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Abfallnation Schweiz

Wiederverwertung Die Einwohner*innen der Schweiz seien Weltmeister im Wiederverwerten, das behaupten Recyclingorganisationen und Behörden gerne. Tatsächlich wird die Hälfte unseres Hausmülls verbrannt. Doch das soll sich jetzt ändern.

Eines Tages leerte ich unseren Abfallsack auf den Kellerboden.

Ich sortierte, trennte, machte kleine Haufen. Fand kein Papier, kein Glas, keine PET-Flaschen, keine Plastikdosen und schon gar keine Batterien, denn das wandert hierzulande alles in die Recyclingcontainer, anderes auf den Kompost. Aber da waren drei angebrannte Pizzaränder (wir vermeiden Foodwaste, so gut es geht), ein zerfaserter Küchenlappen (gehört eigentlich in die Textilsammlung), ein Kugelschreiber. Der Rest, ein riesiger Haufen, war Plastik: Joghurtbecher, Käseverpackungen, Klarfolien, Nüsschenbeutel. Wohin, fragte ich mich, kommt das alles?

Wir leben längst, so formulierte es der Kulturwissenschaftler Justin McGuirk, in einem «Zeitalter des Mülls», in einer Welt, in der Wachstum «komplett abhängig ist von der unablässigen und gnadenlos effizienten Produktion von Müll». Und von allen Ländern ist die Schweiz einer der gnadenlos effizientesten Produzenten von Abfall. Nämlich pro Einwohner sind es genau 707 Kilogramm im Jahr, nur Norwegen und Dänemark produzieren in Europa mehr Müll, und 773 Kilogramm sind es pro Kopf in den USA.

Davon wird etwas mehr als die Hälfte wiederverwertet, der Rest landet heute mitsamt den ganzen Bauabfällen, Industriemüll, dem Abfall aus Spitälern, den Windeln aus Kinderkrippen, ausrangierten Skis, zerkratzten Motorradhelmen, müffelnden Klobürsten, meinem Plastikhaufen im Keller: in den Kehrichtverbrennungsanlagen. Und wird dort verbrannt.

Meine erste Erkenntnis: Schweizer Hausmüll löst sich fast zur Hälfte in Luft auf, wird in der Atmosphäre deponiert. Als CO2, als das Gas, das unser Klima an die Grenzen des Kollapses bringt.

Allein in der Schweiz stossen die Müllverbrennungsanlagen 4,2 Millionen Tonnen CO2 aus pro Jahr (das sind zehn Prozent des landesweiten Ausstosses). Dazu kommen die Schäden durch die giftige Schlacke, die in Deponien gelagert wird, eine ständige Gefahr für Grundwasser und Natur. Nicht mitgezählt auch, was wir sonst an Müll noch so produzieren. Radioaktiven Müll, Sondermüll, dazu 8900 Tonnen Mikroplastik pro Jahr vom Abrieb der Pneus unserer Autos, tausende Tonnen Mikroplastik aus Duschgels und Kunststoffkleidern, und das alles gelangt in die Umwelt, ins Meer, in unserer Nahrungsmittelkette.

Wir haben Plastikmüll im Blut, Mikroplastik findet sich mittlerweile auch in der Muttermilch, so weit ist es gekommen. Wir pusten mit verbranntem Müll Millionen Tonnen Klimagase in die Luft, und eigentlich sollten wir eines tun: dringend den Abfall reduzieren. Aber die Prognosen sind düster, Expert*innen rechnen mit einer Zunahme der Abfallproduktion um bis zu 4,7 Prozent bis 2035. Und so ist das heutige Schweizer System der Abfallbewirtschaftung: nicht zukunftsfähig.

Denn es basiert weitestgehend auf der flächendeckenden «thermischen Verwertung» in den 29 Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), die in der Schweiz seit den Sechzigerjahren in Betrieb genommen wurden. Diese KVAS nun haben ein Versprechen abgegeben, es steht in einem Vertrag zwischen dem Bund und dem VSBA, dem «Verband Schweizerischer Betreiber von Abfallverwertungsanlagen» (nicht: Kehrichtverbrennungsanlagen), der im vergangenen März unterzeichnet wurde. Darin ist festgeschrieben, dass die KVAs das Problem mit dem CO2 lösen sollen, sie müssen spätestens bis 2050 auf null Emissionen kommen. Und hier soll es die Technologie des «Carbon Capture and Storage», des Ausfilterns von CO2 mit anschliessender Deponierung in unterirdischen Kavernen richten; in einem ersten Schritt wollen die Betreiber*innen mit einer Pilotanlage bis 2030 mindestens 100 000 Tonnen CO2 aus den Schloten rausfiltern und sicher einlagern.

Nur wo?

Die Kapazitäten sind unsicher Robin Quartier, Geschäftsführer des VBSA, besitzt kein Auto, fährt mit dem Velo zur Arbeit und regt sich täglich auf über die klimaschädlichen SUVs. Und im Gespräch ist spürbar, dass das «Problem» mit dem CO2 Robin Quartier am Herzen liegt; er beteuert, man sei zwar technisch in der Lage, das CO 2 in den Kaminen abzuscheiden, aber man wisse nicht wohin damit.

«Es ist tatsächlich unsicher, ob es überhaupt Kapazitäten gibt, um das CO2 tief unter der Nordsee in Kavernen zu deponieren, wir wissen auch nicht, ob es möglich ist, das CO 2 mit einer Pipeline etwa durch Deutschland hindurchzuführen, und man hat auch keine Ahnung, was das kostet.»

«Es wird jedenfalls teuer. Und technisch anspruchsvoll.»

«Ja.»

«Und was ist mit der Umwandlung von CO2 in synthetischen Treibstoff?»

«Das ist noch viel teurer, weil das Verfahren sehr viel Strom braucht, wir sprechen von der Grössenordnung von mehreren Atomkraftwerken.»

«Also fällt auch diese Option dahin?»

«So ist es.»

Die KVAs in der Schweiz werden ihre Klimaziele von sich aus nicht erreichen, das ist absehbar. Und einige frisieren dabei ihre Umweltbilanzen ganz erheblich. Die Industriellen Werke Basel etwa, deren KVA jährlich über 240 000 Tonnen CO2 in die Luft pustet, behaupten, man sei unter dem Strich «klimaneutral», weil die Hälfte des Abfalls aus «biogenen» Quellen stammt, also aus Holz, Papier, Essensresten und so weiter. Die andere Hälfte habe das Bundesamt für Umwelt BAFU deshalb als «klimaneutral» deklariert, weil man die Emissionen an CO2 bereits bei der Produktion der Produkte «erfasst» habe. Mit dieser Rechnung verschwinden Hunderttausende real emittierte Tonnen CO2 einfach aus der Klimabilanz, damit die KVA in Basel (wie andere auch) ihre CO2-Emissionen als «klimafreundlich» verkaufen kann. Genauso wie die gewonnene Wärme für das Fernwärmenetz, das in Basel real aber zu 32 Prozent mit Erdgas betrieben wird, und zu 44 Prozent mit Abfall; mit Abfall, der am Rheinknie zu einem grossen Teil aus dem Ausland und aus anderen Kantonen dazugekauft wird.

Atmosphäre als Deponie

Seit die ersten KVAs in den 1960er-Jahren gebaut wurden, nutzt die Abfallnation Schweiz die Atmosphäre als Deponie. Und das mit Unterstützung des BAFU, das auf Anfrage beschwichtigt, die Treibhausgasemissionen aus den KVAs spielten ja nur eine «untergeordnete Rolle» (es sind immerhin 10 Prozent aller CO2-Emissionen der Schweiz). Das BAFU betrachtet denn auch das Verbrennen von Abfall (die «energetische Verwertung») und das Recycling (die «stoffliche Verwertung») seit Jahren und bis heute als «gleichwertige» Formen der «Entsorgung» von Abfällen. Das bestätigte die Direktorin des BAFU, Katrin Schneeberger, höchstpersönlich gegenüber einem, der nach genauer Lektüre von Ge- setz und Verordnung zu einem anderen Schluss gekommen war: Andreas Howald, Rechtsanwalt in Bern, Rechtsvertreter des «Vereins Plastic Recycler Schweiz».

Andreas Howald, der am Telefon geduldig jeden einzelnen Gesetzes- und Verordnungsartikel erläutert, der auf Gerichtsentscheide verweist, auf Erläuterungen zur Verordnung, sagt entschieden, dass sowohl das Umweltschutzgesetz des Bundes wie auch die entsprechende eidgenössische Abfallverordnung vorschreiben, die «stoffliche Verwertung», also das eigentliche Recyling von Abfall, habe Vorrang vor der lediglich «energetischen Verwertung» von Abfall.

«Genau das ist der Sinn von Gesetz und Verordnung, wenn die massgeblichen und klaren Normen richtig angewendet würden. Und massgeblich bei der Frage, was wie verwertet werden soll, ist der jeweils aktuelle Stand der Technik, auch das ist so zwingend in der geltenden eidgenössischen Abfallverordnung vorgeschrieben.

Danach könnten bereits heute und teilweise seit Jahren eine ganze Reihe von Abfällen, die heute einfach in der Kehricht- verbrennung KVA verbrannt werden, tatsächlich wiederverwertet werden, allem voran Plastik.»

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«Das heisst», frage ich zurück, «dass das heutige System der flächendeckenden und prioritären Abfallverbrennung gesetzeswidrig ist?»

«Das ist so, ja.»

«Und wie sind wir so weit gekommen?»

«Primär fehlt es am konsequenten Vollzug bestehenden Rechts durch das Bundesamt für Umwelt BAFU und damit verbunden an der dem BAFU aufgetragenen Feststellung des Stands der Technik. Zugleich sind die KVAs regional wirtschaftlich wichtige Auftraggeberinnen und bedeutende Einnahmequellen der Gemeinden und Kantone, welche die Eigentümer der KVAs sind, und mit Sack- und Entsorgungsgebühren sowie dem Verkauf von Fernwärme und Strom viel Geld verdienen.»

Die Rolle der Verbrennungsanlagen

Ähnlich drastisch drückt es Ewoud Lauwerier aus, er ist Politikwissenschaftler und Mitautor der kürzlich erschienenen Studie «Plastik in der Schweiz» der Meeresschutzorganisation «OceanCare». Er sagt, die Schweiz habe sich mit dem System der Abfallverbrennung als Standard in eine Art «Locked-in-Situation» begeben, da sei Transparenz schwierig. Und das «Quasimonopol» der Verbrennungsanlagen werde denn auch politisch verteidigt, bis hinein in die inneren Zirkel im Bundeshaus. Aber damit könnte es bald ein Ende haben.

Denn mittlerweile wächst der Druck, die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz zu stärken, will heissen eine Wirtschaft, bei der Stoffe und Produkte möglichst ressourcenschonend produziert und dann «im Kreislauf» gehalten, also mehrfach wiederverwendet werden. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft setzt voraus, dass Produkte so «designt» werden, dass sie auch wiederverwertbar sind, Kreislaufwirtschaft ist das Gegenteil der heute gängigen Wegwerfwirtschaft.

Die Kreislaufwirtschaft ist unter der Bundeshauskuppel angekommen, allem voran mit der parlamentarischen Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken», lanciert von der Umweltkommission des Nationalrates. Und im Zentrum steht da vor allem jene Sorte unseres Abfalls, die in der Schweiz meist verbrannt wird: Plastik.

Druck aufgebaut hat auch, nebst weiteren Vorstössen, die Motion von Nationalrat Thomas Dobler (FDP), die den Bun- desrat verpflichtet, «mittels Verordnung festzulegen, dass stofflich verwertbare Anteile von Kunststoffabfällen schweizweit koordiniert und flächendeckend getrennt gesammelt und hochwertig stofflich verwertet werden können». Druck kommt aber auch von den Konsument*innen, die, das zeigen Umfragen, zu 70 Prozent ein komplettes Plastikrecycling wünschen; nicht zuletzt macht auch die Europäische Union vorwärts. Sie verbietet bereits heute bestimmte Einwegverpackungen in Plastikform und will die Vorschriften für Plastik insgesamt verschärfen.

Das alles freut vor allem Simone Hochstrasser. Sie ist Geschäftsführerin des Vereins Schweizer Plastic Recycler VSPR, sie spricht bei unserem Gespräch ganz sachlich, legt die Fakten auf den Tisch. Simone Hochstrasser betont, der VSPR habe von sich aus die Grundlagen gelegt für eine harmonisierte, zertifizierte Plastiksammlung. Man wollte «nicht auf die Politik warten», denn die habe viel zu lange gezögert, auch das Bundesamt für Umwelt gehöre «nicht gerade zu denen, die sich etwas Neues ausdenken». Das sei aber auch nicht deren Aufgabe, sondern es sei Aufgabe der Privat- wirtschaft, sich selber Regeln aufzuerlegen. Und so seien heute schon neun Betriebe in der deutschsprachigen Schweiz für ein hocheffizientes Plastikrecycling zertifiziert, man sei bereit für mehr.

Entsorgungstelle in Bern: Weniger als ein Zehntel des Plastiks in der Schweiz wird heute wiederverwendet –eine Ausnahme ist PET, da sind es über 80 Prozent.

«Das bedeutet», hake ich nach, «dass die Privaten die Initiative ergriffen haben.»

«So ist es, weil wir eine starke Bewegung spüren, den Willen, etwas zu tun, und jetzt sind sich alle am Finden.»

Plastik anders designen

Einer, der zu den Pionieren im Plasticrecycling gehört, heisst Markus Tonner; er ist Inhaber der Firma InnoRecycling in Eschlikon und Präsident des VSPR. Markus Tonner, der gerne auf seinem Werkhof zum Gespräch lädt, inmitten von riesigen Ballen Plastik, Tonnen über Tonnen Plastikverpackungen, ist ein engagierter, visionärer Unternehmer. Tonner beliefert die benachbarte InnoPlastics, die pro Jahr 19 000 Tonnen Regranulate aus rezykliertem Plastik herstellt. Plastik, das aus Haushalten kommt, aus der Industrie, aus der Landwirtschaft. Es stammt zu einem grossen Teil aus dem Ausland, aus der Schweiz werden gerade mal 6700 Tonnen angeliefert.

Tonner betont seit Jahren, dass man vom handelsüblichen Haushaltplastik etwa 80 Prozent relativ einfach recyclen kann, mehr als 50 Prozent davon wird zu wiederverwendbarem Plastik, bei «reineren» Plastiksorten ist die Ausbeute erheblich höher. Und im Vergleich zur Verbrennung spart die Wiederverwertung pro Kilo Plastik drei Kilo CO2 ein. Tonner hängt es nicht an die grosse Glocke, aber sein Betrieb hat dazu beigetragen, dass allein im letzten Jahr etwa 72 000 Tonnen CO2 vermieden wurden. CO2, das sonst über die KVAs in die Atmosphäre gelangt wäre.

Aber es sei noch immer «viel zu wenig», sagt Tonner. Weil weniger als ein Zehntel des Plastiks in der Schweiz heute wiederverwertet wird (beim PET sind es über 80 Prozent), trotz aller Anstrengungen. Tatsächlich benötigt man mindestens 20 000 Tonnen gesammeltes Plastik pro Jahr, um eine vollautomatisierte Plastiksortieranlage rentabel betreiben zu können. Zurzeit wird Plastikmüll aus der Schweiz, der für die Wiederverwendung bestimmt ist, im Vorarlberg vorsortiert.

Wer mit Patrick Semademi spricht, CEO des Plastikunternehmens Semademi AG, mit 250 Mitarbeiter*innen in ganz Europa, bekommt eine Ahnung von der Zukunft in Sachen Plastik. Semadeni, der zudem beim

Verband der Schweizer Kunststoffindustrie für den Sektor Nachhaltigkeit verantwortlich ist, sagt bei unserem Gespräch unumwunden, man sei an der Schwelle zu einem zweifachen «Paradigmenwechsel». Erstens, indem gebrauchter Plastik nicht mehr als «Abfall», sondern als «Wertstoff» behandelt wird. «Und zweitens arbeiten wir daran, Komplexität aus dem System herauszunehmen, also wir produzieren Plastik, der weniger kompliziert zusammengesetzt ist, damit er auch leichter wiederverwertet werden kann.»

«Wie muss ich mir das vorstellen?»

«Zum Beispiel wird auf die Einfärbung verzichtet oder man benutzt lösbare Etiketten, insgesamt sollen Plastikprodukte nicht komplizierter zusammengesetzt sein als unbedingt nötig.»

«Plastik wird also fit gemacht für den Kreislauf?»

«Genau.»

Semadeni ist Bergsteiger, er sieht bei jeder Bergtour, was die Klimakrise in den Bergen anrichtet, erzählt von Steinschlag, gefährlichen Passagen. Deshalb setzt er sich ein für «Zero Waste», also «Null Abfall», und er bekennt sich zu den Entwicklungszielen der UNO in der «Agenda 2030». Aber er gibt zu, dass bei Weitem noch nicht alle Firmen die Zeichen der Zeit gesehen haben, es brauche, sagt er, «noch viel Aufklärung».

Und ja, auch neue Regeln. Die werden gerade formuliert, im Parlament, bei der Revision des Umweltschutzgesetzes. Dort haben die behandelnden Kommissionen beider Räte die Kreislaufwirtschaft als Grundsatz festgeschrieben – und auch, dass Abfälle prinzipiell «stofflich verarbeitet» werden müssen. Also ist «Verbrennen» inskünftig der allerletzte Ausweg. Das Parlament will eine flächendeckende Sammlung von wiederverwertbaren Abfällen, vor allem von Plastik.

Letztlich anders heizen

Nicht die öffentliche Hand, etwa die Gemeinden oder die 29 «Abfallverwertungsanlagen» sollen diese Aufgabe übernehmen, sondern Private, das ist der Stand der Beratungen. Das Parlament setzt damit, wie beim PET, auf das Prinzip der Eigenverantwortung der Branche und ebnet den Weg für die bereits bestehenden privaten Sammlungen (unter anderem auch von Migros und Coop) und für das Projekt «Sammlung 2025», das vom Verband «swissrecycling» länger schon vorbereitet wird. Es sieht vor, dass in Zukunft ein schweizweit koordiniertes Recyclingsystem für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons eingeführt wird, es soll ein «praxisorientiertes und breit abgestütztes System werden», wie Rahel Ostgen von «swissrecycling» sagt.

Damit holt die Abfallnation Schweiz ihren enormen Rückstand auf das europäische Ausland etwas auf, zumindest bei den Verpackungen, also bei dem Plastik, der vor allem im Haushalt anfällt. Aber auch alle Metalle, Bauschutt, Holz, Bioabfälle, alles muss nach den neuen Vorschriften, die in Arbeit sind, wieder «verwertet» werden, und zwar «stofflich». Und früher oder später müssen, wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen will, überhaupt alle Industrieabfälle, Plastik oder nicht Plastik, aufbereitet werden.

Was heisst das für die KVAs, die auf diese Abfallmengen angewiesen sind? Robin Quartier, Geschäftsführer des VBSA, bleibt gelassen. Natürlich, sagt er, sei insbesondere Plastik ein «sehr praktischer Abfall für die KVAs, weil Plastik eben gut und relativ sauber brennt». Aber er vertraue darauf, dass es auch in Zukunft noch genug anderen Abfall geben werde, und sonst «muss man eben die eine oder andere Anlage abschalten».

Das sind Töne, die nicht von allen gerne gehört werden, vor allem nicht von den Kantonen, die ihre KVAs über Jahre zu eigentlichen Kraftwerken ausgebaut haben, zu Lieferanten von Strom und vor allem: von Fernwärme. Denn es ist unklar, wie diese Fernwärmenetze betrieben werden sollen, wenn die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz flächendeckend eingeführt ist, wenn jede Kosmetikflasche, jeder Bodenlappen, jede Sitzgarnitur, jede Druckerpatrone wieder in den Kreislauf kommt, wenn sich also, wie vom Gesetzgeber gewünscht, das Volumen des Abfalls drastisch reduziert.

Vielleicht werden dann die Fernwärmenetze nicht mehr mit Abfall geheizt (und mit Gas), sondern von grossen, leistungsfähigen geothermischen Anlagen, wie heute schon in München. Und in vielen anderen europäischen Ländern.

Hintergründe im Podcast: Radiojournalist Simon Berginz spricht mit Reporter Christoph Keller über seine Recherche. surprise.ngo/talk

Den Hunger erdulden: der kleine Hassan und seine Mutter Malyun im Spital von Borama, Somaliland.