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Somaliland Schon wieder Seit Jahren herrscht Dürre am Horn von Afrika, Tiere und Menschen verhungern. Hoffnung verspricht eine gefährliche Pflanze. Seite 8 Strassenmagazin Nr. 531 12. bis 25. August 2022 Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass davon gehen CHF 3.–an die Verkäufer*innenCHF 6.–

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zu überdreht kam mir dieser Jungunternehmer vor. Ich schrieb mir dennoch in mein Notizbuch «Prosopis, Afrikas Rettung?!»

Manchmal weiss man, was einen erwartet, ohne zu ahnen, wie es wirklich sein wird: Tierkadaver überall, vertrocknete Felder, ausge zehrte Kinder, stummes Wimmern, Fliegen in ihren Gesichtern, die Blicke leer, ihre Haut verkrustet – Bilder, wie ich sie zuletzt Mitte der 1980er-Jahre während der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika gesehen hatte, weit weg am Fernsehen und in meiner Erinnerung schwarzweiss.

Das alles kam mir wieder in den Sinn, als jetzt zu lesen war: Somaliland und Somalia stehen auf Rang 1 des globales Hungerindex, und: die Region ist zu 90 Prozent vom ukrainischen Weizen abhängig, der infolge des Kriegs nicht mehr geliefert werden kann. Sollte Guuleed am Ende recht haben? Wird die Prosopis zur letzten Hoffnung der Menschen dort? Dass es so einfach nicht ist, wusste ich spätestens dann, als ich im Süden von Somali land war, wo der Hunger am grössten ist. Neben mir stand Abdirahman Ahmed, ein Vieh hirte, er deutete auf sein dürres Feld mit nur einem Baum darauf, einer Prosopis, und meinte: «Geed jinni», der teuflische Baum, ab Seite 8. Mit dieser Nummer beginnt Christina Baeriswyl mit ihren Illustrationen der Kolumnen von Moumouni. Wir begrüssen sie herzlich und freuen uns. einer Pflanze gegen den Hunger

14 Serie: Die Unsichtbaren Bericht aus Logistiklagereinem 20 Gesundheitswesen Sozialarbeit in der Arztpraxis 24 Comic Die Notbremse 25 Film The hill Lionesseswhereroar 26 Veranstaltungen 27 Tour de Suisse Pörtner in ViktoriaplatzBern 28 PositiveSurPlus Firmen 29 Wir alle sind Surprise SurpriseImpressumabonnieren 30 Surprise-Porträt «Ich erzähle Geschichten»gerne TITELBILD: PETRUSKLAUS

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Und jetzt wieder. Und diesmal in echt. Ich war nach Somaliland gereist, wo schon seit Jahren Dürre herrscht, Hunger und Armut. Dabei war ich auf den Spuren einer Pflanze, die einen so wohlklingenden Namen hat: Prosopis juliflora, immergrün, robust und imposant, vor allem aber: die Hoffnung Afrikas.

Editorial

«Ob Holzkohle, Tierfutter, Heu oder Mehl fürs Brot, aus der Prosopis lässt sich alles zaubern. Wenn wir hungern, wird sie uns ernähren.» Zugegeben, so richtig geglaubt habe ich Guuleed Ahmad damals nicht,

KLAUS PETRUS Redaktor Immer Hunger

4 Aufgelesen 5 Vor Gericht Ausschaffung nach Lichtenstein 6 Verkäufer*innenkolumne Stoppt das Sterben 7 Moumouni … ... zu Semra Ertan 8 Somaliland Mit

Das jedenfalls sagte mir ein Mann vor gut vier Jahren, als ich zum ersten Mal in Somali land war, er redete ohne Punkt und Komma.

Newselesenausden 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Roja Massoumi bietet Geflüchteten an den EUAussengrenzen psychologische Hilfe an. Sie macht oft die Erfahrung, dass der Dauerzustand von Ungewissheit, das Warten in Lagern wie auf Lesbos und die Unmöglichkeit, sich ein neues Zuhause aufzubauen, oft belastender sind als die traumatisierenden Erlebnisse in den Her kunftsländern, die durch Krieg, Folter oder Verfol gung ausgelöst wurden. Deshalb sei eine Will kommenskultur, wie sie ukrainischen Geflüchteten entgegengebracht wird, wichtig, um ein Flucht trauma wenigstens zu verringern, so Massoumi.

MEGAPHON, GRAZ

Auf g

BILDER: FETTOUCHECÉDRIC

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Flucht ohne Ende

Vor Gericht

ILLUSTRATION: WENGERPRISKA

Gegen Stigmatisierung #ichbinarmutsbetroffen, so lautet das Schlagwort, unter dem seit Kur zem in den Sozialen Netzwerken Erfahrungsberichte von Menschen zu finden sind, die in Armut leben oder lebten. Diese Berichte wollen zeigen, wie stark unsere Gesellschaft die Abwertung von Armutsbetroffe nen verinnerlicht hat. Eine Forde rung ist die Erhöhung der Hartz-IVBeiträge. Diesen Sommer sind in Deutschland Protestaktionen gegen die Diskriminierung von Armutsbetroffenen geplant.

steinnachAusschaffungLiechtenNeulich bei einem Bier erzählte eine Liech tensteinerin, sie werde demnächst samt ihren kleinen Zwillingen des Landes ver wiesen. Ungläubiges Gelächter am Tisch. Unfug! Das Ländle ist doch eine Art Zusatzkanton. An dessen Grenze zu Österreich steht das Schweizer Grenzwachtcorps. Landeswährung ist der Schweizer Franken. Unsere Skiteams trainieren zusammen! Nach Liechtenstein kann man nicht weg gewiesen werden. Kann man doch. Eine Verfügung der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich teilte der 32-Jährigen mit, sie habe «das schweizerische Staatsgebiet» innert sieben Wochen zu verlassen. Weil: zu arm. So formuliert es die Behörde natürlich nicht. Sondern: Der Nachweis über die ge setzlichen «Arbeitnehmereigenschaften» sei nicht erbracht. Zwar liege der geforderte unbefristete Arbeitsvertrag vor, doch der garantiere nur neun Arbeitsstunden pro Woche statt mindestens zwölf. Weiter seien die «Voraussetzungen zur erwerbslosen Wohnsitznahme in der Schweiz» auch nicht gegeben. Die wäre: Cash. Reicher Onkel, Va ter, Freund. Man habe sie tatsächlich ge fragt, ob sie denn «einen Gönner» habe, erzählt die Frau, leicht schaudernd. Einen Härtefall sieht das Amt nicht. Den grössten Teil ihres Lebens habe die Frau nicht in der Schweiz verbracht. Gemessen am Schicksal durchschnittlicher Auslän der*innen seien «die Lebens- und Daseins bedingungen» für die Familie in Liechten stein nicht infrage gestellt, eine Rückkehr somit«Ichzumutbar.bindoch vor der demokratischsten Diktatur der Welt geflüchtet», flachst die auszuweisende Frau in Anspielung auf die sehr umfassende Macht Seiner Durch laucht, Fürst von Liechtenstein. Es sei aber richtig, dass sie lange kaum irgendwo ver weilte; sie tourte mit Theaterproduktionen durch Europa oder arbeitete auf Filmsets. Sie hat sich als freischaffende Szenografin einen Namen gemacht. Ab 2017 wird ihr Weg als frischgebackene alleinerziehende Mutter von Zwillingen steinig. Der Vater zahlt nicht, staatliche Unterstützung nimmt sie nie in Anspruch – auch nicht, als die Pandemie sie als Freischaffende im Kultur bereich hart trifft. Ihre Wegweisung hat sie angefochten. Inzwischen habe sie wieder Aufträge und vor Gericht eine Alimenten-Nachzahlung erstritten, schreibt sie den Behörden. Und die Stundenblätter der letzten Monate be legten nun, was ihr das Amt bezüglich ihrer Festanstellung bisher nicht glaubte: Dass die neun Stunden das garantierte Minimum sind, sie aber stets mehr arbeitet. Ob das dem Kanton reicht für die «wirt schaftliche Integration», die ihm so heilig ist? Die Frau geht einer gesellschaftlich so wertvollen wie unterbewerteten Tätigkeit nach: Care-Arbeit. Sie ist Teil eines Teams, das dafür sorgt, dass eine Frau mit schwe rer Erkrankung selbständig leben kann.

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HINZ & KUNZT, HAMBURG BODO, BOCHUM/DORTMUND Geld für die Eisenbahn 88 Euro betragen die Pro-KopfInvestitionen in das deutsche Eisenbahnnetz pro Jahr. Italien, Grossbritannien und die Niederlande in vestieren zwischen 120 und 130 Euro pro Kopf und Jahr, die skandi navischen Länder zwischen 140 und 230 Euro und Österreich jährlich 249 Euro. Spitzenreiterin in die In vestition der Schieneninfrastruktur aber ist die Schweiz mit 440 Euro.

Schwein gehabt Knapp ein Drittel aller Schweine in Deutschland lebt in Niedersachsen. Allerdings ist der Bestand derzeit so niedrig wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren. Im Frühjahr wurde ein Rückgang von mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr markiert. Auch die Anzahl der Be triebe hat sich in den letzten zehn Jahren von 8000 auf noch 4400 fast halbiert. Für das Landwirtschafts ministerium hat der Rückgang damit zu tun, dass in Deutschland mehr Menschen muslimischen Glaubens leben diese essen kein Schweine fleisch sowie solche, die sich vege tarisch oder vegan ernähren. HANNOVER

ASPHALT,

Nächstes Jahr wird der Zollvertrag zwi schen der Schweiz und Liechtenstein, der Grundsatz der offenen Grenzen, hundert Jahre alt. Der Fall zeigt: Offen ist sogar diese Grenze vor allem für Kapital, Dienstleistun gen und Güter. YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich.

ILLUSTRATION: DEMIERREJULIA

KARIN PACOZZI, 55, verkauft Surprise immer freitags in Zug. Dieser Kolumne liegt ein Jahr Studium zugrunde, wie man ein Aquarium fachgerecht einrichtet, und zwei Jahre praktische Erfahrung.

Verkäufer*innenkolumne Stoppt das Sterben

Vielleicht heisst es schon bald einmal, es gab einst eine Gattung, die wurde Mensch genannt. Einer von ihnen, mein verstorbe ner Mann, hatte vor dreissig Jahren die Idee, sich ein Meerwasseraquarium einzurichten. Er dachte, es würde vielleicht bald keine natürlichen Korallenriffe mehr geben. Nur, es ist eine Kunst für sich, ein solches Aquarium einzurichten. Erstens muss man das richtige Material haben: ein grosses Glasaquarium, das mindestens so und so viele Liter fasst. Dann zwei gute Filteranlagen und vier Tageslichtröhren und, last but not least, Meersalz. So kann man beginnen, Salzwasser anzurühren, die Filteranlage in Betrieb zu nehmen und die Lichtröhren mit einem Zeitschalter anzuschliessen.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern –  Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

Leider kommen dann immer noch keine Fische ins Wasser, es folgt das Wichtigste: Man holt sich im Fachgeschäft einen lebenden Stein. Den braucht man, um einen kleinen Riffhaus halt künstlich herzustellen, dadurch entsteht der benötigte Stickstoffkreislauf im Aquarium. Eine Beckenbiologie, die in jedem Korallenriff herrschen muss. Einen ganzen Monat lang dauert dieser Prozess. Wie langweilig, dachte ich anfangs. Doch weit gefehlt. Nach zehn Tagen öffnete sich ein erster Röhrenwurm. Am Schluss waren es ganze drei. Was für ein Wunder an Farben, filigraner Faszination und Lebensfreude. Erst jetzt konnte man Anemonen und/oder Korallen einsetzen, danach erst die Fische. Wir hatten einen Mandarin-Fisch und zwei Clown-Fische, heute als Nemo bekannt. Sie gingen leider nie in unsere Grosse Anemone, denn es fehlten die sonst vorhandenen natürlichen Fressfeinde, vor denen sie sich ver stecken mussten. Nach zwei Jahren, als wir unser Aquarium auflösten, haben wir die Fische zurückgebracht, zum Ärger des Fachgeschäfts. Dort hatte man noch nie erlebt, dass die Fische länger als sechs Monate lebten. Das Problem bei Salzwasserfischen ist die Art und Weise, wie sie gefangen und transportiert werden. Die Bedingungen sind katastrophal. Nach den Sommerferien hatte ich immer Angst, dass unser kleines Riff im Parterre unseres Hauses gelandet sei, denn das Gewicht war beträchtlich. Eigentlich hätte man die Hausverwaltung um Erlaubnis fragen und eine gute Versicherung abschliessen müssen. Wir haben das Aquarium dann aufgegeben, weil wir für ganze drei Jahre nach Italien gingen.

Um die Korallenriffe in der Natur zu retten, mein Aufruf: Stoppt das Sterben, bevor der Mensch alles, inklusive sich selber, ausgerottet hat.

Trotzdem sitz ich auf nem Ast

ILLUSTRATION:

Doch es geht um Leben und Tod Vergessen oder vergessen werden.

Moumouni … zu Semra Ertan

Ich, die für Geld über Rassismus schreiben darf

Im Mai 1982 trat sie in einen Hunger streik, um auf die Situation von türkischen Gastarbeiter*innen in der BRD aufmerk sam zu machen. Zwei Wochen später, an ihrem 25. Geburtstag, übergoss sie sich auf offener Strasse in Hamburg mit Ben zin und zündete sich selbst an. Am Vortag hatte sie bei deutschen Radiosendern angerufen, ihr Gedicht «Mein Name ist Ausländer» zitiert und gefordert, dass Ausländer nicht nur das Recht haben sollten, wie Menschen zu leben, sondern auch wie Menschen behandelt zu werden. Das obige Gedicht ist eine Hommage und gleichzeitig eine Antwort an Ertan, vierzig Jahre nach ihrem Tod, in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort.

BAERISWYLCHRISTINA

Hier, wo man erst ein Feuer machen muss, Damit sie checken, dass es brennt Benzin ist teuer Und man weiss nie, wie weit man kommt Wir schlagen weiter UndWurzelnderKampf hat lang begonnen Ruhe in Frieden, Semra Ertan Semra Ertan war eine Dichterin und Arbeitsmigrantin aus der Türkei, die mit fünfzehn Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland gezogen ist. Sie arbeitete als ehrenamtliche Übersetzerin für andere Gastarbeiter*innen und schrieb viele Gedichte, die von ihrem Frust über Rassis mus und die zunehmende Ausländer feindlichkeit in Deutschland handelten.

Mein Name ist Ausländer Und schon so oft falsch geschrieben Schwarzworden, auf weissem Papier Dass mir die Bäume leid tun, die dafür gestorben sind.

FATIMA MOUMOUNI hat nicht nur wegen des Wetters beim Schreiben dieses Gedichts geschwitzt.

SieDiaboloham uns viel zu knusprig angebraten Und im Fleischwolf sind wir Hack MachenMürbe. sie uns, wie den Teig Zappzarapp Zappzarapp unsre Zeit

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Mein Name ist Ausländer Und ich weiss, dass das nicht stimmt Denn mein Vater ist Ausländer Und hat mir Deutschland geschenkt. Mit gebrochenem Deutsch, Das er nicht mehr sucht zu flicken Mit Jahren von Arbeit und Arbeit Auf sei’m Ausländerrücken Heute wohn ich in der Schweiz Und mein Deutschsein macht mich weisser als ich bin Ich bin jeden Tag schwarz Und weiss das schon als Kind Ich bin jeden Tag deutsch Und verteidig’ das seitdem Oder eigentlich: scheiss’ ich drauf seitdem Ich könnte überall fremd sein Und an vielen Orten zuhause Nationalität ist Halskrampf oder Krause, Krücke und ein bisschen Rasieröl Beim Reisen

Doch sie ist süss die deutsche Vita So wie Preiselbeeren an Schnitzel So wie krebsrot in spanischer Hitze So wie Knäckebrot oder Pizza

«Er wächst auch dann noch, wenn alles andere schon tot ist, und richtet doch nur Schaden an.» ABDIRAHMAN AHMED

Ein teuflisch guter Baum Somaliland Am Horn von Afrika herrscht Dürre, Tiere und Menschen verhungern. Eine Pflanze verspricht Hoffnung, meinen die einen. Andere sagen, sie bringe nur Verderben über das Land.

Der Hunger. Als sei er etwas Abstraktes und nicht der Hunger derer, die an ihm zugrunde gehen. Als gehöre er zu niemandem, eine Naturgewalt, die von aussen hereinbricht, die man fürchtet, bekämpft und in Zahlen zwängt: 193 Millionen waren es 2021, so viele wie noch nie. Sie sind akut unter- oder chronisch man gelernährt, es fehlt ihnen an Vitaminen, an Eiweiss, Jod und Zink. Viele sind Kleinkinder, auch hierzu gibt es Zahlen: Auf fünf Hun gernde kommt eines unter fünf Jahren, das waren letztes Jahr umgerechnet 38 Millionen weltweit. 2,5 Millionen sind daran gestorben, macht: alle 13 Sekunden 1 totes Kind.

TEXT UND FOTOS KLAUS PETRUS Hargeisa SOMALIA «Früher wurde aus dem Sommer Regen und aus dem Regen wurde unsere Ernte, Tomaten, Gurken, Weizen. Doch das ist lange her.» Abdirahman Ahmed schreitet über ein ausgetrocknetes Feld, er scheucht sich die Fliegen aus dem Gesicht, bleibt stehen, zeigt auf ein totes Schaf vor seinen Füssen, der Körper ein abge nagtes Skelett. Der 35-jährige Viehhirte lebt in der Togdheer-Re gion unweit der Stadt Oodweyne, 150 Kilometer östlich von So malilands Hauptstadt Hargeisa.

ihnen bieten, genug zu essen, Kleidung, ein wenig Geld für das Nötigste und manchmal für etwas, das sie gar nicht brauchen. Seine Frau Saeda frage ihn oft, ob all das die Strafe Gottes sei. Dann sagt er bloss: «Es ist der Hunger.»

Seit Jahren schon herrscht Dürre im Land. Die Tiere von Ab dirahman Ahmed stehen dicht beieinander im Schatten der Bäume, sie bewegen sich kaum, keuchen schwer, magern ab. Drei Dutzend Schafe und Ziegen, sie sind alles, was der Mann noch hat. Schon bald wird er sie auf den Märkten in den umliegenden Dörfern oder in Hargeisa unter Wert verkaufen müssen; er weiss, dass die Händler in Dubai sie hochmästen und für ein Vielfaches verhökern werden. Seit Generationen leben die Mitglieder seines Clans als Hirten und Bäuerinnen in Togdheer, doch so schlimm wie jetzt war es noch nie, das sagen auch die Ältesten. Vielleicht wird Abdirahman Ahmed noch diesen Herbst seine Zelte abbrechen und in die Stadt ziehen müssen, um nach Arbeit zu suchen. Er ist in Sorge um seine drei Kinder. Ein glückliches Leben will Abdirahman Ahmed

Auch Abdirahman Ahmed hat eine Tochter verloren, das war vor vier Jahren. Kaum auf der Welt, hatte die kleine Shukri stän dig Durchfall, sie musste viel erbrechen. Fast zwei Jahre ging das so. «Sie konnte kaum schlucken, sie wimmerte Tag und Nacht, ihre dürren Arme zuckten und zappelten, irgendwann sagte meine Frau: Es ist kein Leben mehr in ihren Augen.» Ein Arzt meinte, das Kind sei einseitig ernährt worden, weswegen es nicht wachsen und zu Kräften kommen konnte. «Damals begannen

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«Wir haben Frieden und Demokratie»

unsere Felder zu verdorren, wir hatten kaum Gemüse, kein Obst, die Ziegen gaben wenig Milch.» Die Hälfte des Geldes habe er für sauberes Trinkwasser ausgegeben, das mit Tankwagen in die Region gebracht wird, erzählt Abdirahman Ahmed. «Dann kamen, dem Erbarmer und Barmherzigen sei Dank, bessere Zeiten, ich hatte Arbeit bei einer Hilfsorganisation, verdiente ein paar Dollar am Tag, und meine Frau brachte ein weiteres Kind zur Welt.» Bis vor ein paar Monaten die Preise für Lebensmittel in die Höhe schnellten, wie von einem Tag auf der anderen, und das Geld nicht mehr ausreichte. Auch die Laster mit Wasser kamen selte ner, denn das Benzin wurde teurer. «Die Leute redeten von einem Krieg, irgendwo in Europa, der Schuld an allem sei.»

In all den Jahren und Jahrzehnten der Dürre musste Somaliland zahlreiche Nahrungsmittel importieren, darunter Weizen, der zu 90 Prozent aus der Ukraine stammt. Seit dort aber Krieg ist und der Hafen von Odesa blockiert war, kommt keine ukrainische Ware mehr am Horn von Afrika an. Allerdings fungiert der Krieg in der Ukraine in dieser neuerlichen humanitären Krise allenfalls als Katalyator. Tatsächlich standen Somaliland und Somalia schon vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs diesen Februar auf dem globalen Hungerindex ganz zuoberst; sieben Millionen Menschen sind akut von Hunger betroffen, das ist fast die Hälfte der Bevöl kerung in dieser Region. Hinzu kommt die unsichere politische Lage. Somaliland spaltete sich 1991 nach einem blutigen Bürger krieg und dem Sturz des Diktators Siad Barre vom übrigen So malia ab, wird bis heute aber von der internationalen Gemein schaft nicht als unabhängiger Staat anerkannt. «Alle denken, bei uns herrschen Zustände wie in Mogadischu: Diktatur, Bürgerkrieg ohne Ende, islamistischer Terror. Das Ge genteil ist der Fall, wir haben Frieden und Demokratie. Doch niemand glaubt uns. Es gibt kaum Investoren und nur wenige Hilfsorganisationen», sagt Guuleed Ahmad und schnippt mit den Fingern durch die Luft. Der 38-jährige Somaliländer, fast zwei Meter gross, der seine Jugend in Deutschland verbrachte, ist ein Grossmaul mit Visionen, wie er selber sagt. Er will sein Land ret ten, vor Armut, Hunger und Elend. Und er kennt die Lösung, die zwar kompliziert klingt, aber angeblich ganz simpel ist: Prosopis juliflora.Derlateinische Name steht für ein tropisches Mimosenge wächs, auch Mesquite genannt, das ursprünglich aus Mexiko stammt. Der holzige, mit Dornen besetzte Strauch wächst rasch zu einem stattlichen Baum von bis zu zwölf Metern Höhe heran.

«Haben unsere Tiere nichts zu essen, sterben auch wir. Die Prosopis kann uns retten. So einfach ist das.»

GUULEED AHMAD 10 Surprise 531/22 1 2 3

Surprise 531/22 11 «Es liegen in unseren Land überall Millionen Dollars rum, wir müssen nur endlich etwas aus diesem Baum machen», sagt Guuleed Ahmad, der Mr. Prosopis aus Hargeisa (Bild 1), wo die Prosopis inzwischen auch wuchert (Bild 2).

taucht in der Liste der hundert weltweit gefährlichsten invasiven Arten auf, und seit 2019 ist es verboten, sie nach Europa zu im portieren oder im EU-Raum zu kultivieren.

Wegen der Dürre haben die Tiere kaum noch Wasser (Bild 4) und werden vorzeitig auf den Viehmärkten in den grossen Städten verkauft (Bild 3). 4

Weil sich die schnellwachsenden Wurzeln dreissig und mehr Meter in die Tiefe graben, kommt er auch in unwirtlichen Gebie ten und während Dürrezeiten noch zu Grundwasser, während andere Pflanzen längst verdorren. Derart anspruchslos und dür reresistent, wurde die Prosopis bewusst auch in anderen Teilen der Welt angepflanzt, so vor allem in Trockengebieten, die vierzig Prozent der Erdoberfläche ausmachen.

In Somaliland tauchte sie spätestens während der Hunger katastrophe am Horn von Afrika Mitte der 1980er-Jahre auf. Der neue Baum, von den Einheimischen «Granwaa» genannt, der Unbekannte, sollte Schatten spenden, Wüstenwinde brechen, Versteppung und Erosion aufhalten, Brennholz liefern, vor allem aber: Schafe, Ziegen und Kamele ernähren.

Gieriger Baum Als Guuleed Ahmad 2017 aus Deutschland nach Hargeisa zurück kehrte, begegnete ihm die Prosopis an allen Ecken und Enden, und er fragte sich: «Was zum Teufel hat es mit dieser Pflanze auf sich? Damals gab es einiges an Forschung über den Nutzen der Prosopis, aber kaum jemand, der das in die Praxis umsetzte. Also packte ich die Chance.» Guuleed Ahmad, der seinen vielen Ideen und Projekten immer schon einen Schritt voraus ist, verkaufte sein Auto und investierte das Geld in die Gründung der Firma «LanderProsopis». Aus den reifen, gelben, zu einem Halbmond gerundeten, zwanzig Zentimeter langen Schoten der Prosopis produzierte er Mehl, das er zu einem protein- und zuckerreichen Tierfutter mischte. Die Nachfrage war bald da. «Somaliland lebt von der Viehwirtschaft. Haben unsere Tiere nichts zu essen, ster ben auch wir. Die Prosopis kann uns retten. So einfach ist das.» Wie zum Beweis zitiert Guuleed Ahmad Organisationen wie Tier ärzte ohne Grenzen oder die Welthungerhilfe, die seit Jahren in Somaliland tätig sind und eng mit Viehhirten zusammenarbeiten.

Doch anders als vor vierzig Jahren ist die Prosopis inzwischen zur Bürde geworden. Weil die Tiere deren Samen nicht verdauen können und mit dem Kot ausscheiden, hat sich die invasive Pflanze in rasantem Tempo ausgebreitet, sie überwuchert Wei deflächen, saugt Wasser ab, verdrängt einheimische Arten. Allein in Somaliland nimmt die Prosopis nach Angaben der Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO inzwischen 550 000 Hektar Land ein; der jährliche Zuwachs an Fläche liegt zwischen fünf und fünfzehn Prozent. Die Pflanze

Schafe, Ziegen und Kamele sind das wichtigste Exportgut von Somaliland: Hungern die Tiere, leiden auch die Menschen (Bild 5 und 6). Schon wieder steht Somalia und Somaliland auf dem globalen Hungerindex ganz zuoberst, einer der Gründe ist die jahrelange Dürre, die zu Bodenerosionen führt und wertvolles Acker- und Weideland zerstört (Bild 7).

Doch das ist nur die eine Seite der Geschichte, die andere heisst: «Geed jinni», der teuflische Baum. So nennt Abdirahman Ahmed, der Viehhirte und Familienvater aus Togdheer, die Pro sopis. «Sie wächst auch dann noch, wenn alles andere schon tot ist, und richtet doch nur Schaden an.» Seine Tiere würden von den grünen, bitteren Blättern krank, wegen des Zuckers der rei fen Schoten fielen ihnen alle Zähne aus, die Dornen des Baums durchbohrten ihre Hufe oder blieben im Magen stecken, wenn sie an den Ästen ästen, qualvoll gestorben seien schon viele sei ner Schafe und Ziegen. Das Schlimmste aber sei die Gier der Pro sopis, sagt Abdirahman Ahmed. «Sie nimmt uns alles Wasser, verdrängt jedes Gras und jeden Strauch.»

ABDIRAHMAN AHMED

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Hoffnung oder Plage? Die Verarbeitung der Prosopis zu Mehl wird immer wieder als Beispiel genannt, wie die gezielte Nutzung der Pflanze nicht bloss dazu beitragen kann, dass Tiere und Menschen weniger hungern müssen, sondern auch, dass sich der Baum nicht dermassen rasch ausbreitet. Untersuchungen haben nämlich ergeben: Mit einem Sack à 25 Kilogramm Prosopismehl können bis zu 50 000 Samen

Ihre Feldstudien zeigen, dass mit Prosopismehl gefütterte Tiere schon innerhalb eines Monats deutlich an Gewicht zunehmen, auch die Milchproduktion steigt an.

«Die Leute redeten von einem Krieg, irgendwo in Europa, der Schuld an allem sei.»

Dass die Prosopis ein schlimmes Übel sei, diese Meinung tei len viele Viehhirten, die immerhin die Hälfte der 4,8 Millionen Einwohner*innen von Somaliland ausmachen. Studien aus der nahegelegenen Afar-Region in Äthiopien, wo die Prosopis inner halb von 35 Jahren 1,2 Millionen Hektar Land befallen hat, haben gezeigt, dass 84 Prozent der Viehhirten den Baum als schädlich erachten. Für Nick Pasiecznik, Umweltwissenschaftler an der Universität Lyon und einer der weltweit führenden ProsopisFachleute, ist das nicht erstaunlich. «Da es sich um eine ver gleichsweise neue und invasive Art handelt, fehlt es an überlie fertem Wissen, wie die Pflanze genutzt werden kann. Das Misstrauen ist gross, es zu überwinden braucht Zeit.» 2016 star tete das Pastoral and Environmental Network in the Horn of Af rica PENHA, für das auch Pasiecznik arbeitet, mit Unterstützung der FAO in der Togdheer-Region ein Pionierprojekt, das die Vieh hirten für das ökonomische Potenzial der Prosopis sensibilisie ren sollte. Doch der gute Wille allein reicht nicht aus. Um die Prosopis gewinnbringend zu nutzen, braucht es Äxte und Mo torsägen für das Schneiden der harten Stämme, Öfen für die Holz hohle, Hammermühlen fürs Mahlen der Schoten und Lastwagen für den Transport der Säcke.

Surprise 531/22 13 zerstört werden; hochgerechnet auf eine Tonne Mehl sind das zwei Millionen Sträucher, die nicht zu einem Dickicht auswu chernObwerden.dieProsopis durch Nutzung nachhaltig reguliert werden kann, ist allerdings umstritten. Urs Schaffner vom Centre for Ag riculture and Bioscience International CABI mit Sitz in der Schweiz ist auf invasive Arten spezialisiert und hat selber Studien zur Prosopis durchgeführt. «Es gibt keine fundierte Studie, die zeigt, dass Nutzung effektiv eine Kontrolle der Prosopis zur Folge hat.» So lasse sich die Ausbreitung der Prosopis nur dann ver mindern, wenn flächendeckend über neunzig Prozent der Samen eingesammelt oder zerstört werden, was bisher aber nirgendwo der Fall gewesen Grundsätzlichist.müsse

man unterscheiden zwischen dem öko nomischen Begriff des Nutzens und dem ökologischen Konzept der Kontrolle, so Schaffner. Im Falle der Prosopis stehe jedoch der Nutzen oft im Konflikt mit der Kontrolle. Als Beispiel nennt Schaffner das Abschneiden der Äste. Das führe zum Wiederaus trieb der Wurzelstöcke und zu weiterer Verbuschung, da auf diese Weise weniger dicke, dafür aber mehr Stämme austreiben wür den. «Mit anderen Worten verdichtet die Nutzung die bestehen den Bestände und vergrössert damit das Problem.» Für Schaffner KENIA Dhusamareb MogadischuJowhar

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Am Horn von Afrika Der Wüstenstaat Somalia besitzt die längste Küstenlinie Afrikas und besteht aus 7 föderalen Einheiten: den 6 Regionen und der HauptstadtUmstrittenesMogadischu.Gebiet zwischen Puntland und Somaliland Hintergründe im Podcast: Radiojournalist Simon Berginz befragt Klaus Petrus zu den Hintergründen seiner Recherche. surprise.ngo/talk

braucht es einen integrativen Ansatz: Nebst der umsichtigen Nutzung müsse die Prosopis mit chemischen, biologischen und maschinellen Methoden bekämpft werden – letztere umfasst die Entfernung der Bäume samt Wurzelwerk –, zudem sei die Wie deraufforstung von zentraler Bedeutung.

Die Frage bleibt: Wie einer Hoffnung begegnen, die zur Plage geworden ist? Die Antwort darauf wird auch darüber entschei den, ob die Prosopis zum Heilmittel gegen den Hunger wird –oder doch eher ein Übel am Horn von Afrika bleibt. Guuleed Ah mad hat keinen Zweifel: Wenn er in seinem weissen Hybrid durch Hargeisa fährt, sieht er Millionen Dollars, die hier überall her umliegen, am Strassenrand, entlang den Mauern, zwischen den Häusern und auf dem Markt, unter den Brücken und in den In nenhöfen der Restaurants. «Wir werden sie nicht mehr los, diese Prosopis. Doch wir können lernen, sie für uns zu nutzen.»

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Das ist die Menge der Güter mal die zurückgelegten Kilo meter, und das sind 14 Prozent mehr als im Jahr 2000. Auf ihrem Weg kommen die Güter irgendwann in ein Lager. In der Schweiz arbeiten 243 000 Menschen in der Logis tik, sie fahren Lastwagen, stellen die Post zu, arbeiten im Kurierdienst oder, wie Simon M., in Lagern. Als Kind wollte Simon M. zuerst Goldschmied werden; Dinge, die glitzern und funkeln, faszinierten ihn. Später Koch, er begann eine Lehre, brach aber im zweiten Jahr ab. Also Logistik. Er machte eine geschützte Lehre mit Fachrichtung Lager – Distribution und Verkehr sagten ihm weniger zu, also die Postzustellung oder die Arbeit auf Rangierbahnhöfen. Simon M. erzählt im Wohnzimmer seiner Wohnung, die Freundin ist bei der Arbeit, das Kind in seinem Zimmer. Zu Fuss ist er in wenigen Minuten an seinemImmerArbeitsort.sechsWochen im Voraus bekommt er seinen Arbeitsplan. Um 6 Uhr beginnt er die Arbeit, wenn er Früh schicht hat. Um 7 Uhr, wenn er normale Schicht hat. Und um 14 Uhr bei einer Spätschicht, seiner liebsten Schicht. Vorher trinkt er einen Kaffee, denn er ist mei stens zu früh dran, er mag, wenn es noch ruhig ist am Morgen. Dann stempelt er ein und zieht sich um. Sicher heitskleidung mit Arbeitsjacke, Stahlkappenschuhen und Handschuhen. Diese sind für das minus 20 Grad kalte Kühllager, wo einem nach zwanzig Minuten der Bart einfriert und man nicht länger als fünfzehn Minuten blei ben darf. Wenn möglich, arbeitet Simon M. ohne Hand schuhe, so sei sein Gespür besser, sagt er. Das Smartphone

Hat er einen Auftrag abgeschlossen oft nach zehn Minuten, seltener nach einer Woche –, wählt er am Computer auf der Liste, die niemals leer wird, den nächsten aus. Den Palettrolli, der fast eine Tonne tragen kann, durch die langen Gänge schieben, bis zum richtigen Regal, zur rich tigen Charge, zum richtigen Artikel und dann den Strich code scannen. Vielleicht liegt er in einem der zwei Kühl lager, bei 2 bis 8 Grad oder bei minus 20 Grad. Insulin, gelagert bei 2 bis 8 Grad. Dafalgan bei Zimmertemperatur. Tabletten, Kapseln, Fläschchen, Spritzen. Er ist der Spe zialist der medizinischen Rohstoffe, für sie läuft er am Tag bis zu 20 Kilometer. Ohne ihn könnten sie in der Pro duktion nicht produzieren, würden die fertigen Medika mente und Pharmaprodukte nicht verpackt, in graue oder weisse Kartons, und hinausgeschickt in die Welt.

DasvonFundamentallem

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2020 betrug in der Schweiz die Transportleistung auf der Strasse und Schiene 26,8 Milliarden Tonnenkilometer.

Die Logistik wird immer wichtiger. Ohne Mitarbeiter*innen wie Simon M., der im Lager eines Biotechunternehmens arbeitet, würden Medikamente nicht zu denjenigen kommen, die sie brauchen.

Serie: Die Unsichtbaren  Unsere Gesellschaft la gert immer mehr unangenehme Arbeiten aus. Die, die sie verrichten, bleiben oft unsichtbar. Eine Artikelreihe über neue Arbeitswelten und ihre Hintergründe.

TEXT LEA STUBER FOTO DANIEL SUTTER

Die Logistik ist sein Beruf, kein Traumberuf aber einer, der ihm Geld einbringt, für die Miete, fürs Essen, auch mal fürs Aquabasilea oder fürs Kino. Simon M.* ist Logistiker mit EFZ und arbeitet im Lo gistiklager eines Biotechunternehmens in der Region Ba sel. Seit drei Jahren macht er das hier, zwei davon fest, im ersten Jahr temporär. «Man sagt: Die Logistiker*innen sind die, die nichts anderes gefunden haben», sagt er. Kurze Pause, dann schmunzelt er. «Bei mir trifft das tat sächlich zu.»

ROMAN KÜNZLER, UNIA

Die Unsichtbaren — eine Serie in mehreren Teilen — Teil 1/Heft 522: Reinigungspersonal — Teil 2/Heft 524: Care-Arbeiterinnen — Teil 3/Heft 526: Klärwerkfachleute — Teil 4/Heft 528: Nannys — Teil 5/Heft 531: Lagerlogistiker*innen

Wir lagern immer häufiger unliebsame oder wenig angesehene Arbeiten an andere aus: Putzen, Ernte, Care-Arbeit, Müllabfuhr. Wir möchten wissen, wer diese Arbeiten verrichtet und unter welchen Bedingungen. Und was dies für Folgen hat.

16 Surprise 531/22 darf er nicht mit ins Lager nehmen, Fotos machen ist ver boten, so festgeschrieben in den Richtlinien zur Quali tätssicherung. Viele temporär angestellt Drei bis zwölf Mitarbeiter sind sie, die pro Schicht Auf träge ausführen. Manche der Männer – Frauen arbeiten in Simon M.s Team keine – sind aus Indien, der Türkei, aus Portugal, Italien oder Frankreich in die Schweiz ge kommen. Viele sind temporär angestellt. Sie sind knapp zwanzig bis gut fünfzig Jahre alt. Mit Anfang dreissig, sagt Simon M., gehöre er zu den Älteren. Es sei ein Kommen und Gehen der Kolleg*innen, die Fluktuation hoch. Ge naue Zahlen zu Geschlecht, Alter oder Herkunft der Mit arbeitenden in der Schweizer Logistik gibt es bisher kaum (siehe Interview Seite 18). Die Logistik, sagt Simon M., sei der unterste Baustein in der Hierarchie. «Wir sind das Fundament von allem.» Er spüre den Leistungs druck. Es muss schnell ge hen, die Zahlen müssen stimmen, der Umsatz. Oft gebe es Ausfälle, weil jemand krank ist. Dabei sei es auch streng, wenn sie nicht unter besetzt seien, viele seien überarbeitet. «Wir werden nicht ernst genommen, wenn wir sagen, dass wir mehr Leute brauchen.» Wenn am Telefon jemand, beispielsweise aus der Pro duktion, der Qualitätskont rolle oder der Planung, sagt: «Ich weiss, es ist stressig, aber ich habe eine Bitte. Könntest du vielleicht …?», freut das Simon M. Ein freundlicher Umgang und ein Danke, sagt er, das mache viel aus. Ab 14 Uhr, wenn es ruhiger wird, räumt Simon M. auf, schafft Platz für neue Ware, putzt und dokumentiert. Es kommt auch vor, dass er in der Produktion aushilft. «Im Grunde sind wir für alles da.» Ein- oder zweimal im Monat fällt ihm beim Heben oder Einpacken etwas auf den Fuss. Immer wieder gibt es Sturz-, Quetsch- und Schnittverletzungen. Einmal, als er im Stress eine Etikette von einem Karton entfernen wollte, hat Simon M. sich in die Hand geschnitten, zwei Zentimeter tief. Er fiel einen Monat aus. «Es heisst: Macht nicht drei Sachen gleichzeitig», sagt er, «in der Praxis ist das schwierig.» Das Telefon klingelt – jemand aus der Produktion will etwas wissen, E-Mails von externen Firmen wie Novartis oder Roche mit Fragen zu ihren Aufträgen, ein Kollege, der um Mit hilfe ruft. Manche nehmen das Arbeitstelefon mit in die Pause. Simon M. nicht. Zweimal am Tag zehn Minuten, um an der frischen Luft einen Kaffee zu trinken, ohne dass das Telefon klingeln könnte. «Das muss man sich gönnen.» Es bringe weder seinem Arbeitgeber noch ihm etwas, wenn er sich kaputt arbeite. Seit kurzem ist Simon M. auch Betriebssanitäter. Zudem ist er im Lager zuständig für das Sicherheitsmanagement – Gefahren erkennen, vermeiden und andere dafür schulen. Und bald macht er eine Schulung, damit er neue Mitarbeitende ausbilden kann. «Je mehr man kann, desto unverzichtbarer wird man für die Firma.» Sollten Leute entlassen werden – etwa wegen der Automatisierung –, sagt Simon M., dann wohl zuerst diejenigen, die nur das Minimum können. Er hingegen möchte mehr planerische AufgabenRomanübernehmen.Künzler,bei der Gewerkschaft Unia verant wortlich für Logistik und Transport, bezeichnet die Lo gistik als eine der prekärsten Wirtschaftsbranchen der Schweiz. Er hat den Eindruck, dass in der Logistik etab lierte Standardjobs verloren gehen und dafür prekäre Jobs zunehmen. «Durch die digitale Verschnellerung braucht es mehr billige Arbeitskräfte.» Zu denen gehörten insbe sondere temporär Angestellte. «Viele Mitarbeitende haben nicht Angst, keinen Job mehr zu haben. Sie haben Angst, welchen Job sie haben werden», sagt Künzler. Einen Ge samtarbeitsvertrag, der Mindestlöhne und Arbeitszeiten regelt, gibt es nicht.

«Viele haben nicht Angst, keinen Job mehr zu haben. Sie haben Angst, welchen Job sie haben werden.»

Simon M. arbeitet Vollzeit und verdient brutto 4200 und «ein paar zerquetschte Franken»; das macht, rechnet er vor, netto 3960 Franken. Gerne würde er ein paar 100 Franken mehr verdienen, 5200 Franken wären sein «ab soluter Traumlohn». Einmal pro Woche fahren seine Freundin und er über die Grenze und machen in Deutsch land einen grossen Einkauf. «Pharma tönt immer so, als verdiene man viel», sagt Simon M. «Bei uns ist das nicht so. Es reicht zum Leben, aber weder für Luxus noch zum Sparen.»Wenn Simon M. nach der Frühschicht um 14 Uhr Fei erabend hat und nach Hause kommt, legt er sich hin, eine halbe Stunde oder eine Stunde. Dann macht er mit dem Kind Hausaufgaben, geht zur Post oder mit dem Hund raus und kocht das Abendessen. «Wenn ich den ganzen Tag herumgerannt bin, schmerzen meine Beine. Manch mal bin ich auch nur müde im Kopf.»

Die Fotos entsprechen nicht dem im Artikel beschriebenen Logistiklager, sondern sind Symbolbilder.

2 0 2 0 S t r assent ransport 16987 2 0 0 0 S t rassent ransport 13609 1 9 8 5 S t rassent ransport 8103 T r ans portleistungGüterverkehrSchweiz – inMilliarden Tonnenkilometern Schiene: 11080 Schiene: 11 067 Schiene:7434 1 2 3 4 25 21,1 7,1 Der Graubereich Die wachsende Nachfrage nach Mitarbeitenden in der Logistik steht im Spannungsfeld zwischen Produktivitätsdruck und fortschreitender Automatisierung innerhalb der Arbeitsprozesse. Erwerbstätige arbeiteten 2020 im Durchschnitt in der Branche Verkehr und Lagerei in der Schweiz. Sie lagern, transportieren und verteilen Güter und Rohstoffe. CHF 40 Mrd. 5,5% Umsatz erwirtschafteten 13 600 LogistikFirmen im Jahr 2020 in der Schweiz. aller weltweiten Co2-Emissionen verursachen Logistik und Transport. 243 000 Prekär und gefragt Logistik ist das Räderwerk der modernen Gesellschaft. Schlecht bezahlte Arbeitskräfte erbringen täglich Höchstleistungen, damit der Warenfluss nie versiegt. INFOGRAFIK MARINA BRÄM QUELLEN: SCHWEIZVNLFOKUS.SWISS;2021;DENGLER/MATTHESSBFI;GS1;DW;WEF;STATISTA;BFS; beträgt der Mindestlohn für Ungelernte in der Logistik. CHF 4100TOP 10 Logistiker*in gehörte 2020 zu den zehn meistgewählten beruflichen Grundbildungen in der Schweiz. Grösste Logistik-Unternehmen in der Schweiz Nach Umsatz weltweit im Jahr 2019, in Mrd. CHF MSC Mediterranean Shipping Company Kühne + Nagel International Ceva Logistics Logistikgesamtmarkt Schweiz Entwicklung ab 2006, in CHF 1 2006 31,6 Mrd. Zunahme 2 2010 35,9 Mrd. + 13,6 % 3 2015 39,0 Mrd. + 23,4 % 4 2022* 42,6 Mrd. + 34,8 % *Prognose Gemäss Schätzungen ist jeder zehnte Arbeitsplatz in der Schweiz direkt oder indirekt mit der Logistikbranche verknüpft. Surprise 531/22 17

KALBERMATTER,JACQUELINE 37, ist Soziologin und forscht an der Uni Basel zu Arbeit und Migration. Aktuell befasst sie sich mit den Zusammenhängen von Arbeitsbedingungen und Migrationspolitik in der Logistik der Schweiz und plant ein Projekt zum Online-Versandhandel in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Teilen Sie diese Einschätzung? Das passiert typischerweise. Dieses flexible Runter- und Raufschrauben ist für die Un ternehmen lukrativ. Insgesamt ist die Branche nicht besonders gut reguliert.

«Die Lagerlogistik ist eine Blackbox»

Die Unia sagt: Mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag mit 40 bis 42 Stunden innert fünf Tagen und einem Lohn von 4500 bis 5000 Franken gehöre man in der Logistik zu den Privilegierten. Das ist genau das Problem. Es gibt so viele unsichere Arbeitsverhältnisse, dass das schon als Privileg erscheint. Man akzep tiert Arbeitsverhältnisse, die verglichen mit dem, was noch schlechter ist, okay wirken. Doch eigentlich handelt es sich um prekäre Arbeitsbedingungen. So haben Festange stellte zwar möglicherweise Angst, ihren Job zu verlieren; gleichzeitig fühlen sie sich im Vergleich mit ihren temporär beschäf tigten Kolleg*innen sicherer. Das ist aber auch eine Bedrohung: Tag für Tag sehen sie die Menschen, die sehr arbeitsam sind und sich besonders anstrengen, um auch eine Festanstellung zu erhalten. Sie wis sen, dass ihre Arbeitsleistungen ausschlag gebend dafür sind, ob sie nochmals ange stellt werden. Die Stammbelegschaft und die befristet Beschäftigten werden so in Konkurrenz zueinander gebracht.

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Jacqueline Kalbermatter, über die Lagerlogistik ist wenig bekannt. Warum? Wenn wir online etwas bestellen, bei Digitec Galaxus beispielsweise, dem grössten Online-Versandhändler der Schweiz, sehen wir vielleicht die Paketzustellerin, die uns unser Päckli bringt. Die Menschen aber, die im Lager für die Ware zuständig sind, sehen wir nicht. Bisher gibt es vor allem Forschung zur letzten Meile, also zum Transport zu den Kund*innen via Paket zusteller*innen oder Kurier*innen. Dass wir von den Arbeitsbedingungen in der Logistik allgemein eher wenig mitbekom men, ist aber auch kein Zufall. Wie meinen Sie das? Es handelt sich um ein unübersichtliches Feld. Die Arbeitsprozesse sind stark frag mentiert, die Lieferketten verschachtelt und viele Unternehmen involviert. Es ist schwierig, überhaupt an Informationen zu kommen. Welche Unternehmen haben ei gene Logistikzentren? Welche haben sie ausgelagert? An wen? Wer macht im Auf trag von wem was? Die Logistik ist hetero gen und breit. Wie steht es um die Arbeitsbedingungen? Grundsätzlich sind die Arbeitsbedingun gen in der Lagerlogistik in der Schweiz eine Blackbox. Zwar gibt es immer wieder Berichte in Zeitungen, von der Gewerk schaft Unia oder der NGO Public Eye, die aufzeigen, dass die Arbeitsbedingungen prekär sind. Wir müssen aber in der Wis senschaft genauer hinschauen: Wodurch zeichnet sich diese Prekarität aus? Was wir bereits wissen: Die Löhne sind tief, die Ar beitszeiten der Arbeiter*innen in der La gerlogistik problematisch. Man weiss oft mals nicht, wann und wie lange man arbeitet. Zudem ist die Arbeit auch mit ge sundheitlichen Folgen verbunden – durch das Arbeiten auf den Knien oder das Tragen von schweren Paketen. Und ein wichtiger Punkt: Viele sind befristet be schäftigt, die Arbeitsverträge werden Mal um Mal verlängert. Gerade im Online-Ver sandhandel mit seinen Spitzen, etwa an Weihnachten und am Black Friday. Für Student*innen kann ein Arbeitsvertrag für ein paar Wochen praktisch sein; für an dere, die auf den Job angewiesen sind, ist dies aber mit sehr vielen Unsicherheiten verbunden.

«Die Arbeitsprozesse sind stark fragmentiert, die involviert.»vieleverschachteltLieferkettenundUnternehmen

Im unübersichtlichen Feld der Logistik ist es schwierig, an Informationen über die Arbeitsbedingungen zu kommen. Jacqueline Kalbermatter über eine heterogene und wenig regulierte Branche.

BILD: ZVG

Welchen Fragen gehen Sie in Ihrer Forschung nach? Wir haben für die Schweiz bisher keine Zahlen, doch es wird geschätzt, dass ein Grossteil der Mitarbeiter*innen in Logis tiklagern Migrant*innen sind. In Deutsch land etwa gehen die Schätzungen für be stimmte Logistikzentren von 40 bis 98

INTERVIEW LEA STUBER FOTO DANIEL SUTTER

Die Unternehmen versuchen die Risiken auf die Belegschaft abzuwälzen.

Surprise 531/22 19 Prozent der Beschäftigten aus, die keinen deutschen Pass haben. Wenn also einer seits der migrantische Anteil in der Lager logistik hoch ist und andererseits die Ar beitsbedingungen prekär sind, interessiert mich, wie migrationspolitische Regulie rungen mit der Arbeitsorganisation und -kontrolle zusammenspielen.

Den Unternehmen kommt es also entgegen, wenn viele einen prekären Aufenthaltsstatus haben?

In der Wissenschaft werden Arbeits- und Migrationssoziologie selten verlinkt. Ähn liches gilt für die politischen Kämpfe: Ent weder will man die Arbeitsbedingungen verbessern – oder aber die Aufenthaltssi tuation. Wenn wir die Arbeitsbedingungen in der Lagerlogistik verbessern wollen, müssen wir aber auch an die Migrations politik denken. Konkret würde das heissen:

Der Aufenthaltsstatus muss von der Arbeit entkoppelt werden. Welche Konsequenzen hätte dies? Wer weiss, dass sein Job der Schlüssel ist, um nicht aus der Schweiz ausgeschafft zu werden, tut alles, um ihn zu behalten. Ich habe das in meiner Forschung in der Gas tronomie gesehen und vermute, dass es in der Lagerlogistik ähnlich sein könnte.

Dann akzeptiert diese Person den Stun denlohn. Sie akzeptiert, erst kurz vorher zu erfahren, wann sie zur Arbeit gehen muss – statt wie gesetzlich vorgeschrieben mindestens zwei Wochen vorher. Und wenn der Arbeitgeber ihr immer wieder eine Festanstellung in Aussicht stellt, «aber noch nicht jetzt», dann spielt sie das Spiel mit. Für viele ist das strategisch unum gänglich, denn sie brauchen ein existenz sicherndes Einkommen. Wenn wir Arbeit hingegen vom Aufenthaltsstatus entkop peln würden und die Unabhängigkeit von der Sozialhilfe kein Kriterium für die Auf enthaltsbewilligung wäre, dann könnten die Arbeitsbedingungen nicht weiter nach unten gedrückt werden.

Was bedeutet das? Mit digitalen Technologien kann in der Logistik jeder Arbeitsschritt kontrolliert werden. Damit wird die Leistung der Arbeitenden ständig erfasst. Doch bei Menschen, die keinen Schweizer Pass ha ben, sorgt nicht nur die digitale Überwachung dafür, dass sie so arbeiten, wie die Unternehmen es wollen. Hier ist die Migrationspolitik zentral, ihr Aufenthalts status kann disziplinierend wirken. Denn wer zum Beispiel eine vorläufige Auf nahme hat und nach fünf Jahren – mit der Härtefallregelung – eine Aufenthaltsbe willigung anstrebt, muss unabhängig von der Sozialhilfe sein und folglich eine Arbeit haben.Für viele ist eine Aufenthalts bewilligung das wichtigere Ziel als eine gute Arbeit.

Es gibt auch Migrant*innen, die sich wehren. Klar ist aber: Je nach Aufenthaltsstatus sind die Möglichkeiten unterschiedlich gross. Vom US-amerikanischen OnlineVersandhändler Amazon beispielsweise ist bekannt, dass er für seine Vereilzentren viele Geflüchtete rekrutiert hat.

Wie könnten die Arbeitsbedingungen in der Lagerlogistik verbessert werden?

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Vor drei Jahren hat Ingrid B. einen Unfall. Zwei Jahre lang läuft sie mit Schmerzen herum, bevor sie eine Ärztin aufsucht. Sie muss operiert werden. Sie wird krankgeschrieben. Während dieser Zeit wird ihr bescheidener Lohn weiterhin überwiesen aber von Mo nat zu Monat wird weniger Geld ausbezahlt. Ingrid B. verstand nicht, warum. In den Jahren zuvor half ihr ein Nachbar in solchen Situationen. Im Gegenzug für Abendessen und Haushaltshilfe sortierte er Ingrid B. Papierberge. Er legte Dokumente in Ordnern ab, erinnerte sie an Termine, erklärte ihr, was die Behörden von ihr wollten. Dann starb er. Seither steht Ingrid B. ohne Hilfe da. Als ihr Lohn monatlich schrumpft, weiss sie nicht wohin mit ihren Fragen zum Krankentaggeld. Sie erkundigt sich bei der nächsten Vertrauensperson: ihrer Ärztin. Doch die kann nicht weiterhelfen. Gefahr der Stigmatisierung Dass sie die erste Ansprechperson ist, ist dennoch nicht unge wöhnlich. Eine Studie der Berner Fachhochschule kommt 2022 zum Ergebnis, dass sich jede siebte Sprechstunde in Hausarzt praxen um soziale und nicht in erster Linie um medizinische Pro bleme dreht. Doch die Zeit für solche Gespräche ist knapp: Haus arztpraxen kämpfen mit einer steigenden Anzahl Patient*innen und werden durch die zusätzliche Belastung von ihrer Kernauf gabe, der medizinischen Betreuung, abgehalten. Zudem sind Ärzt*innen nicht immer die richtigen Ansprechpersonen für so ziale Anliegen (siehe Interview Seite 23).

EVA

inSozialberatungderArztpraxis

Erst wenn sie im Lotto gewinnt, rückt Ingrid B.* mit der Wahrheit heraus, sagt sie. Noch ist es nicht so weit. sitzt an einem Tisch in der Sonne und sagt: «Wenn die Leute in meiner Nachbarschaft wüssten, wie ich mein Geld verdiene, sie würden auf mich her unterblicken.» Daher verrät sie ihnen nichts. Denn Ingrid B. be zieht seit Jahren Sozialhilfe und arbeitet auf einer geschützten Arbeitsstelle. Das soll niemand erfahren. Deswegen möchte sie in diesem Text anonym bleiben. Ständig kriege sie Briefe der Sozialhilfebehörden ins Haus, «aber ich verstehe nichts davon», sagt Ingrid B. und wird laut. Die Sozialhilfeämter würden ihr nicht helfen, im Gegenteil. Das Stigma der Sozialhilfe hält sie nicht nur davon ab, in ihrem Umfeld über ihre Situation zu sprechen. Sondern verhinderte auch während Jahrzehnten, dass sie Unterstützung suchte. Tipps kriegt sie höchs tens von Bekannten, die ebenfalls Sozialhilfe beziehen. Sie alle stehen einem übergrossen Behördenapparat gegenüber und müs sen sich Tag für Tag durch einen Dschungel aus Dokumenten kämpfen.Ausdiesem

Grund gibt es Menschen wie Dunja Vetter. Sie ar beitet als Sozialarbeiterin bei der Caritas beider Basel und berät Ratsuchende zu unterschiedlichen Themen: Wohnen, Sozialhilfe, Steuern, Geldsorgen, Rente. Eben weil die Behörden oft keine Hilfe sind. Doch obwohl Vetter für Ingrid B. die richtige Ansprechper son wäre, begegnen sich die beiden während Jahren nicht. Denn Ingrid B. denkt nie daran, eine Organisation wie die Caritas auf zusuchen. Erst im vergangenen Jahr und durch einen Zufall tref fen sie sich an einem ungewöhnlichen Ort: in einer Arztpraxis.

Aus diesem Grund rief die Caritas beider Basel das Pilotprojekt «Sozialarbeit im Gesundheitswesen» ins Leben. Auch Ingrid B.s Ärztin nimmt daran teil. Das Konzept ist einfach: Medizinische Praxen und Sozialarbeiter*innen arbeiten eng zusammen. Ingrid B.s Ärztin verweist sie also direkt an die Sozialarbeiterin Dunja Vetter, die über das Projekt an ihre Praxis angebunden ist. Nach dem ihre Fragen zum Krankentaggeld beantwortet wurden – die Abzüge waren gerechtfertigt –, hofft Ingrid B. auf Hilfe bei der

TEXT ANINA RITSCHER

Gesundheitswesen Ein Pilotprojekt in Basel bringt Sozialarbeiter*innen mit Medizinern zusammen. Das Modell ist in anderen Ländern längst Standard. ILLUSTRATION RUST

Eine Sozialberatung aufzusuchen ist weniger naheliegend als ein Besuch beim Hausarzt. Auch Anneliese L.* sagt: «Es war im mer schwer für mich, über Geldsorgen zu sprechen.» Die Rent nerin sitzt an einem sonnigen Vormittag in einem Café in der Basler Innenstadt und raucht. «Ich wollte meine knappen Finan zen vor anderen verbergen. Zum Beispiel im Restaurant. Um mit den anderen mithalten zu können, bestellte ich teures Essen.»

Zukunftsweisendes Modell

Als sie letztes Jahr im Wartezimmer ihres Hausarztes sass, bemerkte Anneliese L. einen Aushang mit dem Hinweis auf die Sozialarbeiterin Dunja Vetter. Anneliese L.s Ängste und Geldsor gen sind zu diesem Zeitpunkt wieder lähmend. Sie macht einen Termin. Seither ist Vetter auch für sie erste Ansprechperson, wenn es um Fragen ums Geld oder um die AHV geht. Sie zeigt ihr etwa, wie sie trotz ihrer tiefen Rente über die Runden kommt.

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In der stationären Behandlung ist diese interprofessionelle Zusammenarbeit längst Normalität: Jedes Krankenhaus hat eine Sozialberatung. Denn die sogenannte Gemeinwirtschaftliche Leis tung ist im Krankenkassengesetz vorgesehen und ermöglicht es, nicht-medizinische Dienste in der Gesundheitsversorgung zu finanzieren. In Basel-Stadt ist das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt WSU dafür verantwortlich und übernimmt die Kosten der Sozialberatung in den öffentlichen Krankenhäu sern. Dabei ginge es vor allem darum, Anschlusslösungen an den Spitalaufenthalt zu finden, so die Generalsekretärin des WSU.

Für Anneliese L. kam es nie infrage, mit einer Sozialarbeiterin zu sprechen. Dabei hätte sie die Unterstützung schon lange gebrau chen können: Als alleinerziehende Mutter zog sie drei Töchter gross und arbeitete als Deutschlehrerin. Das Geld reichte immer nur knapp. Was übrig blieb, floss in die Ausbildung ihrer Kinder. Seit fünf Jahren lebt sie von einer tiefen AHV-Rente von unter 3000 Franken und ein paar privaten Lehrstunden. «Irgendwann überkam mich eine Existenzangst», sagt die 70-Jährige.

Vorbereitung ihrer Pension, die in drei Jahren ansteht. «Seitdem ich Dunja Vetter als Beraterin habe, nehmen mich die Leute auf den Ämtern endlich ernst», sagt sie. Vetter arbeitet seit Beginn des Jahres 2021 in verschiedenen Arztpraxen. Das funktioniert so: Patient*innen können am Emp fang der jeweiligen Praxis einen Termin bei Vetter ausmachen. Manchmal verweisen die Ärzt*innen sie direkt an die Sozialarbeit, so wie Ingrid B.s Ärztin. Vetter berät sie dann in ihrem Büro in der Arztpraxis. In manchen Praxen hat sie sogar Zugriff auf die Kran kengeschichte.Werbeider Caritas-Geschäftsstelle durch die Tür läuft, um einen Termin mit ihr zu vereinbaren, werde stigmatisiert, sagt Vetter. Beim Hausarzt fällt das weg: «Niemand weiss, warum man im Wartezimmer sitzt. Vielleicht wartet man gerade auf einen Blutcheck.» Zudem können die Menschen für eine Beratung an einen Ort kommen, der ihnen bereits vertraut ist. Es ist eine Tat sache, dass sich gesundheitliche und soziale Probleme oft über lagern und sogar bedingen. «Wenn wir gemeinsam an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen, können wir Menschen besser beraten», sagt Vetter. Vor Kurzem wurde ein Neugeborenes mit gesundheitlichen Problemen in eine Kinderarztpraxis gebracht. Es stellte sich heraus, dass die Eltern ihm Kuhmilch gaben, weil sie sich die Babynahrung nicht leisten konnten. In so einer Situ ation ist der Arzt hilflos – Dunja Vetter hingegen kann die Lage der Familie einschätzen und sie beraten. Der Arzt kann sich der weil auf die medizinische Behandlung konzentrieren.

Für Schweizer Hausarztpraxen gibt es bisher keine öffentlichen Finanzierungsmodelle.

Das Pilotprojekt will das ändern. Vorbilder gibt es im Ausland. In Irland etwa sind Sozialarbeit und Medizin eng verflochten, beides gehört zur Grundversorgung, die über die öffentliche Krankenkasse gesichert ist. In Stockholm existiert ein ähnliches Modell. Hier wurde die Idee institutionell verankert: Die Behörde für Soziales und die für Gesundheit betreiben eine gemeinsame öffentliche Einrichtung, die soziale wie medizinische Grundversorgung für Menschen im Alter anbietet.

Auf einer Musikbox in Ingrid B.s Wohnzimmer liegen drei «Euromillion»-Lose. «Vielleicht klappt es dieses Mal», sagt sie und ballt die Hände zu Fäusten, als würde sie sich selbst die Dau men drücken. Bis es so weit ist, wird sie ihre Arbeit weiterhin vor ihren Nachbar*innen geheim halten.

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Für eine reibungslose Zusammenarbeit brauche es aber eine Aufklärung des medizinischen Personals, so Vetter: «Ärzt*innen müssen soziale Probleme besser erkennen und stärker sensibili siert dafür sein, welche Lösungen es gibt.» Häufige Anliegen, mit denen Patient*innen an Dunja Vetter überwiesen werden, drehen sich um die Invalidenversicherung oder das Krankentaggeld. Um sie anzugehen, spreche man sich innerhalb der Praxis ab und tausche sich über die Situation der Patient*innen aus, so Vetter. Manchmal mache sie Termine zu dritt: Patientin, Arzt und Sozi alarbeiterin. «So können wir die jeweilige Situation ganzheitlich besprechen.» Die Studie der Berner Fachhochschule hält fest: «In der Zeitspanne vom Beginn der Sozialberatung bis zwei Monate nach der Sozialberatung hat sich die psychische Gesundheit der Patientinnen und Patienten verbessert.» So erfreulich die Resultate sind: Die zweijährige Projektfinan zierung durch die Basler Christoph Merian Stiftung läuft Ende Jahr aus. Für Vetter ist klar: «Wir wünschen uns, dass der Kanton Basel-Stadt diesen Ansatz weiterverfolgt und Sozialberatung in absehbarer Zukunft als Teil der Grundversorgung übernommen wird.»

Aus welchem Geldtopf dies finanziert werden könnte, ist noch unklar. Neben dem WSU, welches die Sozialberatung in den Spitälern finanziert, kommen das Gesundheitsdepartement und das Erziehungsdepartement infrage. Das Gesundheitsdeparte ment Basel-Stadt unterstütze das Projekt zwar «ideell», wie die Pressesprecherin mitteilt. Sie verweist aber gleichzeitig auf die Gesundheitsförderung Schweiz. Die private Stiftung in Träger schaft von Kantonen und Versicherungen erwägt zurzeit eine Finanzierung des Projekts. Kommt es dort durch, wäre das aber eine erneute zeitlich begrenzte Finanzierung. Dabei zeigt das Beispiel aus Stockholm: Die Kosten für das Gesundheitswesen können durch die Einbindung von sozialer Arbeit insgesamt ge senktEinewerden.weitere Möglichkeit wäre, die Leistung der Sozialarbei ter*innen über die Krankenkassen abzurechnen. Dafür müssten die medizinische Praxen eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton eingehen und dann eine Spartenanerkennung für soziale Ar beit bei der paritätischen Tarifkommission beantragen. Hier sieht Vetter allerdings schlechte Chancen. Im Kanton Zürich ist das Vorhaben bereits am Gesundheitsgesetz gescheitert, welches Leis tungsvereinbarungen mit Arztpraxen nicht vorsieht. Dabei wäre soziale Arbeit im Gesundheitssektor im Interesse der Krankenkas sen und der Kantone, denn es handle sich um Prävention, so Vetter.

* Name geändert

«Sozialberatung ist gesundheitliche Vorsorge»

Ich bin einverstanden. In der medizini schen Ausbildung wurde das Soziale weit gehend aus dem Curriculum ausgeschlos sen. Dabei ist das eng verknüpft. Da sind mittlerweile viele Kolleg*innen mit mir einig. Aber bis das zu einem institutionel len Wandel führt, wird es noch dauern. Bis dahin müssen wir eng mit Sozialarbei ter*innen zusammenarbeiten. Und selbst dann werden wir auf die Unterstützung von Fachpersonen angewiesen sein, von Menschen, die sich auf Fragen rund um Sozialhilfe, Krankenkasse, Kinderbetreu ung spezialisiert haben und da den Über blick haben. Wie hat die bisherige Zusammenarbeit mit der Sozialarbeiterin Ihre Arbeit verändert? Es ist einerseits eine Entlastung. Wir waren uns der Lücke schon lange schmerzlich be wusst, dass wir viele Themen in der Sprechstunde aussparen müssen, weil uns Expertise und Zeit fehlten. Diese Lücke wurde nun geschlossen und die Behand lung dadurch viel besser, weil wir vielsei tiger und professioneller an Probleme he rangehen können. Andererseits lerne ich dazu. Etwa, in Kategorien zu denken, in denen eine Sozialarbeiterin denkt. Wie sie Probleme angeht. Und ich werde dadurch für die sozialen Themen meiner Pati ent*innen sensibilisiert. Von Monat zu Mo nat sehen wir zudem mehr Bereiche, in denen sich unsere Fachgebiete ergänzen. Was wünschen Sie sich von der Politik, um diese Zusammenarbeit zu stärken? Es ist im Sinne der ganzen Gesellschaft, wenn wir die Grundversorgung verbes sern, die Vorsorge stärken und so Gesund heitskosten senken. Deswegen kann es meiner Ansicht nach die Aufgabe der Kan tone sein, die Kosten für Sozialberatung zu übernehmen. Eine Alternative könnten die obligatorischen Krankenkassen sein. Jan Bonhoeffer ist Kinder arzt in der Praxis Youkidoc in Basel und einer der Ärzt*innen, mit denen die Sozialarbeiterin der Caritas beider Basel, Dunja Vetter, zusam menarbeitet. Er ist zudem Autor des Buches «Dare to care», in dem er die Art, wie heute Medizin betrieben wird, grundlegend überdenkt.

Der Bedarf an Sozialberatungen unter Patient*innen nehme stark zu, sagt Mediziner Jan Bonhoeffer. ANINA RITSCHER

Doch nicht immer reichen meine Ressour cen dafür aus. Der Bedarf ist gestiegen: Vor Corona waren ungefähr zehn Prozent un serer Patient*innen auf soziale Unterstüt zung angewiesen. Jetzt sind es rund 50 Prozent. Aber nicht nur die Ressourcen fehlen, sondern auch das Wissen. Sozial arbeit ist zu Recht ein eigener Beruf, und weder ich noch meine Praxismitarbeiten den haben ihn erlernt. Was sind typische Situationen, in denen soziale und medizinische Probleme zusammenkommen?

Herr Bonhoeffer, wie gross ist der Anteil sozialer Themen, die in Ihren Sprechstunden aufkommen? Jan Bonhoeffer: Das kommt darauf an, wie viel ich wahrnehmen möchte. Wenn ich an einem Tag viele Patient*innen behandle, die ernste medizinische Probleme haben, blende ich viele der sozialen Fragen aus. Ich versuche zwar sicherzustellen, dass ich Zeit habe nachzufragen: Wie geht es je mandem jenseits des akuten Problems?

Ich gebe Ihnen ein fiktives Beispiel: Beide Elternteile einer Familie arbeiten Vollzeit. Die Kinder sind dadurch viel allein. Viel leicht kommt bei den Eltern noch Alkohol konsum ins Spiel, um den Stress abzu bauen. Jetzt ersetzen die Kinder die fehlende Zuwendung durch Fastfood und Computerspiele. Ungesundes Essen ist oft billiger als gesundes. So werden die Kinder übergewichtig, körperlich schwächer und sozial isolierter. Das wiederum bringt al lerlei sozial-medizinischen Probleme und Fragen mit sich, welche das sowieso schon knappe Budget der Familie noch mehr be lastet. Das ist typisch: Es ist ein Teufels kreis von sozialen und gesundheitlichen Schwierigkeiten. Und in so einer Situation würden Sie nun Sozialberatungen in die Behandlung einbinden? Ja, jetzt kann die Sozialberatung etwa Tipps für finanzielle Unterstützung geben, die mehr Betreuungszeit durch einen El ternteil erlaubt; aber auch wo die Eltern ein Betreuungsangebot in ihrem Umfeld finden. Da kenne ich mich einfach zu we nig aus. In diesem Sinne ist Sozialberatung ein zentraler Teil der gesundheitlichen Vorsorge. Warum ist es besser, dass die Sozialarbeiterin direkt an die Praxis angebunden ist? Sie könnten Ihre Patient*innen ja auch einfach zur Caritas schicken. Es ist für viele Menschen schwer, Hilfe an zunehmen. Hervorragende Organisatio nen wie die Caritas sind in den Köpfen mit einem Stigma verknüpft. Eine Mutter etwa, die mehrere Kinder betreut und dadurch überlastet ist: Wenn sie nun Unterstützung sucht, wird das in ihrem Umfeld vielleicht so gedeutet, dass sie eine inkompetente Mutter ist. Man muss sehr feinfühlig vor gehen, um diese Hürden abzubauen. Wenn ich sie direkt ins Büro nebenan zu meiner Kollegin schicken kann, ist die Hürde tiefer, als wenn sie zuhause zum Hörer greifen und einen Termin machen muss. Dabei könnten sehr viele Menschen, nicht nur diejenigen mit finanziellen Sorgen, von der Arbeit einer Sozialberaterin profitieren.

INTERVIEW

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FOTO: ZVG

Ist es nicht ein Problem, wenn man den sozialen Aspekt der Gesundheit vom medizinischen abspaltet? Muss nicht beides zusammen Teil des Arztberufs sein, im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung?

BILDER: ZVG

Kompass der Gegenwart

TEXT JULIA RÜEGGER

Die fünf Redaktionsmitglieder – allesamt Absolvent*innen der Studiengänge Illustration und Grafik an der HSLU – luden dafür Zeichner*innen und Illustrator*innen aus ihrem Bekanntenkreis ein, mit ihnen gemeinsam Ideen für eine Standortbestimmung im Dickicht unserer Gegenwart zu entwickeln. Herausgekommen sind acht Beiträge von 15 Zeichner*innen, die auf die Titelfrage «Wo bin ich?» alles andere als eine einheitliche Antwort geben. Vielmehr navigieren die Comics durch unterschiedlichste Orte, Alltagsschwierigkeiten und Milieus und laden auch in gestalte rischer Hinsicht in ganz eigene und manchmal geradezu konträre WeltenWährendein.

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sich der Comic «Weck mich wirklich auf» system relevanten Berufen und Sinnkrisen während des Lockdowns widmet, illustriert Anna Egli auf einer einzigen Seite die Über forderung, welche aus dem Zwang zur Selbstoptimierung, dem Multitasking und dem Erwartungsdruck sozialer Medien er wächst. «Aus der eigenen Haut» spinnt Identitätspolitik bis ins Absurde weiter, «Apocalypse Deluxe» entwirft auf knappem Raum die düstere Vision einer Gesellschaft, deren Architektur auf dem Klimanotstand gründet, und «Zwischen den Stühlen» dokumentiert, wie ein sozialer Aufstieg auch zu Verunsicherung führen kann. Ernst und spielerisch Wer in diesen und zehn weiteren Comics der neuen Ausgabe liest, mag sich zuweilen tatsächlich nach einer Notbremse sehnen, da die rasanten Bild- und Perspektivenwechsel durchaus selbst zu Orientierungslosigkeit führen können. So laden die mal knappen, mal ausschweifend erzählten Comics – bei allen Fragen und Ir ritationen, die sie aufwerfen – immer wieder zum Schmunzeln ein, bieten (Selbst-)Erkenntnis oder ab und zu auch einen Hauch

Comicma gazin Die neuste Ausgabe von «Die Notbremse» heisst «Wo bin ich?» und bietet alles andere als Antworten in Schwarzweiss.

Orientierungslos in Zeiten von ökologischen, politischen und sozialen Krisen – so lautet das Thema der dritten Ausgabe des 2020 gegründeten Luzerner Comicmagazins «Die Notbremse».

Dem Medium Comic gelingt es besonders gut, komplexe The men auf anschauliche und berührende Weise zu vermitteln. Da bei hilft die Unmittelbarkeit, die aus der Kombination von Text und Bild entsteht. Selbst wenn der Comic auf einem trockenen soziologischen Text aufbaue, sei die zeichnerische Umsetzung viel verspielter, sagt Trachsel. «Wir haben schon ein wenig Lust auf Revolution, in vielen Bereichen der Gesellschaft – auch im Genre des Comics.»

DIANA FREI FOTO: ZVG

Surprise 531/22 25 «Die Notbremse», Comicmagazin, 25 CHF, online bestellbar und in ausgewählten Buchhandlungen erhältlich. www.notbremse-magazin.ch

The Hill Where Lionesses Roar, Regie: Luàna Bajrami, Kosovo / Frankreich 2021, 83 Min., mit Flaka Latifi, Uratë Shabani, Era Balaj u. a. Selbstbefreiung Film In einem abgelegenen Dorf im Kosovo erleben drei junge Frauen, wie ihre Träume und Ambitionen erstickt werden. Weite Landschaften, Sonne, Hotpants und zirpende Zika den: ewige Ferienstimmung. Doch leider hat sie sich zum Lebensgefühl der drei jungen Protagonistinnen Qe, Jeta und Li verfestigt: Hier gibt es nichts zu tun, nichts zu werden, nichts anzustreben. Im Dorf stehen Häuser im Rohbau und ein Schwimmbad ohne Wasser. Unfertige Pläne, angebro chenes Leben, das sich schon in den Startlöchern irgendwie tot anfühlt. Seit Jahren warten die drei Frauen auf die Auf nahme an der Uni in der Stadt; es wäre die einzige Flucht möglichkeit aus der erdrückenden Idylle, die einzige Pers pektive, ein eigenes Leben zu beginnen. Denn an jedem Eck lauern vorgefertigte Lebensentwürfe. Da ist der Coiffeur salon der Eltern, in dem Tochter Qe mit einem Bein schon drinsteht. Und als Li zu einem netten jungen Mann aufs Mofa steigt, sehen es ihre Freundinnen schon als drohendes Ehe-Szenario.Alsdiedrei die Kosovo-Französin Lena (gespielt von Regisseurin Bajrami selbst, die auch Schauspielerin ist) auf Heimaturlaub kennenlernen, konkurriert die aufkeimende Freundschaft bald mit Feindseligkeit. Lena, wohnhaft in Paris, beklagt, sich nicht zwischen den vielen Wahlmög lichkeiten für ihre Zukunft entscheiden zu können, roman tisiert das Leben der neuen Freundinnen und wird damit zur DieProvokation.Fluchtgedanken von Qe, Jeta und Li verfestigen sich zu einer konkreten Idee – der scheinbar einzig möglichen einer Selbstbefreiung. Ab da nimmt das Tempo der Erzäh lung zu, ebenso die Farben, die Szenenwechsel, die Inten sität des Lebensgefühls. Die Idee war zwar schlecht, aber sie macht das Leben aufregender, lebensfroher, praller.

von Trost. Diese Mischung aus ernst und trotzdem spielerisch sei ganz im Sinn der Redaktion, sagt Mitherausgeberin und Zeich nerin Julia Trachsel: «Ziel unserer Comics ist nie, abzuschrecken oder zu überfordern, sondern das Gefühl zu erzeugen: Jetzt habe ich etwas verstanden.»

Die junge Regisseurin und Drehbuchautorin Luàna Ba jrami trägt ihre Themen der Gefangenschaft und Perspek tivenlosigkeit zuweilen etwas gar konzeptionell in die Di aloge hinein. Aber der Film folgt im Gesamten dem beengten Lebensgefühl so, dass es glaubhaft nach Ausbruch schreit.

BUCHER,HEIDIOFESTATETHECOURTESY

Der Titel der Ausstellung lehnt sich an das Gedicht «Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose» der US-amerikanischen Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein an. Auf das Frau-Sein ge münzt heisst das ungefähr: In der Summe der Wiederholung wird etwas ersichtlich, was nicht auf eine einzige Essenz festgelegt wer den könnte. Die Kuratorin und bekannte typenaufformentungFarbePoptionsonderestellungalseinergen.lierlebenundschendieein.körperbetonteActiondenzungren.ästhetisch-formaleDazu,derterschiedlichsterÜbersichtSinnElisabethKulturwissenschaftlerinBronfenzeigtindemeinebislangseltengezeigteüberdasSchaffenun-KünstlerinneninSchweizvon1970bis2000.wasinhaltlicheThemenundZugängewaSosetztedieAuseinandersetmitdemeigenenKörperab1970er-JahreninFormendesPaintingsowiedurchdiePerformanceArtAnderefordertenschonfrühAufhebungderGrenzezwiPrivatemundÖffentlichemtrugenihrPrivat-undAte-inöffentlicheAusstellunPorträtsdientenimmeröfterDekonstruktiondessen,wastypischweiblicheSelbstdar-geltensollte,undeinebeFormdieserDekonstrukdesWeiblichenwurdeinderArtvollzogen.Diekritische,inundFormlustvolleBetrachvonalltäglichenKonsum-liessvieleKünstlerinnenhumorvolleWeisemitStereobrechen. DIF BILD(1): BUCHER,CARLUNDHEIDI BILD(2): JOHNSON,BEVERLEY BILD(3): BILD(4): N.K,FOTOSAMMLUNGGOSTELI-STIFTUNG, BILD(5): ZÜSTANDREASSAMMLUNGDERAARAU / DEPOSITUMKUNSTHAUS,AARGAUER

26 Surprise 531/22 Bern und Worblaufen «Gosteli-Gespräche 2022», Diskussion und Fest, Fr, 19. Aug.: «Staying with the Trouble: Frauengeschichte heute», Universität Bern, vonRoll-Areal, Fabrikstrasse 6, Hörsaal 004; Sa, 20. Aug.: 40Jahr-Jubiläum Gosteli-Stif tung Altikofenstrasse 186, Worblaufen. gendercampus.ch Das Gosteli-Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewe gung startet in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zent rum für Geschlechterforschung IZFG der Universität Bern eine neue Gesprächsreihe: die Goste li-Gespräche. Die künftig jährlich abgehaltenen Podiumsveranstal tungen widmen sich Aspekten rund um die Themenkomplexe Archiv, Frauenbewegung und For schung. Am Freitag stellt sich die Frage, was Frauengeschichte ei gentlich ist und was die Antwort dann auch für die historische Auf arbeitung bedeutet und was Archi varbeit kann und soll. Zudem steht das 40-Jahr-Jubiläum des Goste li-Archivs an. Das Fest dazu findet am Samstag statt – mit offenen Archivzimmern, Berichten von Ar chivbenutzer*innen, Kinderaktivi täten, Film und Auftritten der Spo ken-Word-Performerin Ariane von Graffenried, der inFlux Tanzcom pagnie Bern und mit den skurrilen Kompositionen des Duos The High Horse. DIF Basel Theaterfestival Basel, Mi, 24. Aug. bis So, 4. Sept., diverse Spielorte in Basel, Dornach/SO und St-Louis/F; Festivalzentrum Kasernenareal, Klybeckstrasse 1b. theaterfestival.ch Festivals sind etwas Grossartiges. Ein Team, welches das Jahr über durch die Welt reist, Augen und Ohren offenhält, spannende Aus einandersetzungen mit der Welt und überwältigende Formen ent deckt, bringt uns das Beste davon mit nach Hause. Und das ist meis tens recht berauschend. Verspielte, wuchtige oder sinnliche Arbeiten verhandeln hier brisante Themen. So begeben sich die Darsteller*in nen beim indischen Regisseur San kar Venkateswaran auf das viel schichtige Terrain von Erinnerun gen und Augenzeugenberichten der tamilischen Bevölkerung Jaff nas im Norden von Sri Lanka. Sie kreisen um den Brand der dortigen Zentralbibliothek, der 1981 den Beginn eines Bürgerkriegs mar kierte: Die Inszenierung nimmt die Verbindung zwischen Sprache, Macht und Terror auf. Der argen tinische Autor und Regisseur Ma riano Pensotti wiederum schafft in einem theatralen Splitscreen ein Zuhause zwischen zwei Zeitebe nen. Erzählt wird auf kuriose und zugleich traurige Weise vom Leben eines Dokumentarfilmers, der dreissig Jahre nach seinem Durch bruch mit Freunden und Familie Bilanz zieht. Es geht letzten Endes um die schmerzvolle Differenz zwischen dem, was man anstrebt und dem, was tatsächlich entsteht –sei es auf persönlicher Ebene oder in Bezug auf gesellschaftliche Uto pien. DIF Aarau «Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau ... Eine Geschichte der Künstlerinnen», Ausstel lung, Sa, 27. Aug. bis So, 15. Jan. 2023, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, Do bis 20 Uhr, Aargauer Kunsthaus, Aargauerplatz. aargauerkunsthaus.ch

Veranstaltungen Susch «Heidi Bucher. Metamorphosen II», Ausstellung, bis So, 4. Dez., Muzeum Susch, Surpunt 78, Mi bis So, 11 bis 17 Uhr (mittwochs nur bis 30. Sept. geöffnet), muzeumsusch.ch Nach den Metamorphosen I im Kunstmuseum Bern zeigt das Muzeum Susch nun rund weitere siebzig Werke der Künstlerin aus allen Schaf fensphasen – darunter wiederentdecktes und eigens restauriertes Film material, skulpturale Installationen und Arbeiten auf Papier. Bucher er forschte die Wechselwirkung von Psychologie und Raum und begann ab 1973, Objekte und Räume mithilfe von Latex auf Baumwollstreifen zu «häuten». Damit setzte ihr Hauptwerk ein. Buchers Leitmotiv wurde die Inbesitznahme und Verwandlung von Räumen und Körpern. Sie fixierte etwa Gaze mit Fischkleister an Wänden, bestrich diese mit flüssigem Latex und zog die getrockneten Schichten unter grösster körperlicher Anstren gung wieder ab. Die Schauplätze, die Bucher für ihre Häutungen wählte, besassen vielfach private und öffentliche Bedeutung zugleich. So häutete sie in ihrem Elternhaus das Herrenzimmer, das ehemals hauptsächlich den männlichen Familienmitgliedern vorbehalten gewesen war, und löste damit sinnbildlich die patriarchale Familienstruktur ab. Mit ihren Häu tungen legte Bucher private Machtstrukturen offen und stiess den Ge danken der Veränderung an. Sie befasste sich in ihrem Werk mit Themen, die bis heute universelle Gültigkeit besitzen: das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern, die Befreiung von sozialen Zwängen sowie der Versuch, die eigene Vergangenheit abzuschütteln und sich bis ins Alter neu zu erfinden. DIF

Sozialhilfequote

Pörtner in Bern Viktoriaplatz

Dominiert wird der Viktoriaplatz vom Hauptsitz des lokalen Energieversorgers. Ein altes, stattliches Haus, seinerzeit noch als Verwaltungsgebäude konzipiert. Davor eine mächtige Ulme, ein Blumen garten und Parkplätze. Die Zugänge werden von Statuen bewacht, die Knaben darstel len, die Schafböcke festhalten. Die Wasser speier, die kein Wasser speien, haben die Form geradezu asiatisch anmutender Froschwesen. Gegenüber befindet sich ein kleines, gekiestes Dreieck mit Bänken und Büschen. Auf dem eigentlichen Platz stehen die Tische eines Cafés mit dem Namen Viktor, neben vom Tiefbauamt Bern zur Verfü gung gestellten, mit Antifa-Klebern deko rierten Bänken, an denen kein Konsum zwang herrscht. Sie sind aber nicht belegt, weil die Bäume noch wachsen müssen, bis sie Schatten spenden. Gespendet sind die Bäume ihrerseits von Unternehmen, die auf kleinen Metallplättchen verzeich net Vielsind.Betrieb herrscht am Kiosk, wo Glaces gekauft werden. Leider ist das Erdbeercornet ausverkauft, das von der auftraggebenden Kollegin eigens gewählt wurde, weil es das immer und überall gibt. Das Publikum des Cafés ist jung und urban. Laptops werden aufgeklappt und sogar Bücher gelesen. Bildung wird grossge schrieben an dieser Ecke, zumindest an dem imposanten Gebäude mit Glocken turm, dort steht in SEKUNDARSCHULE.GrossbuchstabenEsfolgennoch

Anteil

Geschichte:

Surprise 531/22 27 Tour de Suisse

Tennisplätze,

Surprise-Standort: Bushaltestelle Viktoriaplatz Einwohner*innen:

wei tere, grosse Schulhäuser, der Weg zu ih nen führt über eine Strasse, die nach dem grossen Schweizer Schriftsteller Jeremias Gotthelf benannt ist. Sie verläuft an der Seite der ehemaligen Feuerwehrkaserne. Diese wurde inzwischen umgenutzt und beherbergt ein grosses Restaurant und eine Menge kleiner Unternehmen, die, wie es aussieht, vor allem innovative und nachhaltige Projekte betreiben. Es fehlen weder ein Velo- noch ein Friseur- und Barbiergeschäft, so weit so unspektakulär und vorhersehbar, genau wie die Tages schule und das Second-Hand-Geschäft. Schon exotischer ist da das Lampenreparaturatelier. Wer keine Lampe, sondern sonst etwas bauen will, kann dies in der Quartierwerkstatt tun. Dort stehen Werk zeuge zur Verfügung, die eben nur für bestimmte Arbeiten gebraucht werden oder zu gross sind für die Heimwerkerei. Mög lich, dass die sich gegenüber befindliche, mit Rädern versehene Bankkonstruktion auch in dieser Werkstatt erbaut wurde. Für Dinge, die auch nicht oft benötigt werden, in der Werkstatt jedoch wenig nützen, wie Rasenmäher oder Zelte, gibt es eine Leih bar. Wer sich trotz allem noch irgendein Gerät gekauft hat, das nun nicht mehr funktioniert, kann das Repair-Café besuchen und auf Abhilfe hoffen. Als Plakatwände dienen ausgediente Paletten, der Kabaret tist Christoph Simon stellt Anfang Sep tember sein neues Programm vor, das be stimmt sehenswert ist. Im Hinterhof gibt es zudem eine Vintage börse, eine Einmacherei, Bänke aus alten Fensterläden und zusammengezimmertes Spielgerät. Zu diesem unterwegs ist ein Vater mit drei kleinen Töchtern, beim Takeout-Fenster des asiatischen Restaurants fragt er sie, ob sie Sushi mögen, was einhellig und lautstark verneint wird, während der Mann seine bedingungslose Liebe zu diesem Gericht gesteht.

STEPHAN PÖRTNER Der SchriftstellerZürcher Stephan Pörtner wieundSurprise-Verkaufsortebesuchterzählt,esdortsoist. 142    493 in Prozent: 5,0 ausländische Bevölkerung in Prozent: 24,1 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es am Viktoriaplatz die im Winter als Eisbahn benutzt wurden

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Leider ist uns in der Literaturausgabe zum Thema «Freiheit» ein Fehler unterlaufen, in Ariane Kochs «Die Schlafpartei» sind mehrere Zeilen Text verlorengegangen. Punkt 6 im Text muss vollständig heissen: «6. Wenn man den Schlaf personifizieren müsste, so würde ich sagen, er ist meine Grossmutter. Meine Grossmutter hat auch gerne Schwätzchen gehalten. Wenn ich mich mit ihr zum Kaffee traf, führte sie jeweils eine nummerierte Liste mit den zu erzählenden Dingen mit sich. Sie schweifte bereits beim ersten Stichwort derartig ab, dass wir es nie zum zweiten schafften.» Wir entschuldigen uns bei der Autorin und den Leser*innen.

#Serie: Die Unsichtbaren – Kläranlage «Schon rege besucht»

Surprise 531/22 29 #527: Warum die IV so stren g ist «Wir sind die Politik» Wir müssen handeln! Eindrücklich, die Schilderung

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Anm. d. Red.: Das war missverständlich formuliert. Natürlich «konnte gebadet» werden, es war einfach gesundheitlich nicht auf dieselbe Art und Weise unbedenklich. Man «hätte (u.a. wegen der Phosphatbelastung) bis in die 1970er-Jahre in Schweizer Seen besser nicht gebadet», wäre korrekter gewesen.

Das Zitat «... konnte in Schweizer Seen bis in die 1970er-Jahre nicht gebadet werden» stimmt nicht. 1966 hatten wir im Zürichsee Schwimmunterricht in der Badi Utoquai. Die Bäder Tiefen brunnen und Mythenquai waren schon vorher rege besucht.

der IV-Renten-Situation anhand von konkreten Beispielen von Betroffenen. Zusätzlich wird aufgezeigt, warum die Invalidenversicherung so streng ist. Ebenso deutlich wird darauf hingewiesen, dass die Politik entweder für die zusätzliche Finanzierung zu sorgen hat oder wenigstens sich nicht so verhält, als wäre alles in Ordnung. Doch, wer ist «die Politik»? Es ist keine anonyme Institution, sondern wir sind es in erster Linie, wir Wählerinnen und Wähler. Es wäre hilfreich, wenn Surprise aufzeigen könnte, welche Parteien, welche Politikerinnen und Politiker sich des Themas der reformbedürftigen IV annehmen und konkrete Lösungsvorschläge präsentieren. Bei den Parlamentswahlen 2023 könnten die Weichen in der Sozialpolitik neu gestellt werden. Baeriswyl, Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Marina Bräm, Julia Demierre, Dina Hungerbühler, Karin Pacozzi, Anina Ritscher, Julia Rüegger, Eva Rust, Daniel WiedergabeSutter von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach

Aufgezeichnet von DINA HUNGERBÜHLER

und Wundertüte bezeichnet. Ich habe ein eigenes System entwickelt, wie ich auch mit einem unsicheren Einkommen gut über die Runden komme. Sobald ich drei Surprise-Hefte verkauft habe, kommen sechs Fran ken in meinen ‹Freizeit-Topf›. Wenn ich sechs Hefte verkauft habe, lege ich sechs Franken in den ‹AHV-Topf›, und wenn ich hundert Hefte verkauft habe, wird mein ‹Hobby-Topf› mit sechs Franken gefüllt. Den restlichen Lohn brauche ich für meine bescheidenen Lebenskosten und für den Kauf von neuen Surprise-Heften. Dieser Lebensstil hat natürlich auch negative Seiten. Ich war beispielsweise sieben Jahre lang obdachlos, weil es ohne reguläres Einkommen schwer ist, eine Wohnung zu finden. Zum Glück habe ich eine Vermieterin gefunden, die Verständnis hat für Leute, die zwar viel arbeiten, aber nicht viel verdienen. Zudem musste ich vor Kurzem wegen einer Zuckerkrankheit operiert wer den. Zuerst war nicht klar, ob ich nach meiner Operation wieder richtig werde arbeiten können. In dieser Zeit habe ich mir Sorgen gemacht. Mir wurde aber auch be wusst, dass ich mein freies Leben unbedingt zurückhaben will. Und siehe da, nun kann ich wieder arbeiten! Zwar wird mein Bein nie wieder so richtig belastbar sein, der Hefteverkauf funktioniert aber überraschend gut. Solche Geschichten zeigen mir, dass glückliche Menschen das Glück anziehen. Ich bin darum lieber ein glücklicher, unabhängiger Geschichtenerzähler als ein fremdbestimmter Maler oder Logistiker.»

30 Surprise 531/22 Surp rise-Porträt «Ich erzähle Geschichten»gerne

Ruedi Kälin, 63, verkauft Surprise in Chur, Zürich und Schaffhausen und hat ein ganz besonders ausgeklügeltes Geschäftsmodell.

«Ich bin Ruedi Kälin, mein Markenzeichen sind meine eigenwilligen Haare und meine farbige Kappe. Bei meinen Freunden bin ich als Lebenskünstler und Wundertüte bekannt. Ich selbst stelle mich meistens als Geschichtenerzähler vor. Denn das ist meine Hauptbeschäftigung. Während des Surprise-Verkaufs unterhalte ich die Kundschaft mit Anekdoten und lustigen Geschich ten, die ich auf der Strasse aufgeschnappt habe. Aufgewachsen bin ich behütet bei meiner Grossmutter in Davos. Im Alter von zehn Jahren holte mein Vater mich nach St. Gallenkappel, damit ich die restliche Schulzeit bei meinen Eltern absolvieren konnte. Mein Vater wünschte sich einen guten Schüler. Aber ich interessierte mich mehr für Sport als für Schulkram. Im Alter von 17 Jahren hatte ich sogar eine Karriere als Profi-Hockey-Spieler bei den ‹Montreal Canadiens› in Aussicht. Doch dann brachte sich mein Vater um und ich musste in der Schweiz bleiben, um meine Mut ter und meine Schwester zu unterstützen. Ich begann als Logistiker zu arbeiten, blieb vier Jahre lang in diesem Bereich. Danach wurde ich von einer Druckerei angestellt. Ich erledigte alle möglichen Auf gaben, von der Lagerkontrolle bis hin zum Mischen der Farben. Später absolvierte ich eine Anlehre als Maler. Doch dieser Beruf entsprach mir nicht, denn ich führe nicht gerne Aufträge aus. Ich bin eine sehr arbeitswillige Person, aber ich brauche einen gewissen Freiraum, Freude an meiner Tätigkeit und Abwechslung. Als Maler hatte ich das nicht. Dann arbeitete ich eine Weile als Tankwart. Später zog ich nach Zürich und verdiente mein Geld als ‹Müllmann› und Zeitungsverteiler. Zu Surprise kam ich durch einen Freund. Eigentlich hatte ich bereits zwei Jobs. Aber mein Freund überredete mich aus Jux, mit dem Hefteverkauf zu beginnen. Da er meinen Lebenslauf kannte, meinte er: ‹Ruedi, du wirst sowieso nicht lange bleiben, aber ein Versuch ist es wert, schon allein, um etwas Abwechslung in dein Leben zu bringen.› Heute lachen wir darüber, denn ich arbeite mittlerweile seit über zwanzig Jahren für Surprise. In dieser Zeit wurde es mir noch kein einziges Mal langweilig. Ich kann meinen Alltag selbst gestalten, treffe spannende Leute, höre und erzähle Geschichten. Mir bedeuteten die grosse Freiheit und Abwechslung viel mehr als ein Job mit einem sicheren Einkommen. Wahrscheinlich werde ich deswegen als Lebenskünstler

FOTO: BODARA

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