein wandgrosses Bild einer Heilsarmee-Brigade gemalt. Wie kam es dazu? Menschen in Uniformen haben meinen Vater immer fasziniert. Ihn interessierte, was hinter den Uniformen steckt – der Mensch mit all seinen Facetten. Die Salutisten auf dem Heilsarmee-Bild sind alle Persönlichkeiten, die einen Weg gewählt haben, der vielleicht nicht der einfachste ist. Das hat ihn fasziniert. Hat er denn herausgefunden, was hinter der Heilsarmee-Uniform steckt? Ich glaube schon. Sie haben lange in seinem Atelier am Neumarkt in Zürich Modell gestanden. Meine Mutter hat mit ihnen gesprochen, während sie gemalt wurden. Es sind Menschen mit einer gewissen Geschichte, die sich der Heilsarmee widmen. Ich erinnere mich nicht an alle, aber es war auch ein Mann darunter, der früher alkoholkrank gewesen war. Das hat meinen Vater interessiert und er musste es wissen, sonst hätte er ihn nicht malen können. Er brauchte den Austausch.

Veranstaltungstipp Das Heilsarmee-Bild von Varlin wird in Burgdorf (BE) zu sehen sein. Vom 2. September 2017 bis zum 4. März 2018 findet eine Ausstellung seiner Werke im Museum Franz Gertsch statt.

VARLIN «Die Heilsarmee» 1963/64 © 2017, ProLitteris, Zurich

Nebst Uniformierten malte Ihr Vater oft auch Menschen, die etwas aus der Norm fallen, zum Beispiel Clochards. Was hat sein Interesse an ihnen geweckt? Die gewöhnlichen Leute hat er geliebt, weil sie so viel zu sagen haben. Er sagte einmal: «Nach 70 soll man sich nicht mehr mit normalen Menschen abgeben, nur noch mit den Schrägen und Miesen.» Er hat die Randfiguren gesucht und manchmal nahm er die Clochards auch mit in sein Atelier. Dort konnten sie sich aufwärmen oder übernachten. Manchmal malte er sie. Wie kam Ihr Vater mit diesen Randfiguren in Kontakt? Er ist immer um 7 Uhr aufgestanden. Gleich darauf ging er ins Bahnhofbuffet und hat sich alles angeschaut. Nach dem Kaffee machte er seine Runde durch die Zürcher Strassen. Die Heilsarmee war im Niederdorf präsent, dort traf er auch auf viele interessante Menschen. Er hat gerne Leute angesprochen und zurück im Atelier begann er gleich zu malen. Ihr Vater verspürte einen starken Drang zu malen. Er hinterlässt eine Vielzahl an Zeichnungen und Ölbildern. Was hat Sie bewogen, sich seinem Nachlass zu widmen? Ich war zwölf Jahre alt, als mein Vater starb. Schon damals merkte ich, dass ich meine Mutter stützen musste, als all die Händler kamen. Ich habe oft Türen geknallt und getobt. Ich wollte nicht, dass die Bilder meines Vaters unser Haus verlassen! Später hat meine Mutter mit einem Verleger einen Varlin-Werkkatalog initiiert. Leider ging es nicht voran. Ich klopfte auf den Tisch und sagte, jetzt müsse doch mal etwas weiter-

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gehen. Mit 20 entschied ich, mich persönlich um den Nachlass meines Vaters zu kümmern. Mit welchen Herausforderungen wurden Sie konfrontiert, als Sie das Erbe Ihres Vaters annahmen? Wenn man die Werke in Abbildungen sieht, hat man manchmal ein bisschen genug von ihnen. Ich denke an die Zeit zurück, in der wir den Werkkatalog machten. Jedes seiner 1400 Ölbilder haben wir archiviert und bei allen einen Beschrieb hinzugefügt. Damals habe ich mich schon gefragt, ob es das wirklich sein kann. Aber sobald ich ein paar Originale anschaue, bekomme ich wieder Freude daran. Und ich denke mir: Ja, ich mache weiter! Welche Rolle spielt die Kunst sonst in Ihrem Leben? Kunst zu betrachten ist mir sehr wichtig. Ich mag alles, was mit Ästhetik zu tun hat. Ich habe bei der Restauration zweier historischer Kirchen in Soglio und Bondo (GR) mitgewirkt. Es hat mir sehr viel Spass gemacht. Wir haben zurückhaltend renoviert: Einen Kirchturm haben wir nur reinigen und konservieren lassen, ohne neuen Anstrich. Man sieht nun die Farben und Spuren der Jahrhunderte. Diese Freude an Kunst und Patina hat mir mein Vater mitgegeben.

Wie war es für Sie, als Tochter eines Künstlers aufzuwachsen? Wir haben viel gespielt, zum Beispiel ein Kunstquiz, bei dem es darum ging, in Büchern zu erraten, von welchem Maler ein Werk stammt. Varlin hat mir viel vorgelesen und auch rumgealbert. Er musste immer Blödsinn machen. Er stolperte absichtlich, stand wieder auf und lachte. Alle dachten dann o je, der arme alte Herr! Aber ich wusste genau, dass er nur Spass machte. Ich glaube, deswegen hat es auch so gut funktioniert mit ihm und meiner Mutter – sie war 28 Jahre jünger als er. Interview: Tamara Traxler | Fotos: Martin Heimann

Patrizia Guggenheim (51) verwaltet den Nachlass ihres Vaters, des Künstlers Varlin. Willy Guggenheim, wie er mit gebürtigem Namen hiess, hinterliess Zeichnungen, Briefwechsel und 1400 Ölbilder. Eines seiner berühmtesten Werke zeigt eine Heilsarmee-Brigade. Varlin malte das Bild anlässlich der Expo 1964 in Lausanne – es misst 5 x 2 Meter. Seine Tochter kümmert sich gemeinsam mit ihrem Mann um das Varlin-Archiv und koordiniert Ausstellungen. Patrizia Guggenheim ist Kunsthistorikerin und lebt mit ihrem Mann und vier Töchtern in Zürich und Bondo (GR).

Für Menschen, die kein Zuhause mehr haben. 20


DIES UND DAS DIE HEILSARMEE IM GEFÄNGNIS Das Heilsarmee-Museum zeigt zurzeit die Ausstellung «Die Heilsarmee im Gefängnis». Es geht um die Arbeit des Gefängnisdienstes, bei der auch Angehörige von Straftätern unterstützt werden. Aber es geht auch um die Zeit, in der Mitglieder der Heilsarmee noch selber inhaftiert wurden. So hielten die Genfer Behörden 1888 zum Beispiel Kapitänin Charlotte Stirling 100 Tage auf Schloss Chillon gefangen. Die Ausstellung widmet sich auch einem schwarzen Kapitel der französischen Geschichte, dem die Heilsarmee ein Ende setzte. Durch ihr Zutun schloss Frankreich die Strafkolonie in Französisch-Guyana. Ein weiteres Thema ist «Kunst im Knast». Dort sind Bilder ausgestellt, die während des Freiheitsentzugs entstanden sind. Ort: Heilsarmee-Museum, Laupenstrasse 5 , 3001 Bern (Eingang Hofseite) Dauer der Ausstellung: 1. März 2017 bis 16. Februar 2018 Öffnungszeiten: Di-Fr 9-17 Uhr (Samstag auf Anfrage) Eintritt frei Foto: Alexander Egger

Veranstaltungstipps 6. Oktober um 19 Uhr: Vorstellung des Films «Thorberg» mit Besuch des Regisseurs Dieter Fahrer 14. Dezember: Marlise Pfander, ehemalige Leiterin des Regionalgefängnisses Bern, liest Geschichten zum Thema Weihnachten im Gefängnis. Die Veranstaltungen sind kostenlos. Aktuelle Informationen finden Sie laufend auf museum.heilsarmee.ch.

EUROVISION-EMIL MACHT IMMER NOCH MUSIK Er ist der älteste Teilnehmer, der je am Eurovision Song Contest dabei gewesen ist. Zusammen mit der Heilsarmee-Band Takasa nahm Emil Ramsauer 2013 am internationalen Musikwettbewerb teil. Auch heute musiziert der mittlerweile 99-Jährige noch täglich mit seiner Frau zu Hause. Regula spielt Klavier, Emil beherrscht fünf weitere Instrumente. Zudem treten die beiden jede Woche in einem Altersheim auf. Nebst der Musik hat es in Emil Ramsauers Agenda noch viel Platz für anderes. Wenn er nicht musiziert, chauffiert er seine Nachbarn herum. Er mache seinen Mitmenschen gerne eine Freude, wie er sagt. Quelle: sda Foto: Simon Opladen 21


FORTSETZUNG FOLGT

Provisorisch, zugig, veraltet: Die Notschlafstelle zieht 2019 in ein passendes, grösseres Gebäude.

ZUFLUCHT IM HERZEN VON GENF Mehr Zimmer, mehr Betten, mehr Möglichkeiten: Um ihren Auftrag für Menschen in Not zu erfüllen, plant die Heilsarmee in Genf einen Neubau. Mehr als doppelt so viele Betten wie bisher wird die Heilsarmee in ihrer neuen Notschlafstelle in Genf anbieten. Bis zu 90 Personen können künftig in dem Neubau im Sécheron-Quartier übernachten: an 365 Tagen im Jahr. Das Bauprojekt dauert noch bis 2019. Die Heilsarmee kann es kaum erwarten: Die Holzbaracke, in der sie seit Jahrzehnten Personen aufnimmt, platzt aus allen Nähten. Nacht für Nacht muss die Heilsarmee Personen auf der Suche nach einem Schlafplatz weiterschicken. Das baufällige Gebäude entspricht auch nicht mehr gängigen Sicherheitsund Hygienevorschriften. Kein Wunder: Es wurde in den 1950er-Jahren lediglich als Provisorium für Gastarbeiter erbaut. Im modernen, behindertengerechten Sécheron-Neubau finden Männer, Frauen und Familien warme Betten – nur einen Katzensprung vom Haupt22

bahnhof entfernt. Sie kommen hier zur Ruhe. Bis zu zehn Tage quartieren sich hier Personen ein, die keinen Ort zum Schlafen haben. Sie können duschen und sich erfrischen. Neu entstehen auch ein Lesezimmer und ein grosser Saal zum Essen. Die Heilsarmee bietet ihren Gästen neben einer warmen Suppe am Abend auch ein Frühstück an. Wer es wünscht, kann soziale Beratung in Anspruch nehmen. Die Heilsarmee ist gut vernetzt und kennt den Standort Genf. Sie weiss in der Regel, wer in welcher Not helfen kann. Umso mehr freut sie sich, ihren sozialen Auftrag in Genf künftig in einem passenden Gebäude fortzusetzen. Text: Florina German | Foto: zvg


PUBLIREPORTAGE

IHR WILLE ZÄHLT Die letzten Dinge selbstbestimmt regeln; kein Traum, sondern machbar. Mit einer individuellen Vorsorge- und Nachlassplanung. Emil Lehmann* (56) und Luise Auberson* (74) haben beide die professionelle Vorsorge- und Nachlassberatung der Heilsarmee in Anspruch genommen. aber dazu gegenüber Ärzteschaft oder dem Pflegepersonal nicht mehr mitteilen kann, wer soll dann entscheiden, welche Behandlungen ich bekommen soll? Ich bin froh, mit meiner Patientenverfügung den für mich ganz persönlich richtigen Weg festgelegt zu haben.

Herr Lehmann, was war Ihr Motiv, einen Vorsorgeauftrag zu erstellen? Emil Lehmann: Ein persönliches Erlebnis in meinem Bekanntenkreis. Daraufhin habe ich mit einem Vorsorgeauftrag geregelt, wer für mich entscheiden soll, falls ich einmal urteils- oder bewegungsunfähig und damit handlungsunfähig werden sollte. Für mich ist es beruhigend zu wissen, dass mit meiner Schwester eine Person meines Vertrauens für mich einsteht und entscheidet, sollte ich dazu selbst nicht mehr fähig sein.

Frau Auberson, gibt es einen Grund, dass Sie Ihr Testament gerade jetzt verfasst haben? Luise Auberson: Ich wollte das schon viel früher erledigen. Aufgrund der Komplexität des Themas habe ich das viele Jahre vor mir hergeschoben. Nun bin ich erleichtert, dass ich Dinge, die mir wichtig sind, mit kompetenter fachlicher Unterstützung regeln konnte. Und es war letztlich einfacher, als ich dachte.

Gleichzeitig haben Sie eine Patientenverfügung erlassen. Worum ging es Ihnen dabei? Ich habe eine recht klare Vorstellung, was beispielsweise die Anwendung lebenserhaltender Massnahmen betrifft. Wenn ich mich

Information: Valérie Cazzin-Bussard Tel. 031 388 06 39 vorsorge@heilsarmee.ch heilsarmee.ch / vorsorge * Zum Schutz der hier zitierten Personen sind Namen und Bilder geändert.

Sie wurden von einem unabhängigen Fachmann der Heilsarmee beraten. Welchen Einfluss hatte dies auf Ihr Testament? Sie sprechen auf den Betrag an, den ich der Heilsarmee vermachen werde? Diese Möglichkeit, karitative Organisationen zu berücksichtigen, wurde kurz und neutral angesprochen. Als langjährige Gönnerin war für mich aber schon lange klar, dass ich die Heilsarmee auch nach meinem Tod unterstützen will. Sie haben mit den «Anordnungen für den Todesfall» klare Anweisungen für Ihren letzten Gang erteilt. Wie schwer fiel Ihnen das? Als mein Mann starb, musste ich unzählige Entscheidungen treffen, obwohl ich dazu emotional gar nicht in der Lage war. Dies wollte ich meinen Angehörigen ersparen. Ich bin für Klarheit auch bei schwierigen Themen. Denn das Letzte, was ich möchte, ist, dass hinsichtlich meines ‹Letzten Willens› Streitigkeiten entstehen.»

VORSORGE UND NACHLASS: WIR HELFEN GERNE WEITER Wie können wir Sie bei der Vorsorgeplanung oder der Regelung Ihres Nachlasses unterstützen? Bitte senden Sie mir kostenlos Ihren ausführlichen Ratgeber «Ihr Wille zählt» Ich wünsche eine persönliche Beratung zum Thema Vorsorge- und Nachlassplanung (1. Gespräch gratis). Bitte rufen Sie mich an. Ich habe eine Frage / ein anderes Anliegen an die Heilsarmee. Bitte rufen Sie mich an. Name:

Geburtsdatum:

Vorname:

E-Mail:

Strasse, Nr.:

PLZ / Ort:

Telefon und geeignete Zeit für einen Anruf: Einsenden an: Stiftung Heilsarmee Schweiz, Valérie Cazzin-Bussard Laupenstrasse 5, 3001 Bern oder vorsorge@heilsarmee.ch 23


SO HILFT DIE HEILSARMEE MIT IHRER HILFE. Offene Ohren Alles beginnt mit einer einfühlsamen Person, die sich eines hilfesuchenden Menschen annimmt. Darum empfangen wir Menschen in Not sowohl in unseren 10 Sozialberatungsstellen als auch in unseren 56 HeilsarmeeGemeinden mit offenen Armen und Ohren. Freie Betten Wer den Boden unter den Füssen verloren hat, hat oftmals auch kein Dach mehr über dem Kopf. In insgesamt 14 Wohn- und 6 Übergangs­ heimen, 4 Alters- und Pflegeheimen und 5 Passantenheimen bieten wir jede Nacht über 1200 Menschen ein Obdach. Zusätzlich führen wir noch 5 Jugend- und Kinderheime. Gedeckte Tische Oft ist das Problem eines hilfesuchenden Menschen ganz profan. Er oder sie hungert nach Essen oder nach ein bisschen Gesellschaft. Darum laden wir gern zu Tisch. Zum Beispiel bei unseren diversen Mittags­tischen für Jung und Alt, aber auch bei unseren Weihnachtsfeiern oder den Frauen-Zmorgen. Tröstende Worte Unser Tun ist geprägt durch unsere Beziehung zu Gott. Darum bringen wir die Menschen mit Jesus Christus in Berührung. Nicht zuletzt mit unseren Gottesdiensten, die jeden Sonntag in 56 Heilsarmee-Gemeinden stattfinden. Aber auch unsere psychiatrische Spitex und der Gefängnisdienst sind wertvolle Angebote für Menschen in Not.

LEITBILD DER HEILSARMEE Die Heilsarmee ist eine internationale Bewegung und Teil der weltweiten christlichen Kirche. Ihre Botschaft gründet auf der Bibel. Ihr Dienst ist motiviert von der Liebe Gottes. Ihr Auftrag ist es, das Evangelium von Jesus Christus zu predigen und menschliche Not ohne Ansehen der Person zu lindern.

Stiftung Heilsarmee Schweiz | Laupenstrasse 5 | Postfach | 3001 Bern | Telefon 031 388 05 35 Fax 031 382 05 91 | spenden@heilsarmee.ch | heilsarmee.ch | Spendenkonto 30-444222-5


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