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von Mag. Christian Sec

Schlechter Brexit

Großbritannien ist weg. Der Kontinent ist aus britischer Sicht isoliert. Gerade deshalb verändert der Brexit sowohl den englischen Versicherungsmarkt als auch die Lage europäischer Versicherer. Alle müssen sich auf die neue Situation einstellen.

von Mario Passini

So hat die bisher als wenig notwendig angesehene englische Aufsichtsbehörde stark an Bedeutung und an Befugnissen gewonnen. Die M&A-Deals (Mergers & Acquisitions) werden schwieriger. Das ist wohl auch der Grund, weshalb britische Versicherer im Brexit keinen Nutzen sehen. Doch es gibt noch weitere Probleme für die Branche.

Solange Großbritannien in der EU war, hatte die CMA (Competition and Markets Authority) kaum Bedeutung. Jetzt aber erlebt sie ein prägendes Comeback und muss zwingend beachtet werden. Die Behörde entscheidet jetzt wieder über potenzielle M&A-Deals und ist damit auch für europäische Versicherer wichtig geworden. Die Behörde zeige jetzt schon ein starkes Interesse an Interventionen, schreibt das insurancejournal. Die CMA sei auf dem Weg, eine der am stärksten interventionistisch handelnden Wettbewerbsbehörden weltweit zu werden, so ein Experte des Kartellrechts und Anwalt in einer britischen Kanzlei, die übrigens auch am Kontinent (Deutschland) tätig ist. Gerade diese ausgeprägte Interventionsneigung überrascht, wollten doch die Briten gerade mit dem Brexit die Eigenständigkeit über ihren Finanzmarkt gewinnen und die „schreckliche“ EU-Bürokratie abschütteln. Doch während im letzten „EU“-Jahr die Behörde lediglich elf Transaktionen geblockt hat, wird dieses Jahr die Zahl laut einer Analyse der Kanzlei deutlich steigen. Da jetzt mehr Fälle auf den Tisch kommen werden. „Wir können doch nicht darauf warten, dass andere unsere Probleme lösen“, erklärte CMA Chief Executive Officer Andrea Coscelli im Economist. „Wir müssen bereit sein, allein tätig zu werden." An Anlässen wird es nicht mangeln. Gerade hat der US-Casino-Betreiber MGM Ressort dem britischen Wettunternehmen Entain ein ElfMilliarden-Dollar-Angebot für dessen (Online-)Sportwetten-Tochter Ladbrokes unterbreitet.

Die Versicherer sehen keinen Nutzen im Brexit und lehnen den Deal ab

Die Brexiteers jubeln. Sie haben ihr Ziel erreicht. Auf dem Rückweg zur Wiederauferstehung einer Art Viktorianischen Zeitalters sind alle anderen durch den Brexit ausgelösten Probleme völlig uninteressant. Die Extremisten müssen auch nicht à la Trump ein Kapitol stürmen. Sie haben eine bequeme, ja überwältigende

Mehrheit im Londoner Parlament. Andere in Großbritannien (GB) sehen die Lage etwas anders. Schottland und Irland wollen in der EU bleiben und denken über politische Lösungen nach. Darüber, so ließ Premier Johnson ausrichten, brauche man sich vor 2050 keine Gedanken machen.

Wenig überraschend ist auch, dass die britische Versicherungs- und Rückversicherungsbranche offen ausspricht, dass der Brexit für sie keinen Nutzen bringe. Bekanntlich wurde GB mit 1. Jänner 2021 zu einem Drittstaat. Dieser Tatsache wegen sind noch viele aufsichts- und kartellrechtliche Fragen offen, und das mit allen unbequemen Konsequenzen. Dazu gehört unter anderem, dass man auf dem Wege des Dienstleistungsverkehrs ohne eine Niederlassung im jeweils anderen Wirtschaftsraum nicht mehr grenzüberschreitend tätig werden kann. Bürokratisch wird das „EU Passporting“ genannt. Wer jetzt von GB aus in der EU tätig werden will, braucht unabdingbar eine sogenannte DrittstaatenNiederlassung oder ein Tochterunternehmen. Das bringt hohe Folgekosten.

Aber auch in der EU ist, abgesehen vom allgemeinen Bedauern über den GB-Ausstieg, die Branche alles andere als glücklich. War und ist doch Großbritannien ein wichtiger Markt. Schon haben auch europäische Versicherungskonzerne Partner in GB gesucht und gefunden, um beispielsweise Wohngebäudeversicherungen in Großbritannien anzubieten (Helvetia). Auch Getsafe ist nach Großbritannien gezogen. Die weltweit tätige Versicherungsbörse Lloyds musste sich ebenfalls den Gegebenheiten beugen. Die Allianz hat das Beste aus zwei Welten zusammengebracht und ist in Großbritannien zum zweitgrößten Versicherer aufgestiegen. Zuerst kaufte man den Branchenteil von Liverpool Victoria Friendly Society und dann realisierte man die bereits vorbereitete Übernahme des Branchenteils von Legal & Generals. Im Mirror sagte ein KPMG-Experte: „Die Branche müsse auch künftig unabhängig handeln können, um erfolgreich zu sein. Denn es wäre sinnwidrig, naiv und unklug strategische Geschäftsentwicklungspläne dauerhaft von Verhandlungen politischer Entscheidungsträger und unbestimmter Vereinbarungen abhängig zu machen”.

Extreme Unsicherheit herrscht besonders auf dem Gebiet der sogenannten „Level playing fields“. Das Risiko ist groß, dass aufsichtsrechtliche Fragen verändert, von Sachlagen abweichen oder gar unterhöhlt werden. Das trifft nicht nur Industriesparten und den Bereich der Financial-Lines-Versicherungen wie etwa die D&O-Deckungen und die Cyberrisken. So ist das eingetreten, was Fachleute befürchteten: Der Brexit erschwert den Zugang zum Markt, hemmt potenzielle M&A-Deals und schafft aufsichtsrechtliche Fragen. Heintje sang vor etwa vierzig Jahren: „Mamatschi, solche Pferde wollt´ ich nicht.“ Das gilt hier wohl wieder.

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