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… ist parat

Hier: zum neuen Jahr ein hoffnungsvoller Text! Wir haben viel zu verlieren, das ist ein Privileg. Wir haben noch viel zu lernen, das wird spannend. Es ist noch nicht vorbei – und das ist gut so. Altes Brot macht gute Fotzelschnitten! Und lässt sich hervorragend in Fondue tünkle! Es gibt noch viel zu entdecken und zu erfinden. Zum Beispiel einen Schweizerdeutschen Namen für eben jenes Brot, das man ins Fondue tünklet. (Ich bin etwas überrascht, dass es dafür anscheinend keinen Ausdruck gibt, was unglaublich ist für eine Mahlzeit, die man aus einem Gagglo auf einem Röschochärzli isst. Vollkommen verschwendetes Potenzial für einen anständigen Helvetismus, der Touris «oh wie süss und eigenartig» jauchzen lässt!)

Der Wohlstand, die guten Strukturen, die tolle Organisation, die Ruhe, die Aufge- räumtheit sind schon schön – aber irgendwann wird uns das zum Verhängnis werden. Wir leben zu bequem hierzulande. Die Luft nach oben wird dünn, und wir schauen nicht gern auf den Boden. Ich mache mir Sorgen um die Überlebenschancen der schweizgewohnten Bevölkerung angesichts des Chaos, des Klimawandels, der Weltlage, welche allesamt Improvisation, Anpassung und Komforteinschränkung erfordern. Landesweite Kampagnen raten uns in Anbetracht der Energiekrise, den Ofen vor Gebrauch nicht mehr vorzuheizen. Oho, jetzt wird’s brenzlig im Land der vor Sauberkeit glänzenden Abfalleimer.

Vor kurzem hat die SBB am Hauptbahnhof in Zürich ein Schild aufgestellt, das mich staunen liess: «Zurzeit ist im Bahnhof Löwenstrasse ein unangenehmer Geruch wahrzunehmen. Wir haben die Reinigung intensiviert und beheben die Ursache so schnell wie möglich. Besten Dank für Ihr Verständnis». Man kann begründen, warum das Sinn macht, dass die Schweizer Bevölkerung ein Recht darauf hat zu erfahren, warum es am Bahnhof stinkt! Leute, die beispielsweise ein 1.-KlasseGA für über 6000 Franken besitzen: Denen muss wohl erklärt werden, warum ihr Aufenthalt am Bahnhof ein olfaktorisch eher drittklassiges Erlebnis ist und dass man sich auf jeden Fall darum kümmert!

Wie ich ein andermal schon sagte: Wir leben in einem Land, in dem Leute es normal finden, im Zug den WC-Deckel herunterzuklappen – weil sie nicht nachempfinden können, dass es eine der Regeln der normalen Welt ist, dass man WC-Deckel in öffentlichen Toiletten nicht anfassen will. Als würden sie inmitten des mit folkloristischer Tapete ausgeschmückten Scheisshauses noch einen Punkt machen wollen: Hier ist es sauber. Hier muss sich niemand grusen wie im Rest der Welt.

In der Europaallee in Zürich gibt es ein absurdes Kunstwerk. Eine Art flaches Becken mitten in der Strasse mit einer stillen Wasserfläche, die aussieht wie eine Pfütze. Mein Kollege Laurin Buser scherzt, diese Pfütze sei dazu da, den Flaneuren durch Kunst nachempfindbar zu machen, wie es ist, wenn die Kanalisation so schlecht ist und die Regenfälle so stark, dass das Wasser stehen bleibt. Ein Trainingsplatz für die echte Welt!

Ich glaube übrigens, es gibt sehr wohl die Möglichkeit, auch aus Schweizer Lebensweisheiten eine Mentalität zu entwickeln, die das Unperfekte und den Umgang damit als potenziell Positives miteinschliesst. Chli stinke muess es! Meh Dräck! Tsch Tsch. So. Lose, Luege, Laufe jetzt! Hopp Schwiiz, mir schaffet das mit dem Weltuntergang.

FATIMA MOUMOUNI freut sich über Zuschriften bezüglich des Fonduebrots.