SEKEM Insight

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Nr. 88 - Dezember 2009

Insight

SEKEMs Journal für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Ägypten

Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser Kopenhagen ist Geschichte. Nicht so der tägliche Kampf gegen den Klimawandel. Fast konnte man das über der erregten Dauerberichterstattung aus Dänemark vergessen.

Klimawandel

Wirtschaft

Architektur

Helmy Abouleish in Kopenhagen

Triodos-Bank eröffnet deutsche Filiale

SEKEM-Projekt erhält Architekturpreis

Helmy Abouleish in Kopenhagen: Mehr Achtung für die Landwirtschaft

Schon im Vorfeld der Konferenz konnte man den Eindruck gewinnen, an einem Gelingen der Klimakonferenz hinge das Schicksal der Welt. Sicher ist, dass Kopenhagen ein Ereignis von überragender internationaler Bedeutung war. Dass sich die Delegierten schon im Vorfeld überschlugen, ihr Scheitern zu prophezeien, mag oft geschicktes Taktieren gewesen sein. Es dokumentiert aber auch die Unfähigkeit vieler, pragmatisch auf das Notwendige zu schauen und danach zu handeln. So wichtig Kopenhagen war, ein wichtigerer Kampf findet tagtäglich vor den Regalen der Supermärkte statt. Durch unsere Kaufentscheidungen beeinflussen wir, welche Haltung zum Umweltund Naturschutz Unternehmen weltweit einnehmen. Wir sollten uns daher von Helmy Abouleish daran erinnern lassen: „Kopenhagen ist nur eine erste Weichenstellung. Der Weg muss von den Konsumenten und Unternehmen gegangen werden.“

Ihr Redaktionsteam

Landwirtschaft ist einer der größten CO2-Produzenten - insbesondere die Viehhaltung

Vom 7. bis zum 13. Dezember war Helmy Abouleish, Geschäftsführer der SEKEMGruppe, Teil der offiziellen ägyptischen Delegation am Klimagipfel in Kopenhagen. Er hat sich dort insbesondere für eine gestärkte Rolle der Landwirtschaft im Rahmen eines neuen globalen Abkommens eingesetzt, welche sowohl die Emissionen als auch die negativen Risiken für den Landbau berücksichtigt. Die Rolle der Landwirtschaft im Kampf gegen den Klimawandel wurde in Kopenhagen sowohl im Rahmen einer Fortführung des Kyoto–Protokolls, als auch von denen verhandelt, die das Protokoll nicht unterzeichnet haben. Obwohl Landwirtschaft bereits 1997 in Kyoto auf der Tagesordnung stand, gibt es noch immer praktisch keine Mechanismen, die Umstellungen auf emissionsarme Anbauweisen finanziell belohnen. Die Entwicklung eines umfassenden und doch einfachen solchen Anreizes, so Helmy Abouleish, könnte auf der Grundlage der Rahmenbedingungen des KyotoProtokolls jedoch zu schnellen Erfolgen führen.

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Wirtschaft

Über das Kyoto-Protokoll hinaus wurden in Kopenhagen auch so genannte „sektorbezogene Ansätze“ verhandelt, in denen auf die Bedeutung der Landwirtschaft hingewiesen wird. Außerdem bestünde die Möglichkeit, diese formal dem Bereich der Forstwirtschaft zuzuschlagen - beides jedoch langfristig angelegte Schritte, die umfassende Forschung und Entwicklung vorraussetzen, die noch nicht ausreichend zur Verfügung steht. Hatte sich Helmy Abouleish vor seiner Abreise noch zuversichtlich über die Integration der Landwirtschaft in das Kyoto-Nachfolgeprokoll geäußert, zieht er nach seiner Rückkehr eine skeptische Bilanz. Dennoch verzeichnet er einen deutlichen Zuwachs an Anerkennung für ihre Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel. Die Wichtigkeit einer Integration indigener Bevölkerungen in den Dialog sowie die stärkere Berücksichtigung bisher wenig beachteter Aspekte wie dem Erhalt der Biodiversität müsse jedoch noch mehr Beachtung finden, so Abouleish. Ein Grund für viele Dissonanzen zwischen den Verhandlungspartnern liegt in stark divergierenden wirtschafts-politischen Abhängigkeiten vom Ackerbau und abhängigen Industrien. Während sich die Länder Südamerikas auf die Forstwirtschaft konzentrieren, betonen andere Staaten die Bedeutung des Boden- und Humusaufbaus. „Die Verhandlungspartner im Bereich der Land- und Forstwirtschaft müssen jedoch gemeinsam Verantwortung übernehmen. Die Abholzung muss sofort gestoppt und dies finanziell honoriert werden. Zugleich muss auch ein klarer Zeitplan vorliegen“ warnt Abouleish. Darüber hinaus haben alle gemeinsam sicherzustellen, dass neben den Emissionen auch soziale und ökologische

sigen Monokulturen führt. Die Aufgabe, dies durch ganzheitliche Konzepte zu verhindern, können Unternehmen, Verbände und Forschungseinrichtungen nur gemeinsam bewältigen.“ Die Arbeit, eine verbindliche Basis für die Begrenzung klimaschädlicher Emissionen und weiter gehende Aktionen zu finden, hat nach dem Abschluss der Konferenz auch für die SEKEM-Firmengruppe erst begonnen. Die Tabellen, in denen sich die teilnehmenden Länder auf verbindliche Ziele hatten einigen wollen, sind in der Kopenhagener Deklaration noch leer geblieben. Bis Ende Januar 2010 kann nun jedes Land seine Ziele selbst bestimmen. Auch finanziell verbindliche Zusagen wurden noch nicht erreicht. Auch für die SEKEM-Gruppe hat Helmy Abouleish zugesagt, wird es nach Kopenhagen vor allem darum gehen, mit den Partnern in aller Welt weiter daran zu arbeiten, den Einfluss SEKEMs auf eine positive Entwicklung noch zu verstärken. Martin Haagen, Bijan Kafi

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Mehr Informationen unter: http://www.youtube.com/watch?v=sv-FPoDCLQg

GLS-SEKEM-Fonds: Fondszeichner informieren sich in Stuttgart Am 14. Dezember lud die GLS Gemeinschaftsbank in ihren Räumlichkeiten in Stuttgart zur Gesellschafterversammlung der GLS SEKEM Fonds GbR ein. Etwa 30 der rund 270 Fondszeichner, die den GLS-SEKEMFonds mit Einlagen zwischen 5.000 und 500.000 Euro zu seinem Gesamtvolumen von 5 Mio. Euro gefüllt haben, folgten der Einladung. Zunächst konnte Herr Matthias Eisenhut von der GLS Beteiligungs AG verkünden, dass die angestrebte Rendite von ca. 6% für 2008 trotz der Wirtschaftskrise etwa erzielt wurde.

Quelle: Wiki Bildungsserver

Aspekte berücksichtigt werden, damit nicht Systeme gefördert werden, die neben Emissionseinsparungen erneut negative Resultate zur Folge haben. Helmy Abouleish ruft daher die Biobranche auf: „Es besteht die Gefahr, dass konventionelle Agrarindustrien sich die Entwicklung zu eigen macht und dies zu unerwünschten Ergebnissen wie z.B. rie-

Anschließend stellte Helmy Abouleish, Geschäftsführer der SEKEM-Holding, neben einigen Informationen über die Rahmenbedingen in Ägypten und die Historie SEKEMs, die jüngsten Entwicklungen SEKEMs vor. Einen besonderen Schwerpunkt legte er dabei auf die neuen Farmen SEKEMs auf dem Sinai, in El-Minya/Mittelägypten und in El-Wahat, nahe der Oase Bahareya um den Anwesenden zu veranschaulichen, wie SEKEM die Einlagen für neue Investitionen und den Ausbau der biologisch-dynamischen Landwirtschaft einsetzt und zu einer nachhaltigen Entwicklung in Ägypten beiträgt. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch ein klassisches Duett, informativ durch einen Infostand des SEKEM-Fördervereins. Die Gäste konnten zudem eine Auswahl an SEKEM-Produkten erwerben. Eine arabische Linsensuppe rundete den Mittag kulinarisch ab. Christoph Kampschulte Seite 2


Wirtschaft

Sieben Saubere Schritte für nachhaltige Produktion bei Naturetex Bekleidung aus Bio-Baumwolle findet man inzwischen fast überall. Mancher mag sich fragen, ob solche Angebote seriös sind - und wie viel sie mit biologisch-dynamischer Baumwolle von SEKEM zu tun haben.

Die Auszeichnung „bio“ ist in Europa für Bekleidung nicht geschützt. Daher ist es meist notwendig, Gewissheit über Produktqualität auf anderem Wege zu erhalten. Viele private Label stehen beispielsweise für den Einsatz von kontrolliert biologisch angebauter Baumwolle oder für weitere Standards in der Verarbeitung der Textilien ein. SEKEMs Textilien werden nach dem Global Organic Textile Standard (GOTS) und nach den fairtrade-Kriterien der FLO (Fairtrade Labelling Organization) zertifiziert. Die umfassenden Anforderungen werden dazu von einer unabhängigen Kontrollstelle zertifiziert. In manchen Aspekten geht SEKEM jedoch noch über sie hinaus. Neben der Garantie der Mindestanforderungen globaler Standards, drücken sich in den Produktionsmethoden auch die Werte von SEKEM aus. Anbau Ausgangsprodukt für SEKEMs Textilien ist ägyptische Baumwolle. Sie wird von demeter-Landwirten im Nildelta und in der Oase Fayoum angebaut und ist für ihre besondere Qualität weltweit berühmt. Einige ägyptische

Baumwollsorten haben besonders lange und reißfeste Fasern, so dass daraus extrem feines Garn gesponnen werden kann. Die Baumwollfasern reifen in Kapseln, die im Herbst sorgfältig von Hand gepflückt werden. Die Bauern pflanzen neben der Baumwolle viele andere Kulturen wie Zwiebeln, Klee, Kräuter oder Reis, welche die anderen Firmen aus der SEKEM-Gruppe von ihnen erwerben. So ist eine Fruchtfolge auf den Äckern und der langfristige Aufbau der Bodenfruchtbarkeit möglich. Entkernen und Spinnen In lokalen Fabriken wird die Baumwollfaser von den Kernen befreit. Etwas weniger als 2/3 des Gewichts machen die schwarzen Samen aus, die einerseits für die nächste Aussaat aufbewahrt, andererseits zu Öl verpresst werden. Die reine Baumwollfaser wird dann in Spinnereien versponnen. Dabei wird darauf geachtet, dass die Bio-Baumwolle nicht mit den Fasern von anderen Bauern vermischt wird. Naturetex gibt bereits hier an, welche Garnstärken und –mengen benötigt werden, um daraus die unterschiedlichen Textilien herstellen zu können. Jede Charge wird in spezialisierten Laboren auf gleichmäßige Qualität getestet, bevor sie weiterverarbeitet wird. Die Reste, die beim Kämmen oder Kardieren anfallen, werden in Naturetex zum Ausstopfen der Puppen und Stofftiere verwendet.

Strickmaschinen für verschiedene Stoffarten besitzen. Falls dafür Hilfsstoffe eingesetzt werden, müssen diese biologisch abbaubar sein, damit sie das Wasser nicht belasten. Beim Weben ist es z.B. notwendig, das Garn zu schlichten, damit es auf den Maschinen nicht reißt. Hierzu wird Stärke verwendet, die nachher ausgewaschen wird. Die fertigen Stoffballen werden bei Naturetex Meter für Meter auf Strickfehler, Löcher oder eingestrickte Fremdfasern untersucht. Dazu wird der Stoff von unten oder hinten beleuchtet, um mögliche Fehler sichtbar zu machen und zu verhindern, dass fehlerhafter Stoff für Kleidung verwendet wird. Weitere Qualitätsaspekte werden im Labor überprüft um sicherzustellen, dass der Stoff nicht zu schwer oder zu leicht ist oder beim Waschen zu stark einläuft. Färben und Ausrüsten Die meisten Textilien sind farbig. Dazu werden der Stoff oder bereits vor

Stricken und Weben

Die geöffnete Baumwollkapsel auf SEKEMs Feldern

Das Garn kann nun verstrickt oder zu Webstoffen verarbeitet werden. Dies geschieht in spezialisierten Firmen, welche die dazu notwendigen übergroßen Webstühle oder

Bei der Erntearbeit auf SEKEMs Baumwollfeldern

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Wirtschaft

dem Stricken das Garn selbst eingefärbt. Gemäß den GOTS-Regeln verwendet Naturetex dazu eine streng begrenzte Auswahl an Farbstoffen und Hilfsstoffen, die keine schädlichen Schwermetalle oder andere Gifte enthalten. Die Chemikalien dürfen weder für die Mitarbeiter in der Färberei, noch für die Nutzer der Textilien oder für

In SEKEMs Fabrik Naturetex werden die Stoffe zu Kleidung verarbeitet

das Abwasser schädlich sein. Genaue Standards regeln die Anforderungen an die biologische Abbaubarkeit der einzelnen Inhaltsstoffe. Wichtig ist jedoch auch, dass die Farben lange erhalten bleiben, nicht beim Waschen oder z.B. durch Speichel zerlaufen oder durch starkes Licht verblassen. Deshalb werden synthetische Farbstoffe benutzt, da natürliche Farben bisher nicht industriell eingesetzt werden können oder einen so hohen Einsatz an Chemikalien zur Fixierung benötigen, so dass die Umwelt stärker belastet wird, als bei modernen synthetischen Farbstoffen. Zuschnitt, Nähen, Verpacken In Naturetex selbst auf der SEKEM Farm werden die fertigen Stoffe zugeschnitten und zu Bekleidung verarbeitet. Die Design- und Musterabteilung hat vorher bereits die Schnittmuster erstellt und die genauen Spezifikationen mit

den Kunden vereinbart. Nach diesen Mustern wird nun der Stoff zugeschnitten. Dazu werden viele Bahnen Stoff aufeinander gelegt und mit einer speziellen Schere ähnlich einer Stichsäge gleichzeitig zugeschnitten. Die einzelnen Teile werden nun zu T-Shirts, Bodies oder Schlafanzügen zusammengenäht, wobei jeder Näher jeweils nur einen Arbeitsschritt durchführt und das Teil dann an den nächsten in der Reihe weitergibt. Viele Nebenschritte ergänzen diesen Prozess, damit Knöpfe angenäht, Stickereien angebracht oder die Größenetiketten eingenäht werden. Auch will jede Naht sorgfältig geprüft und die Größen der einzelnen Teile festgestellt werden. Danach steht das Bügeln an. Eine Besonderheit stellt bei Naturetex der ausschließliche Einsatz von Naturmaterialien für Accessoires dar. Knöpfe aus Steinnuss, Bänder und Borten aus Baumwolle - sogar das Nähgarn ist zu 100% Baumwolle, so dass das Nähen besonderes Fingerspitzengefühl verlangt, damit das Garn nicht reißt. Anschließend werden die Produkte nach Wunsch des Kunden verpackt. Dabei ist die Devise leitend: soviel wie nötig, aber so wenig wie möglich Verpackungsmaterial, das außerdem umweltfreundlich sein muss.

Abschließende Qualitätskontrolle des Stoffes

Naturetex als Textilfirma der SEKEMGruppe unterstützt mit ihren Erträgen die sozialen und kulturellen Einrichtungen der SEKEM-Initiative und ermöglicht dadurch Bildung und Entwicklung für die Menschen der Umgebung SEKEMs. Auch den Mitarbeitern der Firma selbst stehen vielfältige Weiterbildungsangebote während der Arbeitszeit zur Verfügung. Das SEKEM Hospital stellt außerdem die medizinische Versorgung bereit. Ein Rentenfonds sichert die Altersvorsorge und über die „Kooperative der SEKEMMitarbeiter“ gestalten die Mitarbeiter selbst das soziale Miteinander und die Firmenkultur aktiv mit und treten mit der Firmenleitung in Kontakt. Tragen und Recyclen

Gerechter Handel und Entwicklung Gerechter Handel ist kein Schlagwort, sondern ein ganzheitliches Wirtschaftsprinzip, das in SEKEM allen kommerziellen Aktivitäten zugrunde liegt. Die Baumwollbauern erhalten von SEKEM einen Preis, der nicht nur ihre Produktionskosten abdeckt und somit das Überleben der Familie sichert, sondern ihnen außerdem ermöglicht, in ihre Entwicklung zu investieren. Dabei spielt die Zusammenarbeit im Netzwerk der demeter-Bauern eine große Rolle. Weil SEKEM nicht nur die Baumwolle aufkauft, sondern auch Märkte für die anderen Produkte der Fruchtfolge schafft, entsteht für den Bauern ein sicheres Einkommen und mehr Unabhängigkeit von den stark schwankenden Weltmarktpreisen.

Durch die sorgfältige Verarbeitung entstehen Textilien und Bekleidung, die angenehm zu tragen sind, keine gesundheitlichen Risiken bergen und die Umwelt so wenig wie möglich belasten. Grundsätzlich eignen sie sich sogar zur Kompostierung oder können als Textilreste dem Kreislauf wieder zugefügt werden. Naturetex-Kleidung ist mehr als die Summe der Produktionsschritte und Standards. Neben ihrer Funktion als Bekleidung und modischer Ausdruck von Individualität, entsteht durch den Kauf in Europa oder Amerika auch eine Verbindung zu den produzierenden Menschen. Ein konkreter Beitrag zu einer besseren Globalisierung. Christina Boecker

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Kultur

Triodos-Bank eröffnet Filiale in Deutschland: „Unternehmer sind Teil der Gesellschaft“ Anlässlich der Eröffnung der deutschen Filiale der Triodos-Bank sprach SEKEM-InsightRedakteur Bijan Kafi mit dem Vorstandsvorsitzenden der Triodos-Bank, Peter Blom.

Die niederländische Triodos Bank N.V. hat am 2. Dezember eine Niederlassung in Frankfurt am Main eröffnet. Nachdem sie seit Beginn der 90er Jahre von den Niederlanden aus zunächst nach Belgien, Großbritannien und Spanien expandierte, will sich die namhafte Nachhaltigkeitsbank nun hierzulande etablieren. Bijan Kafi sprach am Rande der Festveranstaltung mit dem Vorstandsvorsitzenden Peter Blom. Herr Blom, nachhaltiges Wirtschaften wird viel diskutiert. Es heißt, wir hätten aus der Finanzkrise nichts gelernt. Dann wieder sind Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen in aller Munde. Hat der Wandel zu einem „aufgeklärten Kapitalismus“ wirklich begonnen? Wir sehen zwei Tendenzen in Gesellschaft und Wirtschaft: einige Menschen, Unternehmer und Entscheidungsträger zeigt eine abwartende Haltung und hofft, dass bald wieder alles beim Alten sein wird; andere setzen sich für einen Paradigmenwechsel ein, weil sie das Gefühl hat, das wir so nicht wei-

termachen können. Einige gehen hier schon seit mehreren Jahren und sogar Jahrzehnte mit gutem Beispiel voran. Die Nachhaltigkeitsbanken zeigen für den Bankenbereich, dass ein Paradigmenwechsel möglich, sinnvoll und vorteilhaft ist. Für uns heißt der Paradigmenwechsel ganz klar: Nachhaltigkeit maximieren, nicht den Profit. Viele Menschen aus Industrieländern möchten sich in Entwicklungsländern engagieren. Für SEKEM haben Sie einen grünen Fonds aufgelegt. Wie werden diese Instrumente aufgenommen und wie sieht ihre Zukunft aus? In den Niederlanden war vor zwei Jahren bei der SEKEMFondsauflegung eine enorme Nachfrage von Anlegerseite, das Fundraising musste vorzeitig beendet werden. Und auch jetzt merken wir ein großes Interesse an SEKEM – die Menschen spüren, dass sie hiermit in die Zukunft investieren. Was waren für Sie die ausschlaggebenden Gesichtspunkte für ein Engagement in SEKEM, jenseits des unternehmerischen Interesses? SEKEM ist für uns ein Paradebeispiel, wie man ein Unternehmen nachhaltig und somit ganzheitlich organisieren kann. Denn SEKEM achtet neben der Wirtschaftlichkeit auch auf den Schutz und die Bewahrung der Umwelt, die individuelle Förderung der Menschen und deren Kultur. Das sind genau die Bereiche, die auch der Triodos Bank am Herzen liegen und sich in unserem Geschäftsmodell wiederfinden.

Präsident der Triodos-Bank Peter Blom mit Helmy Abouleish und Thomas Jorberg (GLS-Bank)

„Soziales Unternehmertum“ ist in aller Munde, Muhammad Yunus fordert sogar „Sozialunternehmen“ um die großen Probleme der Welt

zu lösen. Wie viel kann soziales Unternehmertum wirklich bewirken? Unternehmen, die einen sozialen Zweck und Profitabilitätsziele verfolgen, sind sicher Teil der Antwort auf viele Probleme. Ihre Wirksamkeit wird in ärmeren Ländern jedoch gefördert durch die vorhandenen Rahmenbedingungen. Man darf diese nicht außer Acht lassen: Bildung und Infrastruktur, Gesundheitswesen, Rechtsstaatlichkeit, die gesellschaftliche Rolle der Frauen etc. Der mit dem „future award 2009“ ausgezeichnete Vorstandssprecher der GLS-Bank, Thomas Jorberg, ist der Meinung: „Wer wirtschaftet, gestaltet Gesellschaft.“ Ich stimme ihm ganz zu. Unternehmer tragen gesellschaftliche Verantwortung, denn sie sind Teil der Gesellschaft. Allerdings würde ich noch weitergehen und betonen, dass die Wirtschaft am besten dann einen positiven Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft leisten kann, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind, d.h. wenn die Politik den Willen hat, Nachhaltigkeit – und das ist für uns der einzige Weg für einen positiven Beitrag der Wirtschaft zur Gesellschaft – voranzutreiben, und sie auch ein Bildungssystem schafft, dass Nachwuchskräfte entsprechend ausbildet.

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Mehr Informationen zum 1. TriodosBank-Dialog sowie Video-Mitschnitte der Redebeiträge erhalten sie unter: http://blog.triodos.de

SEKEM können Sie auch besuchen: www.SEKEM-reisen.de www.demeter-reisen.de

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Kultur

Ein Wüstenprojekt trotzt den Monumentalbauten Niel Mazhar erhält achdiploma-Preis für Wohnhausprojekt für die SEKEM-Initiative

„archdiploma 2009“ ist der Titel der im Biennalerhythmus statt findenden Ausstellung der rund 40 besten Diplomarbeiten vom 7. bis 30. Oktober 2009 in der Wiener Kunsthalle am Karlsplatz. Mit der Schau sollen Nachwuchs-ArchitektInnen und RaumplanerInnen beim Berufsstart unterstützt und der Dialog mit einer an Architektur und Raumplanung interessierten, breiteren Öffentlichkeit gefördert werden. Die Leistungsschau fand im Jahr 2000 erstmals statt und wird seit 2001 alle zwei Jahre organisiert. Das Publikumsinteresse ist inzwischen von knapp 3.000 im Jahr 2000 auf weit über 6.000 BesucherInnen im Jahr 2007 angestiegen. Da die Kuratorenschaft innerhalb der Architekturfakultät von Mal zu Mal wechselt, trägt die „archdiploma“ stets eine unverwechselbare Handschrift. Erstmals werden im Rahmen der „archdiploma 2009“ auch die besten Abschlussarbeiten aus dem Bereich „Raumplanung und Raumordnung“ präsentiert. Neben klassischen Architektur-Entwürfen präsentiert die Ausstellung auch forschungsbasierte Diplomarbeiten. Vor allem soll gezeigt werden, dass es sich bei Architektur nicht nur um Monumentalbauten handelt. Auch auf der „archdiploma“ ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema, ebenso wie soziale Verträglichkeit der Projekte. Entsprechend findet sich unter den Gewinnern das Projekt „Ein Wohnbau für die SEKEM-Farm in Ägypten“ von Niel Mazhar. Mazhar widmet sich mit der Abschlussarbeit dem zum SEKEM-Ideal passenden Wohnprojekt, schließt darin klimatische Überlegungen ebenso ein wie die Wahl des geeigneten Baumaterials. Vorrangig musste dabei nicht um Aspekte monumentalen oder besonders herausragenden Bauens, sondern um Fragen der Angemessenheit an die Lebens- und Arbeitsumstände der unter den Extrembedingungen der ägyptischen Wüste tätigen Menschen gehen. „Viele Besuche in Ägypten brachten mir die schwierige Wohnsituation in einem Land näher, das zu über 96%

Prozent aus Wüste besteht. Ägyptens Kultur- und Ackerland verschwindet unter dem großen Bevölkerungszuwachs [...] An diesem Problem hat die zukunftsweisende SEKEM-Inititiative angesetzt. [...] Obwohl die Idee der Inititiative, in kleinerem Maßstab, die Lösung der Probleme Ägyptens zu sein scheint, wurde das Thema „Wohnbau“ auf der Farm kaum angedacht. [...] An diesem Punkt wollte ich mit meiner Diplomarbeit ansetzen.“ so Mazhar selbst. Auch dafür seien die Ausstellung und der damit verbundene Preis wichtig: Die Studenten müssen selbst Lösungen entwickeln, Programme nach sozialen und ökologischen Aspekten hinterfragen. Bijan Kafi mit Material der Kunsthalle Wien

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Mehr Informationen: http://bit.ly/5XvUkx (Handelsblatt Österreich) http://bit.ly/5jTyLf (Archdiploma) Seite 6


Kurznachrichten

Ibrahim Abouleish unterzeichnet Magna Charta

SEKEM Clean ClimateProjekt startet erfolgreich

Dr. Ibrahim Abouleish nahm vom 17-18. September 2009 an der diesjährigen Magna Charta-Konferenz an der Universität Bologna in Italien teil. Anlässlich der Konferenz unterzeichnete er für die Heliopolis Universität die Magna Charta, dessen Aufgabe es ist, als Grundsatzdokument und Übereinkunft der teilnehmenden Universitäten die Rolle der Wissenschaft und ihrer Institutionen in den Gesellschaften weltweit zu stärken.

Im Mai dieses Jahres berichteten wir erstmals über das SEKEM Clean Climate Project. Mit diesem Projekt können Kunden ihre Flugemissionen ausgleichen, indem sie einen Beitrag zahlen, der Emissionen an anderer Stelle einspart. Wir konnten bisher über 130 Tonnen ausgleichen und damit einen substantiellen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten.

Die Erklärung betont die kulturelle, wissenschaftliche und technische Entwicklung, die vorrangig auf der positiven Entwicklung der Universitäten beruhe. Die Institutionen als Zentren der Kulturentwicklung, Forschung, und Anwendung von Wissen seien besondere Träger und Repräsentanten des Weltwissens. Außerdem sei es ihre vorrangige Aufgabe, Wissen nicht nur zu bilden, sondern auch zu verbreiten und damit einer gesunden Entwicklung der jeweiligen Gesellschaften dienlich zu sein. Deren kulturelle, soziale und wirtschaftliche Zukunft beruhe in besonderem Maße auf den leistungen der Universitäten und den Investitionen im Bereich der Grund- und Weiterbildung. Außerdem gehöre es zum Aufgabenbereich insbesondere der Universitäten zukünftigen Generationen die Bedeutung der besonderen Zusammenhänge von Menschenwelt und natürlicher Umwelt zu verdeutlichen und diese schätzen zu lernen. Die unterzeichnenden Rektoren verpflichten ihre Institutionen zur Einhaltung dieser Prinzipien.

Insbesondere seit der Klimakonferenz in Kopenhagen ist das Thema allgegenwärtig. Die Berichterstattung erstreckt sich dabei von Weltuntergangsszenarien bis hin zu Verschwörungstheorien. Diese Debatte ist uns wichtig! Eine Vielzahl von Lesern hat sich bereits mit Fragen, Anregungen und Kritik an uns gewendet. Haben sie noch Fragen zum Ausgleich von Flugemissionen, zu SEKEMs Aktivitäten gegen den Klimawandel oder zum Klima- und Umweltschutz? Haben sie Anregungen, wie wir unseren Service noch verbessern können? Bitte schreiben Sie an clean-climate@SEKEM.com und teilen Sie uns Ihre Meinungen und Vorschläge mit.

in Ägypten und zahlreichen Ländern des Mittleren und Nahen Ostens gilt weltweit als erfolgreiches Modell für die Kombination von wirtschaftlichem Erfolg, Respekt für die Umwelt und einem hohen humanitären und ethischen Anspruch. Jedes Jahr fördert sie im Rahmen eines regelmäßigen Seminars die Kenntnis über den Islam auch unter europäischen Besuchern der Region. SEKEM ist so auch ein Ort der Kulturbegegnung. Neben Seminaren mit Dr. Abouleish und künstlerischen Übungen (Arabische Schrift, Koranrezitation, Arabisches Liedgut, Eurythmie) steht wie jedes Jahr ein Tagesausflug in das islamische Viertel nach Kairo mit Schwerpunkt auf der Besichtigung der historischen Moscheen auf dem Programm. Im Rahmen eines Anschlussprogramms gibt es die Möglichkeit SEKEM näher kennenzulernen sowie die Pyramiden in Giza und das ägyptische Museum zu besichtigen. Anmeldungen über: Hr. Dietmar Kreuer Tel : ++ 49 (0) 7556-931384 dietmarkreuer@web.de www.SEKEM-reisen.de

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Mehr Informationen unter: http://www.SEKEM-reisen.de

In Kürze wird es auch eine Webseite geben mit weiteren Informationen zum Projekt, den geförderten Aktivitäten und den Teilnahmemöglichkeiten für Freunde, Partner und Kunden SEKEMs.

Islam Seminar findet 2010 erneut statt Unter dem Thema „Erneuerungsimpulse in der islamischen Gesellschaft“ findet das beliebte Islam-Seminar in SEKEM auch in diesem Jahr vom 29. März bis 3. April statt. Die SEKEM-Initiative zur nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungsförderung

Impressum: Herausgeber: SEKEM, Egypt Die Redaktion von SEKEM Insight dankt allen Korrespondenten, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben. Redakteure: Christina Boecker Bijan Kafi Kontakt: SEKEM-Insight c/o SEKEM Holding P.O.Box 2834, El Horreya, Heliopolis, Cairo, Egypt insight@SEKEM.com

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