Magazin Nr. 13 / Dezember 2018

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Nr. 13 | Dezember 2018

MAGAZIN DER HEILSARMEE SCHWEIZ

«ICH BIN GERNE MIT MENSCHEN ZUSAMMEN.» Reto | Seite 4

ENTLASTUNGSHEIM SUNNEMÄTTELI Ein einzigartiges Angebot | Seite 8

PLÖTZLICH OBDACHLOS Erika findet einen Ausweg aus der Not | Seite 18

NATIONALRÄTIN MARIANNE STREIFF «Menschen mit Behinderung sollen am Leben teilhaben» | Seite 20


EDITORIAL

Liebe Spenderin, lieber Spender Zu dieser kalten Jahreszeit spielt sich das Leben der Menschen vor allem in den gemütlichen Stuben ab. Im Warmen geniesst man zusammen mit Familie und Freunden die besinnliche Vorweihnachtszeit. An solchen Wintertagen wird mir bewusst, was es bedeutet, ein Dach über dem Kopf zu haben. Nicht alle haben das Glück, die Weihnachtszeit in Harmonie im Kreis ihrer Liebsten zu verbringen. Ich denke an die Menschen, die kein Zuhause und keine Familie haben, die allein sind. Es ist unsere christliche Aufgabe, ihnen zur Seite zu stehen – ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Vorgeschichte oder ihren Bedürfnissen. Für Gott ist jeder und jede von uns wertvoll. In den Wohnheimen und Unterkünften der Heilsarmee finden Erwachsene und Kinder mit sozialen, psychischen oder körperlichen Problemen ein Zuhause – sei es langfristig oder nur für ein paar Nächte. Es ist eindrücklich, was die Betreuerinnen und Betreuer leisten, denn überall treffen sie auf andere Anforderungen: vom Obdachlosen, der sich über eine warme Mahlzeit und einen geschützten Schlafplatz freut, bis zum körperlich schwer beeinträchtigten Kind, das auf intensive Betreuung angewiesen ist. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, setzt sich die Heilsarmee an allen Standorten für eine gelebte Inklusion ein. Das heisst, alle Menschen sollen unabhängig von ihren Beeinträchtigungen gleichberechtigt und möglichst selbstständig am Leben teilhaben können. Zusammen leben, arbeiten und wohnen – darum geht es in vielen Artikeln in diesem Magazin. Ich lade Sie herzlich ein, an den Geschichten teilzuhaben. Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachten. Philipp Steiner Leiter Marketing & Kommunikation

IMPRESSUM Spendermagazin der Heilsarmee Schweiz Erscheint zweimal jährlich (Juni/Dezember) Herausgeberin Stiftung Heilsarmee Schweiz, Spenden, Laupenstrasse 5, Postfach, CH-3001 Bern | Telefon 031 388 05 35 spenden@heilsarmee.ch | heilsarmee.ch Spenden PC 30-444222-5 Redaktion Holger Steffe (Leiter Spenden a.i.), Gino Brenni, Florina German, Sébastien Goetschmann, Marco Meier, Stefan Meier, Nathalie Schaufelberger Übersetzung Übersetzungsdienst der Heilsarmee Konzept Spinas Civil Voices, Zürich / Stefan Walchensteiner Layout Nadia Shabani | Druck Stämpfli AG, Bern Gründer der Heilsarmee William Booth | General Brian Peddle Territorialleiter Kommissär Massimo Paone Titelbild Ruben Ung | Fotos Lin Geissler, Ruben Ung, Sébastien Goetschmann, Daniel Oester, Heilsarmee Schweiz, Sunnemätteli, Internationale Entwicklung

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INHALTSVERZEICHNIS

4 Ein Haus und seine Bewohner Hertihus in Bülach – kein Wohnheim wie jedes andere

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7 Das Ding 8 Die Heilsarmee hilft Sunnemätteli – Entlastung für Familien mit beeinträchtigtem Kind 10 Gern gehört 11 Wir vier 12 Zum Mitfreuen 14 Musik ist … festlich 15 Gesagt, getan Eine Unterkunft für die Ärmsten in Genf und die erste Brocki der Region Solothurn

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17 Dies und das 18 Vom Glück verlassen Plötzlich obdachlos – wie Erika* ein neues Zuhause fand 20 Red und Antwort Nationalrätin Marianne Streiff im Gespräch 22 Fortsetzung folgt Umbau für begleitetes Wohnen im Lorrainehof

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*Zum Schutz der Privatsphäre wurde der Name geändert und eine andere Person abgebildet.

heilsarmee.ch


EIN HAUS UND SEINE BEWOHNER

IM HERTIHUS EIN NEUES ZUHAUSE GEFUNDEN

Reto zusammen mit Leiterin Doris Haab im hauseigenen «Ladä».

Im Hertihus in Bülach finden Menschen ein Zuhause, die bei der Gestaltung ihres Alltags auf Hilfe angewiesen sind. Ein Ort voller Leben und Geschichten – ständig in Bewegung und alles andere als langweilig. Das Hertihus ist kein typisches Wohnheim, das fällt schon auf der Strasse auf. Der hauseigene «Ladä» lädt seit seiner Eröffnung im September Besucher ein, einzutreten und sich umzuschauen. In dem neu gestalteten Verkaufsraum wird ein ständig wachsendes Sortiment aus eigenen und zugekauften Produkten angeboten – passend zur geschäftigen Lage an der Bülacher Bahnhofstrasse. «Downtown Bülach» nennt Doris Haab die Nachbarschaft. Sie leitet das Hertihus, ein Wohnheim der Heilsarmee. An solch einer zentralen Lage wolle man sich nicht verstecken, sondern offen den Kontakt zu Nachbarn, Passanten und Interessierten suchen. «Es ist zwar kein Apple-Store und wir wollen mit dem Ladä auch nicht an die Börse», erklärt Doris Haab. Trotzdem leistet das öffentliche Angebot einen schönen Beitrag zum Bülacher Stadtleben. Im Hertihus wieder Fuss gefasst Das Besondere am Hertihus bestätigt auch Bewohner Reto: «Hier wird man nicht einfach als Heimbewohner an-

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gesehen, sondern als eigenständige Persönlichkeit.» Reto ist 43 Jahre alt und wohnt seit April 2017 im Hertihus. Wie viele Bewohner hat Reto keinen einfachen Weg hinter sich. Er verlor seinen Vater an Krebs, litt unter Panikattacken und grossen Ängsten vor Veränderungen. Reto ist ein sehr sensibler Mensch, «fast übersensibel», sagt er über sich selbst. Reto arbeitete lange in der Bülacher Kläranlage. Als sich sein Arbeitsteam stark veränderte und sein langjähriger Chef wechselte, wurde es zu viel für ihn. Immer häufigere und schlimmere Panikattacken mündeten in einem Selbstmordversuch. Es war klar, dass es so nicht weitergehen konnte. An diesem Tiefpunkt fand Reto über einen Bekannten einen Platz im Hertihus, wo er «an einem verschifften Morgen» einzog. Von Anfang an gefiel es ihm hier, das unkomplizierte Miteinander erleichterte ihm den Neustart. In der hauseigenen Gebäudereinigung begann Reto mit einer regelmässigen Tätigkeit und gewann Stück für Stück das Vertrauen in sich selbst und seine Fähigkeiten zurück.


Reto bekommt Essensgeld, mit dem er selbstständig haushalten kann. «Ich komme trotzdem meistens zum gemeinsamen Essen hier im Hertihus», sagt er, «in der Küche wird gut und frisch gekocht.» Reto ist ein Urbülacher, alle paar Minuten grüssen ihn Passanten, die an der Terrasse vorbeigehen. Allen winkt er freundlich zurück. «Ich bin gerne mit Menschen zusammen», sagt er. Seit Reto im Hertihus wohnt, hat sich für ihn vieles zum Positiven verändert: Die Ängste und Zweifel sind stark zurückgegangen und er ist selbstständiger geworden. Das beweist er täglich bei seiner Arbeit im Laden. Früher hätte er sich das nicht getraut. «Reto ist eine sehr zuverlässige Person, er macht das richtig gut», lobt ihn die Leiterin Doris Haab. Er freut sich sichtbar über dieses schöne Kompliment. «Das, was ich jetzt mache, ist gut», sagt er mit einem Lächeln. Geschichten wie die von Reto bestätigen Doris Haab, dass ihre Arbeit als Institutionsleitern einen Sinn hat. «Dafür komme ich jeden Tag gerne zur Arbeit. Es freut mich, wenn Bewohner sagen, dass sie sich hier wertgeschätzt fühlen», erklärt sie ihre Motivation. Sie erhalte auch von der Heilsarmee die nötige Freiheit, das Hertihus zusammen mit den Bewohnern zu dem zu machen, was es ist: einem alles andere als alltäglichen Wohnheim. Doris Haab und ihr Team sorgen dafür, dass immer etwas läuft. Zum Beispiel die Erweiterung der Wohnanlage, um genügend Arbeitsplätze für die Bewohner anbieten zu können. Mehr Platz für Hobby und Arbeit Seit dem 1. September 2018 gehört ein neues Gebäude am Hertiweg auf der anderen Seite der Strasse zur Wohnanlage. «Das neue Haus bietet uns ungeahnte Möglichkeiten», schwärmt Doris Haab. «Vorher konnten wir nur sehr eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten bieten.» In der Küche des früheren Bauernhauses werden zum Beispiel Zwetschgen und Äpfel aus Hagelschaden-Beständen getrocknet und zu Dörrfrüchten verarbeitet. Die Ideen für neue Produkte gehen nicht aus: Für das neue Jahr ist eine eigene Pastaproduktion geplant. Im Atelier nebenan entstehen in Handarbeit kreative Werke. Für die Weihnachtszeit hat das Spital Bülach 250 kleine Engeli aus Schwemmholz bestellt, als Geschenk für ihre Patienten. Dabei schwingt auch immer der unternehmerische Gedanke mit: So werden zusätzliche Engeli produziert für das Weihnachtssortiment im eigenen Laden. Neu für die Bewohner ist auch der Arbeitsweg: «Man geht nicht mehr in den Hausschuhen los, der Weg über die Strasse gibt der Arbeit eine andere Bedeutung», sagt Doris Haab. Der zusätzliche Platz im Obergeschoss wird für einen Gruppenraum genutzt. Jetzt trifft sich hier etwa die Frauengruppe. Eine Leseecke in der Galerie ermöglicht es

Von der Herstellung in der Werkstatt bis zum Verkauf im «Ladä»: Viele Produkte in den Regalen stammen aus eigener Fertigung und bereichern das Sortiment.

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Das neue Gebäude am Hertiweg bietet vor allem eins: viel Raum, um gemeinsam zu arbeiten. In der Küche und der Werkstatt finden die Bewohner vielseitige Arbeitsmöglichkeiten. Bewohnern, die selbst nicht arbeiten können, trotzdem dabei zu sein. «Das neue Haus soll ein Ort zum Schaffen und Sichtreffen sein, damit niemand allein sein muss.» Eine willkommene Einnahmequelle Mit dem neuen Gebäude steigen auch die Ausgaben für Miete und Unterhalt. Um diese Kosten zu decken, wurde der Laden neu gestaltet und eingerichtet. Das wurde überhaupt erst durch den Umzug der Werkstatt auf die andere Strassenseite möglich. In den Regalen finden sich neben den Schwemmholz-Engeli auch Weihnachtsgestecke und Guetzli sowie ab dem neuen Jahr die Pasta aus eigener Herstellung. Sorgfältig ausgewählte Produkte anderer Institutionen der Heilsarmee wie von Obstgarten, HandsOn oder Buchseegut vervollständigen das Sortiment. Ein gemeinsames Weihnachtsfest Unabhängig von der Arbeit für das Weihnachtssortiment ist die Weihnachtszeit im Hertihus eine schöne und traurige Zeit zugleich. Mit ihr kommen Erinnerungen an eine Zeit hoch, die in dieser Form für die Bewohner nicht mehr existiert. «Uns ist es wichtig, dass sich niemand allein fühlt. Alle bekommen ein persönliches kleines Geschenk.»

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sagt Doris Haab. «Unsere Leute schätzen eine traditionelle Weihnachtsfeier», führt sie aus. Sie liest eine Geschichte vor, dann wird zusammen gesungen, gegessen und gelacht. Die meisten Menschen in der Schweiz haben das Glück, diese besinnliche Zeit im Kreise ihrer Familien verbringen zu dürfen. Viele Bewohner im Hertihus teilen dieses Privileg nicht. Darum sagt Doris Haab: «Wir sind für viele hier ein Familienersatz. Wir wollen diese Zeit für alle so schön wie möglich gestalten.»

hertihus.ch Text: Marco Meier | Fotos: Ruben Ung


DAS DING

ALTES EISEN, ABER SO SCHÖN: DIESES BLECHSPIELZEUG IST VIELLEICHT EIN WEIHNACHTSGESCHENK AUS VERGANGENER ZEIT. DIE JAHRE SIND IHM KAUM ANZUSEHEN. DIE ZÜGE STRAHLEN IN SATTEN FARBEN UND DREHEN GERÄUSCHVOLL IHRE RUNDEN VOR EINEM ALPENPANORAMA.

brocki.ch

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DIE HEILSARMEE HILFT

Den Kindern im Sunnemätteli wird es nicht langweilig: Im Winter stehen gemeinsame Ausflüge in den Schnee auf dem Programm.

HILFE FÜR ELTERN MIT EINEM BEEINTRÄCHTIGTEN KIND Mitten in der Natur im Zürcher Oberland liegt das Entlastungsheim Sunnemätteli. Hier finden Kinder mit Beeinträchtigungen einen Platz, damit ihre Familien vor allem eines finden: ein paar Tage Entlastung von dem sehr betreuungsintensiven Alltag. «Unsere Tochter kann es kaum erwarten, wieder ins Sunnemätteli in die Ferien zu gehen. Vielen Dank für alles, was sie hier leisten. Es nimmt uns eine grosse Last ab.» Solche schönen Rückmeldungen von Eltern bekommt Andreas

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Girsperger oft. Er leitet das Entlastungsheim Sunnemätteli der Heilsarmee. Sie zeigen, wie wertvoll die professionelle Pflege und Betreuung ist, die hier geleistet wird. Er sagt: «Leider kommt es immer wieder vor, dass Familien mit


einem Kind mit Beeinträchtigung an ihrem belastenden Alltag zerbrechen. Schon ein freies Wochenende kann einer Überforderung vorbeugen.» Schicksale, die nahegehen «Viele Eltern bringen ihr Kind am Freitagabend vorbei und holen es am Sonntag wieder ab», sagt Andreas Girsperger. Es sind Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis achtzehn Jahren, die geistig oder körperlich beeinträchtigt sind. Viele von ihnen sitzen im Rollstuhl oder können nur dank moderner Technik kommunizieren. Etwa durch einen Computer, der Bewegungen der Augen in Sprachsignale umwandelt. Besonders traurig sind die Fälle von abbauenden Krankheiten: «Es gibt Kinder, von denen man weiss, dass sie bald sterben werden. Auch damit müssen wir uns hier auseinandersetzen.» Wichtiger Partner für die Eltern Nicht alle Kinder teilen ein solch endgültiges Schicksal. Andreas Girsperger holt eine Mappe hervor und erzählt von Selina*, einem 13-jährigen Mädchen. Diese Dossiers sind eine Art Anleitung der Eltern mit genauen Angaben etwa zum Verhalten beim Baden oder Essen. Er liest vor: «Selina kann mit Hilfe den Löffel selber führen und gibt das Tempo an. Sie sitzt im Rollstuhl und kann sich kaum selbst bewegen. Mithilfe ihrer Zunge zeigt sie an, dass sie auf die Toilette muss. Mit Augen und Mimik signalisiert sie ein simples Ja oder Nein.» Man muss sie aber schon gut kennen, um das zu entschlüsseln. Trotzdem bekommt sie mit, was um sie herum geschieht: «Sie gigelet, wenn sie etwas lustig findet, zum Beispiel, wenn ich sie nicht richtig verstehe», sagt Girsperger mit einem Schmunzeln.

«Schon ein Wochenende Entlastung kann einer Überforderung der Eltern vorbeugen.»

Ein paar Tage Ferien: Selina geniesst ihre Zeit im Sunnemätteli.

Der grosszügige Garten der Anlage lädt zum Entdecken ein.

Andreas Girsperger Man erkennt schnell, wie wichtig die enge Zusammenarbeit mit den Familien ist. «Wir legen sehr grossen Wert auf die Kommunikation mit den Eltern. Oft rufen sie uns einfach an, weil sie ein offenes Ohr suchen, um über ihr Kind zu sprechen – etwa über aktuelle Vorkommnisse. Auch das gehört zu unserem Job», sagt er.  Auf Spenden angewiesen Für die Kinder sind die Tage im Sunnemätteli wie Ferien. «Vor allem draussen im grossen Garten, zum Beispiel auf dem

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Das einzige Angebot dieser Art in der deutschsprachigen Schweiz Das Entlastungsheim Sunnemätteli bietet an 360 Tagen im Jahr 16 Plätze für Kinder mit einer Beeinträchtigung. Sie verbringen hier zum Beispiel ein Wochenende, um ihre Familien zu entlasten. Die Nachfrage ist gross: Vor allem an Wochenenden und zu Ferienzeiten sind meistens alle Plätze belegt. Für besonders dringende Fälle stehen auch Notfallplätze zur Verfügung. Die Betreuung findet in der Regel in einem 2:1-Verhältnis statt, das heisst, auf zwei Kinder kommt ein Betreuer. In speziellen Situationen, wie etwa beim Baden der Kinder, ist eine 1:1-Betreuung notwendig. In Zukunft möchte man Lösungen finden, damit auch Kinder aufgenommen werden können, die durchgehend eine 1:1-Betreuung benötigen.

Andreas Girsperger leitet das Entlastungsheim Sunnemätteli. Trampolin, sind die Kinder gerne. Viele mögen es besonders, den Wind im Gesicht zu spüren», sagt Andreas Girsperger. Oder sie liegen einfach auf einer Matratze, beobachten und lauschen gespannt auf das Treiben. Besonders gut geht das auf den Wasserbetten im Entspannungsraum. Bei gedämpftem Licht können hier Wolkenbilder an die Wände projiziert und so die Sinne angeregt werden.

In diesem Fall ist das Entlastungsheim auf Spendengelder angewiesen, um den Anteil der Eltern nicht erhöhen zu müssen. «Wir sind sehr froh, dass wir diese Spenden zur Verfügung haben», sagt er. Im kommenden Jahr feiert das Sunnemätteli sein 100-jähriges Bestehen. Die Heilsarmee, ihre Spender und der unermüdliche Einsatz des Betreuerteams machen dieses schöne Jubiläum möglich.

Die umfangreiche Betreuung kostet natürlich etwas. «Wir nehmen Kinder unabhängig von der Zahlungskraft ihrer Eltern auf», erklärt Andreas Girsperger. Der Grossteil der Kosten wird von Schulgemeinden und Kanton getragen. Aber nicht jede Gemeinde bezahlt den vollen Beitrag.

heilsarmee.ch/sunnemaetteli.ch Text: Marco Meier | Fotos: Sunnemätteli

*Zum Schutz der Privatsphäre wurde der Namen des Kindes geändert.

GERN GEHÖRT

Andrea, Rückmeldung via Website

«Menschen, die auf der Strasse leben, haben das Recht auf Würde und Wertschätzung. Ich selbst war eine Nacht lang auf die Heilsarmee angewiesen – und bekam Hilfe, ohne hinterfragt zu werden. Darum unterstütze ich die Heilsarmee.»

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WIR VIER

Franziska Rüegg Stève Galeuchet

Heilsarmeeoffizier in Ausbildung

der Informatik und Nach zehn Jahren Tätigkeit in t mich berief, meine Kommunikation spürte ich, dass Got usetzen. Im Allt ag Fähigkeiten für meine Nächsten einz der Zeit. Meine Frau sind viele Menschen im Wettlauf mit en zu bleiben – uns und ich haben uns entschieden, steh . Es ist für uns ein Zeit zu nehmen und verfügbar zu sein ee tun zu dürfen. In Vor recht, das gerade in der Heilsarm ekt «Of fenes Ohr ». Ber n leiteten wir ein Jahr lang das Proj Stadt zuzuhören – Das Ziel war, den Menschen unserer Anliegen. Nun wolihren Bedürfnissen, Erwartungen und en Wohnort in Biel len wir diese Mission an unserem neu hsten Hof fnung und fort setzen – und damit unseren Näc Leben schenken.

Mitarbeiterin Spendenservice

Durch besondere Umstände bin ich letztes Jahr auf die Stelle im Spendenservice der Heilsarmee gest ossen. Es ist für mich ein Privileg, hier zu arbeiten – und dam it bedürftigen Menschen helfen zu können. Das bereiche rt und erfüllt mich. Meine sinnvolle Tätigkeit motiviert mich jeden Morgen aufs Neue, aus dem Haus zu gehen und die Aufgaben im Spendenservice in Angriff zu nehmen. Ich stehe voll und ganz hinter der Heilsarmee und ihrem Leitb ild, ihrer Verankerung im christlichen Glauben und ihrem Kam pf für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Liebe – auch für Randständige und Einsame. Für meine Arbeitsstelle bin ich der Heilsarmee und Gott sehr dankbar.

Christian Russ

Markus Brunner Leiter der Heilsarmee-Division Ost

Mein Leben in Zahlen: 55-jährig, 30 Jahre verheiratet, 25 Jahre Heilsarmeeoffizier, vier erwachsene Kinder. Hinter diesen Zahlen stehe ich, Markus Brunner. Zusammen mit meiner Frau leite ich von Zürich aus die «Division Ost» der Heilsarmee: Das sind rund 15 Heilsarmee-Gemeinden, zwei Beratungsstellen und eine diakonische Anlaufstelle bei der Langstrasse in Zürich, wo ein Frauenteam den Sexarbeiterinnen Hilfe anbietet. Ich betreue und besuche die Leiterinnen und Leiter dieser Dienste. Dabei staune ich immer wieder über ihre eindrücklichen Biografien: Diese Menschen geben sich für Gott hin – und für die Menschen. Meine Inspirationsquelle ist die Bibel. Sie prägt mich seit meinem 18. Lebensjahr und gibt mir Antworten auf drän-

Inst itu tionsleite r des Al ters- und Pfleg eheims Lorraine ho

f in Bern

«Im Quartier de heim», steht au f einer Hausfas Lorrainehofs. Ei sade des n Graf fitikünstle r hat diesen Satz Wand geschriebe an die n. Ein Zuhause is t ein Privileg – ei hause für andere n ZuMenschen mitges talten zu dürfen, Das ist unser A nl auch. iegen im Lorraine hof. Hier werden schen, die zwis Menchen 30 und 96 Jahre alt sind, und gepflegt. Ich begleitet selbst bin auch im Heim gross gew Meine Eltern leite orden. ten verschiedene Altersheime – w Kinder waren m ir als ittendrin und te ilten das Leben. Heimerbe hat m Mein ich durchs Lebe n begleitet: Seit Jahren darf ich ei über 30 nen Beitrag in Pfl ege- und Heimbe leisten. Ich woh trieben ne in Bern und ha be je zwei Kind Enkelkinder. Auc er und h sie schauen immer wieder ge Lorrainehof vorb rne im ei.

gende Lebensfragen.

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ZUM MITFREUEN NEUBAU AN DER ANKERSTRASSE Wenn etwas Neues entsteht, wird bei der Heilsarmee gefeiert. Das gilt auch für den Neubau an der Ankerstrasse in Zürich: Mit Pauken und Trompeten wurde im Frühling 2018 der Baustart eingeläutet. Hier entsteht in naher Zukunft ein neues Wohnheim. Die Planung war nicht immer einfach: Der Spatenstich wurde mehrmals verschoben, was die Geduld aller Beteiligten auf eine harte Probe stellte. Am 18. Mai 2018 war es endlich so weit. Ein zu diesem Anlass errichteter Abstieg führte die Heilsarmee-Musik sowie Gäste und Freunde in die tiefe Baugrube mitten in Zürich. Mit der Unterstützung eines Bewohners des Wohnheims an der Molkenstrasse wurde eine Zeitkapsel im Boden versenkt. Verschiedene Redner weihten das entstehende Gebäude ein – zusammen mit Marianne Meyner, Geschäftsleiterin der Stiftung Heilsarmee Schweiz. Nach seiner Fertigstellung finden hier 36 Menschen mit psychischen und sozialen Beeinträchtigungen oder Abhängigkeitsstörungen und eine ganze Heilsarmee-Kirchgemeinde eine neue Heimat.

anker31.ch Text: Nathalie Schaufelberger | Fotos: Daniel Oester

25 JAHRE GASTFREUNDSCHAFT IN DER «RÉSIDENCE AMITIÉ» Am 6. Juni feierte das Alters- und Pflegeheim «Résidence Amitié» im Herzen von Genf sein 25-jähriges Bestehen. Die Bewohner und Mitarbeiter trugen von Anfang an dazu bei, dass sich diese Einrichtung zu einem Ort der Gastfreundschaft entwickeln konnte. Dafür wurde ihnen ein herzliches Dankeschön ausgesprochen. Der Genfer Regierungsrat Mauro Poggia betonte, dass die Heilsarmee als vollwertige Partnerin im Kanton eine ganz besondere Rolle übernimmt: «Dank ihrer bedingungslosen Gastfreundschaft bietet die Résidence Amitié eine Lösung für Menschen, die anderswo keinen Platz finden.» «L’Amitié» heisst übersetzt «die Freundschaft» – eine unverzichtbare Beziehungsform für unser Leben in der Gesellschaft. Dieses Element möchte die Résidence Amitié auch weiterhin hervorheben.

heilsarmee.ch/residence-amitie Text: Sébastien Goetschmann | Fotos: Résidence Amitié

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VIDEO: FREIWILLIGE HELFEN AN WEIHNACHTEN

Sie haben Kinder und Grosskinder – doch sie verbringen Weihnachten mit Fremden: Am 24. Dezember, wenn viele Menschen die Zeit mit ihren Familien geniessen, sind sie tatkräftig im Einsatz: Die freiwilligen Helfer Chantal und Simon Keller tragen in der Heilsarmee Bern dazu bei, dass einsame Menschen ein wunderschönes Weihnachtsfest erleben. Das Ehepaar hatte die Idee schon vor einiger Zeit und fragte die Heilsarmee an, die sofort zusagte. Gäste an der Tür empfangen, in der Küche mitarbeiten, schöpfen und servieren – sie sind leidenschaftliche Helfer. Mit ihrem Engagement wollen sie anderen Menschen das Licht von Weihnachten weiterreichen. Ein Kameramann hat das Ehepaar begleitet. Hier können Sie das Video anschauen:

heilsarmee.ch/weihnachtshelfer Text: Florina German | Fotos: Anil Zaugg

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GLORIA IN EXCELSIS DEO Eine Festmusik von J. S. Bach, 1742

Das Lied erzählt uns einen Teil der Geschichte von Jesu Geburt und lehrt uns vieles über das Werk, das er auf der Erde vollbringen wollte. Es handelt von der Freude über Jesus unseren Retter, dass er kommt, um zu regieren, und dass wir dazu berufen sind, zu ihm zu beten. Wir produzieren dieses Jahr ein umfangreiches Weihnachtsmusik-Programm, das auf CD und auf unserer Website zum Download verfügbar ist. Damit jeder und jede die Gelegenheit bekommt, sich von dieser besinnlichen Musik berühren zu lassen – zusammen mit der Familie, versammelt um den Weihnachtsbaum. Major Jacques Donzé, Leiter Abteilung Evangelisation

Weihnachtsprogramm hören: heilsarmee.ch/weihnachts-cd

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GESAGT, GETAN

Solothurn

Genf

BROCKI LUTERBACH ERFOLGREICH ERÖFFNET

EIN ORT DER NÄCHTLICHEN ERHOLUNG

Es ist so weit: Die Region Solothurn hat ihre eigene Heilsarmee-Brocki. Am 1. September 2018 wurde die neue Filiale in Luterbach eröffnet. Hunderte Kunden fanden und kauften am ersten Tag ihren persönlichen Wunschartikel. Ein Rekord – nie zuvor sind an einem Eröffnungstag mehr als 30’000 Franken Umsatz erzielt worden. Neben dem Appetit auf das Warenangebot brachten die Besucher auch leiblichen Hunger mit. Die angebotenen Pouletflügeli, Pommes frites und Kuchen wurden reichlich verspeist. Das sorgte für einen weiteren Rekord: Noch nie ist an einer Eröffnungsfeier so viel konsumiert worden. Ein Besuch der Brocki lohnt sich: Auf der riesigen Verkaufsfläche entdecken Sie Alltagsgegenstände, Sammlerstücke oder das noch fehlende Weihnachtsgeschenk. Mit der neu eingeführten Brocki-Card sammeln Sie bei jedem Kauf und jeder Warenspende wertvolle Punkte. Die Karte wird bis Ende 2019 schweizweit eingeführt. Wie bei allen Brockis fliesst der Erlös vollumfänglich in die soziale Arbeit der Heilsarmee. Sie sind herzlich zu einem Besuch eingeladen – direkt vor Ort oder im Online-Schaufenster.

In den Räumen des «Temple des Pâquis» in Genf initiierte die Heilsarmee ein Pilotprojekt. Sie öffnete während drei Monaten täglich von 22.30 Uhr bis 6.30 Uhr die Türen des «Halte de Nuit». Die niederschwellige Anlaufstelle wurde zum Ort der Erholung für die Ärmsten. «Es gab Suppe, warme Getränke und Lebensmittel aus Supermärkten, die nicht mehr verkauft werden konnten», erklärt Antoine Beuret, stellvertretender Leiter der Notschlafstelle Genf der Heilsarmee. «An einigen Abenden kamen 100 Personen zu den Mahlzeiten, manchmal mehr. Die meisten blieben über Nacht.» Ohne Lagerort für Matratzen konnte die Kirche nicht jede Nacht zum Schlafsaal umgebaut werden. Als Ersatz wurden Gymnastikmatten verteilt. Dieses einzigartige Projekt der Stadt Genf war eine Zusammenarbeit des Espace Solidaire Pâquis, der evangelischen Kirche, der Nonprofitorganisation Le CARÉ und der Heilsarmee. «Das Projekt gibt einen guten Impuls für Gemeinschaft und Solidarität», ist Antoine Beuret überzeugt. «So ein Aufenthaltsort ist unerlässlich. Wir versuchen, ihn wieder anzubieten.»

brocki.ch/luterbach-solothurn Text: Marco Meier | Foto: zVg

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zahlende Kunden an der Eröffnung

Text: Sébastien Goetschmann | Foto: zVg

90 Personen kamen durchschnittlich zu den Mahlzeiten.

30 000 Artikel auf rund 2000 m² Verkaufsfläche*

75 Personen blieben durchschnittlich über Nacht.

250 Kunden nutzten am Eröffnungstag die Brocki-Card

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Sozialarbeiter wurden eingestellt.

*Zahlen September 2018

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SPINAS CIVIL VOICES

Für Menschen, die etwas Wärme brauchen.


DIES UND DAS Offene Weihnachtsfeiern An Weihnachten soll niemand allein sein. Deshalb organisieren viele Heilsarmee-Gemeinden jedes Jahr offene Weihnachtsfeiern. Alle sind herzlich eingeladen, daran teilzuhaben. Es gibt Feiern am Morgen mit Brunch und Christmetten oder abendliche Feste, an denen ein herzhaftes Dreigangmenü aufgetischt wird. Bei allen Feiern steht das gesellige Beisammensein im Mittelpunkt. Gemeinsam wird gegessen, gesungen, gelacht und gebetet. Menschen verschiedenster Couleur kommen zusammen und begegnen sich auf Augenhöhe. Darunter sind auch viele freiwillige Helferinnen und Helfer: Sie dekorieren, servieren und packen in der Küche mit an. Ihr Einsatz macht diese besinnlichen Feiern überhaupt erst möglich. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön. Möchten Sie mit uns Weihnachten feiern? Auf unserer Website finden Sie alle Orte und Termine.

heilsarmee.ch/weihnachten Text: Gino Brenni | Foto: Anil Zaugg

Gärten, die das Quartier beleben Die Heilsarmee-Gemeinde Malleray unterhält seit diesem Frühling Gärten, von denen besonders bedürftige Menschen profitieren. Jeden Donnerstag wird das geerntete Gemüse zubereitet und an einer gemeinsamen Mahlzeit serviert. Wer bei der Gartenpflege mitgeholfen hat, darf das Gemüse bei Bedarf auch mit nach Hause nehmen. Der Korpsoffizier Kapitän Yanick Termignone erklärt: «Als wir die Dokumentation Demain gesehen hatten, begannen wir uns eingehend damit auseinanderzusetzen, wie wir als Christen in der heutigen Gesellschaft leben. Dabei erschien uns eine Permakultur als ein sinnvolles Projekt: Das ist eine Kombination von Pflanzen, die sich gegenseitig beschützen und helfen, ohne Pestizide zu wachsen. Ausserdem sind wir so aktiv in der Nachbarschaft und können uns mit den Menschen austauschen, die uns helfen.»

heilsarmee.ch/malleray Text und Foto: Sébastien Goetschmann

Handgefertigtes Holzspielzeug für die Heilsarmee-Brocki «Um 1980 fand mein Götti Hilfe bei der Heilsarmee. Am Nullpunkt seines Lebens – verwahrlost durch Alkoholkonsum – wurde das Wohnheim in Winterthur zu seinem Zuhause und zu seiner Familie.» Sein Göttibub* ist auch heute noch tief beeindruckt von der Hilfe, die sein Götti von der Heilsarmee erhalten hat. Der begabte Werklehrer will der Heilsarmee etwas zurückgeben: Seit 2014 schnitzt er mit viel Herzblut Spielzeuge aus Holz und schenkt sie der Heilsarmee-Brocki. «Ich habe nie vergessen, wie gut es mein Götti in seiner schwersten Zeit bei der Heilsarmee hatte. Ich fertige die Spielsachen aus Dankbarkeit – denn Dankbarkeit heisst für mich, dass man wertschätzt, was andere tun.» Das Wohnheim in Winterthur bietet heute noch Unterkunft und einfache Betreuung für Menschen in einer Notlage.

heilsarmee.ch/wohnheim-winterthur Text: Florina German | Foto: Heilsarmee *Name der Redaktion bekannt

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VOM GLÜCK VERLASSEN

PLÖTZLICH OBDACHLOS «So weit unten war ich in meinem ganzen Leben noch nie», sagt Erika*. Die 62-Jährige erzählt ihre fast unglaubliche Geschichte: Wie sie unversehens auf der Strasse landet und dank einer Begegnung den Ausweg aus der Not findet.

Es ist Ende September. Erika kehrt nach vier Jahren von einer gescheiterten Auswanderung nach Spanien zurück in die Schweiz. Abgemacht ist, dass sie vorübergehend bei einer Bekannten unterkommt. Doch davon will die Freundin jetzt nichts mehr wissen. Wie weiter? Erika findet sich mit ihren zwei Koffern auf der Strasse wieder. Selbst die Jugendherberge ist zu teuer, die Notschlafstelle voll besetzt und beim Kloster steht sie vor verschlossenen Türen. Erika bleibt nichts anderes übrig, als draussen zu übernachten. Kalte, endlose Nächte Mit dem wenigen Geld, das sie bei sich hat, kauft sie zu essen, duscht am Bahnhof und wäscht die Kleider im Waschsalon. Ab und zu bestellt sie in einem Restaurant etwas zu trinken, um sich ein wenig aufzuwärmen und die Toilette zu benutzen. Die knappen Mittel gehen rasch zur Neige. Sie beisst sich durch, weil sie denkt: «Irgendwann muss es doch eine Lösung geben!» Die Tage verbringt sie am Bahnhof, in der Nacht kauert sie sich an eine überdachte Busstation. «Da sitzt man dann, schaut auf die Uhr und zählt die Stunden – die Nächte sind endlos.» Tagsüber sind die Temperaturen erträglich, aber nachts ist es bitterkalt. «Ich habe Arthrose in den Knien, sie schmerzen vor allem bei Kälte.»

Heute kann sie wieder lachen: Erika zusammen mit Markus Brunner von der Heilsarmee.

Rettung in der Not Nach einer Woche am Bahnhof wird sie von Simon angesprochen. Der Mann mit der blauen Jacke ist Mitarbeiter der SIP (Sicherheit, Intervention, Prävention). Diese Institution kümmert sich um Randständige und schliesst die Lücke zwischen Polizei und Sozialarbeit. Simon schenkt Erika eine Notfalldecke und rät ihr, bei der Heilsarmee anzurufen. Eine weitere Woche zieht ins Land, dann spricht sie mit den Heilsarmeeoffizieren Markus und Eva Brunner. Jetzt geht es schnell: Am gleichen Abend zieht sie in ein Notzimmer der Heilsarmee ein. Eva und Markus Brunner sind überrascht: «Sie hat auf der Strasse gelebt, ist aber weder drogensüchtig noch Alkoholikerin. Allerdings hat sie einen ordentlichen Husten mitgebracht.» Der Tipp von Trudy Das Notzimmer, das Erika bezieht, ist zweckmässig eingerichtet: ein Bett, ein Schrank, ein Tisch, ein Lavabo. «Nach

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Nun hat Erika erst einmal Zeit, ihre Lage zu überdenken.

zwei Wochen auf der Strasse ist dieses Zimmer richtig komfortabel!», sagt Erika. Nun ist die Heimkehrerin erst einmal in Sicherheit und hat Zeit, ihre Lage zu überdenken. Sie nutzt die Tage, um die Ergänzungsleistungen zu reaktivieren, die sie im Ausland nicht erhielt. Sie setzt sich eine Frist: «Innerhalb von zwei Monaten möchte ich eine Wohnung finden.» Das ist sehr schwierig, aber sie hat Glück: Im zweiten Heilsarmee-Notzimmer wohnt Trudy*. Die junge Frau sucht selbst intensiv nach einer Wohnung und wird bald fündig. Sie erfährt, dass in dem Haus eine weitere Wohnung frei ist – und gibt den Tipp an ihre Zimmernachbarin weiter. Erika packt die Chance und kann nach sieben Wochen bei der Heilsarmee ihre eigene 2,5-Zimmer-Wohnung mieten. Zuversichtlich in die Zukunft «Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft», sagt Erika. Jetzt kann sie wieder ihrem Hobby nachgehen: Sie kocht und backt leidenschaftlich gerne. «Noch selten habe ich Brot gekauft. Weggli, Gipfeli, Kuchen, Lasagne, Ravioli – ich mache alles selbst.» Der Heilsarmee ist Erika sehr dankbar, sie möchte den Kontakt aufrechterhalten. Auch die Offiziere Eva und Markus Brunner sind froh, dass sie helfen konnten: «Erika hat alles ganz selbstständig gemacht. Sie kann sich gut organisieren und kooperieren. Und Kooperation braucht es immer, sonst funktioniert es nicht.»

Zwei Zimmer für Frauen in Not In verschiedenen Schweizer Städten bietet die Heilsarmee Notzimmer für Frauen an. Sie sind oft in ein Gebäude der Heilsarmee eingebettet, was so aussehen kann: Im Erdgeschoss befindet sich der Mehrzweckraum für die Gottesdienste, der gleichzeitig Küche und Aufenthaltsraum ist. Im ersten Stock hat es eine Wohnung und im zweiten Stock lebt die Offiziersfamilie. Im dritten Stock stehen zwei Notzimmer zur Verfügung. Die Häuser sind meist offen und unbewacht, weshalb weder Drogensüchtige noch psychisch Schwerkranke aufgenommen werden können. Dafür unterhält die Heilsarmee in der Romandie und der Deutschschweiz spezialisierte Wohnheime. Die Dauer eines Aufenthalts im Notzimmer ist auf sechs Monate begrenzt. Zuweisende Stellen sind Spitäler, Notschlafstellen, Frauenhäuser und Mandatszentren für Kindes- und Erwachsenenschutz.

*Zum Schutz der Privatsphäre wurden die Namen geändert und eine andere Person abgebildet.

heilsarmee.ch/wohnen Text: Livia Hofer | Fotos: Ruben Ung

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RED UND ANTWORT Marianne Streiff engagiert sich für die Rechte und ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung.

«ICH BEWUNDERE DEN MUT DER HEILSARMEE.» MARIANNE STREIFF

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Christ sein heisst für Marianne Streiff auch, Verantwortung zu übernehmen und zu handeln. Das verbindet die Nationalrätin und Präsidentin der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP) mit der Heilsarmee. Frau Streiff, Sie engagieren sich als Präsidentin von INSOS Schweiz für Menschen mit Behinderung. Warum? In der Schweiz gelten in allen Lebensbereichen gleiche Rechte für alle. Dies soll unter anderem die volle Inklusion von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft ermöglichen. In der Praxis sind wir jedoch von der gesetzlich verlangten Gleichstellung noch weit entfernt. Beeinträchtigte Menschen werden nach wie vor diskriminiert und müssen für ihre Rechte kämpfen. Gegen diese Ungerechtigkeit engagiere ich mich. Menschen mit Behinderung sollen am Leben voll teilhaben können. Doch sie können sich oft nicht selbst wehren, wenn ihnen Steine in den Weg gelegt werden. Nehmen Sie über INSOS politisch Einfluss auf die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung? Ja. Als nationaler Branchenverband vertreten wir die Interessen von 800 Institutionen, welche vielfältige Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung erbringen. 60’000 Menschen finden hier Arbeit, eine Tagesstruktur und ein Zuhause. Zudem können die Betroffenen von Integrationsmassnahmen profitieren und berufliche Ausbildungen absolvieren. INSOS Schweiz nimmt aber auch politisch aktiv Einfluss. So pflegen wir Kontakte zu Politikern, beteiligen uns an Vernehmlassungen, arbeiten in Fachgruppen mit und melden uns bei politischen Themen öffentlich zu Wort. Was ist der Unterschied zwischen Inklusion und Integration beeinträchtigter Menschen? Inklusion, die wir anstreben, geht über Integration hinaus. Sie steht für die Gleichwertigkeit aller Menschen – für die Einzigartigkeit von jedem Individuum sowie das Vorhandensein von Vielfalt und Unterschieden. In einer inklusiven Gesellschaft ist die einzelne Person nicht mehr gezwungen, unerreichbare Normen zu erfüllen. Vielmehr werden Strukturen geschaffen, in denen sich Menschen mit ihren Besonderheiten einbringen und auf ihre eigene Art gesellschaftlich wertvolle Leistungen erbringen können. Das ermöglicht auch Menschen mit Behinderung, ein selbstbestimmtes und sinnerfülltes Leben zu führen. Selbstbestimmt im Sinn von selbst entscheiden und aus verschiedenen Angeboten wählen zu können. Das ist ihr Recht. INSOS Schweiz unterstützt und begleitet sie dabei. Wo steht die Schweiz heute bezüglich Inklusion? Wir sind auf gutem Weg. Die Schweiz hat Gleichstellungsgesetze geschaffen und die Behindertenrechtskonvention

der UNO unterschrieben. Das Bewusstsein ist da und bei Behörden, Politik und Wirtschaft findet ein Umdenken statt. Es ist heute anerkannt, dass nicht andere über Menschen mit Behinderung befinden sollen, sondern dass die Betroffenen selbst wissen, was für sie gut ist. Doch wie gesagt, hapert es bei der Umsetzung noch. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir die inklusive Gesellschaft Schritt für Schritt erreichen werden. Schliesslich geht es auch um die bereichernde Erkenntnis für uns alle, dass jede Schöpfung einzigartig und jedes Leben wertvoll ist – und auch lebenswert. Deshalb bin ich auch dagegen, dass eine Schwangerschaft abgebrochen wird, wenn man pränatal eine Behinderung diagnostiziert. Welchen Bezug haben Sie zur Heilsarmee? Keinen direkten. Aber die Heilsarmee hat mich schon immer begleitet und angespornt. Ich bewundere ihren Mut beim Sichtbarmachen und Leben des Evangeliums – da ist sie für mich ein Vorbild. Zudem sind gewisse Institutionen der Heilsarmee Mitglied bei INSOS Schweiz. So trifft man sich bei Veranstaltungen. Und ja, die Heilsarmee bereichert mit ihrer Topfkollekte und Musik die Adventszeit. Das berührt mich immer wieder, wenn ich durch den Bahnhof von Bern gehe. Und wie ich erfahre, auch Menschen, die mit der Adventszeit sonst nicht so viel anfangen können.

marianne-streiff.ch Text: Stefan Meier | Foto: Ruben Ung

Marianne Streiff ist Nationalrätin sowie Präsidentin der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP) und von INSOS Schweiz, dem Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung. Die Mutter von drei erwachsenen Kindern interessierte sich bereits als junge Familienfrau für politische Themen. Denn Christ sein heisst für sie auch, Verantwortung zu tragen. So trat sie der EVP bei und machte ihre ersten politischen Schritte auf dem Parkett des Parlaments in Köniz. 1998 folgte die Wahl in den Grossen Rat des Kantons Bern, 2004 zusätzlich in die Könizer Exekutive und 2010 in den Nationalrat. Mit diesem Schritt gab sie ihre Tätigkeit als Lehrerin im Schuldienst des Kantons Bern auf, die sie 32 Jahre lang ausgeübt hatte. In ihrer knappen Freizeit geniesst Marianne Streiff Spaziergänge mit ihrem Mann Jürg, hütet ihr Enkelkind oder singt im Kantatenchor Bern mit.

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FORTSETZUNG FOLGT

Nicht mehr bedarfsgerecht: Das Wohnheim Lorrainehof in Bern wird renoviert.

IM QUARTIER DAHEIM SEIN Das Quartier ist der Berner Stadtteil «Breitenrain-Lorraine». Hier führt die Heilsarmee seit 1949 ein Wohnheim, das ursprünglich nur Frauen aufnahm. Heute leben im Lorrainehof rund 60 Frauen und Männer, die nicht mehr eigenständig wohnen können oder wollen: meistens ältere Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Das Heim nimmt aber auch jüngere, sozial schwache und psychisch kranke Menschen auf, die mit unterstützender Begleitung selbstständig leben können. Umbau für begleitetes Wohnen Ab Ende 2018 bleibt im Lorrainehof fast kein Stein auf dem anderen. Denn das Heim wird von Grund auf saniert. Zudem entsteht ein neues Gebäude. Warum das? Die letzte Renovation liegt über 40 Jahre zurück. Deshalb ist die Haustechnik veraltet und die sanitären Einrichtungen genügen den heutigen Ansprüchen nicht mehr. So können

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zum Beispiel gehbehinderte Menschen die Duschen nicht benutzen. Die Notwendigkeit zur Renovation hat aber nur zum Teil mit dem Alter der Infrastruktur zu tun. Da der Lorrainehof damals noch keine Pflege anbot, wurden die entsprechenden Anforderungen nicht berücksichtigt. Heute steigt die Nachfrage nach begleitetem Wohnen jedoch stark. Im neuen Gebäude werden 20 Plätze dafür geschaffen. Sie entsprechen den neusten Erkenntnissen in der Betreuung von beeinträchtigten Menschen. Sobald der Neubau erstellt ist, werden die Bewohner des bestehenden Wohnheims vorübergehend dorthin ziehen. Wenn ihr Gebäude saniert ist, kehren sie zurück. Der neue Lorrainehof wird einen bedarfsgerechten, geschützten Lebensraum bieten, der von Wärme und Geborgenheit geprägt ist.

lorrainehof.ch Text: Stefan Meier | Foto: Ruben Ung


PUBLIREPORTAGE

Alles geregelt wissen! Elisabeth Bucherer* hat keine Familienangehörigen mehr. Sie zieht für die Vorsorge- und Nachlassplanung einen unabhängigen Fachmann der Heilsarmee bei. Wie kam die Vorsorge- und Nachlassberatung zustande? Als ich im Spendenmagazin der Heilsarmee das Inserat zur Vorsorge- und Nachlassplanung las, meldete ich mich. Mit dem Heilsarmee-Fachmann konnte ich dann eines nach dem andern ordnen.

Sie haben die letzten Dinge geregelt. Was hat Sie dazu bewogen? Zunächst mein hohes Alter. Mir ist mit 87 Jahren bewusst, dass der Tag kommt, an dem ich nicht mehr selber bestimmen kann, oder auch der Tag, an dem man stirbt. Es war für mich wichtig, über die Vorsorgeund Nachlassplanung selber zu entscheiden. Umso mehr, da ich keine Familienangehörigen mehr habe. Den Freundeskreis wollte ich nicht damit belasten.

Welche Erwartungen haben Sie damit verbunden? Über letzte Dinge zu sprechen, ist vom Gefühl und von der Sache her nicht einfach. Deshalb war für mich neben dem fachlichen Wissen der christliche Hintergrund des Beraters wichtig: Es entstand für mich eine Vertrauensbasis.

Sie haben sich für einen Berater der Heilsarmee entschieden – weshalb? Ich habe viele frohe Erinnerungen an die Heilsarmee-Pfadi, bei der ich als Kind mitmachte. Und mir gefällt die praktische Art, wie die Heilsarmee Gutes tut und benachteiligten Menschen hilft.

Information: Valérie Cazzin-Bussard Tel. 031 388 06 39 vorsorge@heilsarmee.ch heilsarmee.ch / vorsorge * Zum Schutz der hier zitierten Personen sind Namen und Bilder geändert.

Bezieht sich dieses Vertrauen auch auf Ihr Testament? Ich bin überzeugt, dass der Betrag, den ich der Heilsarmee hinterlassen werde – sofern dann etwas übrigbleibt – sorgfältig und sinnvoll eingesetzt wird. Sie haben auch einen Vorsorgeauftrag und eine Patientenverfügung erstellt? Auch hier spielt das Vertrauen eine Rolle, da ich keine Familie mehr habe. Gemeinsam mit dem Heilsarmee-Berater konnte ich den Vorsorgeauftrag und die Patientenverfügung ausfüllen. Ausserdem half er mir eine Vertrauensperson zu finden, der ich die Vollmacht übergeben konnte. Ich gab auch Anweisungen zu meiner Bestattung. Was hat die Regelung bewirkt? Ich bin erleichtert und beruhigt! Mir lag daran, alles geordnet zu wissen und diese Fragen nicht mehr vor mir herzuschieben. Es wäre mir unangenehm gewesen, Unklarheit oder Chaos zu hinterlassen.

VORSORGE UND NACHLASS: WIR HELFEN GERNE WEITER Dürfen wir Sie bei der Vorsorgeplanung oder der Regelung Ihres Nachlasses unterstützen? Bitte senden Sie mir kostenlos Ihren ausführlichen Ratgeber «Ihr Wille zählt». Ich wünsche eine persönliche Beratung zum Thema Vorsorge- und Nachlassplanung (1. Gespräch gratis). Bitte rufen Sie mich an. Ich habe eine Frage / ein anderes Anliegen an die Heilsarmee. Bitte rufen Sie mich an. Name:

Geburtsdatum:

Vorname:

E-Mail:

Strasse, Nr.:

PLZ / Ort:

Telefon und geeignete Zeit für einen Anruf: Einsenden an: Stiftung Heilsarmee Schweiz, Valérie Cazzin-Bussard Laupenstrasse 5, 3001 Bern oder vorsorge@heilsarmee.ch


SO HELFEN WIR MENSCHEN IN NOT. Offene Ohren Alles beginnt mit einer einfühlsamen Person, die sich eines hilfesuchenden Menschen annimmt. Darum bieten wir für Menschen in Not 29 Sozialangebote und empfangen sie in unseren 55 Heilsarmee-Gemeinden mit offenen Armen und Ohren. Freie Betten Wer den Boden unter den Füssen verliert, hat oftmals kein Dach mehr über dem Kopf. In insgesamt 10 Wohn- und 4 Übergangsheimen, 4 Alters- und Pflegeheimen und 7 Passantenheimen bieten wir jede Nacht über 1200 Menschen ein Obdach. Zusätzlich führen wir noch 4 Jugend- und Kinderheime. Gedeckte Tische Oft ist das Problem eines hilfesuchenden Menschen ganz profan. Er oder sie hungert nach Essen oder nach ein bisschen Gesellschaft. Darum laden wir gern zu Tisch. Zum Beispiel bei unseren Mittagstischen für Jung und Alt, bei unseren Weihnachtsfeiern oder den Frauen-Zmorgen. Tröstende Worte Unser Tun ist geprägt durch unsere Beziehung zu Gott. Darum bringen wir die Menschen mit Jesus Christus in Berührung. Nicht zuletzt mit unseren Gottesdiensten, die jeden Sonntag in 55 Heilsarmee-Gemeinden stattfinden. Aber auch unsere psychiatrische Spitex und der Gefängnisdienst sind wertvolle Angebote für Menschen in Not.

AUFTRAG DER INTERNATIONALEN HEILSARMEE Die Heilsarmee ist eine internationale Bewegung und Teil der weltweiten christlichen Kirche. Ihre Botschaft gründet auf der Bibel. Ihr Dienst ist motiviert von der Liebe Gottes. Ihr Auftrag ist es, das Evangelium von Jesus Christus zu predigen und in seinem Namen menschliche Not ohne Ansehen der Person zu lindern.

Stiftung Heilsarmee Schweiz | Laupenstrasse 5 | Postfach | 3001 Bern Telefon 031 388 05 35 | Fax 031 382 05 91 | spenden@heilsarmee.ch | heilsarmee.ch Spendenkonto 30-444222-5 | IBAN CH37 0900 0000 3044 4222 5


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