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Januar Februar

D: 4,90 Euro A: 5,60 Euro, CH: CHF 9,60 BeNeLux: 5,60 Euro

radtouren-magazin.com

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GPS-Daten zu den Touren

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m Heft in diese

Regenschutz

Test: Tourenjacken mit Taschen & Kapuze S. 82

sse ü n e G r e Gipfel d

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S. 16

Luther auf der Spur

Reformation auf 500 Kilometern

S. 74

Markgräflerland Wege zum Wein

S. 88

Aare-Radweg

Schweizer Panoramen für Bequeme S. 58

Test:

10 Gravelbikes & Randonneure für Reise, Alltag oder Bikepacking

KAUFBERATUNG: Alles über Ledersättel & Pflegetipps

S. 68


Inhalt

Spezial Gebirgs- und Transalp-Touren müssen nicht nur etwas für sportlich ambitionierte Radler sein. Unser Spezial zeigt, wo man Berge genießen kann.

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Auf den Spuren von Luther macht Hans Kothe zum 500. Geburtstag der Reformation auch Halt in Erfurt.

Die Aare-Route in der Schweiz ist auch ein kinderfreundlicher Radweg.

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Inhalt

Im Markgräflerland, der Toskana Deutschlands, gibt es tiefe Wälder und leckere Weine.

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Service: Ledersättel

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Regenjacken

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Fotos: Shutterstock/Eder, Shutterstock/anitasstudio, Gathmann, Patrick Kunkel, Effing, Partzsch, Katja Goll, Alpenwelt Karwendel

Im Test:

RADtouren

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Panorama

Service

6 Auf dem Pamir Highway

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Auswertung Wunderbar radelbar

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Reise-Tipps: Termine und Touren

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GPS: E-Bike-Navigation

Spezial 16 Gebirgstouren für Trekkingradler: Transalp von München nach Venedig und auf der Via Claudia, im Schwarz-

Reisen

wald, Karwendel, Erzgebirge und in

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der Sächsischen Schweiz

58 Radreise: Aare-Radweg

26 Gebirgstouren: Rocky Mountains

Radregion: Japan

74 Radreise: Auf den Spuren Luthers 88 Radreise: Markgräflerland

Teile, Test und Technik 30 Im Test: Gravelbikes und Randonneure

Rubriken

54 Ausprobiert

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57 Dauertest: Westfalia-Radträger

8 News: Nachrichten aus

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Kaufberatung: Ledersättel

82 Zubehörtest: Funktionsjacken

Editorial der Fahrradwelt

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Marktplatz

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Medien

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Vorschau/Impressum

Produkte in dieser Ausgabe Gravelbikes/Randonneure: Bombtrack Hook 1, Bulls Grinder, Hartje Brandmeister, Marin Four Corners Elite, MTB Cycletech Amar, Poison Phenol Sport Basic Pinion, Stevens Gavere, Tout Terrain X.Over.Blacktop, Velotraum Speedster SP3; Funktionsjacken: Endura MT500, Endura Singletrack, Gonso David/Christine, Gore Power Trail Lady Gore-Tex Active Jacke, Jack Wolfskin Jasper Flex/North Slope Flex, Löffler WPM3CF Bike Kapuzenjacke, Vaude Luminum; Ledersättel: Brooks B17 Narrow, Brooks Swallow, Contec Classic Exclusiv Sport, Gilles Berthoud Aspin, M-Wave Origin Race T.I., Rivet Independence CrMo; Ausprobiert: Spanninga Axendo-Scheinwerfer, Lumos Helm, Overade Plixi-Helm, Twistlock Titanschloss, Westfalia BC60 Fahrrad-Träger RADtouren 1 | 17

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Panorama

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Am zweiten gemeinsamen Tag ist die Zeit reif, für das, was sich später als die härtesten 75 Kilometer herausstellt, die ich je mit dem Fahrrad gefahren bin. Direkt nach dem Haferbrei zum Frühstück geht es auf den 4.655 m hohen AkBaital Pass. Der Pamir-Highway ist die zweithöchste Straße der Welt – offenkundig. Ich verfluche meine Sturheit, keine Dreifach-Kurbel montiert zu haben und taumele die eigentlich gute Straße aufwärts, alle 100 m stoppend, um meinen Atem zu beruhigen, oder vielmehr das, was davon übrig ist. Radfahren auf dieser Höhe fordert auch das letzte Quentchen Energie. Man schwindelt, fühlt sich, als hätte man gerade Peter Sagan [der aktuelle Straßenrennen-Weltmeister, Anm. d. Redaktion] im Sprint besiegt. Zum Glück ist der steile Teil nur ein paar Kilometer lang. Wir erreichen den Gipfel, schießen Fotos – und stellen dann fest, dass die Abfahrt noch schlimmer ist als der Anstieg. Schreckenerregende 20 Kilometer knochenschüttelnde Waschbrettpiste folgen dem Pass und zermalmen unsere Hochgefühle beinahe zu Staub. Zum Glück machen die Aussichten alles wett mit unermesslich weiten Tälern und schneebedeckten Gipfeln.“

Foto: Cyril Chermin

Zum Glück müssen Gipfelerlebnisse für Radler nicht zwingend auch Leidensrekorde brechen, wie sie Cyril Chermin in Blog von Team Oufti beschreibt. Das belegt unsere Sammlung ab Seite 14. Cyril befindet sich zusammen mit seiner Partnerin Vera auf einer Radreise von Amsterdam nach Tokio. Ihre lesenswerten Reiseberichte, von denen wir einen Auszug über die Befahrung des Pamir-Highway übersetzten, veröffentlichen sie auf Englisch auf: | oufti.nl

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Spezial

Gebirgstouren für Trekkingradler

Dem Himmel so nah

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Gebirgstouren

Gebirgstouren

Sie führen über Berge hinüber, rund um Berge herum oder mitten durch sie hindurch. Radwege in Mittelgebirgen und den Alpen sind nicht nur etwas für trainierte Sportradler, sondern bieten auch für Jedermann Naturerlebnisse auf einsamen Strecken.

Foto: Shutterstock/leoks

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eit Anbeginn der Zeit ist der Mensch von Bergen fasziniert. Ist es das Erhabene der Natur? Das Gefühl sich einerseits klein zu fühlen, wenn man vor dem Berg hinaufschaut, aber groß, wenn man auf seinem Gipfel steht? Ob als ferner Gebirgszug am Horizont oder Auge in Auge mit dem Berg auf der Passstraße, viele Menschen zieht es in die Berge oder zumindest in ihre Nähe. Als Radfahrer aber ist man vor allem dann abgeschreckt vom Anstieg, wenn man von der Radtour eher Ruhe und Genuss als schweißtreibenden Sport erwartet. Doch ohne Anstiege keine Abfahrten, keine Panoramablicke in die Natur der Berge. Und heute sind Anstiege zum Glück längst nicht unbedingt mit Anstrengung verbunden. Immer mehr Mittelgebirge werden zu E-Bike-Regionen, deren hügelige Schönheit man so dank Akkuunterstützung

Texte: Lisa Partzsch

anstrengungsfrei kennenlernen kann. An anderen Stellen helfen Seilbahnen, Fahrradbusseoder Züge auf den Berg, um dort die Aussicht genießen zu können und danach entspannt ins Tal zu fahren. Berge und Genuss, das widerspricht sich nicht, sondern muss beinahe als Synonym verstanden werden. Denn wo lassen sich Radtouren, ein Glas Wein nach vollendeter Tour, ein Kaffee zwischendurch und das wohlverdiente Mahl am Abend besser genießen als in einer grandiosen Gebirgslandschaft? Die nachfolgende Auswahl soll zeigen, dass Touren durch die Berge nicht unbedingt etwas für gut trainierte Sportradler sein müssen. Sie gibt einen Einblick in transalpine Überquerungen, die auch ohne Rennrad keine Wunschvorstellung bleiben, in Voralpenregionen mit idealen Familienstrecken und in Mittelgebirge, die zwischen Naturdenkmal und Märchenlandschaft changieren. RADtouren 1 | 17

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Test

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Gravelbikes

Test: 10 tourentaugliche Gravelbikes ab 1.299 Euro

Kieslaster Schnell unterwegs, aber nicht dem Verkehr auf Straßen ausgesetzt – das ist das Versprechen der neuen Gravelbikes: Räder mit Rennlenker und Allroundreifen. Mit Gepäckträgern und Schutzblechen zum Nachrüsten sind sie alltagstauglich. Und auch Radreisen gehören zum Metier. Was alles ein Gravelbike sein will oder kann, ist dabei ganz verschieden. Wir haben das Spektrum von Einstiegsklasse bis Oberklasse gecheckt. Test & Text: Jan Gathmann / Fotos: Lisa Partzsch

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Gravelbike heißt das Trendgefährt, das in den USA und zunehmend auch in Europa die Rennradwelt umtreibt. Gemeint ist ein Rennrad, das auf Straßen und auf befestigten Wegen komfortabel und sicher zu fahren ist. Meist bietet es dafür eine ziemlich aufrechte Sitzhaltung, Scheibenbremsen und – das entscheidende – Reifen, die breiter sind als gewöhnlich am Rennrad: zwischen 28 mm und 42 mm Breite sind meist drin. In der Regel sind sogar ab Werk Befestigungspunkte für Schutzbleche und Gepäckträger vorgesehen, damit der Gravelracer auch als Alltagsgefährt funktioniert.

Alles schon dagewesen? Das kommt Ihnen bekannt vor? Ja, der Unterschied zum klassischen Reiserennrad, dem Randonneur, ist geringfügig. Er äußert sich mehr im Anspruch, auch derbere Feldund Waldwege unter die Räder nehmen zu können. Deshalb fehlen ab Werk meist die Schutzbleche, die sich im Gelände mit Dreck zusetzen können. Warum dann nicht zum Cylcocrosser greifen? Dieses ausgewiesene Rennrad für den Dreck kann schließlich in den günstigeren Preisklassen meist ebenfalls mit Schutzblechen und Gepäckträger

aufgerüstet werden. In der Tat sind hier die Unterschiede noch geringer. Und mit dem Stevens und dem Bombtrack sind in diesem Test zwei Räder vertreten, die zur Gattung Cyclocrosser gehören. An ihnen zeigt sich aber auch der Unterschied zu den (meisten) ausgewiesenen Gravelbikes: An den Cyclocrossern stehen die Räder dichter beisammen, der Radstand ist geringer. Das macht sie wendiger und damit geeigneter für typische winklige Crossrennkurse oder einfach Freude am schnellen Kurvenfahren. Auch die Sitzposition fällt sportlich gebückter aus. Dagegen baut das Gravelbike eher auf einen langen Radstand. Mit ihm läuft es spurtreuer über Unebenheiten und mildert Bodenwellen. Oft steht auch der Lenker ab Werk höher, was dem bevorzugten Einsatz auf langen Strecken entgegenkommt. Das Erfreuliche am Gravelbiketrend ist, dass er Bewegung in die Gattung Tourenrad mit Rennlenker zu bringen scheint. Beispielhaft dafür stehen Räder wie das Velotraum, das sportliches Schalten am Schaltbremshebel mit der wartungsarmen Rohloff-Nabenschaltung verbindet. Oder das Poison Phenol, das den Rennlenker mit einem 18-Gang-Pinion-Getriebe und Riemenantrieb kombiniert und so feinere Gang-

sprünge als die vermeintlich sportlicheren Kettenschaltungen bietet und ebenfalls in Sachen Wartungsarmut glänzt. Und nicht zuletzt das allgemein gewachsene Angebot an qualitativ ausgereiften tourentauglichen Rennrädern im Einstiegsbereich, für die im Test das Bulls, das Stevens und das Bombtrack beispielhaft antreten.

Was sollte ein Gravelbike für Touren können? Um das breite Spektrum zu erfassen, haben wir unsere Testanforderungen sehr offen gehalten (siehe Kasten, Seite 33). Anbauteile wie Schutzbleche und Gepäckträger waren nicht gefordert. Für das Vorhandensein von Gewinden zum einfachen Nachrüsten derselben gab es aber Punkte. Interessantes Detail: An fast allen Rädern sind die nötigen Gewinde so platziert, dass Standardträger und Radschützer leicht anzubringen sind. Lediglich bei Hartje und Poison müssen die Scheibenbremsen umgangen werden, ein Problem, das früher häufig war und erhöhten Montageaufwand bedeutet oder Spezialgepäckträger wie den Tubus Disco am Hartje verlangt. Nicht jedes Rad, das sich Gravelbike nennt, ist auch reisetauglich. Eine wichtige Grundbedingung ist eine ausreichende RADtouren 1 | 17

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RADregion

Radtouren in Nippon

Fahrradtourismus erblüht

Traumkulisse: Radtour am Fuße des Fujiyama.

Ein wachsender Tourismusstrom nach Japan hat auch dem Fahrrad neue Chancen eröffnet. Während in den Nippon-Metropolen erste Fahrrad-Verleihsysteme, Rikscha-Services und immer mehr Rad-Kulturtouren angeboten werden, wird das Land der aufgehenden Sonne auch von einem wachsenden Fahrrad-Reisetourismus erfasst.

Text & Fotos: Jo Beckendorff

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Foto: shutterstock/Ta_Oad

Japan

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eim Betrachten der Radlergruppen, die am Wochenende im Fünf-Seen-Distrikt am Fujiyama in die Pedale treten, fühlen sich alte Japaner an gute alte Nippon-Randonneur-Zeiten erinnert. Nur dass es diesmal eben weniger Reise- und Touren-, sondern zum Großteil Rennradler sind, die am und um das heilige Wahrzeichen Japans kurbeln. Eigentlich waren es die Taiwaner, die ihren Nachbarn Japan als Fahrradland für sich

entdeckten. Der Radboom auf Formosa hat dazu geführt, dass viele Taiwaner ihre Insel mittlerweile nicht nur umrundet, sondern auch in den letzten Ecken und Enden erkundet haben. Was lag da näher, als ins benachbarte Japan aufzubrechen? Neben der schönen Gegend um den heiligen Berg Fuji stand Hokkaido – die nördlichste Insel gilt als „Outback“ Japans – ganz oben auf der Fahrradliste. Mittlerweile sind es auch Einheimische, die – dem Vorbild

ihrer Nachbarn folgend – ihr Land am Wochenende auf dem Rennrad erkunden. Inzwischen sind auch erste Westler radelnd unterwegs.

Japans Radreise-Pionier ist seit 2001 aktiv Als einer der Pioniere in Sachen Fahrradreisen gilt Takashi Niwa. Seit 2001 organisiert sein Unternehmen Niwa Cycling Tours (ncycling.com) Fahrradtouren in und auRADtouren 1 | 17

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RADreise

Aare-Route

Schweizer Panoramafahrt

Abfahrt nach Iseltwald: Panoramasicht auf die Schweizer Berge ist auf der Aare-Route garantiert. Dazu säumen lebendige Städte, traditionelle Kulturlandschaften und herrliche Seen den Weg.

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Aare-Route

Die Aare entspringt im alpinen Grenzgebiet der Schweizer Kantone Bern, Uri und Wallis auf knapp 2.000 Metern Höhe und durchfließt auf ihrem rund 300 Kilometer langen Weg bis zur Mündung in den Rhein nicht nur einzigartige Gebirgs- und Seenpanoramen, sondern auch die Bundeshauptstadt Bern. Wir sind dem türkisgrünen Fluss von Solothurn bis zur Aareschlucht bei Meiringen gefolgt. Text & Fotos: Katja Goll

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Kaufberatung

Kaufberatung: der richtige Ledersattel

Fernreiseradler schwören auf den Ledersattel – wobei der meist für Brooks steht. Gibt es Alternativen zum britischen Klassiker aus dem langstreckenfreundlichen Naturmaterial? Wir haben danach gesucht und zeigen, was man allgemein bei der Wahl und Pflege des Ledersattels beachten sollte. Text & Fotos: Jan Gathmann

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e länger Reiseradler im Sattel sitzen, desto eher vertrauen sie das Wohl ihres Allerwertesten einem Ledersattel an. Das bestätigen schon die Bilder in Radreiseblogs aus aller Welt. Auf ihnen fällt bei genauerem Hinsehen gefühlt an jedem zweiten Rad ein Ledersattel ins Auge. Aber die Lederdominanz lässt sich auch messen. In einer Umfrage des Radreisenden und gelegentlichen RADtouren-Autors Martin Moschek unter den Lesern seines Blogs „Biketourglobal“ hielten 66 Prozent der über 400 Teilnehmer einen Brooks-Ledersattel für die optimale Sitzgelegenheit. Rund ein Drittel legt sich dabei sogar auf ein konkretes Modell fest: den B17, den wir hier auch vorstellen. Nicht zuletzt gibt die Zeitschrift „Brooks Bugle“, die der Hersteller seinen Kunden schenkt, ein schönes Bild von den Reisegeschichten, die im Sattel aus dem englischen Birmingham erlebt wurden – übrigens auch online einen

Blick wert: einfach nach „Brooks Bugle“ suchen.

Leder lebt länger Keine Frage, der optische Charme eines jahrelang eingefahrenen Ledersattels am Stahlrenner hat viele Anhänger. Ein Ledersattel mit passendem Lenkerband rückt ein einfaches Fahrrad schon in Richtung Designstück (wenn der Rest halbwegs zum Retrolook passt). Aber woher rührt die offensichtliche Bevorzugung des Ledersattels für die Langstrecke? Und warum beschränkt sie sich auf so wenige Modelle? Ein wichtiger Grund für Leder im Allgemeinen scheint die Haltbarkeit zu sein. „In den letzten 23 Jahren bin ich etwa 160.000 km B17 N und S gefahren [...] und keine 20.000 auf Plastiksätteln“, schreibt etwa der Frankfurter Fahrradsachverständige Rainer Mai in einem lesenswerten Beitrag für die Zeitschrift „Fahrradzu-


Ledersättel

Dorothee Fleck ist ein Beispiel dafür, dass durchaus auch Frauen mit Ledersätteln glücklich werden können. Auf Ihrem Blog ermutigt die deutsche Reiseradlerin andere Frauen dazu, größere und kleinere Touren auf eigene Faust zu wagen und hilft bei der Planung. Wir haben die Globetreterin, die gerade in Afrika unterwegs ist, nach ihren Erfahrungen gefragt: Wie bist Du zum Ledersattel gekommen? Ich weiß nicht mehr, wie ich zum Ledersattel kam. Es ist sicherlich schon 20 Jahre her. Damals gab es zum Glück noch keine theoretischen Untersuchungen, ob Ledersättel nun gut sind für Frauen oder nicht. Ich habe es einfach ausprobiert. Und ich fahre heute noch Ledersättel. Siehst Du auch Nachteile? Die einzigen Nachteile, die ich sehe: Wenn er nass wird, verliert er seine Form und ich muss ihn wieder für ein paar Tage einfahren. Außerdem hält er kaum eine meiner Reisen durch (eine Reise dauert länger als zwei Jahre). Ich kann ihn nicht immer trocken halten und ich pflege ihn dann auch nicht sonderlich. Also auch mein Fehler. Er hält aber immer noch länger als ein Gel-Sattel oder sonstiges. Vielleicht sind die Cambium-Sättel von Brooks besser für die Tropen.

kunft“ über Ledersättel. In seiner frühen Lebenserfahrung als Reiseradler musste sich Mai nach eigener Aussage zu häufig vorzeitig von abgenutzten und defekten Kunststoffsätteln trennen. Mit etwas Pflege können Ledersättel dagegen Jahrzehnte halten. Dabei ist der Pflegeaufwand geringer, als die meisten denken (siehe Kasten S. 70).

Leder ist (meist) bequemer Noch etwas spricht für den Ledersattel. Er gilt generell als ausgesprochen bequem. Diesen Komfort bei einer Testfahrt spontan nachzuvollziehen, ist aber leider unmöglich. Denn das komfortable Sitzgefühl stellt sich beim Ledersattel – im Gegensatz zu anderen Sätteln – erst ein, wenn sich das Leder an das Gesäß angepasst hat. Einfahren nennt man diesen Prozeß. Zwischen 400 oder 500 km

im Sattel sind nötig, bevor das anfangs harte Material weich wird. „Die Satteldecke passt sich im Sitzhöckerbereich an die Knochenform an. Dadurch verteilt sich der Druck besser, was als bequem empfunden wird“, erklärt Janina Haas, Ergonomie-Expertin bei Ergon den Prozess. Um das Einweichen zu beschleunigen hilft es, den Sattel vor der ersten Fahrt von unten einzufetten. Wer den Wunsch hat, die schmerzhafte Zeit noch weiter zu verkürzen, kann zu sogenannten „Aged“ Modellen greifen. Sie sind vorgefettet und dadurch bereits ab Werk nachgiebiger. Vor allem Langstreckenradler profitieren von einem weiteren Vorteil des Ledersattels: Das Naturmaterial bietet ein gutes Sitzklima. Vereinfacht gesagt, staut sich die Hitze auf der dünnen, mikroporösen Sitzfäche weniger als auf gepolsterten Kunstmaterialien. Gerade an heißen Tagen bedeutet das ein weniger schwitziges Gefühl. Wo sich we-

Welche Tipps würdest Du Frauen aus Deiner eigenen Erfahrung geben? Für Frauen, die nur ein paar Kilometer fahren, würde ich nicht unbedingt einen Ledersattel empfehlen. Es dauert dann zu lange, bis sie den Sattel eingefahren haben. Frauen, die auf Radreisen gehen, empfehle ich, probiert es einfach aus! Jede Frau ist anders.

Mehr Tipps im Blog: womenscyclingguide.com

Sattel, Rad und Dorothee Fleck.

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RADreise

500 Jahre Thesenanschlag – Eine Radreise zu den Schauplätzen

Als der Reformator Martin Luther am 31. Oktober 1517 die 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg schlug, konnte er nicht wissen, dass das Reformationsjubiläum 2017 – anders als alle Reformationsjubiläen bisher – in globaler Gemeinschaft von Feuerland bis Finnland, von Südkorea bis Nordamerika gefeiert wird. Grund genug, um einen neuen Radweg zu kreieren, der die alten Wirkungsstätten miteinander verbindet.

Text & Fotos: Hans Kothe

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Luther-Radweg

der Reformation von Schmalkalden bis Wittenberg

Markt in Wittenberg mit Rathaus und Marienkirche.

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enkt man an Orte, die mit dem Namen Luther verknüpft sind, dann fallen einem natürlich sofort die Wartburg, Eisleben und Wittenberg ein. Letztere haben ja sogar den Namenszusatz „Lutherstadt“. Es gibt aber weit mehr interessante Plätze und Städte in Deutschland, wo der Reformator seine Spuren hinterlassen hat, und die sind allemal hochinteressant und einen Besuch wert. Dicht an dicht findet man diese in den östlichen Bundesländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen vor. Martin Luther war als Kirchenmann und Reformator viel auf Reisen. Seinen Wegen zu folgen ist auch eine Zeitreise in die politische und religiöse Umbruchzeit im ausgehenden Mittelalter. So ist es nur folgerichtig, dass zahlreiche Museen ihren Fokus auf Luthers Handeln im Kontext der damaligen Zeit richten. Anlässlich der fünfhundertsten Wiederkehr des Wittenberger Thesenan-

schlags an der Schlosskirche am 31. Oktober 1517, haben sich alle „Lutherorte“ feingemacht. Uns reizt die Figur Martin Luther, weil er ein Wegbereiter der beginnenden Neuzeit war, der trotz tiefer Verwurzelung in seinem Glauben die Freiheit des Denkens und die Freiheit des Menschen in den Mittelpunkt gestellt hat. Faszinierend an Luther sind auch seine besonderen Verdienste um die deutsche Sprache. Doch dazu später mehr. Auf der Landkarte markieren wir die bedeutendsten Schauplätze des Reformators in den neuen Bundesländern und stellen fest, dass man diese sehr gut über ausgeschilderte und bekannte Radfernwege miteinander verknüpfen kann. Dabei kommt ein neuer Radweg heraus – wir nennen ihn „LutherRadweg“ – der über 500 Kilometer lang ist, wunderschöne und ganz unterschiedliche ostdeutsche Landschaften durchstreift und

die historischen Wirkungsstätten des Reformators miteinander verbindet. Schmalkalden ist Ausgangpunkt unserer achttägigen Radreise. Kaum haben wir unsere Räder aus dem Zugabteil herausgewuchtet, begrüßt uns schon nach wenigen Radumdrehungen eine frisch getünchte und fein herausgeputzte romantische Fachwerkstadt am Südhang des Thüringer Waldes. Im 16. Jahrhundert war dieser Ort ein Brennpunkt europäischer Geschichte, denn 1531 schlossen sich im „Schmalkaldischen Bund“ die evangelischen Fürsten und Städte gegen den katholischen Kaiser Karl V. zusammen. Luther selbst veröffentlichte hier die berühmten „Schmalkaldischen Artikel“, welche als Glaubensbekenntnis der evangelischen Kirche gelten, und der „Schmalkaldische Krieg“ (1546/1547) steht für die Auflösung des „Bundes“, weil letztlich Kaiser Karl V. siegte. RADtouren 1 | 17

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Test

Test: 10 Funktionsjacken für Damen und Herren

Dicht und dünn Ihr Name ist Programm: Funktionsjacken müssen viele Funktionen erfüllen. Sie sollen gut sitzen, trocken und also warm halten, praktisch sein und trotzdem ein wenig schön aussehen, lange halten und im Idealfall umweltfreundlich und nachhaltig produziert sein. Welche Funktionsjacken eigenen sich am besten auf Radtour und im Alltag?

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ie haben viele Namen: Outdoorjacke, Regenjacke, Fahrradjacke, Wanderjacke und und und. Die Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen. Am treffensten aber passt wohl der Begriff Funktionsjacke. Welche Anforderungen muss eine gute Funktionsjacke erfüllen? • richtige Passform • Ausstattung: Taschen • Funktion: Wasser nicht reinlassen, Schweiß rauslassen Je nachdem, für welchen Zweck die Funktionsjacke gedacht ist, passt sich die Passform diesem Zweck an. Vor dem Kauf sollte

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Text & Fotos: Lisa Partzsch

man sich überlegen: wann möchte ich meine Funktionsjacke tragen? Regenjacken speziell zum Radfahren haben drei spezifische Merkmale in der Passform: Die Arme sind beim sonst etwas engeren sportlichen Sitz der Jacke deutlich länger (wie z.B. bei beiden Endura-Modellen), um in sitzender Position auf dem Rad nicht hoch zu rutschen. Manche Armabschlüsse sind am Bündchen speziell geformt. Ein Einsatz wie bei der Endura-Herrenjacke verhindert ein Hochrutschen der Arme. Der Rücken ist hinten verlängert. Manche Sportjacken – wie wir sie dieses Mal aber

nicht im Test hatten – haben einen speziellen Regen-Spritzschutz zum Ausklappen. Parallel zum verlängerten Rücken ist der vordere Teil der Jacke kürzer geschnitten, damit dieser in sportlicher Sitzposition keine Falten wirft. Sportliche Jacken sind meist etwas enger geschnitten (dies trifft im Testfeld auf die Endura und Gore zu), Freizeitjacken eher weiter (am offensichtlichsten bei beiden Jack Wolfskin-Modellen und Gonso). Einer der wichtigsten Aspekte einer Funktionsjacke bei der Passform ist außerdem die Kapuze. Doch Kapuze und Helm


Funktionsjacken

sind meist nicht kompatibel. Ob eine Kapuze unter oder über den Helm gehört, ist ein gerne debattiertes Thema. Hat eine Jacke eine helmtaugliche Kapuze, bedeutet es, dass die Kapuze so weit geschnitten ist, dass sie gut über dem Helm getragen werden kann, dies ist bei der Endura MT500 der Fall. Um die Kapuzen für jeden Kopf richtig einzustellen, helfen seitliche oder um den Hinterkopf führende Kordelzüge, auch mit Klettverschlüssen lässt sich die Größe der Kapuze variieren. Regnet es gerade nicht, dann kann es bequemer sein, die Kapuze im Kragen zu verstauen, wie dies Endura, Gonso, Jack Wolfskin bei ihren Modellen anbieten. Bei der Ausstattung sind Taschen vor allem für Freizeitradler unabdingbar. Deshalb zeigt sich auch ein Zusammenhang zwischen Zweck der Jacke und Taschenanzahl. Eher für sportliches Radfahren gedachte Jacken haben meist weniger Taschen als zweckungebundene Outdoorjacken. Weil Taschen in diesem Test ein Zulassungskriterium waren, haben alle unsere getesteten Modelle mindestens zwei Taschen vorne. Zusätzlich zu diesen sind Napoleontaschen an der Brust beliebt, deren Reißverschluss teils innen liegt und so vor Regen geschützt ist. Wo dies nicht der Fall ist, sind die Reißverschlüsse der Taschen mit Dichtlippen versehen.

Von oben trocken Doch nun zum wichtigsten Kriterium einer Funktionsjacke. So gut sie und die Kapuze auch sitzen, so viele Taschen sie auch hat:

Eine Funktionsjacke ist nichts wert, wenn sie nicht trocken hält. Wasserdicht ist ein ambitioniertes Wort ebenso wie atmungsaktiv. Seit dem Outdoorboom der letzten Jahre haben Funktionsjacken-Hersteller ihr Publikum mit Jacken verwöhnt, die versprochen haben, keinen Tropfen Wasser durchzulassen, dafür aber jeden Tropfen Schweiß rauslassen. Heute erwartet man von einer Funktionsjacke, dass sie trocken und warm hält, obwohl man gerade einen Eisregenschauer durchquert. Funktionsjacken bestehen deshalb aus einer Membran, die häufig aus PTFE besteht, also einer Verbindung von Fluor und Kohlenstoff. Eine zusätzlich aufgebrachte Imprägnierung sorgt außerdem dafür, dass die Jacke wasser-, schmutz- und ölabweisend wird. Über die chemischen Prozesse, die zur Herstellung der Membran und zur Erstimprägnierung genutzt werden, und ihre Folgen kann im unteren Kasten nachgelesen werden. Wie wasserdicht eine Jacke ist, wird von Herstellern oftmals als Wassersäule angegeben. Sie wird mithilfe eines hydrostatischen Wasserdruckversuchs ermittelt: Die Außenseite des Funktionsmaterials wird einem Wasserdruck ausgesetzt, der regelmäßig ansteigt. Angegeben wird der Wert des Drucks, bei dem drei Wassertropfen auf der Rückseite des Materials sichtbar sind. Manche Hersteller verzichten jedoch auch auf die Angabe dieses Wertes oder nennen bewusst niedrigere Zahlen, da Funktionsmaterialien ab einem Grenzwert von 1.400 mm als wasserdicht gelten. Nach den Zahlen (die zwischen 5.000 und

Funktionelle Details

Wenn die Ärmel einer Funktionsjacke nach oben rutschen, ist das unangenehm. Besonders lange Ärmel oder Einsätze mit Daumenschlaufen (bei Endura MT500) beugen dem vor.

Wenn Funktionsjacken vor allem im Herbst/Winter und bei schlechten Sichtverhältnissen getragen werden, sind Reflektoren sehr wichtig: am besten mit einer 360°-Sichtbarkeit wie bei Vaude.

Funktion auf Kosten der Umwelt? Zwei Dinge schaffen bei Funktionskleidung die Funktion: die Membran und eine industriell aufgetragene Imprägnierung. In beiden Fällen kann Fluor zum Einsatz kommen, mit dem perfluorierte Verbindungen hergestellt werden, bekannt als C8-PFC. Da seine acht Kohlenstoffe eine extrem haltbare Carbonverbindung bilden, zersetzt es sich kaum und bildet beim Zerfall stattdessen PFOA (Perfluoroktansäure), die bioakkumulativ ist. Sie hinterlässt also Rückstände in Organismen wie Pflanzen und Menschen. Als Alternative zu C8 gibt es noch C6, eine Carbonverbindung, die aus sechs Kohlenstoffatomen besteht und weniger Rückstände bildet. C6 ist dadurch verträglicher, aber dennoch nicht unbedenklich oder umweltfreundlich. Alternativen sind außerdem immer ein Kompromiss. Kein Stoff, der nicht auf Fluor basiert, erzielt vergleichbare Ergebnisse bei der Resistenz gegenüber Wasser, Öl oder Schmutz wie perfluorierende Verbindungen. Sie kommen deshalb sehr häufig in der Erstausrüstung von Funktionskleidung zum Einsatz. Wegen der Gefahr für Mensch und Natur, die Greenpeace in den stark mit PFC bzw. PFOA-belasteten Produkten sieht, forderten sie ein Bekenntnis von den Herstellern und einen Ausstiegszeitpunkt zu nennen, bis zu dem diese auf PFC verzichten wollen. Die meisten Hersteller einigten sich auf 2020. Doch schon vorher haben aber viele Hersteller zumindest eine teilweise PFC-freie Herstellung erreicht. So gibt z.B. Jack Wolfskin an, 75 % seiner Kollektion seien schon im Sommer 2015 PFC-frei gewesen, Vaude hat erst vor kurzem angegeben, ab 2017 zu 90  % PFC-frei produzieren zu wollen. Greenpeace hat 2012 im Rahmen seiner Aufklärungskampagne zu Outdoorkleidung und PFC allerdings festgestellt, dass auch Produkte, die als PFC-frei deklariert wurden, Rückstände der chemischen Verbindung aufwiesen, einfach weil die Belastung der Umgebung häufig schon so weit geht, dass eine PFC-freie Produktion eine Herausforderung ist.

Auch wasserdichtes Material kann an kritischen Stellen wie Reißverschluss und Nähten Wasser durchlassen: geklebte (getapte) Nähte halten das Wasser draußen (oben bei Endura, aber auch bei Löffler und Gore); ebenso wie Reißverschlüsse mit Dichtlippen (Endura, Löffler, Jack Wolfskin). RADtouren 1 | 17

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radreise

Markgräflerland

Im Weinland

Hügel, Wein und Berge: Wo ganz im Süden der Republik der Schwarzwald auf die Rheinebene trifft, liegt das Markgräflerland. Dessen einsame Straßen und Wege durch sanft gewellte Hügel und Weinberge sind ideales Revier für Reiseradler.

Text & Fotos: Patrick Kunkel

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Markgräflerland

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angsam, ganz langsam schiebt sich der Schauinsland-Gipfel ins Blickfeld. Wobei dieses wiederum seit gut einer halben Stunde ziemlich eingeschränkt ist: Nämlich auf die paar Quadratmeter Schotterbelag rund um mein Vorderrad. Nach jeder Kehre beuge ich mich etwas tiefer über den Lenker, schnaufend krieche ich die steile Naturstraße bergauf. Und natürlich schaffe ich es dabei kaum, die Naturschönheiten am Wegrand angemessen zu würdigen: Den dichten, zottigen Waldpelz. Die moosigen Steine. Die vor Leben nur so strotzende, summende, brummende Blumenwiese auf einer Waldlichtung. Wie auch, wenn mir die ganze Zeit ein schmieriger Mix aus Schweiß und Sonnenmilch in die Augen rinnt. War ja klar, denke ich. Wenn man mit Sven auf Radtour geht, kommt man um die steilsten Anstiege einer Region einfach nicht herum. „Das ist ja das Salz in der Suppe“, meint er, der Sven. Die Höhepunkte einer jeden Radtour! Finde ich ja normalerweise auch, aber bitteschön, nicht bei 30 Grad und mit einem prall gefüllten BikepackingSack unter dem Sattel eine üble 15-ProzentRampe rauf, sodass das Laktat nur so in die Oberschenkel schießt. RADtouren 1 | 17

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