RADtouren-Magazin 3/14

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NEU: 12 EXTRASEITEN E-BIKE-TOUREN & TESTS

RADtouren

3/14 Mai/Juni

RAD touren

92 2.7 Touren

km

D: E 4,90 A: E 5,60 BEL/NL/LUX: E 5,60 CH: CHF 9,60

em In d ie st Hef

Das Radreise-Magazin

radtouren-magazin.com

Test

10

Trekkingräder

für Frauen & Männer 10 Radreisen & Touren

Traumpanoramen Radrunde Allgäu

18

Oben in Deutschland Pilgerroute D7, Teil 2

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Vom Strand zum Tee Nordseeküstenradweg, Teil 11

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Die Weite gefunden Rund in der Uckermark

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Österreich Radreisen in

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Fatbikes: Reisen auf Walzen

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Kaufberatung: Radreise-Zelte

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Ausprobiert: Fahrradträger


Inhalt

Man muss sich nicht draußen zuhause fühlen, um die Vorteile des Campens auf Radreisen zu schätzen. Was es bei Zelten, Schlafsäcken und Schlaf-Unterlagen zu beachten gibt, zeigt unsere Kaufberatung Outdoor: Zelte und mehr S. 60

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E-Biken ist nur was für Bewegungsmuffel? Da würde Andreas Worm widersprechen. Er nahm den deutschen Teil des Pilgerweges Via Baltica von Usedom bis Dortmund mit dem Pedelec in Angriff. Seine Erfahrungen lesen Sie auf den neuen E-Bike-Seiten.

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Wer auf der Radrunde Allgäu unterwegs ist, wird oft von treuen Blicken begleitet. Auch für die Radler gibt es traumhafte Aussichten.

Fotos: Brönner, Herzmann, Wechsel, Worm

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Welche Anziehungskraft Österreich als Radreiseland hat, zeigt sich nicht nur an den Ufern des Donau-Radweges. Fast die gleiche Beachtung wie der Radreise-Klassiker zwischen Passau und Wien hätten einige Radwege durch Täler, über Gipfel und rund um Seen in anderen Regionen des Landes verdient. Teil 1 unserer neuen Serie „Radreisen bei den Nachbarn“ startet deshalb mit Österreich.


Inhalt

RADtouren

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Teile, Test und Technik Test: Trekkingräder für Damen und Herren 10 neue Modelle mit Scheibenbremse ab 1.400 Euro

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Test: Fatbikes

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Kaufberatung: Zelte, Isomatten und Schlafsäcke

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Service Am Wegrand: Kräuter und Blumen

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Reise-Tipps: News und Termine

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E-Bike Fahrberichte Hartje Manufaktur I:sy Shimano Steps-System Diamant Onyx Deluxe Plus Bulls Six50-E FS

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E-Bike Reise: Via Baltica

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Reisen Rundreise: Radrunde-Allgäu Panorama-Route von Martinszell nach Kempten

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Titelgeschichte: Österreich

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Europareise: Nordseeküstenradweg, Teil 11 An den Stränden von Englands Südosten

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Radreise: Hohenzollern-Radweg Hügeltour auf Adelsspuren

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Rundreise: Uckermärkischer Radrundweg Wo Weite das Wesentliche ist

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Radreise: Pilgerroute D7, Teil 2 Von Osnabrück bis Flensburg

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Rubriken News

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Marktplatz

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Kolumne

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Vorschau/Impressum

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Alle getesteten Produkte in 3/14 Trekkingräder mit Diskbremse Bergamont Horizon 9.4 Lady Giant Aspiro CS1 Gudereit LC 95 Poison Zyankali N360 Poison Atropin XT Lady Radon Sunset Supreme Radon Sunset 10.0 Disc Lady Rose Multistreet 4 Simplon Kagu Stevens Avantgarde Luxe Lady

E-Bikes Bulls Six50 E-FS Mountainbike Diamant Onyx Deluxe Plus Touren-Tiefeinsteiger Hartje Manufaktur I:sy Kompakt-Pedelec Shimano StepsPedelec-System Ausprobiert Eufab Jake Fahrradträger

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Test

Im Test: 10 Trekkingräder für Männer und Frauen

Aufstiegs­kandidaten Männer und Frauen unterscheiden sich in der Art, wie sie auf ihr Rad steigen wollen. Aber was ein Trekkingrad für beide Geschlechter leisten muss, gleicht sich. Wir luden scheibengebremste Modelle mit und ohne hohes Oberrohr zum Test: 10 Trekkingräder der Oberklasse bis 1.800 Euro traten an. Text: Jan Gathmann


Trekkingräder für Männer und Frauen

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„Auf dem Herrenrad hatte ich das Gefühl noch besserer Fahrkontrolle“. Das gibt Testerin Sandra Kühr nach dem direkten Vergleich eines Damen- und Herrenrades desselben Herstellers zu Protokoll. Ihr Fahreindruck deckt sich mit dem von anderen weiblichen und männlichen Testern. Und er entspricht den konstruktiven Rahmenbedingungen. Denn wegen des anderen Kraftflusses können Fahrradrahmen mit tieferem Oberrohr – auch Trapezrahmen genannt – in der Regel nicht so fahrstabil sein wie solche mit hohem Oberrohr, auch Diamantrahmen genannt. Der Grund: Der Diamantrahmen bildet in seiner Mitte ein Dreieck. Das setzt den quer zur Fahrtrichtung liegenden Bewegungen des Rahmens den größten Widerstand entgegen. Anders gesagt: Das Rahmendreieck hat das größere Potential für die Fahrstabilität. Die äußert sich auch darin, dass die Lenkung von Fahrbahnstößen oder den Kräften des Gepäcks weitgehend frei bleibt, was die Testerinnen als bessere Kontrolle wahrnehmen.

Damenrahmen sind fahrsicher

Aufmacher: Gleitsmann; Fotos: Volkhausen (8)

Damit ist eine häufige Leserfrage, die übrigens oft Männer stellen, beantwortet: Sind unsere Testergebnisse für Herrenräder auf das gleiche Modell mit tieferem Einstieg übertragbar? Was die Fahreigenschaften angeht: nein. Klar machen unsere Fahrtests mit Gepäck aber auch: Alle modernen Trapezrahmen im Test verfügen

über die nötige Fahrsicherheit für Radreisen. Das fahrsicherste Damenmodell ist nach dem einstimmigen Eindruck der Damen und Herren Tester dabei das Simplon Kagu. Es folgt in jeder Situation so souverän den Lenkbefehlen wie ein gutes Herrenmodell. Bei den Herrenrädern lassen sich das Gudereit und das Poison gefühlt am wenigsten von Gepäck beeindrucken, allerdings liegen die Herrenräder sehr dicht zusammen in der Beurteilung der Fahrstabilität. In das Gesamtbild der Reisequalitäten eines Rades sollte deshalb unbedingt das zulässige Gesamtgewicht mit einbezogen werden. Reserven für schwere Fahrer und viel Gepäck bieten das Rose und besonders das Giant bei den Herrenmodellen sowie das Simplon mit 160 Kilo bei den Damenrädern. Erfreulich: Gleich drei Damemodelle erlauben auch schweren Fahrerinnen schweres Gepäck mit bis zu 130 Kilo Gewichtszulassung. Nur beide Räder von Radon sind mit 115 Kilo Gewichtszulassung eher leichten Fahrern oder nur für leichte Touren zu empfehlen. Allen getesteten Trapez- und Diamantrahmen gemeinsam ist, dass sie aus Alu gebaut sind und über unempfindliche Oberflächen verfügen. Optisch besonders aufwendig bringen Giant und Stevens ihre Rahmen in Form. Stevens, Rose und Giant setzen als einzige Hersteller Steuerrohre mit unten vergrößertem Durchmesser ein – was sich auch in sehr guter Lenkpräzision niederschlägt. Als Ausstattung bei allen Testkandidaten gefordert war eine hydrau-

In Kürze Bestes Damenrad nach Punkten: Simplon Kagu Bestes Herrenräder nach Punkten: Rose & Radon Höchste Gewichts­ zulassung: 177 Kilo: Giant Aspiro Leichtestes Rad: Rose: 12,3 Kilo

lische Scheibenbremse. Löblich: Es kommen nur Systeme auf Mineralöl-Basis zum Einsatz, was umweltfreundlicher ist und weniger serviceanfällig als Bremsflüssigkeit (DOT). Platzhirsch ist Shimano mit Disks an neun Rädern. Unterschiede gibt es bei ihnen vor allem in der Scheibengröße und in der Wahl des Modells. Sehr gut bewertet haben wir die hochwertige Shimano XT-Scheibenbremse, die an vielen Rädern montiert ist. Sie lässt sich präzise dosieren und verzögert kräftig. Mit großer Scheibe vorne, wie am Radon Sunset Supreme, verlangt ihre schnell einsetzende brutale Bremskraft allerdings erfahrene Hände. Generell stellen große Bremsscheiben mit 180 Millimeter und mehr für Fahrten mit Gepäck vor allem in den Bergen eine höhere Sicherheitsreserve dar und wurden positiv bewertet. Dabei sind die weniger hochwertigen

Vielseitig: Kombi-Klickpedale für einen festen Halt haben nur Gudereit und Rose.

Ergonomisch: Gabelblockierung am Radon Sunset Supreme mit Zeigefingerauslösung.

Nur am Simplon-Trapezrahmen passen große Trinkflaschen unter das Rohr.

Formvollendet: Am Stevens ist der gute Gepäckträger auch gut und schön angebracht.

Für die Berge zu kleine Übersetzung: Rennrad-Ritzelpaket am Rose Multistreet.

Für einige Testerinnen waren die Schalthebel aus Bremsgriffhaltung schwer zu erreichen.

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Rundreise

pten Radrunde Allgäu: Martinszell – Kem

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s u a n i h h c o H


Radrunde Allg채u

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Illustration: Shutterstock

Alles am Weg: pr채chtige Ausblicke auf die Berge (li.) und barocke Pracht in den Gottesh채usern, hier Maria Rain.

n e d 체 S m i f e i t RADtouren 3 | 14


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Überblick

Radreisen bei den Nachbarn: Österreich

Aufmacherfoto/Hintergrund: Shutterstock; Fotos: Brönner

Alles drin

Österreich – da denkt man an bezaubernde Berge, liebliche Flusstäler und erlesene Spezialitäten. In Radfahrerkreisen genießt unser südöstlicher Nachbar ein hohes Ansehen. Doch wo finden sich die schönsten Touren? Text : Thorsten Brönner

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Österreich

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Österreich durchzieht zwischen Vorarlberg im Westen und dem Burgenland im Osten ein dicht gespanntes Radwegenetz. Sein Routenmix kann sich sehen lassen – in kaum einem anderen Nachbarland findet man so viele verschiedene gut ausgebaute Strecken so dicht beisammen: entspannte Flussradwege, Seenrundfahrten im Salzkammergut sowie in Kärnten und natürlich auch kräfteraubende Passstrecken für Höhenmetersammler. Der Vorteil der Wege an den Alpenflüssen ist, dass man quasi mit „Schwung“ talwärts rollt und verschiedene Landschaftszenarien auskostet. Neben dem Donau-Radweg glänzen als Flussrouten der Drauradweg, der Murradweg, der Tauernradweg sowie der Traisentalradweg mit ADFC-Sternen. Weniger bekannt, aber nicht minder spektakulär ist eine Fahrt auf dem Enns-Radweg, Kamp-Thaya-March-Radweg, Ybbstalradweg, Thermenradweg, Traunradweg, Raabtalradweg und dem Inn-Radweg.

Sportlich über Pässe Wer es sportlicher mag, der kann sich an den Alpenrouten Via Claudia Augusta, Alpe Adria Radweg und Via Bavarica Tyrolensis versuchen. Spannende Stunden im Fahrradsattel versprechen zudem die österreichischen Themen- und Landschaftsrouten: Europa-Radweg Eiserner Vorhang, Mozart-Radweg, Jubiläumsradweg, Mühlviertelradweg, Grenzlandradweg R5 und Römerradweg. Badeliebhaber zieht es zu den großen Gewässern der Alpenrepublik, die mit dem Salzkammergut-Radweg, dem NeusiedlerSee-Radweg und dem Bodenseeradweg bestens zum Radwandern erschlossen sind. Neu ist eine 97 Kilometer lange Entdecker Radtour, die unter dem Motto „Wind, Wein und Wasser“ den Neusiedler See mit der Donau auf das Angenehmste vernetzt. Wem das noch nicht reicht, dem bieten die EuroVelo-Routen 6, 7 und 9 weitere Tourenkilometer, die Österreich mit den Nachbarländern verknüpfen. Eines verbindet sämtliche Strecken: die herzhafte Landesküche. Selbst im kleinsten Dorf findet man traditionsreiche Gasthäuser und Jausenstationen. Neues probieren, die ausgetretenen Wege verlassen und mit allen Sinnen reisen. Das geht wunderbar bei einer Fahrradtour in Österreich. Bei den Ausflügen durch romantische Weinberge, üppige Obstgärten und wogende Felder kommt man tagtäglich mit den regionalen Spezialitäten in Berührung, die abends als Belohnung auf dem Speisetisch landen. Österreich hat ein trockenes Klima, das etwa dem Burgenland rund 300 Sonnentage im Jahr beschert.

„Vielfalt auf engstem Raum“ „Österreichs Radwege bieten auf engstem Raum eine landschaftliche und kulturelle Vielfalt, die man in Mitteleuropa selten antrifft. Auf jeder meiner Reisen durch das kleine Alpenland wurde ich zum Entdecker und tauchte tief in die Landesgeschichte ein“. Thorsten Brönner (38) lebt seit Jahren in München. Bisher hat er Österreich auf rund 3.000 Tourenkilometer mit dem Fahrrad kennengelernt, die er im Radtouren-Magazin regelmäßig beschreibt. RADtouren 3 | 14

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E-Bike-Reise

Hintergrund: Shutterstock

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Via Baltica

Via Baltica Rügen – Dortmund

Die Via Baltica ist die nördlichste Ost-West-Route der deutschen Jakobswege. Um sich das Pilgern über Straßen, aber auch viele Feld- und Wiesenwege nicht zu schwer zu machen, wählte unser Autor das Pedelec. Ein Erfahrungsbericht. Text / Fotos: Andreas Worm

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Europareise

Nordseek端sten-Radweg, Teil 11: von Berwick bis Kingston

Vom Strand

zum Tee

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Nordseek체stenradweg, Teil 11

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Foto: Shutterstock

Wilde K체ste und weite Str채nde pr채gen das Bild auf dem Weg durch Englands Nordosten.

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Kaufberatung

Tipps zum Zelt- und Schlafsackkauf

Schlafen


Outdoor

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beim Rad Text: Christopher Gay / Jan Gathmann

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Klar, es gibt Gegenden auf der Welt, da kommt man ohne Zelt als Radreisender nicht zurecht. Aber es ist keineswegs nur ein Fall für Radreisen in entlegene Regionen, das Zuhause auf Radtour nach draußen zu verlegen. Man steht eigentlich schon mit einem Fuß mitten im Outdoorabenteuer, wie es neudeutsch heißt, wenn sommers im aufgeheizten Hotel die kühle Brise von draußen hereinweht und einen die Sehnsucht packt, nochmal vor die Tür zu gehen, wenn man sich auf der Gartenterrasse der Pension nicht vom klaren Sternenhimmel losreißen kann und erst recht, wenn man auch einem Regenschauer eine schöne Seite abgewinnen kann. Es muss ja nicht gleich das (erlaubte) Wildcampen in Skandinavien mit Selbstverpflegung sein. Der Zeltplatz kann auch ein schöner Platz sein, um die Seele baumeln zu lassen – wie etwa das Beispiel Elbecamp im Radreisebericht von der Via Baltica zeigt. Das Dach unter freiem Himmel kann aber auch schlicht der einzige Ort sein, den man sich als vielköpfige Familie auf Radtour für eine Übernachtung leisten kann. Genau zwischen diesen unterschiedlichen Polen bewegt sich auch das Angebot an Zelten, Schlafsäcken und weiterem Zubehör für eine gute Nacht auf Tour. Es gibt für jeden etwas: vom schnell aufbaubaren, günstigen Zelt für die Wochenendtour zu zweit bis zum Großzelt für die Familie auf Extremreise. Es hilft deshalb bei der Kaufentscheidung ungemein, sich genau zu überlegen, wohin es mit den eigenen vier Wänden auf dem Rad gehen soll. Denken sollte man auch daran, dass das gesamte Übernachtungszubehör zum Einsatzbereich passen muss. Ein Himalaya-Expeditionszelt ist als Hülle für einen Drei-Jahreszeiten-Schlafsack rausgeschmissenes Geld.

Foto: Doin Oakenhelm/Shutterstock

Campen auf Radreise spart nicht nur Geld. Es beschert mit etwas Glück oder guter Planung auch unvergessliche Erlebnisse in der Natur. Wir haben uns unter Reiseradlern umgehört, was man bei der Zusammenstellung der eigenen Übernachtungs-Ausrüstung beachten sollte – und stellen empfehlenswerte Zelte und Schlafsäcke für Radreisen vor.


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Radreise

Die Feste und ihr Radweg: Burg Hohenzollern thront 端ber dem Wegenetz.

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Hohenzollern-Radweg

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Hohenzollern-Radweg

&

Berge, Burgen Vulkane

Die Fürsten von Hohenzollern bestimmten einst die Geschicke Europas. Der nach ihnen benannte Radweg verlangt ritterlichen Einsatz an vielen Steigungen, zahlt aber reichlich Sold in Form spektakulärer Ausblicke und verbindet einige der schönsten Fachwerkstädte im Südwesten Deutschlands mit der mächtigen Stammburg der Hohenzollern. Text / Fotos: Clemens Carle

Frühmorgens, noch vor dem ersten Kaffee, ein bepacktes Fahrrad eine Treppe hochzuwuchten, gehört nicht zu meinen Lieblingsdisziplinen. Aber Burgen liegen nun einmal oben: an einer Talkante, auf einem Bergkegel, am Rande einer dräuenden Schlucht. Mit der Esslinger Burg verhält es sich nicht anders, obwohl, einen kleinen Unterschied gibt es doch: Die Burg ist eigentlich gar keine, sondern nur ein vorgeschobenes Befestigungswerk, letztes Überbleibsel der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Einen Vorteil hat die schweißfördernde Schiebeeinlage, nein, nicht dass ich in aller Herrgottsfrühe schon hellwach bin, wo jeder redliche Schwabe vor den Erfordernissen des Wochenendes wie der allseits bekannten Kehrwoche noch schlummert. Nein, es ist der Blick: Wie eine Fototapete, diese viel zu bunten, grobkörnigen, tapezierten Sehnsuchtsträume der Achtziger Jahre, liegt das Neckartal im weichen Morgenlicht uns zu Füßen. Akkurate Reihen der Weinreben gehen, nur durch eine Straße unterbrochen, nahtlos in die Altstadt von Esslingen über, übrigens eine der best erhaltenen, mit den ältesten Fachwerkbauten Deutschlands, wie der Flyer des Fremdenverkehrsamtes stolz anmerkt.

Die Fürsten von Hohenzollern Wir wollen auf dem Hohenzollern-Radweg vom Neckar bis an den Bodensee radeln. Da ist es interessant, um die Hintergründe der Namensgebung zu wissen. Das Haus Hohenzollern gehört zu den bedeutendsten deutschen Dynastien, gliedert sich in mehrere Haupt- und Nebenlinien. Es brachte nicht nur die preußischen Könige und damit die deutschen Kaiser hervor, sondern auch die rumänischen Könige. Die Hohenzollern beeinflussten die Geschichte Europas über viele Jahrhunderte entscheidend. Weitere Details überlasse ich gerne Adelsforschern, interessant ist aber noch, dass die Stammburg des schwäbischen Hochadels auf einem 855 Meter hohen Bergkegel nahe Hechingen liegt, der Söller oder Zollern heißt. Natürlich soll der Radweg später auch noch an der mächtigen Trutzburg vorbeiführen. Nachdem sich unser Puls wieder auf samstagmorgendliches Normalmaß eingependelt hat, rumpeln wir auf grobem Pflaster in die Altstadt hinunter und zum Alten Rathaus. Die älteste heute noch funktionierende schmiedeeiserne Turmuhr will ich mir aus der Nähe anschauen. Eine gute Entscheidung, denn mit einer dampfenden Tasse Kaffee aus der benachbarten Bäckerei in der Hand lässt es sich in Ruhe auf das lohnende Stundenschlagen warten. Da schlägt ein Adler, das Wappentier der Freien Reichsstadt, knarzend mit den Flügeln, bewegen sich die allegorischen Figuren Justitia und Temperantia dazu. Wir bewegen uns auch, durch die Altstadtgassen, vorbei an viel Fachwerk und einigen Pfleghöfen, vorbei an der Kessler Sektkellerei und über Brücken, die mit den Neckarkanälen einige lauschige Ecken bilden. Wir stoßen auf den Neckar und auf unser erstes Problem: Die Radwegbeschilderung ist verwirrend. Aber wenn man Neckarstraße und Fluss in Sichtweite der S-BahnHaltestelle Esslingen auf dem Fußsteg gequert hat und dann den Schildern des Neckar-Radwegs flussaufwärts am linken Ufer folgt, dann erreicht man nach wenigen Kilometern das ehemalige Kloster Sirnau. Hier treffen wir nun neben den struppigen, blumenübersäten Klostergärten auf den Hohenzollern-Radweg, dessen Beschilderung bis Tübingen nicht perfekt, aber im Zusammenspiel mit einer Radkarte völlig ausreichend ist. RADtouren 3 | 14

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Radregion

Uckermärkischer Radrundweg

Illustrationen: Shutterstock

Das Weite gesucht die Weite

Der Nordosten Brandenburgs ist abwechslungsreich und dünn besiedelt. Ein Rundweg führt durch die Region zwischen Oder und Mecklenburger Seenplatte. Text / Fotos: Stefan Jacobs

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Uckermark

gefunden

Die Hügel verschönern nicht nur die Landschaft, sondern sie ermöglichen auch genüssliche Abfahrten.

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Ein Name, zwei Welten: So ist das mit Prenzlauer Berg und den Prenzlauer Bergen. Das eine ist Berlins schickster Altbaukiez mit hoher Bioladendichte und wenig Platz. Das andere ist die Landschaft, die die Eiszeit kaum 100 Kilometer weiter nördlich hinterlassen hat – rings um die Kreisstadt der Uckermark. Der

Landkreis im Brandenburger Nordosten gehört zu den am dünnsten besiedelten in Deutschland. In den Bergen um Prenzlau wächst manches, was in den Bioläden von Prenzlauer Berg landet. Wenn Berliner das Weite suchen, ohne weit zu reisen, fahren sie gern in die Uckermark. Die können Radler sich auf einem knapp

300 Kilometer langen Rundweg erschließen, der noch wenig bekannt ist. Zeit also für eine Proberunde.

Start auf dem Oderdeich Wir starten ganz im Osten, um als Auftakt ein paar Kilometer des Oderdeichs zu genießen. RADtouren 3 | 14

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Radreise

Pilgerroute D7, Teil 2: Osnabrück – Flensburg

Bedächtig

Platz an der Sonne und unter dem Wind: WindRADtourenmühle 3 | 14 in Lechtingen.


D-Route 7, Teil 2

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bis ans Meer Die Entdeckung der Langsamkeit auf der Pilgerroute D7 bekommt im zweiten Teil der Reise einen heiteren Anstrich: Eine flache Route, einladende Begegnungen und abwechslungsreiche Landschaften machten dem Autor und seiner Familie die verbleibenden 572 Kilometer bis zum Meer leicht. Text / Fotos: Klaus Herzmann

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Was bis jetzt geschah: Frei nach TV-Serienmuster zurückblickend, verbinden wir den Radweg mit prächtig ausgebauten Asphaltbahnen von der Domstadt Aachen hinauf in das westfälische Osnabrück. Auf ihnen haben wir 524 Kilometer lang kräftig in die Pedale getreten, anfangs so manchen Anstieg gemeistert, Kirchturmspitzen erklommen, Printen genascht und aufregende Metropolen besucht. Was uns die nun kommenden Tage auf dem Weg zur Ostsee alles erwartet? Wir lassen uns überraschen. Sicher ist, dass uns der Brückenradweg, der Fernradweg Hamburg-Bremen, der Elberadweg und zum Endspurt der beliebte Ochsenradweg zum Ziel führen werden.

Hintergrund: Shutterstock

Osnabrück ist schick Osnabrück – mit welcher Erwartung man sich auch nähert, zu erleben gibt es reichlich. Jugendlich schick präsentiert sich die Stadt mit der einladenden Shoppingmeile. Als historisches Schwergewicht hingegen punktet das Rathaus mit seinem imposanten Giebel. Von seiner Treppe wurde 1648 der Westfälische Friede verkündet. Damit wurde das Ende des schrecklichen Krieges besiegelt, der Deutschland verwüstet hatte. Der Friedenssaal im Rathaus erinnert an das Ereignis und ist ein Muss unter den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Unsere SightSeeing-Tour steht unter dem Zeichen „historische Bauwerke“. Wir starten am wunderbaren Marktplatz mit der Marktkirche St. Marien und der Stadtwaage und machen eine erste besinnliche Pause im wuchtigen Dom, dessen Kreuzgang eine Oase der Stille mitten in der Stadt bietet. Gleich nebenan liegt das Diözesanmuseum mit den Schätzen des 12. Jahrhundert, unter denen sich auch Reliquien für Pilgernde befinden. So weit geht unsere Verbundenheit mit den mittelalterlichen Pilgern aber nicht, es zieht uns vor die Tore der Stadt. Dort warten ein sanftes Hügelland und die damit verbundenen Steigungen. Wir streifen lichte Wälder, durchradeln saftige Wiesenlandschaften und erreichen nach nur wenigen Kilometern das nördlich gelegene Lechtingen bei Wallenhorst. Einen schönen Picknick-Platz finden wir unter den Flügeln der weißgetünchten Windmühle von 1887, wo bequeme Bänke zum zweiten Frühstück animieren. Nur einige Kilometer abseits der Hauptroute liegt auch Bramsche, das einen Besuch verdient. Besonders lohnt sich in dem Ort der Gang in das Tuchmachermuseum, das den beachtlichen

Heiterer Moment: Sonnenblume als Kunstobjekt am Wegrand.

Tragischer Moment: Bild vom Sündenfall an Haus Willmann in Osnabrück.

D7 im Norden: breite Asphaltwege durch Feld und Flur mit wenig Verkehr.

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Vorschau

RADtouren 4/14 erscheint am 4. Juni 2014 Mecklenburg-Rundfahrten: Zwischen der Ostseeküste und den Seeufern Mecklenburgs liegt ein Wegenetz, aus dem sich traumhafte Runden für Rennrad-Fahrer und andere zusammenstellen lassen – Aufenthalte in schmucken Zentren der Region wie Schwerin inbegriffen.

Alles für die Stadt Wer viel mit dem Rad durch die Stadt fährt, hat besondere Ansprüche. Manche lieben es schnell, viele bevorzugen es gemütlich und pannensicher, einige wollen viel mitnehmen, andere wollen so wenig wie möglich vom Radfahren abgelenkt werden – und die Allermeisten wollen gut aussehen und trocken bleiben. Wir haben Tipps für alle von ihnen. Wir testen urbane Fahrräder, probieren Radmode im städtischen Cyclechic an – und natürlich zeigen wir schöne Tourentipps in und um Metropolen.

Und das lesen Sie noch: Radreise: Drei-Flüsse-Tour an Rhein, Ahr und Erft – Perlen der Geschichte: Thüringer Städtekette – Ostschweiz; E-Bike: Fahrberichte und Wochenendtouren; Ausprobiert: jede Menge Zubehör.

And now, the end is near. Auf dem zwölften und letzten Teil unserer Serie vom Nordseeküsten-Radweg zeigt sich England einmal von einer klischeehaften Seite: very british und regnerisch.

Impressum Herausgeber: Dr. Wieland Mänken (V.i.S.d.P); Chefredakteur: Jan Gathmann; Redaktion: Thomas Froitzheim (GPS, freier Mitarbeiter), Dr. Wieland Mänken, Verena Waldbröl (Service); Mitarbeiter dieser Ausgabe: Ute Blessing, Thorsten Brönner, Christopher Gay (Test&Technik), Klaus Herzmann, Stefan Jacobs, Karen Wichert, Andreas Worm; Design: Dorina Volkhausen; Redaktionsanschrift: Maenken Kommunikation GmbH, RADtouren Redaktion, Von-der-Wettern-Str. 25, 51149 Köln, redaktion@radtouren-magazin.com; Verlag: Maenken Kommunikation GmbH, Von-der-Wettern-Str. 25, 51149 Köln, Tel. (02203) 35 84-175, Fax (02203) 35 84-185, info@maenken.com, www.maenken.com; Anzeigen: Maenken Kommunikation GmbH, Jörn Backhaus (verantw.), Tel.: (02203) 35 84-173, joern.backhaus@maenken.com; Etienne Lazzaro, Tel.: (02203) 35 84-121, etienne. lazzaro@maenken.com; Anzeigenschluss 4/14: 14.05.2014, Einzelbezugspreis: 4,90 Euro, Abonnementspreis: 27,30 Euro jährlich; Karten: Thomas Vogelmann; Druck: alpha print medien AG, Kleyerstr. 3, 64295 Darmstadt; Vertrieb für den Handel: IPS Pressevertrieb GmbH, Postfach 1211, 53334 Meckenheim; RADtouren erscheint 6 x jährlich, ISSN 1439-0671; Aboservice: RADtouren Aboservice, Postf. 1331, 53335 Meckenheim, Mail: abo-radtouren@ips-d.de, Tel. (02225) 70 85-391, Fax (02225) 70 85-399 Alle Angaben in dieser Zeitschrift sind mit Sorgfalt zusammengestellt. Bei der Fülle der Informationen kann nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelt Angaben nach Erscheinen der Publikation bereits überholt sind. Es kann daher keinerlei Haftung für fehlerhafte oder fehlende Informationen übernommen werden. Für eingesandte Manuskripte, Fotos und Karten wird keine Haftung übernommen. Unverlangt eingesandte Manuskripte sind gerne gesehen, keine Rücksendung. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedarf der Zustimmung des Verlages. Die Verwendung von Zitaten aus Testberichten ist nur nach Abstimmung mit dem Verlag möglich. © Copyright 2014

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Fotos: travelpeter/Shutterstock, Shutterstock, Ute Blessing

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