SEKEM Insight

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SEKEMs Journal für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Ägypten

SEKEM Insight Nr. 86 - Oktober 2009

Liebe Leserinnen, liebe Leser, mit der Eröffnung des Museums für Natur- und Urgeschichte hat SEKEM einen ungewöhnlichen Schritt getan. Das Museum erinnert an die natürlichen und menschlichen Vorbedingungen für die Initiative und die Umstände frühen Lebens vor Jahrtausenden in der arabischen Region. SEKEM erinnert damit an die lange zurückliegende Vergangenheit kultureller Entwicklung in Ägypten. Mit dem Entschluss, sich unternehmerisch, sozial, und politisch weit über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus für die Bekämpfung des Klimawandels einzusetzen, blickt SEKEM indes in die Zukunft. Führende Persönlichkeiten werden in den kommenden zwei Monaten international auf renommierten Veranstaltungen sprechen und zur Zusammenarbeit über kulturelle und politische Grenzen hinweg aufrufen. SEKEM zeigt damit, dass nachhaltiges Handeln nicht nur zukunfts-, sondern auch vergangenheitsorientiert sein kann. Beide Aspekte repräsentieren das Interesse, die Grundlagen für menschliche und natürliche Kultur durch nachhaltiges Denken und Handeln für alle zu erhalten.

Ihr Redaktionsteam

Wissenschaft

Soziales

Kultur

Kampf gegen den Klimawandel in SEKEM

Kunsterziehung in SEKEMs Kindergarten

SEKEM richtet Museum ein

SEKEMs Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel

SEKEM braucht Wasser zur Feldwirtschaft. Ägyptens Wasserversorgung wird vom Klimawandel besonders getroffen.

In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Klimawandels und seiner Auswirkungen für Ägypten und damit SEKEM stetig gestiegen. In einem ersten Schritt hat ein Team SEKEMs mit der Sammlung und Aufbereitung von Fakten und Informationen zum Thema begonnen. Eine Forschungsgruppe der Heliopolis Akademie bearbeitet dieses Material wissenschaftlich um genauere Kenntnis über die zu erwartenden Folgen zu gewinnen. In einem zweiten Schritt wird die Mitarbeiterschaft SEKEMs noch aktiver über die Bedrohung durch den Klimawandel aufgeklärt und

über die wichtige Rolle nachhaltiger Produktion informiert werden. Auch die Arbeit an SEKEMs diesjährigem Nachhaltigkeitsbericht trug maßgeblich zur Verbreitung dieser Ergebnisse bei und regte zahlreiche Informationsveranstaltungen für Mitarbeiter der Initiative in der Heliopolis Akademie an. Zusätzlich zu dieser internen Entwicklung bemüht sich SEKEM seit geraumer Zeit auch um die Bewusstseinsbildung anderer Gruppen und in verschiedenen Arbeitsgremien wie der Vereinigung der jungen ägyptischen

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Unternehmer, dem Industriellen Modernisierungszentrum (IMC) oder der Deutsch-Arabischen Handelskammer. Einige dieser Partner haben bereits weitere Angebote für ägyptische Unternehmen in ihre eigenen Aktivitäten aufgenommen um diesen den Wechsel zum Beispiel zu nachhaltigen Produktionsmethoden zu erleichtern, den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte zu messen, oder Emissionen zu reduzieren. SEKEM ist ebenfalls eng in internationale Aktivitäten mit Partnergruppen in aller Welt eingebunden, zum Beispiel der Internationalen Assoziation für Partnerschaft (IAP), IFOAM (Internationale Föderation von Bewegungen zur Förderung biologischer Landwirtschaft) oder dem Weltzukunftsrat (WFC). Alle diese Initiativen haben zu einem fruchtbaren Austausch auf weltweiter Ebene und zu zahlreichen „Aktionsplänen“ für gemeinsame zukünftige Projekte geführt. SEKEM arbeitet darüber hinaus auch mit drei Ministerien der ägyptischen Regierung um diese bei der Formulierung von eigenen Positionspapieren und Maßnahmenplänen zu unterstützen, insbesondere im Licht der bevorstehenden UN-Konferenz zum Klimawandel in Kopenhagen im Dezember. Warum ist das Thema von so großer Bedeutung für SEKEM? Und welches sind die Positionen, die sich auch in den Positionen der ägyptischen Regierung widerspiegeln?

Abbildung 1

Während die Auswirkungen des Klimawandels in wissenschaftlichen Kreisen immer noch diskutiert werden und in den verschiedenen Erdregionen unterschiedlich gravierend ausfallen werden, ist unumstritten, dass Ägypten ähnlich wie zum Beispiel Bangladesch besonders betroffen sein wird. Falls der Meeresspiegel sich durch die globale Erwärmung erhöht, droht den flachen ägyptischen Küsten und dem Nieldelta die großflächige Überflutung. Umsiedlungen werden dann auch für größere Städte notwendig sein und große Bereiche heute nutzbaren Bodens werden an das Meer verloren gehen. Nur 5% von Ägyptens Böden sind für die Landwirtschaft nutzbar. Daher bedroht ihr Verlust unmittelbar die Ernährungssicherheit. Abbildung 1 zeigt die überfluteten Küstenstreifen in Blau bei einem Anstieg von 1,5m. Verschiedene Aktivitäten können die globale Erwärmung stoppen oder zumindest verlangsamen, doch an der Heliopolis Akademie durchgeführte und dort gesammelte Forschung zeigt, dass biologische (und biologisch-dynamische) Landwirtschaft ein besonders effektives Mittel darstellt. Weltweit trägt Landwirtschaft mit 6,2 Gigatonnen CO2-äquivalenten Emissionen zu denen aller weltweiten Industrien bei (insgesamt 45,9 Gt/Jahr). Das Reduktionspotential wird auf bis zu 4,6 Gt/Jahr geschätzt. Biologische Landwirtschaft spart nicht nur chemische Dünger und schützt so den Boden und die Grundwasservorräte. Sie hat auch ein hohes CO2-Bindungspotential. Während konventionelle Landwirtschaft ständig steigender Mengen an Dünger bedarf, die selbst viel Energie zu ihrer Herstellung verschlingen, trägt biologische Landwirtschaft zur Bindung von CO2 im Boden bei. Der hohe Humusanteil in solchen Böden

spart außerdem Wasser, indem es dieses länger speichert und für die Pflanzen verfügbar macht. Das sind genug Gründe für den ägyptischen Minister für Landwirtschaft und Landrückgewinnung, Amin Abaza die biologische Landwirtschaft in die eigenen Reformpläne zu integrieren. SEKEM ist davon überzeugt, dass der beste Weg zur globalen Förderung der biologischen Landwirtschaft über eine offizielle Anerkennung ihrer positiven Auswirkungen hin-

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Wenn sie mehr über SEKEMs Engagement gegen den Klimawandel oder die positiven Auswirkungen der biologischen Landwirtschaft auf das Klima wissen möchten, wenden sie sich für Forschung der Heliopolis Akademie und ihrer Partner an insight@sekem.com.

sichtlich der Emissionsreduzierung führen würde. Sie sollte außerdem in das IPCC-Protokoll aufgenommen werden. Dies würde auch Anreizsysteme für konventionelle Bauern ermöglichen, zum Beispiel für die Vermeidung von Emissionen, die diese zum Umstieg bewegen könnten. In anderen Industriesektoren ist dies bereits üblich. Derartige Anreizsysteme, die auch Ausgleichszahlungen einschließen, könnten weltweit in kurzer Zeit zu einer umfassenden Reformbewegung der Landwirtschaft führen. Diese hätte neben den offensichtlichen positiven Auswirkungen auf das Klima darüber hinaus auch unabweisbare Vorzüge für die Ernährung eines Großteils der Weltbevölkerung. Christina Boecker, Svenja Bromberg

SEKEM können Sie auch besuchen: www.SEKEM-reisen.de www.demeter-reisen.de Seite 2


SEKEM Museum dokumentiert Natur- und Urgeschichte der Region Im Jahre 2004 wurden erstmals vom Urmenschen beschlagene Steine von Prof. Wolfgang Schad, Evolutionsbiologe aus Deutschland und langjähriger Freunde der ägyptischen Initiative, auf dem Gelände SEKEMs gefunden. Bald kamen aus nahen und entfernteren Wüstengebieten zahlreiche Steinartefakte und Scherben sehr früher Keramik hinzu. Aus diesen Fundstücken entstand bald die Idee, auf dem SEKEM-Gelände - also am ersten Fundort - ein Museum zu errichten. Es trägt heute den Namen „SEKEM-Museum für Naturgeschichte und menschliche Urgeschichte“ und dokumentiert die wechselvolle Evolution der Region. Durch zahlreiche Exkursionen konnten die Funde langsam ergänzt und nach und nach Museumsräume eingerichtet werde. Die hierzu notwendigen 30 Vitrinen entstanden in den Werkstätten von SEKEM. Bis heute konnten allein von den Feldern in der unmittelbaren Umgebung des Museums ca. 880 vom Menschen beschlagene Artefakte zusammengetragen werden, die unterschiedlichen Kulturstufen der Altsteinzeit zugeordnet werden können. In und um SEKEM lebte der frühe Mensch damit schon vor langen Zeiten. Etwa 80 Funde von SEKEM haben musealen Wert und wurden in die jetzt eröffnete Sammlung aufgenommen.

SEKEMs Museum für Natur- und Urgeschichte

Die Wissenschaft der Vorgeschichte geht heute davon aus, dass die Menschen der Altsteinzeit vor ca. 2 Mio. Jahren Afrika erstmals und später noch mehrmals in Richtung des Nahen Osten verlassen haben. Diese Wanderbewegungen verliefen zwischen Nildelta und dem Roten Meer; müssen also mindestens durch die Region, in der SEKEM liegt, geführt haben. Daher sind Forschungsarbeiten zur Frühgeschichte dieses geographischen Bereichs von großer Bedeutung. Zudem liegen aus den letzten Jahrzehnten keinerlei wissenschaftliche Arbeiten zur frühen Altsteinzeit Unterägyptens vor. In Zusammenarbeit mit der Heliopolis-Universität wird daher auch an einer Publikation über die Fundstücke gearbeitet. Dr. Wolfgang Schad arbeitet bereits an ihrer Veröffentlichung. Das Museum ist bislang in zwei Räumen der Kunstschule in Sekem untergebracht. Neben den archäologischen Funden dokumentiert es auch die Geologie und Paläontologie Unterägyptens sowie die Tierwelt des Landes. Die Zusammenstellung der Sammlung ist heute weitgehend abgeschlossen. Noch gearbeitet wird an der Beschriftung vieler Fundstücke und Vitrinen. Ein Besuch ist jedoch bereits möglich und allen interessierten Besuchern SEKEMs empfohlen.

SEKEM-Supermarkt in Kairo nach Renovierung wiedereröffnet Am 26. September 2009 konnte SEKEMs erster „Organic & More“Supermarkt in Kairos Stadtteil Zamalek nach umfassenden Renovierungsarbeiten erneut seine Türen öffnen. Der ehemalige „Sekem Health Food Shop“ erstrahlt nun in einem neuen Design und mit einem neuen, erweiterten Produktsortiment. Neu ist, dass im umgestalteten Geschäft nicht länger ausschließlich SEKEM-Produkte verkauft werden. Das Sortiment umfasst nun auch Bio-Nahrungsmittel und Textilien von anderen ägyptischen sowie deutschen und europäischen BioLebensmittel-Herstellern, wie etwa Waadi Foods, Rapunzel oder Holle Babyfood. Auch das Ladendesign ist geprägt vom Prinzip der Nähe zur Natur: natürliche Materialien wie Regalablagen aus Holz, frische Farben und ein helles Beleuchtungskonzept kreieren eine bisher in Ägypten kaum zu findende Einkaufsatmosphäre. Auch ist der gesamte Ladenbetrieb durch den Ausgleich der anfallenden Emissionen „CO2-neutral“. Das Thema Nachhaltigkeit wird auf verschiedenen Ebenen dem Kunden auch direkt kommuniziert, beispielsweise durch eine Wand mit Erläuterungen zum Thema. So soll auch beim Konsumenten ein neues Bewusstsein gefördert werden.

Neben der wissenschaftlichen Auswertung der Funde soll das Museum jedoch nicht nur weitgereisten Besuchern, sondern ebenso den Schülern und Berufsschülern, die in SEKEM lernen und arbeiten, die Naturgeschichte, ihre Artenvielfalt und Schönheit und die frühe Menschheitsentwicklung in Ägypten näherbringen.

Konzeptionell ist der Laden nach dem „Franchise-System“ aufgebaut und stellt die erste Umgestaltung von allen bisher bestehenden „Sekem Health Food“-Shops dar. Die Beliebtheit des Konzepts, des Designs und der Idee wird durch die große Nachfrage anderer Ladenbetreiber bestätigt. Damit ist ein erster Schritt zur Etablierung einer ersten biologischen Ladenkette in Ägypten gelungen.

Dr. Benjamin Bembé

Thomas Fischer

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Kunsterziehung in SEKEMs Kindergarten Impressionen

Sesamernte auf ägyptischen demeter-Farmen

Die Kunsterziehung für Kinder nimmt im Kindergarten SEKEMs eine wichtige Stellung ein

Kunst spielt in SEKEM in allen Bereichen des Lernens, Arbeitens und der Kultur eine wichtige Rolle. Aber nicht nur die Schüler und Auszubildenden sowie die Mitarbeiter üben sich praktisch in ihr – bereits die Kleinsten werden im Kindergarten spielerisch mit den Künsten vertraut gemacht. Im letzten Jahr haben die vier Erzieherinnen des Kindergartens in Zusammenarbeit mit Bernhard Sieberer, Chorleiter und Musiker in SEKEM, intensiv daran gearbeitet die mündlich überlieferten arabischen Volks- und Kinderlieder zu sammeln, aufzuschreiben und mit Begleitmusik passend für das Kleinkindalter zu versehen. Neben dieser pädagogischen Tätigkeit wird angestrebt, die Ergebnisse einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es ist geplant ein Kinderliederbuch herauszugeben, denn vielen Ägyptern sind traditionelle Volkslieder nicht mehr bekannt. Sie drohen in Vergessenheit zu geraten. Für die ältesten Kinder im Kindergarten gab es im letz-

ten Schuljahr ein besonderes Programm, das verschiedene künstlerische Ausdrucksformen umfasste: Wasserfarbenmalen, Formenzeichnen, Eurythmie, Handarbeit, Spielturnen und musikalische Früherziehung. So wurden sie entsprechend ihrem Alter besonders gefördert und auf den Schulbeginn vorbereitet. Zum Abschluss übten die Kinder mit den Erzieherinnen Abla Hind und Abla Howaida zu dem bekannten Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ eine Aufführung ein, die sie den Schülern der Unterstufe und aus der Heilpädagogik vorführten. Eine Erzieherin las zu diesem Anlass das Märchen vor, während die Kinder dazu sangen oder Instrumente spielten. Jedes Instrument stellte eine bestimmte Figur aus dem Märchen dar. So hatten die Musiker/ innen und jungen Zuhörer/innen große Freude daran, den typischen Klang von Trommel, Triangel, Glockenspiel, Gong oder Rassel kennenzulernen und den Figuren zuzuordnen. Christina Boecker

Im Oktober wird in Ägypten die Ernte der Sommerkulturen eingebracht. Sesam ist für viele der demeter-Bauern gerade im Süden des Landes ein wichtiges Produkt. Nach der Ernte werden die Halme mit den Sesamrispen in Garben zum Nachtrocknen aufgestellt. Nach etwa 10 Tagen können die gold-gelben Sesamkörnchen dann gedroschen werden. Obwohl Sesam in der traditionellen ägyptischen Küche eine wichtige Rolle spielt und für typische Spezialitäten wie Tahina (Sesampaste) und Halawa (Sesamkrokant) verarbeitet wird, geht ein großer Teil der Ernte auch in den Export nach Europa.

Impressum: Herausgeber: SEKEM, Egypt Die Redaktion von SEKEM Insight dankt allen Korrespondenten, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben. Redakteure: Christina Boecker Bijan Kafi Kontakt: SEKEM-Insight c/o SEKEM Holding P.O.Box 2834, El Horreya, Heliopolis, Cairo, Egypt insight@SEKEM.com

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