SEKEM Insight

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SEKEMs Journal für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Ägypten

SEKEM Insight

Nr. 69 März 2008

Liebe Leser, liebe Leserinnen, nach Vollendung des dritten Jahrzehnts des Bestehens SEKEMs geht die ägyptische Initiative einen neuen, wagemutigen Schritt. Rund 250 Kilometer östlich der bestehenden Mutterfarm beginnt die Organisation, die es sich vorgenommen hat, wirtschaftlichen und sozialem Erfolg zu verbinden, mit dem Aufbau einer weiteren SEKEM-Farm.

Wirtschaft

Betriebe

Kultur

SEKEM errichtet “SEKEM Sinai”

SEKEM erweitert Nutztierhaltung

Tagung über soziale Kunst in SEKEM

„SEKEM Sinai“: Ein Neuer Anfang SEKEM-Initiative errichtet weitere SEKEM-Farm auf der Sinai-Halbinsel

Wer den Sinai bereits besucht hat, den mag die Auswahl des Ortes überraschen. Das vorwiegend karge, oft steinige, nahezu überall sandige Wüstenland, das sich kaum von der Umgebung Kairos unterscheidet, scheint unfruchtbar. Bekannt geworden ist die Halbinsel zwischen Ägypten und Israel durch eine Geschichte der Extreme der kriegerischen wie der friedlich religiösen. Für SEKEM ist die Wahl des Ortes nichts Außergewöhnliches. Er ähnelt dem ersten, auch wenn es Besuchern heute kaum so scheinen mag. Zum zweiten Mal steht SEKEM vor derselben, wohl bekannten Aufgabe: aus dem Wenigen, was die Wüste zunächst bietet, Leben - pflanzliches, tierisches wie auch menschliches - zu schaffen und sich fruchtbar entwickeln zu lassen. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe vor, welche Pläne SEKEM für den Sinai hegt.

Ihr Redaktionsteam

Auch den Sinai dominiert noch die Einsamkeit der Wüste - so wie das ursprüngliche Gelände der bestehenden SEKEM-Farm

Nach 30 Jahren intensiver Arbeit und großer Entwicklungen in und um die SEKEM Farm bei Belbes beginnt ein neuer Entwicklungsschritt mit der Arbeit auf dem neuen SEKEMGrundstück auf der Halbinsel Sinai, 150 km von Kairo entfernt. Es liegt unmittelbar angrenzend an den Suezkanal, südlich der Bitterseen und 10 km nördlich des Ahmed-Hamdi Tunnel, der unter dem Suez Kanal Ägypten mit dem Sinai verbindet. Das Grundstück mit einer Fläche von 200 Feddan (etwa 1000ha) wird durch den Sheikh-Zayed-Kanal (Nilwasser vom Ismailia Kanal, unter dem Suez Kanal geleitet) bewässert.

Von den wunderschönen Sanddünen hat man einen direkten Ausblick auf den Kanal und die großen Frachter. Die ersten Schritte der Bodenbearbeitung haben schon begonnen. Ein kleiner Hof mit Gebäuden für Büro, Lager und Pausenraum für die SEKEM Mitarbeiter ist bereits entstanden und die ersten Arbeiten für Infrastruktur werden koordiniert. Am 25. März fand eine feierliche Grundsteinlegung statt. Warum nun ein weiteres Grundstück, so weit von der SEKEM-Farm bei Belbes entfernt? Wie alles, was in Sekem initiiert wird, steht der Mensch und seine Entwicklung im Mittelpunkt. Ägypten

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braucht die Erweiterung der landwirtschaftlichen Flächen, um dem Bevölkerungswachstum gerecht zu werden. Sekem wird auf dem neuen Grundstück biologisch-dynamisches Obst und Gemüse wie Kartoffeln und Zwiebeln und auch Früchte wie Mangos, Guaven und Orangen anbauen. Außerdem werden Versuche mit weiteren Kulturen laufen. Ein großer Vorteil besteht bei dem neuen Land darin, dass große zusammenhängende Flächen biologisch angebaut werden und so das Risiko minimiert wird, von den Nachbarfarmen Pestizidrückstände auf den eigenen Produkten zu finden. SEKEM sieht diese langfristige Investition auch als wichtigen Ansatz, um auf die allgemeine Unsicherheit der Rohstoffsicherung und Rohstoffpreise zu reagieren, die inzwischen gerade auch die Märkte für Bio-Rohstoffe betreffen. Für die arbeitenden Menschen werden die nötigen sozialen Einrichtungen geschaffen. Langfristig soll durch die Arbeitsmöglichkeiten und die sozialen Einrichtungen ein Ort entstehen, an dem Menschen auf dem bisher sehr dünn besiedelten Sinai neue Lebensperspektiven haben. Über die weiteren Entwicklungen werden wir in den nächsten Jahren immer wieder berichten können. Christina Boecker

SEKEM erweitert Viehhaltung Kuhherde wächst um 150 Tiere Im Juli 2006 war SEKEMs gesamte Kuhherde in den Stallneubau eingezogen. Es handelte sich um 70, bald 80 Milchkühe, etwa gleichviel weibliche Nachzucht und 100–150 Mastbullen.

viele Braunviehkühe wie gewünscht, und auch ein Import schien nicht möglich, denn bis auf Canada und Australien war der Viehimport nach Ägypten allen übrigen Ländern untersagt (wegen verschiedener Viehkrankheiten). Also entschloss sich SEKEM, sogenannte Schwarzbunte Kühne (Holstein Friesian) mit in die Herde zu nehmen. Diese Rasse ist sehr verbreitet in Ägypten. Sie gibt zwar mehr Milch als das Braunvieh, ist aber viel anfälliger gegenüber Krankheiten und Hitze. Auch ist es eine Ausnahme, wenn eine schwarzbunte Kuh 7 oder 8 Kälber bekommt. Bei den braunen Kühen SEKEMs sind immer wieder 10 , 11 , 12 und sogar 13 Kälber von einer Kuh die Regel gewesen. Zufällig wurde eine ganze Herde von 150 Milchkühen mit Nachzucht in der Nachbarschaft zum Verkauf angeboten. Das waren zwar mehr als wir geplant hatten, aber es war eine sehr gute Herde und eben schon eine Herde. Das ist etwas anderes, als wenn man einzelne Tiere zusammenkaufen muss. So ging der „Kuhhandel“ ganz reibungslos vonstatten: Der neue Auslauf für das Jungvieh war schon fertig, der Melkstand wurde erweitert und mit einer Absauganlage mit 18 Melkpunkten versehen. Große Milchtanks wurden in der Milchkammer installiert. Für die insgesamt etwa 100 Kälber wurde in den Werkstätten der Berufsschule Fressgitter gebaut, die jetzt in einem 5 Sterne Kälberhotel eingebaut sind. Und dann kamen ab 10. März jeden Tag Lastwagen mit den neuen Tieren an. Bei den jüngeren mischten wir Braunvieh und Schwarzbunte im gleichen Auslauf.

Der neue Stall erwies sich als eine Wohltat für die Kühe und die Pfleger gleichermaßen. Kurz nach dem Stallausbau schnellte überdies die Nachfrage nach Bio-Milch derart in die Höhe, dass SEKEM beschloss, die Anzahl der Milchkühe zu verdoppeln.

Dies klappt erstaunlich gut. Obwohl die Schwarzbunten keine Hörner haben (in Zukunft wird SEKEM die Kälber natürlich nicht mehr enthornen) und SEKEMs Braunvieh ja die reinsten Geweihe, vertragen sie sich erstaunlich gut.

Trotz intensiver Bemühungen fanden SEKEMs Mitarbeiter jedoch nicht so

Noch ein großes Glück hatten SEKEMs Fachleute:

sie konnten die Arbeitskräfte mit übernehmen, die bisher für die Tiere gesorgt hatten. Sie sind gut trainiert und tüchtig. Nun ist es natürlich eine große Herausforderung, diese ganzen Tiere mit biologischem Futter zu versorgen. Zum Glück verfügt SEKEM über die nötige Anzahl Vertragsbauern, die gerne für die Tiere der Initiative Mais und Klee anbauen. Da auch der Baumwollanbau Jahr für Jahr zunimmt, gibt es auch genügend Baumwollsamen fürs Futter. Reisstroh ist natürlich auch genügend vorhanden. Zudem wird der eigene Anbau weiter optimiert, die Bewässerung technisiert und dadurch effektiver, die Planung und Logistik reibungsloser . Zur Zeit produziert der Stall 5 bis 5,5t Milch pro Tag und liefert diese an die Firma ISIS. Weitere 300 Liter erhalten die Kälber selbst als Nahrung. Dabei handelt es sich vermutlich um die maximale Milchmenge, welche die Herde in ihrem derzeitigen Umfang zu produzieren in der Lage ist. Während des Sommers lässt die Milchleistung nochmals nach, bedingt durch die Hitze. In ISIS wird ein Teil der Milch pasteurisiert und in Glasflaschen gefüllt, der andere Teil wird in einer Molkerei in 10th of Ramadan City ultrahocherhitzt und in Tetrapacks verpackt. Beide Sorten gibt es als Vollmilch und Magermilch in den großen Supermärkten in Kairo zu kaufen. Angela Hofmann

SEKEMs Kuhherde wächst um weitere 150 Tiere

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Tagung über SEKEMs Arbeit in Ägypten stellt soziale Kunst ins Zentrum

Impressionen aus SEKEM

Schweizer SEKEM-Förderverein initiiert Tagung zum sozialen Entwicklungsimpuls Unter dem Titel «SEKEM – Eine soziale Kunst» veranstaltete die Sektion für Sozialwissenschaften am Goetheanum in Dornach/Schweiz vom 7. bis 9. März 2008 eine Tagung zum sozialen Impuls der Entwicklungsarbeit der ägyptischen Initiative. «Wir wollen den sozialen und baukünstlerischen Gestaltungsimpulsen nachspüren... Den Tagungsteilnehmern soll ein Einblick gegeben werden, wie aus einer Initiative, die durch die ägyptische Kultur geprägt wurde, ein hochaktuelles Modell entstanden ist, eine gelungene Begegnung von Orient und Okzident...» hieß es im Tagungsprogramm. Den Auftakt am Freitagabend bildete nach einem Einführungsreferat des Schweizer Fördervereins SEKEMs zum Thema der sozialen Kunst die Aufforderung von Dr. Ibrahim Abouleish, Fragen zu stellen, ein Angebot, das gerne und ausgiebig genutzt wurde. Der Samstag und Sonntag wurde eingeleitet durch eurythmische Übungen, die Mona Lenzen-Abouleish mit den Tagungsteilnehmern durchführte. Sie gaben Gelegenheit, soziale Prozesse nicht nur intellektuell zu verstehen, sondern auch durch die eigene körperliche Gebärde nachzuvollziehen.

Prof. Dr. Ibrahim Abouleish überreicht den Organisatoren der Tagung eine Statue der Göttin Maat

Die folgenden Referate gaben Einblicke in die Vielfalt der wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen der SEKEM-Initiative als internationalem Netzwerk. Prof. Dr. Götz E. Rehn, Geschäftsführer der AlnaturA GmbH, entwickelte mit gedanklicher Präzision die Gestaltbildung ökonomischer Prozesse. Winfried Reindl, Architekt der meisten in SEKEM errichteten Bauten, demonstrierte anhand zahlreicher Dias die teilweise bewegte und bewegende Geschichte einzelner Bauwerke und stellte auch humorvoll dar, wie er manchen schier unlösbaren Aufgabenstellungen begegnete. Lehrreich waren die Ausführung von Volkert Engelsman, Geschäftsführer von Eosta, dem führenden Vertrieb für Bio-Frischprodukte in Europa und langjährigem Partner SEKEMs, in denen die Veränderungen im Biomarkt anhand von Marketinganalysen aufzeigt wurden. Was Kooperation mit SEKEM bedeutet, schilderte Ulrich Walter von der Firma Lebensbaum, wie Entwicklung in ihrer Ganzheitlichkeit dieselben Gesten beschreibt wie die von Goethe entdeckte Metamorphose der Pflanzen, zeigte Dr. Roland Schaette. Mit warmen Worten ließ Dr. med. Hans Werner manches Licht auf die Entwicklung von SEKEM werfen. Der Abend schließlich gab den Malerinnen Gerlinde Wendland und Marianne Wachberger im Gespräch mit Prof. Dr. Abouleish die Gelegenheit, Beobachtungen und Erkenntnisse ihrer künstlerischen Tätigkeit in SEKEM darzustellen. Am Ende der Tagung überreichte Prof. Dr. Abouleish den Organisatoren eine plastische Darstellung der ägyptischen Göttin Maat, die während der gesamten Zeit der Tagung als stumme Wächterin die Beiträge begleitet hatte. Die Veranstaltung entließ die Teilnehmer mit einem Gefühl des Mutes, dass die Veränderung der Welt möglich ist und von jedem Einzelnen ausgehen kann.

Die Kamillekinder SEKEMs pflücken nicht nur Kamille

Die Kamillekinder beginnen jetzt mit der Ernte der Kalendulablüten. Blumenpflücken ist eine ideale „Arbeit“ für die von Kinderarbeit bedrohten Kinder. Ihre Lehrer sind Sozialarbeiter SEKEMs und ihre Zahl wurde gerade auf 6 Lehrkräfte erhöht. In diesem Jahr arbeiten sie mit den Kindern besonders intensiv im Chor. Neben Kalendula pflücken die Kinder ebenfalls Kamilleblüten. Auf SEKEMs Bandtrocknungsanlagen sollen auf diese Weise in diesem Jahr rund 2t Calendula getrocknet und zu Kosmetikprodukten und in den Teemischungen verarbeitet werden.

Impressum: Herausgeber: SEKEM, Egypt Die Redaktion von SEKEM Insight dankt allen Korrespondenten, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben. Redakteure: Christina Boecker Bijan Kafi Kontakt: SEKEM-Insight c/o Sekem Holding P.O.Box 2834, El Horreya, Heliopolis, Cairo, Egypt insight@sekem.com

Daniel Baumgartner

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