pflichtlektüre 6/2013

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pflichtlektüre Studentenmagazin für Dortmund

062013

Mein Papa, der Wichser Zwischen Vfl und BWL Ein Fußballer und sein Plan B

Credits per Geisterhand Wenn Ghostwriter Hausarbeiten schreiben

Blanker Protest

Zu Besuch bei einer Femen-Aktivistin


SUDOKU

IMPRESSUM Herausgeber Institut für Journalistik, TU Dortmund Projektleitung Dr. phil. Tobias Eberwein (ViSdP) Redaktionsleitung Sigrun Rottmann

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Chef vom Dienst Nils Bickenbach Textchefs Jonas Gnändiger, Julia Knübel Fotoredaktion Thomas Borgböhmer, Anna-Christin Kunz, Sarah Tober

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Redaktion Uni-Center, Vogelpothsweg 74, Campus Nord, 44227 Dortmund Tel.: 0231/755-7473, post@pflichtlektuere.com

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Illustrationen Simon Schmitz

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Layout & Grafik Sabine Geschwinder, Arne Schleef, Martin Schmitz, Philipp Ziser Redakteure und Reporter Timo Baudzus, Claudia Brade, Janna Cornelißen, Henrike Fischer, Naima Fischer, Anne-Kathrin Gerstlauer, Jonas Gnändiger, Jenny Gödecker, Alexander Greven, Rebecca Hameister, Carmen Herold, Pia Lisa Kienel, Julia Knübel, Anna-Christin Kunz, Moritz Mettge, Eva Nowack, Janne Oltmanns, Hendrik Pfeiffer, Julia Schindler, Emmanuel Schneider, Julia Schroer, Maria Segat, Philipp Ziser

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Die Grafik dankt Mats, Manu, Moritz, Florian, dem Pizzaboten (der uns noch eine Flasche Cola schuldet), allen Nachtschicht-Pförtnern der TU, den Erstellern guter Youtube-Playlisten und Mutter Ziser. Druck Hitzegrad Print Medien & Service GmbH Auf dem Brümmer 9 44149 Dortmund Audiovisuelle Begleitung der Ausgabe

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* post@pflichtlektuere.com 02

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0231 / 755 - 7473


EINS VORAB

@ SIMONSCHMITZ.NET TEXTPIA LISA KIENEL ILLUSTRATIONSIMON SCHMITZ | HELLO

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ndlich frei – das waren meine ersten Gedanken, als mir meine Freunde pünktlich um Mitternacht zu meiner Volljährigkeit gratulierten. Ihr Geburtstagsständchen, dem Anlass entsprechend, brachte das Fensterglas zum Klirren. Ab diesem Moment stand mir die Welt offen, glaubte ich jedenfalls. Ich war offiziell volljährig. Gedanklich sah ich mich schon die Weltherrschaft an mich reißen. Oder zumindest die Welt im Sturm erobern – schließlich wird das dem naiven Zuschauer (also mir) in sämtlichen Hollywoodfilmen authentisch vermittelt.

Dann wäre ich zwar frei von meinen Eltern, der Schule und dem strukturierten Tagesablauf, doch fit wäre ich dann immer noch nicht für die Weltherrschaft. Denn: An der Uni ticken die Uhren anders. Hier sind Organisationstalent und Eigenverantwortung gefragt. Beides vermisste man mit 18 bei mir leider schmerzlich. Damals regierten das Chaos und die Orientierungslosigkeit. Die Probleme fangen ja schon damit an, in die Uni zu gelangen. Wer bitte behält bei den all den Irrwegen und 50 Gebäuden den Überblick? Wer entschlüsselt für mich den Zahlencode, der sich als Raumnummer herausstellt? Wer hilft mir bei der Auswahl meines Essens in der Mensa, wenn Mama nicht mehr den Kühlschrank füllt? Bin ich mit 18 überhaupt schon bereit für die Uni?!

Doch nichts dergleichen passierte. Ich blieb in meinem kleinen Heimatdorf wohnen und erfreute mich zum Leidwesen meiner Eltern auch weiterhin an den Annehmlichkeiten des „Hotel Mama“. Beruflich tat sich ebenfalls nicht viel, sofern man die Schule überhaupt dazu zählen konnte. Damals gab es schließlich noch 13 Jahre, die jeder Schüler bis zum lang ersehnten Abitur überstehen musste. Der Schulabschluss mit 18 war damals noch eine Seltenheit.

Doch egal ob mit 18 oder 25, aller Anfang ist schwer. Ob man nun als Student neu anfängt oder als junger Dozent vor einer fremden Gruppe steht. Wir, das Team von der pflichtleküre, haben uns nach den ersten Semesterwochen gefragt, was die Neuen denn von der Uni so halten und vor allem ihre älteren Kommilitonen von ihnen. Dabei herausgekommen ist eine kleine Umfrage - die überraschen mag. Wir haben dafür unter anderem mit dem jüngsten Studenten an der TU Dortmund gesprochen.

Wenn ich mich heute in die Lage einer 18-Jährigen versetze, studiere ich im schlimmsten Fall in einer völlig fremden Umgebung an einer Universität mit Tausenden von Studierenden etwas, das ich gar nicht studieren will. Im besten Fall studiere ich ebenfalls in einer völlig fremden Umgebung an einer Universität mit Tausenden von Studierenden etwas, das ich auch wirklich studieren will. 03

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INHALT REIN IMPRESSUM Hier gibt‘s Sudokus

EINS VORAB Jungstudis an der Uni

FÜR DIE TONNE Der Kreislauf des Mülls

LEBEN

FUSSBALLER UND FERNSTUDENT Patrick Fabian hat einen Plan B parat

DIE WILDE AUS WILDEN Eine Femen-Aktivistin packt aus

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JOB

STUDIUM

08 18 VATER AUS DANN HALT 12 DEM BECHER 24 NACH PÉSC DER UNSICHTBARE SCHREIBER

Hausarbeit für eine handvoll Scheine

Chris ist seit acht Jahren Samenspender

ABGEFAHREN Körperwelten in Bochum

HINGESCHAUT Lesebühne „LMBN“ in Dortmund

HINGEGANGEN Kultur beim ersten Schnee

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inhalt

ALTER, IST DER JUNG Felix (15) studiert Maschinenbau

NC-Flüchtlinge erzählen

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SCHON RITTER TRENNTEN MÜLL Mülltrennung dient Umwelt und Zukunft, davon ist Marlit Haber überzeugt. Im Interview erklärt die Expertin, warum das Sortieren wichtig ist - und räumt mit einem Irrglauben auf. INTERVIEWJULIA SCHROER FOTOSTHOMAS BORGBÖHMER

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uf den folgenden Seiten haben wir für Euch in die Mülleimer von Studierenden geschaut. Und dabei festgestellt: Abfalltrennung ist in den meisten Haushalten selbstverständlich. Diplom-Ingenieurin Marlit Haber von der TU Dortmund ist Expertin für Ver- und Entsorgungssysteme in der Raumplanung. Sie erklärt, was es mit der Trennung von Papier-, Kunststoff- und Restmüll auf sich hat. Frau Haber, trennen Sie eigentlich Ihren Müll? Natürlich. Ich trenne im Prinzip alles, was man eben so trennen kann: Kunststoff, Bio, Restmüll, Glas und Papier. Da bin ich sehr sorgfältig und habe entsprechend viele Sammelbehälter zu Hause in der Küche. Weil ich ordentlich trenne, ist mein Restabfallbehälter immer fast leer. Ist es überhaupt notwendig, den eigenen Haushaltsmüll zu trennen? Auf jeden Fall. Mülltrennung ist in Deutschland noch eine Voraussetzung für das Wertstoff-Recycling. Früher oder später sind viele Ressourcen aufgebraucht. Wer seinen Müll trennt, trägt dazu bei, dass zum Beispiel Joghurtbecher oder Zeitungen recycelt und damit als Sekundärrohstoffe wiederverwertet werden können. Kunststoff wird zum Beispiel zum Teil aus Erdöl hergestellt. Wenn die Plastik-Joghurtbecher in die schwarze Tonne geworfen werden, werden sie

verbrannt. Dadurch geht indirekt der Rohstoff Öl verloren. Lebensmittelreste werden hauptsächlich kompostiert oder in Biogasanlagen vergoren. Im ersten Fall entsteht Kompost, der einen sehr wichtigen Dünger darstellt. In der Biogasanlage kann aus dem Bioabfall Biogas und damit elektrische Energie oder Wärme gewonnen werden. Wird denn aber der Müll, bevor er zum Beispiel verbrannt wird, nicht sowieso noch einmal vor Ort in den Müllverbrennungsanlagen sortiert? Wenn der Müll aus der Restmülltonne abgeholt wird, wird er zur Müllverbrennungsanlage transportiert und dort in der Regel ohne Vorsortierung verbrannt. Das heißt, dass alle Wertstoffe, die zu Hause nicht getrennt gesammelt werden, durch die Verbrennung verloren gehen. In Kompostieranlagen wird ein bisschen sortiert, teilweise geschieht das sogar noch per Hand. Hierbei geht es vor allem darum, Plastiktüten auszusortieren. Küchenmesser, Kartoffelschäler und andere Metalle werden mit Magneten aussortiert. Was passiert mit dem Müll, wenn er von der Müllabfuhr abgeholt wird? Je nach Stadt und Bezirk kommt an bestimmten Tagen die Müllabfuhr eines Entsorgungsdienstes und holt den Hausmüll ab, um ihn anschließend an den passenden Anlagen abzuliefern. Dort wird er entweder verbrannt oder recycelt. 05

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Es gibt neben Müllverbrennungs-, Kompostierungs- und Biogasanlagen auch noch mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlagen und Recyclinghöfe. Es wird nicht, wie viele glauben, am Ende wieder alles zusammen geschmissen. Seit wann wird Müll in Deutschland getrennt? Im Prinzip begann die Mülltrennung bereits im Mittelalter. Schon damals hat man seinen Müll in verwertbare und nicht verwertbare Abfälle getrennt und Verwertbares, wie beispielsweise Lebensmittelreste, als Tierfutter genutzt. Deutschland ist innerhalb der EU ein Spitzenreiter, was Mülltrennung und -verwertung betrifft. Seit den 70er Jahren gibt es in Deutschland eine Abfallgesetzgebung, die nach jeder Novelle mehr und mehr auf das Thema Recycling zielt und jeden Abfallverursacher dazu anhält, seinen Müll für den besten Entsorgungsweg zur Verfügung zu stellen. Sind Sie der Meinung, dass die Stadt und die Entsorgungsunternehmen mehr Aufklärungsarbeit in Sachen Mülltrennung leisten sollten? Ich finde, es wird bereits viel getan, um die Leute aufzuklären. Zumindest habe ich immer wieder Post oder Infoblätter zu dem Thema im Briefkasten – eigentlich sollte jeder informiert sein. Ich glaube aber, dass sich viele Menschen nicht für das Thema Abfall interessieren.


EIN BLICK IN Ich trenne Restmüll, Plastik und Papier. Im Innenhof fehlt allerdings die Biotonne, deswegen gibt es in meiner Wohnung auch keinen Biomüll. Ich hoffe, dass Mülltrennung einen Sinn hat und ich möglicherweise sogar dazu beitrage, Arbeitsschritte zu sparen und Energiekosten zu verringern. Andererseits könnte das auch nur eine nett gedachte Erfindung der Politiker sein, die allerdings nicht funktioniert, weil einfach keiner weiß, wie Mülltrennung richtig funktioniert.

Ob Single-Haushalt, Pärchen-Wohnung ode Laufe der Woche der Gang zum Müll-Conta eine vernünftige Entsorgung ihres Abfa

UMFRAGEJULIA SCHROER FOTOSSARAH TOBER &

6. Station: Restmüll wird verbrannt. Plastikund Papiermüll werden recycelt.

Jonas Feige

Wir trennen Restmüll, Plastik und Papier – so kennen wir das von zu Hause. Deswegen haben wir eigentlich auch nie wirklich darüber nachgedacht, ob Mülltrennung überhaupt sinnvoll ist. Wir gehen einfach davon aus, dass es so ist. Und wollen damit auch einen kleinen Beitrag für eine saubere Umwelt leisten.

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Sebastian Trenz & Maren Waldhausen

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5. Station: Müll wird auf Haufen verteilt.

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4. Station: Schwarze, blaue und

gelbe Tonne werden zum Recyclinghof gefahren. Der Abfall der Grünen Tonne wird auf einer Bioabfall-Deponie gelagert. Deponie


DIE TONNE

er 5er-WG: Für jede Studentenbude steht im ainer an. Doch sorgen Studierende auch für alls? Die pflichtlektüre hat nachgefragt.

& THOMAS BORGBÖHMER GRAFIKARNE SCHLEEF

1. Station: Wir kaufen ein: Lebensmittel, Möbel, Shampoo, Aktenordner.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Trennung meines Mülls wichtig ist. Ich selbst trenne Papier und „alles andere“. Da ich allein wohne, werden die Mülleimer nicht mal eben schnell voll. Da ich sie deswegen selten ausleere, fangen sie schnell an zu stinken und zu schimmeln. Grundsätzlich finde ich Mülltrennung aber sinnvoll und weiß von zu Hause auch, wie sie funktioniert. Simon Brüning

*KRE ISLAUF

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3. Station: Die Müllabfuhr holt den Müll an bestimmten Tagen ab.

Sabri Wittland, Kassandra Beckmann, Alina Masella (v.l.)

Wir trennen fast alles, auch wenn uns die Hausverwaltung das schwer macht. Eine gelbe Tonne gibt es nicht, die Papiertonnen können wir nicht nutzen. Eine Biotonne soll es nur geben, weil ein Hausbewohner einen Ameisenbären hält, der viel Dreck und Müll macht. Nur die Trennung des Biomülls halten wir für sinnvoll. Der andere Müll wird am Ende eh wieder zusammengeworfen. Papier, Altglas und Elektrozeug bringen wir trotzdem getrennt weg. Dafür laufen wir sogar bis zu den nächsten städtischen Containern. 07

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FuSSballer und Fernstudent Fußballer – für viele Jungs der Traumberuf. Wie schnell dieser Traum jedoch vorbei sein kann, musste Patrick Fabian am eigenen Leib erfahren. Heute weiß der Spieler des VfL Bochum, dass ein Rückschlag auch immer eine Chance sein kann. TEXTPia Lisa kienel Fotosanna-Christin kunz

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eit frühester Kindheit spielte Patrick Fabian Fußball im Verein und träumte davon, später einmal sein Geld damit zu verdienen. Was mit sechs Jahren als „netter Zeitvertreib“ beim VfB Westhofen in Schwerte begann, wurde schnell zum zeitaufwendigen Hobby. Neben dem Sport gab es jedoch noch eine weitere wichtige Komponente im Leben des heute 26-Jährigen: die Schule. Trotz des sportlichen Erfolgs war schnell klar, dass es ohne zusätzliche akademische Laufbahn heutzutage nicht mehr geht. „Ich wusste, dass ich eine Alternative zum Sport brauche“, erklärt Fabian, der seit 13 Jahren Spieler des VfL Bochum 1848 ist. Nach dem Abitur und einem Jahr Zivildienst zog es ihn an die Universität. Doch ein reguläres Studium war angesichts seines Zeitplans kaum möglich. Die Lösung? „Eine Fernuni, zumal das Studium dort staatlich anerkannt ist“, erklärt er seine damalige Entscheidung.

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Ist mein Körper überhaupt dafür gemacht, Fußball zu spielen?

Seine Wahl fiel auf die Wirtschaftswissenschaften an der Fernuni Hagen. Ein Fach, das er an einer normalen Uni nicht studiert hätte, sagt Fabian. „Das Angebot der Fernuni ist jedoch nicht so groß, sodass dies am Ende am sinnvollsten für mich war.“ Zudem ist es eine Option mit beruflicher Zukunft, so der Fußballer. Training und Studium unter einen Hut zu bekommen, war und ist nicht immer einfach: „Das Training und Termine im Verein gehen natürlich vor. Es kann durchaus passieren, dass ich deshalb eine Klausur nicht antreten kann.“ Dass sich die Wichtigkeit seines zweiten Standbeins so schnell zeigen würde, damit hat auch Patrick Fabian nicht gerechnet. Drei Kreuzbandrisse am Knie innerhalb von 16 Monaten kosteten ihn fast den Traum von der Profi-Karriere. 09

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„So viele Verletzungen in so kurzer Zeit sind heftig und ziehen dich auch mental runter. Jedes Mal wieder aufzustehen, wurde natürlich mit jedem Kreuzbandriss schwieriger“, schildert der junge Mann seine Erfahrungen. „Ich habe vieles infrage gestellt. Ist der Körper überhaupt dafür gemacht, Fußball zu spielen?“

So spielte er mit dem Gedanken, die Fußballschuhe ganz an den Nagel zu hängen und seinen Fokus von nun an komplett auf das Studium zu legen: „Ich bin alle Szenarien durchgegangen. Aber auch nach fünf Monaten Reha-Phase war nicht klar, was in der Zukunft kommen wird“, sagt Fabian.

Hinzu kam, dass 2013 sein Vertrag auslief. „Selbst wenn ich wieder fit gewesen wäre - wer hätte mich dann mit dieser Verletzungsserie unter Vertrag genommen?“ So musste er sich zwangsläufig damit auseinandersetzen, dass der Fußball in seinem Leben keine Rolle mehr spielen könnte: „Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, einen Plan B im Leben zu haben. Hätte ich zu dieser Zeit nichts anderes außer meiner Karriere gehabt, wäre ein möglicher Neuanfang umso schwerer für mich geworden. So bot sich mir durch den Rückschlag quasi eine neue Chance.“ Patrick Fabian hatte die Wahl. Ein Leben ohne Fußball? Das konnte sich Patrick Fabian dann doch nicht vorstellen. Trotz der guten akademischen Ausgangssituation wollte er es sportlich noch einmal wissen: „Nach der ärztlichen Diagnose, dass ich eine reelle Chance hätte, wieder zurückzukommen, habe ich mich erneut für den Weg zurück auf den Fußballplatz entschieden.“

Sportlicher Rückschlag, charakterlicher Fortschritt Fabian holte bei einem Sportwissenschaftler eine andere Meinung ein. Er ließ sich Tipps geben und seinen Körper komplett durchchecken. „So bin ich zum Beispiel zu einem Wirbelsäulentherapeuten gegangen, der mich buchstäblich wieder gerade gerückt hat. Ich wollte noch mehr für meinen Körper machen, als ich ohnehin schon gemacht habe“, sagt der Fußballer. Sein Erfolgsrezept: „Ich habe mir wesentlich mehr Zeit gelassen.“ Im Nachgang betrachtet, sagt Patrick Fabian, hätte ihn seine persönliche Verletzungsmisere vor allem charakterlich nach vorne gebracht. Er sei heute nicht mehr so verbissen und ein Stück weit gelassener geworden. In der aktuellen Saison ist er aus der Startelf des VfL Bochum nicht mehr wegzudenken, erst ein Spiel verpasste er wegen einer kleinen Verletzung. Auch sein Studium verfolgt er weiterhin zielstrebig. Zwischenstand: Zwei Klausuren und ein Seminar trennen ihn noch von seiner Bachelor-Arbeit.

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Kurz vor Ende der Bewerbungsfristen sei die Arbeit besonders stressig, sagt Hope. Die vielen Postkarten und Berichte, die ihr Studenten aus dem Ausland zuschicken, entschädigen sie aber. „Dadurch habe ich die Möglichkeit, die ganze Welt mit zu bereisen und lerne immer neue Kulturen und Länder kennen.“ Wer ein oder zwei Semester während des Studiums ins Ausland gehen möchte, kann sich bei Laura Hope beraten lassen. Ihr Büro befindet sich in der Emil-FiggeStraße 61, zweiter Stock. Sprechzeiten sind montags und mittwochs von 12.3015 Uhr, dienstags von 9-11.30 Uhr und donnerstags von 13-15 Uhr.

ie es ist, sich in einem völlig neuen Land zurechtzufinden, das weiß Laura Hope genau. 2001 reiste die US-Amerikanerin für ein Auslandssemester nach Dortmund. Es sollte nicht bei einem Besuch bleiben. „Nach zwei Monaten zurück in Alabama zog es mich wieder nach Deutschland.“ Erst mal für immer, wie sie selbst sagt. Seit Oktober 2007 hilft sie nun selbst Studenten, deren Traum vom Ausland wahr zu machen. Über 2 200 Studenten haben sie und ihr Team schon in die Welt geschickt – für Praktika oder Auslandssemester. Besonders beliebt bei den Studenten sind nach wie vor Nordamerika und Australien.

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TEXT eVa nOWaCk FoTo anna-Christin kunz

Amerika, Asien, Ozeanien oder Afrika: Laura Hope schickt Studenten um die ganze Welt. Als Mitarbeiterin im Referat Internationales der TU Dortmund berät sie bei Fragen zum Thema Ausland.

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DIE WILDE AUS WILDEN Mit Nacktprotesten sorgt die Frauengruppe Femen für Schlagzeilen. Zana Ramadani ist eine der führenden Aktivistinnen in Deutschland. Ihre Eltern sind Muslime, sie wohnt auf dem Land, engagiert sich in der CDU. Passt nicht? Passt doch, sagt sie. TEXTMARIA SEGAT FOTOSSARAH TOBER & PRIVAT

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ie Haustür ist offen, niemand ist zu sehen. Der gepflegte Garten vor dem alten Fachwerkhaus sieht verlassen aus, hier im ländlichen Wilnsdorf-Wilden im Siegerland. Als das Gartentor leise quietscht, schießt ein kleiner Hund aus der offenen Tür – dann noch einer und ein dritter hinterher. Aufgeregt springen sie am Gartentor hoch, schwanzwedelnd und kläffend. „Kommt ihr wohl zurück!“, tönt es energisch von der Haustür herüber. Dort steht Zana Ramadani – und passt mit ihrer Körpergröße von 1,57 Meter so gar nicht zu der lauten Stimme. Im Haus geht das freudige Gebell weiter. Offenbar haben die Vierbeiner nichts gegen Besuch – zumindest wenn der weiblich ist. „Frauen mögen sie eigentlich immer gern“, sagt Ramadani. „Mit Männern kommen sie nicht so klar.“ Sie lacht. Wahrscheinlich weiß sie selbst, wie man diesen Satz interpretieren könnte.

Fiction“-Poster. Im Bücherregal dazwischen steht „Shades of Grey“. Der Ursprung von Femen liegt in der Ukraine, wo die feministische Organisation bereits seit 2008 aktiv ist. In Deutschland gibt es die Gruppe seit 2011. Ihr Selbstverständnis ist einfach: Sie kämpfen gegen die Diskriminierung der Frau. Nach dem schlichten Motto „My body is my weapon“ demonstrieren die Mitglieder mit kurzen, provokanten Statements auf nackten Brüsten. „Politisch aktiv bin ich schon länger“, sagt Ramadani. In ihrer Heimatstadt Wilnsdorf ist sie Vorsitzende der Jungen Union, außerdem stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU und der Frauenunion. „Aber das hat mir einfach nicht ausgereicht.“ Die Aktionen von Femen in der Ukraine habe sie übers Netz schon seit einer Weile verfolgt. Zusammen mit Irina Khanova und Melanie Schmitz, die sie im Internet kennenlernte, gründete sie Femen Deutschland.

Zana Ramadani, Mitbegründerin von Femen in Deutschland und eine führende Aktivistin der Gruppe, lehnt sich entspannt am Esstisch zurück. An den Wänden hängt ein meditierender Buddha, nicht weit entfernt von einem „Pulp

„Schlampe“ und „zu fett“ heißt es im Netz „Ich war damals noch ein wenig bekleidet“, erinnert sich Ramadani. „Ich habe zwar kein Problem mit meinem Körper“, 13

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sagt die 29-Jährige, „aber es ist schon eine extreme Überwindung, vor so vielen Leuten seine Brüste zu zeigen. Besonders beim ersten Mal.“ Wenn Ramadani von ihren Brüsten redet, schiebt sie beim Sprechen den Kopf zurück und schaut kurz in den tiefen Ausschnitt ihres pinken Pullovers. Dann zuckt sie leicht die Achseln, als würde sie gerade das denken, was sie so oft sagt: „Sind doch nur Brüste.“ Und genau mit denen will Femen auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam machen. „Ob die Leute uns nachher mögen oder nicht, spielt für uns überhaupt keine Rolle“, sagt die Aktivistin entschlossen. Tatsächlich sind die Reaktionen, die sie und ihre Mitstreiterinnen erhalten, sehr unterschiedlich. Erst kürzlich stürmten die Aktivistinnen eine Bürgersprechstunde von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz, um gegen die Flüchtlingspolitik zu protestieren. Doch der sprach einfach weiter und reagierte gar nicht. Dennoch, so Ramadani, erreiche Femen mit jeder Aktion Menschen, die sich vorher nicht mit ihren Themen auseinander gesetzt haben. Manchmal erhalte sie von denen auch Nachrichten, wie etwa nach


Gepflegter Vorgarten,ruhige Wohnlage, Hundehütte vor der Tür - hier fühlt sich die sonst so rebellische und laute Zana Ramadani wohl.

ihrem Auftritt in Heidi Klums Modelshow. Im Finale der diesjährigen Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ hatten Ramadani und Hellen Langhorst, eine andere Femen-Aktivistin, mit blankem Busen die Bühne gestürmt. „Ein älterer Herr schrieb mir, dass er die Sendung bisher immer nur lächerlich gefunden habe. Aber durch unsere Aktion sei ihm klar geworden, was dort für Werte vermittelt werden.“ Allein für diese E-Mail, sagt sie, habe sich die Aktion gelohnt.

Von der eigenen Familie beschimpft Für ihre Aktionen muss Ramadani auch Anfeindungen und persönliche Beleidigungen über sich ergehen lassen. Dass sie im Internet von meist anonymen Nutzern als „Schlampe“ und „Prostituierte“ bezeichnet und sie mit ihrer Kleidergröße 38 als „zu fett“ und „unförmig“ betitelt wird, das ist Ramadani inzwischen egal. „Es ist ja nicht so, dass wir unbedingt unsere Brüste zeigen wollen. Es ist nur unser Weg, auf die Themen aufmerksam

zu machen.“ Mittlerweile, sagt Ramadani, könne sie über die Beschimpfungen nur noch lachen. Wenig Verständnis für ihren Aktionismus haben auch die Eltern der 29-Jährigen. Ramadani ist geborene Mazedonierin, ihre Eltern sind Muslime. „Die finden das natürlich überhaupt nicht gut.“ Doch Ramadani will sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen. „Schon als Kind konnte ich nicht verstehen, wieso ich als Mädchen nicht das Gleiche darf wie ein Junge“, sagt sie. „Ich wollte ja nur ein normales Teenager-Leben führen.“ Wegen der ständigen Streitereien mit ihren Eltern ist Ramadani früh von Zuhause ausgezogen. Über ein Jahr lang hatte sie keinen Kontakt zu ihren Eltern, obwohl die nur ein paar Straßen weiter wohnen. Inzwischen spreche sie zwar wieder mit ihnen, doch auf Diskussionen um ihre Femen-Aktionen lasse sie sich nicht ein, sagt Ramadani. „Wenn ich zu Besuch bin und einer fängt an, darüber zu meckern, dann setze ich mich in mein Auto und fahre nach Hause.“ 14

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In der CDU Wilnsdorf, in der sich Ramadani seit mehreren Jahren engagiert, sind ihre Aktionen sehr umstritten. In den sozialen Netzwerken werde sie von männlichen Parteikollegen stark kritisiert, sagt sie. „Aber keiner von denen hat sich jemals getraut, mir die Kritik ins Gesicht zu sagen. Und die Idioten kenne ich persönlich, die treffe ich auf Sitzungen“, fügt sie kopfschüttelnd hinzu. „Wenn die mich bemerken, sind sie weg. So schnell kann man die gar nicht laufen sehen.“ Sie habe von Anfang an versucht, mit dem Thema Femen auch in der Partei offen umzugehen, sagt Ramadani. Manchmal bringe sie zu Sitzungen sogar ausgedruckte Fotos der Femen-Aktionen mit. Sie provoziere ja auch gerne, sagt sie grinsend. „Dann heißt es immer, wir hätten ja Recht“ – die Älteren kommentieren aber auch gerne die Busen-Fotos. Wenn Ramadani anfängt, sich über ihre Parteikollegen aufzuregen, verfällt sie ins Siegerländische. „Isch“, sagt sie dann, und „halbnaggisch“. Es klingt scherzhaft, wenn sie säuselnd den Dialekt der Wilnsdorfer nachmacht, doch bei aller


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Es ist ja nicht so, dass wir unbedingt unsere Brüste zeigen wollen. Es ist nur unser Weg, auf die Themen aufmerksam zu machen.

Die Femen-Aktionen sorgen meist für großes Aufsehen und befeuern die öffentlichen Diskussionen.

Lockerheit merkt man ihr die Frustration trotzdem an, über die „Deppen“, die „Schnösel hoch drei“. Einen Widerspruch sieht Ramadani in ihrem Engagement bei der CDU nicht. „Ich glaube zwar nicht an Gott, aber an die christlichen Werte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit schon. Und die machen für mich das Christentum aus.“

Femen-Bilder bei der Fraktionssitzung Dass sie es mit ihren feministischen Ansichten bei den Grünen oder den Linken leichter hätte, weiß sie. Aber eben diese Machtspielchen in der „Männerpartei CDU“, das „Geklüngel“, wie Ramadani es nennt, sei für sie ein wichtiger Grund für ihr Engagement in der CDU. In Ramadanis vollgepacktem Leben gibt es noch mehr als ihr politisches Engagement. Als Rechtsanwaltsfachangestellte arbeitet sie Vollzeit in einer Kanzlei und studiert nebenbei an der Fernuni Hagen Politikwissenschaften, Verwaltungswissenschaften und Soziologie. Auf dem

linken Handgelenk trägt Ramadani ein Tattoo mit dem Namen ihres Mannes Heiko. Am Anfang sei er skeptisch gewesen. „Er hatte Sorge, dass ich mir zu viel Arbeit mache und nichts erreiche.“ Mittlerweile sehe aber auch er, wie groß die Reaktionen auf die Proteste sind und unterstütze sie. Das Engagement bei Femen habe ihr einen zweiten Full-Time-Job beschert – mindestens. „Eine Aktion dauert maximal eine Viertelstunde, aber die Vor- und Nachbereitung braucht oft Wochen“, berichtet Ramadani. „Nachher steht wochenlang das Telefon nicht still.“ Bisher sei sie bei jeder größeren Femen Deutschland Aktion dabei gewesen, sagt Ramadani. Mit einer Ausnahme. Als im April Wladimir Putin Deutschland besuchte, stürmten die Aktivistinnen die Hannover Messe. Ramadani lag währenddessen Zuhause im Bett. „Lungenentzündung“, sagt sie, „von unserer MoscheeAktion in Berlin.“ Bei winterlichen Temperaturen halbnackt zu protestieren, habe eben auch seine Nachteile. „Ich hät15

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te nicht gedacht, dass Nippel so wehtun können.“ Sie schüttelt sich bei der Erinnerung. „Auf dem Rückweg habe ich mir im Zug die ganze Fahrt lang die Brüste festgehalten“, sagt sie lachend und drückt die Hände an den Oberkörper.

Die Körbchengröße ist vollkommen egal Körperliche Voraussetzungen, um bei Femen mitzumachen, gebe es nicht, sagt Ramadani. „Ob eine Frau schlank ist oder nicht, und welche Körbchengröße sie hat, ist uns völlig egal.“ Oft wird Femen vorgeworfen, dass nur junge, schlanke Frauen bei ihnen protestieren. Den Grund dafür sieht Ramadani aber nicht bei Femen. „Wenn eine Frau sich bei uns engagieren möchte und sieht, wie wir beurteilt und beleidigt werden, wird sie es sich gründlich überlegen, ob sie das wirklich möchte“, sagt die 29-Jährige. „Und wenn sie vielleicht keine Größe 38 trägt oder schon etwas älter ist, ist es wohl nicht verwunderlich, dass sie dadurch abgeschreckt wird“, folgert sie. Dass sie


selbst sich irgendwann zu alt für Femen fühlen könnte, kann sich die junge Frau nicht vorstellen: „Wie ich mich kenne, mache ich das ewig.“ Vor den möglichen Konsequenzen von Femen-Protesten schreckt Ramadani nicht zurück. In Deutschland droht den Frauen keine Gefahr, hier ist ihr Protest eine Form der freien Meinungsäußerung.

Als die Kolleginnen verhaftet wurden, bekam sie nicht frei Das ist nicht überall so. Als Mitte dieses Jahres drei Femen-Aktivistinnen in Tunesien für die Freilassung einer ihrer Mitstreiterinnen demonstrierten, wurden sie verhaftet und knapp einen Monat lang festgehalten. Eine vierte Demonstrantin hätte eigentlich dabei sein sollen – Ramadani. Obwohl ihr Chef ansonsten sehr verständnisvoll sei, habe sie diesmal so spontan keinen Urlaub nehmen können.

Trotz der Risiken: sie würde trotzdem im Ausland protestieren. Auch der CDU will Ramadani in Zukunft treu bleiben. Dass sie sich irgendwann mal auch auf Bundesebene engagieren könnte, schließt sie nicht aus. „Dann könnte ich wirklich etwas an den Problemen ändern, auf die ich mit Femen aufmerksam machen möchte“, sagt Ramadani. Femen aufzugeben sei aber auch dann keine Option für sie. „Wenn man irgendwann in der Partei zu mir sagen würde, ich müsste mich von Femen distanzieren, um weiter zukommen, wäre ich raus aus der CDU. Sofort.“

Das sei jetzt anders. Die meisten ihrer „Seelenschwestern“ wohnen in Berlin oder Hamburg. Sie selbst sei die einzige Femen-Aktivistin, die in NRW wohnt, im ländlichen Wilnsdorf-Wilden. Laut Wikipedia ist der Ortsteil mit 20 000 Einwohnern möglicherweise nach den „wilden Weibern“ benannt, die früher einmal hier Zuhause waren. Ob das stimmt, ist fraglich. Eins jedoch ist sicher: Mit Ramadani wohnt auch heute zumindest noch eine Frau hier, die dem Namen alle Ehre machen will.

Denn Femen ist für Ramadani mehr als nur eine Form des politischen Protests. „Die Frauen sind meine besten Freundinnen, meine Seelenschwestern“, sagt sie. „Vorher habe ich mich oft einsam gefühlt. Ich kannte keine Frauen, die mich wirklich verstanden haben.“

FAKTEN ZU FEMEN Seit 2011 gibt es Femen auch in Deutschland. Hier machten die Frauen besonders beim Finale der letzten Staffel von „Germany‘s Next Topmodel“ auf sich aufmerksam, währenddessen zwei Aktivistinnen die Bühne stürmten.

Femen ist eine feministische Organisation mit Ursprung in der Ukraine. Seit 2008 kämpft sie dort gegen die Diskriminierung von Frauen. Zunächst wurde sie mit dem Slogan „Die Ukraine ist kein Bordell“ bekannt, mit dem die Gruppe gegen Sextourismus protestierte.

Weltweit gibt es inzwischen zahlreiche Ableger der Femen, zum Beispiel in Frankreich, Spanien, Schweden, aber auch in Mexiko und der Türkei. Derzeit engagieren sich in Deutschland zwischen 20 und 30 Frauen aktiv bei Femen.

Die nackten Brüste mit den aufgemalten politischen Statements sind das Markenzeichen der Gruppe. Außerdem tragen die Femen-Frauen oft Blumenkränze im Haar. Passend zu ihrem Motto „My body is my weapon“ ist auch das Logo: ein Buchstabe aus dem Kyrillischen, dessen Form an die weibliche Brust erinnern soll. Ihre Form der Proteste nennen die Aktivistinnen auch „Sextremismus“.

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SAG MAL, PROF Kann man sich jemanden schöntrinken? TEXTREBECCA HAMEISTER FOTOSARAH TOBER

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e später der Abend, desto schöner die Gäste. Und zwar von Schluck zu Schluck. Nach durchzechter Nacht ist schon so manch einer neben jemandem aufgewacht, die er oder sie ohne Alkohol niemals angerührt hätte. Alles nur Ausreden, um die Partnerwahl zu erklären? Oder stimmt es, dass man sich sein Gegenüber schöntrinken kann? „Ja, man kann“, sagt Dr. Matthia Quellmelz. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der TU Dortmund spricht nicht etwa aus eigener Erfahrung – sondern beruft sich auf Ergebnisse einer englischen Studie der Universität Roehampton. In einem Laborversuch tranken die Teilnehmer Alkohol. Und siehe da: „Hatte jemand 0,8 Promille intus, bewertete der schon 25 Prozent der gezeigten Porträtbilder als schöner“, berichtet Quellmelz. Woran das liegt? „Menschen finden Gesichter umso schöner, je symmetrischer diese sind“, sagt Quellmelz. Jener Sinn für Symmetrie leide bei Alkoholgenuss. „Wenn wir Symmetrie nicht mehr wahrnehmen, erkennen wir Menschen eher als schön.“ Interessant: Männer sind für das Phänomen nicht so anfällig wie Frauen. Auch das ergab die englische Studie.

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Sich jemanden schöntrinken klappt bereits nach etwa zweieinhalb Gläsern Wein. „Ich hätte schon gedacht, man braucht mehr Alkohol“, sagt Quellmelz. Sie warnt aber davor, sich die Umwelt „über Gebühr“ schön zu trinken. „Es gilt nicht: je mehr Alkohol, desto attraktiver.“ Mit einem zu hohen Promillewert kann oftmals die Mimik des Gegenübers nicht mehr richtig gedeutet werden. Das hat zur Folge, dass man schon mal jemanden fälschlicherweise als aggressiv einschätzt. Und das kann sich negativ auf das soziale Miteinander auswirken. Schöntrinken kann man sich übrigens nicht nur andere Menschen – sondern auch sich selbst. „In Bezug auf die eigene Person wirkt sogar der Placebo-Effekt“, so Quellmelz. Trinkt jemand gar keinen Alkohol, etwa alkoholfreien Sekt, geht aber davon aus, es zu tun, findet er sich hübscher. „Das hat etwas mit unserer Selbstwahrnehmung und Sozialisierung zu tun“, so die Expertin. Jemand, der Alkohol getrunken hat, gelte nämlich als geselliger und damit attraktiver. „Alkohol stellt in diesem Zusammenhang eine Art soziales Schmiermittel dar.“ Der Placebo-Effekt beim Schöntrinken des Gegenübers ist bisher noch nicht untersucht worden. Quellmelz glaubt aber nicht, dass auch das funktioniert. „Denn das hat etwas mit der visuellen Wahrnehmung zu tun. Und die kann nicht ausgetrickst werden.“ Dr. Matthia Quellmelz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie und arbeitet am Lehrstuhl für Arbeits-, Sozial- und Organisationspsychologie.


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Der Unsichtbare schreiber Akademische Ghostwriter fertigen wissenschaftliche Arbeiten im Namen von Studenten an. Betrug? Nein, sagen die Ghostwriter. Die pflichtlektüre hat einem von ihnen auf die Finger geschaut. TEXTMoritz Mettge FotosSarah Tober

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ür ein paar hundert Euro schreibt sich die Uni-Hausarbeit beinahe von allein – wenn statt des Studenten ein anderer Autor in die Tasten haut. Fällt der Schwindel nicht auf, interessiert es am Ende fast niemanden mehr, dass sich der Arzt durch das Anatomieseminar geschummelt hat und die Strafrechtsarbeit des Anwalts nicht aus seiner Feder stammt. Das Geschäft floriert, genaue Zahlen über das Ausmaß der Branche gibt es zwar nicht, für den Suchbegriff „Ghostwriting-Agentur“ zeigt Google jedoch ein fünfstelliges Trefferergebnis an.

Auch Martina* hat ihre Arbeit von einer ihr unbekannten Person schreiben lassen. Für eine englischsprachige Hausarbeit zahlte sie 230 Euro. 3 000 Wörter, die sie sich sparte und die ihr eine 2,3 bescherten. Würde das Thema nicht diesen faden Beigeschmack mit sich bringen, könnte man von einer Win-win-Situation sprechen. Faulheit war jedenfalls nicht ihr Motiv, sagt Martina, sie habe schlichtweg zu viel zu tun gehabt: „Ich war zu dieser Zeit mit vielen Hausarbeiten beschäftigt, das Modul war Pflicht und oberlangweilig, deswegen habe ich einen Ghostwriter engagiert.“ Ghostwriting klingt nach einem verlockenden Angebot für gestresste Studenten. Im Fall von Ghostwriter Christoph Steven startet meistens alles mit einer neuen Mail in seinem Postfach. „Der Erstkontakt geschieht über meine Webseite oder einen Anruf.“ Alles anonym, 19 job

so wie sich das seine Kunden wünschen. Persönliche Treffen gibt es keine, näher als in einem Telefonat kommen sich der Agenturchef, der seit 1996 seine Textagentur in Duisburg betreibt, und der Kunde nicht. Wollen seine Klienten nicht selbst stundenlang in der Bibliothek sitzen, Literatur suchen, exzerpieren, Thesen aufstellen und schreiben, bleibt ihnen keine andere Wahl, als sich auf den Schreiber mit dem unbekannten Gesicht einzulassen.

Graues T-Shirt, beige Leinenhose Steven ist ein unauffälliger Typ, der sich zurückhaltend kleidet. Ein graues schlabbriges T-Shirt und eine beige Leinenhose bilden das Outfit des 50-jährigen Duisburgers. Er ist ein auskunftsfreudiger Typ, der dennoch seine Worte mit Bedacht wählt und eher die leisen Töne bevorzugt. Und in Sachen Privatsphäre ist er ganz Ghostwriter: Besucher lässt er nur in sein Büro der zweieinhalb Zimmerwohnung süd-westlich der Duisburger Altstadt. Die übrigen Türen sind verschlossen. Sein geschäftlicher Wirkungsbereich beschränkt sich auf etwa 15 Quadratmeter. Wer bei Agentur an Großraumbüro mit Raumtrennern und Neondeckenstrahlern denkt, der wird überrascht. Steven benötigt nur Platz für Bücher und seinen antiken Schreibtisch, an dem schon die ein oder andere Uniarbeit entstanden ist. Auf dem Bildschirm ist ein Google


Book geöffnet, Literatur ist Stevens Ding – privat wie geschäftlich. Die Agentur ist ein 24/7-Job, sagt er. „Auch am Wochenende, zu jeder Zeit“, beschreibt Steven seine von ihm sehr geschätzten flexiblen Arbeitszeiten. Dass Steven selbst die Arbeiten für seine Kunden schreibt, wird immer seltener. „Eine ganze Arbeit hatte ich vor einem Dreivierteljahr das letzte Mal. Manchmal bearbeite ich die Arbeiten noch oder schreibe Einleitung und Fazit. Eine 60-Seiten-Arbeit wäre zeitlich einfach nicht zu schaffen.“ Wegen der starken Auftragslage arbeitet er mit Autoren zusammen. Persönlichen Kontakt zu ihnen hat er genau wie zu seinen Auftraggebern nicht. Autoren mit akademischem Background aus den unterschiedlichsten Spezialgebieten melden sich bei ihm über das Internet. Ob sie seinen Ansprüchen genügen, prüft er anhand von Arbeitsproben. So hat er sich mit der Zeit ein Netzwerk aus mehreren Schreibern aufgebaut. Je nach Fachbereich kann er dann immer den passenden Ghostwriter aus seinem Pool herauspicken. Steven erzählt all das ganz selbstverständlich. Für ihn stellt seine Arbeit keinen Betrug da. Doch seine Körpersprache deutet darauf hin, dass ihm womöglich doch nicht ganz wohl bei seinen Recht-

fertigungen ist. Mit verschränkten Armen sitzt er auf seinem Drehstuhl. Häufig schwenkt der Blick ab Richtung Tapete. Mit sich im Reinen ist er trotz alledem: „Das ist ja erst einmal nur eine Unterstützung. Man hat zwar eine fertige Arbeit, aber es ist immer die Vorgabe, dass man das nicht 1:1 abgeben darf. Von daher gibt es ja hier keine Beihilfe zum Betrug, denn es ist ja nicht so, dass die Leute ermuntert werden, sich etwas zu erschleichen und die Arbeiten absolut identisch abzugeben.” Was nach der Übergabe der Arbeiten von den Studierenden damit

Seminararbeiten mit zehn bis 15 Seiten Umfang. „Die Selbstständigkeit hat 1996 ganz klein angefangen mit einzelnen Lektoraten. Da habe ich noch Aushänge an schwarzen Brettern gemacht. 1998 hat sich das Ghostwriting dann langsam entwickelt”, beschreibt er die Anfänge.

Restrisiko für Kunden: Plagiat

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Falls etwas schief geht, drohen aktuell nur Konsequenzen für die Kunden der Ghostwriter, wie Martina. Allerdings sind deren Risiken gering. Kommen die Arbeiten von den Autoren zu Steven, werden sie, so Steven, „mit ähnlicher Software auf Plagiate überprüft, die auch die Hochschulen nutzen“. Ein Restrisiko bleibt für Martina aber immer bestehen. Bislang ist bei ihr mit ihrer fremdverfassten Anglistik-Arbeit alles gut gegangen, aber jetzt, wo sie sich noch einmal mit dem Thema auseinandergesetzt hat, steigt ihre Angst. Vorher hatte sie sich nur wenig Gedanken darüber gemacht.

gemacht wird, liegt nicht mehr in seinem Verantwortungsbereich.

Mit welcher Strafe sie rechnen müsste, ist schwer zu sagen. Dies wird von Universität zu Universität unterschiedlich gehandelt, auch hat jeder Professor seine eigene Marschroute. Im glimpflichsten Fall erhält der Erwischte eine Verwarnung, oder die Arbeit wird nicht gewer-

Es ist Vorgabe, dass man das nicht eins zu eins abgeben darf.

Steven, der selbst einen Magister hat, schreibt am liebsten umfangreiche Diplomarbeiten. Die werden aber nicht so häufig in Auftrag gegeben wie kleinere 20 job


tet und kann noch einmal geschrieben werden. Ein Plagiat kann allerdings auch zum Ausschluss aus dem Studiengang führen. Über den Ausschluss hinaus werden jedoch nur in seltenen Fällen härtere Strafen wie Geldbußen ausgesprochen. Zu einem Strafverfahren kommt es nach heutigem Stand nicht. Steven versichert seinen Kunden, dass die Arbeiten das Mindestmaß sorgfältiger wissenschaftlicher Arbeit erfüllen und sie damit mindestens bestehen. Zukünftig könnte es allerdings auch für Autoren wie Steven gefährlich werden. Der Deutsche Hochschulverband will Geisterschreiber vor Gericht ziehen. Bereits im Juli 2012 ging der Verband mit diesem Vorhaben an die Öffentlichkeit, passiert ist seitdem nichts. „In der Tat hat der Deutsche Hochschulverband 2012 vorgeschlagen, einen Straftatbestand ‚Wissenschaftsbetrug’ in das Strafgesetzbuch einzufügen“, erklärt Felix Grigat, Sprecher des Hochschulverbandes. „Demnach sollte, wer eine Qualifikationsarbeit, die der Erlangung des akademischen Grades oder eines akademischen Titels, dient, für einen Dritten verfasst, mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden können.“ Jedoch erteilte Bundesjustizministerin Sabine Leut-

heusser-Schnarrenberger, nach Aussagen Grigats, dem Vorschlag des Verbands eine Absage. Die Schaffung dieses Straftatbestandes sei ihrer Ansicht „zur Zeit nicht weiterführen. Grigat macht deutlich, dass der Deutsche Hochschulverband die Initiative nach wie vor für richtig halte,

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Junge Leute sind mit den Arbeiten sehr oft überfordert.

aber mittelfristig keine Möglichkeit zur Durchsetzung sehe. Auch die Kunden der Fremdschreiber will der Verband bestrafen. Geldstrafen sowie eine bis zu zweijährige Haftstrafe auf Bewährung sollen nach Meinung des Verbandes die Sanktionen für die Klienten sein. Schreibwütige Wissenscracks können aktuell mit Ghostwriting noch ungestraft Geld verdienen. Pro Seite nehmen Ghostwriter wie Steven von den jungen Kunden etwa zwischen 30 und 40 Euro. Da in den deutschen Gesetzbüchern zum

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Thema Wissenschaftsbetrug noch immer nichts Konkretes steht, verhalten sich Studierende wie Fremd-Autoren legal. So können auch weiterhin Studierende straffrei in der eidesstattlichen Versicherung angeben, ohne fremde Hilfe gearbeitet zu haben, selbst wenn sie die Arbeit gar nicht selbst formuliert haben.

Zu Stevens Kunden gehören auch Ärzte Steven hat so gut wie alle Fachbereiche in seinem Repertoire, doch 80 Prozent seiner Klienten kommen aus den Fachbereichen der Wirtschafts- und Rechtswissenschaft. Die meisten Mogler sind also Juristen oder die Konzern-Chefs von morgen. Aber auch medizinische Ausarbeitungen sind bei Steven möglich. Ärzte und Chirurgen könnten ehemalige Kunden von Steven sein. Er sieht hier allerdings keine Kontroverse. „MedizinStudenten haben Arbeiten, die meistens relativ unspektakulär sind. Da hat man eine neue Krankheit und die soll dann dargestellt werden. Ich habe das Gefühl, dass diese Form der Arbeit nicht viel mit der eigentlichen Arbeit des Arztes zu tun hat.” Steven glaubt, dass die jungen Leute an den Universitäten mit Hausund Seminararbeiten oftmals überfordert sind. Somit sieht er die Schuld auch in kleinen Teilen bei den Universitäten, die


die Studienanfänger seiner Meinung nur unzureichend vorbereiten. Abgelehnt hat er bislang noch keinen Auftrag. Es komme sogar vor, dass sich unter seinen Klienten Wiederholungstäter befinden. Dass jemand sich bei ihm durch sein ganzes Studium gemogelt habe, sei allerdings noch nicht vorgekommen. Für Martina soll es sowieso bei der einmaligen Erfahrung mit einem Geisterschreiber bleiben. Rückblickend ist ihr das Spiel mit dem akademischen Feuer trotz geringer Risiken doch zu heiß. *Name von der Redaktion geändert

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rent a santa Weißer Rauschebart, roter Mantel, ein großer Sack voller Geschenke: Alle Jahre wieder verwandelt sich BWL-Student Robert Czech in den Weihnachtsmann. Firmenfeiern, Weihnachtsmärkte und festlich dekorierte Wohnzimmer sind seine Bühne. TEXT & FoToJULia SChiNDLer

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enn die Tage kürzer und die Nächte länger werden und der Schnee sich wie eine weiße Decke über die Straßen legt, wenn es in den Städten nach Glühwein und Lebkuchen duftet, dann nimmt Robert Czech seine Verwandlung vor. Ausgestattet mit Kostüm, Glocke und seinem goldenen Buch, besucht der 24-jährige Student aus Köln Adventsfeiern in ganz NordrheinWestfalen. Robert arbeitet als freiberuflicher Weihnachtsmann. Seit vier Jahren ist Robert bereits in der Branche aktiv. Mittlerweile reicht sein Bekanntheitsgrad in der Region so weit, dass er ohne Vermittlungsagentur arbeiten kann. Er bekommt entweder direkte Anfragen von Kunden oder Aufträge von befreundeten Weihnachtsmännern, die diese selbst nicht wahrnehmen können. Für einen dreißig- bis vierzigminütigen Auftritt bei einer Familie verdient der Student zwischen 65 und 80 Euro. Gewerbliche Aufritte fangen bei 125 Euro an. Ob sich der Preis für die Eltern lohnt, hängt von der Reaktion der Kinder ab. „Aber die meisten sind offen und zutraulich und freuen sich, dass ich komme“, sagt Robert. „Einige wenige machen sich lustig und versuchen mir meinen Bart abzureißen, andere wiederum sind eingeschüchtert und weinen.“ Die Angst vor dem Weihnachtsmann hat laut Robert zwei Gründe. „Sie kann meiner Körpergröße von über zwei Metern geschuldet sein oder dem goldenen Buch.“ Vor seinem Auftritt bekommt Robert immer Details über positive und

negative Eigenschaften der Kinder, die er besucht. Diese trägt er in das goldene Buch ein. Bevor die Bescherung beginnt, müssen die Kinder also erst einmal artig zuhören, was im vergangenen Jahr gut und was schlecht gelaufen ist. An seine Anfänge als Weihnachtsmann kann sich Robert noch sehr gut erinnern. „Mit der Rolle musste ich mich erst einmal vertraut machen“, sagt er. Bevor Robert seine erste Buchung hatte, nahm er an einer Schulung für Weihnachtsmänner teil. Und was lernt man dort so? „Unter anderem, dass ein wahrer Weihnachtsmann nicht ,ho ho ho’ sagt“, erzählt er und lacht. Pro Saison hat Robert mittlerweile zirka zwanzig Auftritte. Dazu gehören neben den traditionellen Weihnachtsfeiern auch Discobesuche und Junggesellenabschiede. Roberts persönliches Highlight war der Besuch bei einer Familie eines Fußballprofis vom BVB. „Ich konnte es nicht glauben, als die Tür von meinem absoluten Lieblingsspieler geöffnet wurde. Ich war ahnungslos, da er mich unter einem anderen Namen gebucht hatte. Es war toll, mit seiner Familie einen kurzen Weihnachtsmoment zu erleben“,

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schwärmt Robert. Um welchen Spieler es sich handelt, darf er leider nicht sagen. Neben diesem besonderen Ereignis erinnert sich Robert an einen weiteren schönen Moment. Es war ein Auftritt in einem Kölner Hochhaus. Mit Blick über die ganze Stadt verteilte Robert Geschenke an Kinder aus über zwanzig Nationen. Alle Kinder sprachen unterschiedliche Sprachen, doch die Freude über den Weihnachtsmann hatten alle Kinder gemein. Oh, du fröhliche Weihnachtszeit.


vater aus dem becher Chris spendet Samen. Dafür bekommt er jedes Mal 100 Euro. Doch das Geld ist für ihn nicht wichtig, denn Chris spendet aus Überzeugung: Er möchte helfen, Kinderwünsche zu erfüllen. TEXTclaudia Brade FotosTHOMAS BORGBÖHMER mitarbeitmOritz mettge

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ntspannt sitzt Chris* in der kleinen Cafeteria und schenkt sich ein Glas stilles Mineralwasser ein. Er nimmt einen Schluck und lehnt sich zurück. Vor weniger als 30 Minuten hat er im selben Gebäude, zwei Stockwerke höher, Samen gespendet. Für ihn mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. „Ich hatte schon immer einen Kinderwunsch in mir, wahrscheinlich liegt einem das in den Genen“, erzählt er. Der 36-Jährige ist seit acht Jahren Samenspender. Kinder hat er mittlerweile „einige“, wie er sagt. Die genaue Zahl weiß er nicht. „Das Schöne ist, wenn man alt ist, hat man mehr Kinder als je-

der mit einem Harem oder jeder Pharao.“ Er grinst. Blond, blauäugig, 1,80 Meter groß. So steht es wahrscheinlich auch in seiner Spenderakte.

Sperma gegen Geld Ein Geschäftsmodell? Seine Beweggründe, Samen zu spenden, sind – wie Chris sagt – uneigennützig: „Ich möchte Paaren, die keine Kinder bekommen können, dabei helfen, ihren Kinderwunsch umzusetzen. Ein Kinderwunsch ist ein Lebenswunsch. Das sind ganze Lebenskonzepte, die daran hängen.“ Er sagt, er habe großes Ver25 job

ständnis für Paare, die keine eigenen Kinder bekommen können, vor allem seit er selbst auf natürlichem Wege Vater geworden sei. Sein Kind lebt zurzeit jedoch größtenteils bei seiner Ex-Frau. Dennoch: „Dadurch, dass man das eigene Kind schon einige Jahre aufgezogen hat, ist das Verständnis für diese Menschen größer geworden. Ich fühle mehr mit diesen Leuten mit.“ Einmal im Monat spendet der angehende Student der Sozialwissenschaften Samen. Dafür bekommt er jeweils 100 Euro. Das Geld ist aber lange nicht so leicht verdient, wie es klingt. Ein ausführli-


>> Professor Katzorke, Leiter des Reproduktionszentrums in Essen.

ches Vorgespräch, regelmäßige Bluttests und Urinproben, ein Spermiogramm und weitere Gesundheitschecks gehören dazu. Hinzu kommt die Verantwortung, die man übernimmt und der man sich bewusst sein sollte. Viele Samenbanken legen außerdem Wert darauf, langjährige Spender zu haben. Das einmalige schnelle Geld ist also kaum möglich. Laut Professor Thomas Katzorke, ärztlicher Leiter der privaten Einrichtung „Novum-Zentrum für Reproduktionsmedizin“ in Essen, sind studentische Spender in seiner Praxis in der Mehrzahl. „Weil sie den Drang haben, nebenher etwas zu verdienen. Obwohl es ja kein Nebenverdienst ist, sondern eher eine Aufwandsentschädigung“, sagt Katzorke. Zudem nehme die Praxis gerne Medizinstudenten, weil diese gut Auskunft über ihre Gesundheit und Vorgeschichte geben könnten. Die Einstellung mancher Studenten, mit Spermaspenden Geld zu verdienen, bemängelt Stina Anders*. Sie setzt sich gemeinsam mit dem Verein „Spenderkinder“ für die Rechte von durch Samenbanken gezeugte Kinder ein. Der Verein schätzt die Zahl der Spenderkinder in Deutschland auf 100 000. Stina, selbst ein Spenderkind, wünscht sich vor allem Samengeber wie Chris. Männer,

deren Motivation nicht im Finanziellen liegt, sondern weil sie Paaren helfen wollen. Daher ist sie, wie auch der Verein „Spenderkinder“, für eine Senkung der Aufwandsentschädigung. „Samenbanken bauen auf dieses Geschäftsmodell, aber sie sollten dies überdenken. Wenn sie davon abrücken würden, würde es immer noch genug Menschen geben, die aus Überzeugung helfen wollen, vergleichsweise ältere Männer ab 26 Jahren, die auch eine gute Spermienqualität besitzen“, ist Stina überzeugt. Solche Männer seien eventuell weniger auf das Geld angewiesen als Studenten und würden deswegen verantwortungsbewusster mit dem Thema umgehen.

26 Jahre lang mit einer Lüge gelebt Chris ist sich über die Auswirkungen seiner Spenden im Klaren: „Das ist ja nicht mal eben so hingehen, spenden und 100 Euro kriegen. Da entstehen vollwertige Lebewesen, die 50 Prozent deiner Gene haben und die später ins Leben rausgehen werden, lachen und weinen und was bewirken werden.“ Er gibt zu, dass auch er erst dieses Verantwortungsbewusstsein erlernen musste. „Ich habe meine Priorität früher auf Reisen gesetzt und war viel unterwegs. Dabei hatte ich immer einen Kinderwunsch in mir, aber auf Reisen wäre es verantwortungslos gewesen, eige26 job

Studentische Spender sind in der Mehrzahl, weil sie den Drang haben, nebenher etwas zu verdienen.

ne Kinder zu bekommen“, erzählt Chris. Wieder in Deutschland informierte er sich dann im Internet über Samenspenden. Das Geld, das er mit seinen Spenden verdient, war dabei von Anfang an zweitrangig für ihn. „Es ist ein positiver Nebeneffekt, aber wichtiger ist für mich, dass ich helfe, Lebensträume zu verwirklichen.“ Seine Beweggründe klingen edel und scheinen das zu sein, was Stina sich für mehr Spenderväter wünschen würde. Fakt ist aber auch: Chris hat keine Ausbildung, kein Studium, keinen festen Job. Sein Geld verdiente er auf Reisen. Wer legt fest, was einen Vorzeigevater ausmacht? Stina erfuhr erst mit 26 Jahren von ihren Eltern, dass ihr biologischer Vater ein Samenspender ist. Für sie war es ein Schock: „Die erste Woche nach dieser Enthüllung ging es mir so schlecht wie noch nie in meinem Leben. Insbesondere die Tatsache, dass meine Eltern mich 26 Jahre mit einer Lüge haben aufwachsen lassen, war furchtbar.“ Gemeinsam mit anderen Betroffenen gründete sie 2009 den Verein „Spenderkinder“. Er bietet diesen nicht nur die Möglichkeit zum Austausch, sondern versucht auch, Kontakte zu eventuellen Halbgeschwistern und Vätern herzustellen. Zudem setzen seine Mitglieder sich dafür ein, Spenderkinder bereits früh über ihre Herkunft aufzu-


Nummern statt Namen im Kalender: Für die Helferinnen sind die Spender nur eine Zahl.

klären. „Unsere Erfahrung ist, dass eine frühzeitige Aufklärung eher von Vorteil ist. Kinder gehen sehr locker mit dem Thema um, das ist nur für Erwachsene ein Tabu. Kinder empfinden das nicht als etwas Negatives“, sagt Stina. Gerade ist Stina selbst schwanger und erwartet ihr erstes Kind. Ihre eigene Schwangerschaft hat auch Auswirkungen auf ihre Sichtweise: „Es hat mein Unverständnis für meine Eltern eher vertieft. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, mein Kind von Anfang an an-

zulügen“, schreibt sie auf der Internetseite des Vereins. Dass sie bald Mutter wird, verstärke zudem ihren Wunsch herauszufinden, wer ihr leiblicher Vater ist.

Nur gegenüber den Eltern ist der Spender anonym Da Stina erst so spät von ihrer Herkunft erfuhr, hat sie heute keinerlei Anhaltspunkte für ihren genetischen Vater. „Die Unterlagen wurden schon 1989 vernichtet. Da war ich zehn Jahre alt“, sagt sie. Ein Auskunftsersuchen an den Arzt, bei

dem Stinas Eltern die Behandlung damals durchführen ließen, blieb erfolglos. „Aber ich gebe die Hoffnung niemals auf, dass der Arzt von damals vielleicht sein Gewissen wiederentdeckt und mir den Namen des Spenders preisgibt.“ Die scheinbare Anonymität der Männer stellt für Stina eines der Hauptprobleme der Samenspende dar. Die 33-Jährige ist dafür, diese Regelung komplett abzuschaffen. Grundsätzlich kann dem Spender rechtlich nur bezüglich der Eltern Anonymität zugesichert werden,

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Das Geld ist ein positiver Nebeneffekt. Wichtiger ist für mich, dass ich helfe, Lebensträume zu verwirklichen.

Gedimmtes Licht, Männermagazine, Pornokino: Es ist angerichtet.

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nicht aber gegenüber den Kindern. Diese haben das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und damit das Recht, den Namen ihres biologischen Vaters zu erfahren. Stina ist der Meinung: „Es sollte doch so sein, dass man Kinder zeugt, um etwas Gutes zu tun. Nämlich um Paaren zu helfen, bei denen der Mann unfruchtbar ist. Ich wüsste nicht, wieso das zur sozialen Ablehnung führen sollte, wenn es ohne den anonymen Deckmantel betrieben werden würde.“ Nicht immer haben jedoch auch die Samenspender Interesse daran, ihren Kindern zu begegnen. Chris sieht das nicht so, er würde sich späteren Kontakt zu seinen Kindern wünschen. „Also ich freue mich, wenn später meine Kinder auf mich zukommen. Es interessiert mich, wie sie sind und was für Charaktereigenschaften sie haben.“

Ein Spenderkind? Nicht für mich! Mit seiner Tätigkeit als Samenspender geht Chris bei seiner Familie und im Freundeskreis nur bedingt offen um. „Bei meinem eigenen Kind werde ich später kein Geheimnis daraus machen. Meine Familie und Freunde wissen es aber nicht. Nur meiner Mutter habe ich es vor zwei Jahren erzählt, damit sie Bescheid weiß, falls mir mal etwas zustoßen sollte und auf einmal ein Kind vor ihrer Tür steht.“ Seiner letzten Partnerin hatte er es ebenfalls erzählt, seine Ex-Frau und Mutter seines Kindes weiß es bis heute nicht. „Ich finde, das ist ein Thema, das nicht jeden etwas angeht“, sagt er.

So stünden zum Beispiel indische und pakistanische Paare auf der Warteliste. „Es wird eine Typangleichung durchgeführt und die sollte stimmen.“ Meistens orientiert man sich dabei am Aussehen des Vaters, um einen passenden Spender herauszufinden. „Wir haben vor einiger Zeit einen Chinesen gesucht und den haben wir schließlich in Aachen gefunden, weil da viele Chinesen Maschinenbau studieren“, so Katzorke. Für die regelmäßigen Spenden achtet Chris sehr auf seinen Lebensstil, raucht nicht, trinkt keinen Alkohol, isst nur wenig Fleisch und ausschließlich BioProdukte. „Zwingend für die Spenden ist das nicht, aber bestimmt vorteilhaft“, sagt er. Er ist überzeugt, dass eine gesunde Lebensweise förderlich für die Spermienqualität ist. Obwohl er mittlerweile ein eigenes Kind hat und sein Wunsch, selbst Vater zu werden, damit erfüllt ist, ist er bei der Samenspende geblieben und möchte so lange weitermachen, wie es geht. „Ich denke, bis 45 werde ich spenden können. Normalerweise liegt die Grenze bei 40 Jahren.“ Trotz allem kann er sich eines überhaupt nicht vorstellen: „Ich persönlich könnte nicht damit umgehen, ein fremdes Kind von einem Samenspender zu haben.“

Sein blonder Typ ist als Spender in Deutschland sehr gefragt. Je nach Herkunft und damit Aussehen der Eltern ist es jedoch nicht immer einfach, einen passenden Samengeber zu finden. „Wir suchen auch Männer mit Migrationshintergrund, weil wir entsprechende Paare haben“, sagt Professor Thomas Katzorke. *Name von der Redaktion geändert

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Alter, ist der jung Deutschlands Erstis werden immer jünger. 37 Minderjährige tummeln sich inzwischen in den Hörsälen der TU Dortmund. Voll normal, findet Felix, der mit 15 Jahren der Jüngste aller Studenten ist. Doch was denken höhere Semester und Dozenten über diese Studierenden? TEXTMaria Segat & Julia Schroer FotosSarah tober

Felix Schneider, 15, Maschinenbaustudent im ersten Semester:

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ie das ist mit Abstand der Jüngste zu sein? Voll normal – und anders kenne ich es auch nicht: Mit fünf wurde ich eingeschult, die dritte und achte Klasse habe ich übersprungen und dass ich nach dem Abi studiere, war schon immer mein Plan. Viele andere Optionen gab es für mich nicht. „Work and Travel“-Programme sind für Minderjährige schwierig zu organisieren und ein 15-jähriges Aupair habe ich zum Beispiel auch noch nie gesehen. Außerdem habe ich sogar schon in der Schulzeit Unierfahrungen sammeln können. Während der zwölften Klasse habe ich beim Projekt „Schüler-Uni“ mitgemacht. Da habe ich neben der Schule

Chemie-Vorlesungen besucht und auch einige Klausuren mitgeschrieben, die ich mir jetzt teilweise sogar anrechnen lassen kann. Das ganze organisatorische Chaos rund um das EWS und die Prüfungsanmeldungen kannte ich also, sodass meine ersten Uni-Wochen bisher sehr entspannt waren. Für Außenstehende mag es komisch sein, dass ich jetzt schon studiere. Mir fällt es hingegen kaum auf, dass die meisten meiner Kommilitonen wesentlich älter sind. Ich bin schon immer nur mit Älteren zusammen gewesen. Studieren hat für mich auch nichts mit dem Alter zu tun. Wie jung oder alt meine Kommilitonen sind, ist mir schnuppe. Die Dozenten interessiert das im Übrigen auch nicht. 30

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Ich bin mir gar nicht sicher, ob es ihnen überhaupt auffällt, dass jetzt mehr jüngere Studenten an der Uni sind. Bisher habe ich eigentlich nur positive Erfahrungen gemacht. Die meisten, mit denen ich über mein Studium spreche, sind nur erstaunt und neugierig, warum ich in dem Alter schon auf dem Campus unterwegs bin. Einige Sachen nerven mich aber doch: Von zu Hause ausziehen, Auto fahren, Alkohol kaufen – all das, was man eben als Student so macht, geht bei mir zurzeit einfach noch nicht. Es gibt eben ein paar Dinge, für die ich zu jung bin. Aber ich versuche, mich so gut es geht damit zu arrangieren und mache alles mit, was geht.


Karina Strübbe, 25, Dozentin für Politikwissenschaften:

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enn ich zum ersten Mal auf die Teilnehmerliste meines Seminars gucke, bin ich immer ganz froh, wenn die Studenten jünger sind als ich. Ich bin erst seit Kurzem Dozentin und mit meinen 25 Jahren passiert es oft, dass die Studenten älter sind als ich. Dass es inzwischen viele junge Studenten gibt, finde ich erst mal nicht problematisch – es ist ja eher die Reife, die entscheidet. Schließlich gibt es auch 25-Jährige, die viel unreifer sind als manch ein Teenager. Aber wenn Erstsemester an die Uni kommen, ohne dass sie vorher gelernt haben, selbständig zu arbeiten und sich zu organisieren, wird es natürlich kritisch. Stichwort: Helikopter-Eltern, die überfürsorglich am liebsten auch den Unistart der Kinder überwachen möchten. Viele meiner Kol-

legen hatten schon aufgebrachte Eltern in ihren Sprechstunden sitzen, die über die Noten ihrer Sprösslinge diskutieren wollten. Davon bin ich zum Glück bisher verschont geblieben. Von den Erstis selbst bin ich positiv überrascht, die meisten sind im Seminar sehr aktiv und diskussionsfreudig, sie lassen sich auch von der Anwesenheit älterer Studenten

nicht einschüchtern. Das wäre bei mir ganz anders gewesen. Für mich wäre gar nicht in Frage gekommen, schon mit 17 zu studieren. Ich hätte noch nicht gewusst, welches Fach ich überhaupt studieren will, geschweige denn das nötige Selbstbewusstsein gehabt. Ich wäre lieber gestorben, als mich in einem vollen Seminar zu Wort zu melden.

Lester Kortmann, 23, studiert Physik im fünften Semester:

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ei uns in der Physik gibt es jetzt ganz viele junge Studenten, daneben fühle ich mich schon fast wie ein Opa. In den großen Vorlesungen merkt man natürlich keinen Unterschied zu vorher, da fallen auch die ganz jungen Kommilitonen kaum auf. Aber ich wundere mich schon darüber, dass sie hier klarkommen. Ich selbst wäre in dem Alter total überfordert gewesen. Ich hatte zwar schon den Physik-Leistungskurs in der Schule, wusste damals aber noch gar nicht, was ich studieren möchte. Nach dem Abi habe ich erst einmal eine Weltreise gemacht – währenddessen ist mir klar geworden, was ich eigentlich machen will. Wenn man nicht gerade zu den Menschen gehört, die schon von klein auf wissen, dass sie Lehrer oder Arzt werden wollen, ist es nicht unbedingt ein Vorteil, früher an die Uni zu gehen.

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DANN HALT NACH PÉCS Eine fremde Sprache, Umzug in eine andere Kultur und die Familie nur noch an Weihnachten besuchen. Herausforderungen, denen sich Studenten mit weniger gutem Abischnitt wohl oder übel stellen müssen, um ihr Wunschstudium absolvieren zu können. @ SIMONSCHMITZ.NET TEXTNAIMA FISCHER ILLUSTRATIONSIMON SCHMITZ | HELLO

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eine Zulassungsbeschränkungen, kein Bangen um den Studienplatz. Universitäten im Ausland locken mit dem paradiesischen Zugang ohne Numerus-Clausus-Verfahren. Doch anscheinend ist nicht alles Gold, was glänzt. „Ich hatte einen NC von 1,9. Nicht schlecht, aber leider zu niedrig, um in Deutschland Psychologie zu studieren. Ich habe mich bei einigen deutschen Unis beworben und von allen habe ich eine Absage bekommen“, erzählt Katrin Sommer*. Katrin ist nicht die einzige Studentin in Deutschland, die mit den hohen Numerus-Clausus-Anforderungen kämpfen muss. Natürlich kann man auch mit einem NC, der unter der angegebenen Grenze liegt, einen Studienplatz ergattern. Doch diese Chance ist gesunken, da auch die Zahl der zulassungsfreien Studiengänge in Deutschland in den letzten Jahren weniger wurde. Schon zum Wintersemester 2011/2012 wurden die Zulassungsbedingungen gestrafft. Die Universität DuisburgEssen bietet mittlerweile lediglich sechs zulassungsfreie Studiengänge an – von insgesamt 117. In Köln sind es fünf von 140. Durch die Verkürzung der Schulzeit von 13 auf zwölf Jahre gibt es laut einer Umfrage der Deutschen Presseagentur zehnmal mehr Bewerber als Studienplätze.

Die Universitäten können den Andrang der Abiturienten nicht auffangen und müssen die Anzahl der Studienplätze beschränken, um die Bewerber stärker zu filtern, erklären einige Universitäten auf ihren Webseiten. Als Folge wurde der Numerus Clausus nach oben gesetzt. Wer diesen nicht erfüllen kann, braucht eine Alternative: das Studium im Ausland. So studierten 2009 in den Niederlanden fast 21 000 Deutsche. Nur Österreich ist noch beliebter unter den Studenten. 27 000 Deutsche zog es 2009 ins Nachbarland. Gerade Medizinstudiengänge sind laut des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) im Ausland umkämpft. Grund dafür ist der hohe Numerus Clausus, der meist zwischen 1,0 und 1,2 liegt. „In Deutschland ist es momentan besonders schwierig, einen Studienplatz für Zahnmedizin zu bekommen. Das liegt an der Vielzahl der Bewerber und am NC der bei 1,2 angekommen ist“, erklärt Mirjam Schulte*, die sich an fünf deutschen Universitäten und im Ausland beworben hat. Nur aus Ungarn trudelte eine Zusage ein. Dort sei kein NC nötig. Ausschlaggebend seien eher ein naturwissenschaftlicher Schwerpunkt während des Abiturs oder absolvierte Praktika sowie eine Ausbildung. Eine Kommission bewertet die Abiturdurchschnittsnote, Kennt32

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nisse in den Naturwissenschaften und die persönliche Motivation, sowie erste praktische Erfahrungen im Gesundheitswesen. Sprachliche Probleme würde es keine geben: „Das gesamte Studium findet für die deutschen Studenten auf Deutsch statt“, erzählt Mirjam. Obwohl sie lieber in ihrer Heimat geblieben wäre, zog sie zum Semesterstart nach Pécs nahe der kroatischen Grenze, wo auch ihr Bruder studiert. Dieser Kontakt habe ihr die Eingewöhnung erleichtert: „Anfangs fiel es mir schwer, mit dem Lerntempo mitzuhalten.“

Großer Andrang auf dem Wohnungsmarkt Katrin Sommer studiert seit zwei Semestern Psychologie in den Niederlanden. Unter den Bewerbern gehörte sie mit ihrem NC nicht zu den Besten. Oftmals liegt die Beschränkung zwischen 1,2 und 1,7. Beim Vergabeverfahren der University of Groningen habe der Abi-Schnitt aber keine Rolle gespielt: „Man musste zuvor einen vierstündigen Test absolvieren und hat dann einen bestimmten Platz auf der Ranking-Liste zugewiesen bekommen. Dann wurde zusätzlich noch gelost“, erinnert sie sich. Statt eines NCs gibt es in den Niederlanden den Numerus Fixus und zusätzlich ein Lossystem. Im Juni letzten Jahres kam Katrin Sommers Zusage, der große Umzug stand bevor. Eine Wohnung fand sie erst spät. Da es viele Studenten in die Niederlande zieht, ist der Andrang auf dem Wohnungsmarkt enorm. Mieten schnellen in die Höhe, die Wohnbedingungen sind schlecht. „Das Haus, in dem ich damals wohnte, fiel halb auseinander und die


Küche war unglaublich dreckig und ekelhaft“, beschreibt sie ihre erste eigene Bleibe. Damals sei alles über einen Makler gelaufen, die Studenten konnten sich nicht aussuchen, mit wem sie zusammen leben wollten. Katrins Freundin Maren Heckel hatte mehr Glück bei der Wohnungssuche. Sie hat ein kleines Zimmer in einem Haus, zusammen mit drei anderen Studenten. Sie studiert ebenfalls in Groningen Psychologie, zog extra aus Fröndenberg in die Niederlande. Auch ihr fehlten die Voraussetzungen für ein Psychologiestudium in Deutschland. „Es fühlt sich nicht immer wirklich nach Ausland an, da ich mit vielen Deutschen, den sogenannten NC-Flüchtlingen, studiere und auch noch wohne“, sagt sie. Dadurch fiele es ihr schwer, sich zu integrieren und die Sprache zu lernen. In manchen Ländern machen die einheimischen Studenten es den NC-Flüchtlingen schwer, sich wohl zu fühlen. Durch die große Zahl deutscher Hochschüler sind die Veranstaltungen überlaufen, berichtet der DAAD. In Österreich werden Proteste gegen die Zugezogenen immer lauter. Eine Österreicherin schreibt unter ihrem Nicknamen „Eja“ im WorldofPlay-

ers-Forum: „Hier in Tirol kann man die medizinischen Studiengänge komplett vergessen. Die sind von den NumerusClausus-Flüchtlingen überlaufen. Ich habe mir das Psychologiestudium aus dem Kopf geschlagen, weil ich keine Lust auf die ständige Verlosung der Veranstaltungsplätze hatte. Da weiß man ja nie, wie lange man schlussendlich für das Studium braucht.“

Ein Auslandsstudium ist eine Persönlichkeitsfrage Der Studiengang von Katrin Sommer und Maren Heckel wird in Englisch unterrichtet. „Ich versuche, so oft wie möglich Niederländisch zu sprechen. Ich finde, man sollte diese Sprache schon zu einem gewissen Grad sprechen. Allerdings fühlt man sich ein wenig wie ein Außenseiter. Das nagt an mir“, gibt Katrin offen zu. Heimweh hat sie nicht. Nur einmal in zwei Monaten besucht sie ihre Familie. Für lange Besuche fehlt ihr die Zeit. Jeden Tag muss Katrin zur Universität, hat Mentorengruppen oder andere Veranstaltungen. Oftmals muss sie viel lesen, um den Stoff nachzubereiten. „Wenn man ins Ausland geht, ist man erst ein unbeschriebenes Blatt, aber

schon nach kurzer Zeit hat man ein Handy, eine Wohnung und einen neuen Freundeskreis. Man lebt sein Leben”, beschreibt Sebastian Horndasch, Studienberater und Autor von „Bachelor nach Plan” und „Master nach Plan”, die ersten Erfahrungen im Ausland. Er selbst habe viel im Ausland studiert und gearbeitet und davon unglaublich profitiert. „Es ist der Wahnsinn, was man kulturell lernt“, berichtet er. Ein Studium im Ausland habe zahlreiche Vorteile, sagt er. „In den Niederlanden haben die Hochschulen richtige pädagogische Konzepte. Man bekommt eine gute Ausbildung. Die Hoogeschool (in Deutsch Hochschule) ist praktisch ausgerichtet. In Deutschland ist das nicht so sehr der Fall”, erklärt der Studienberater. In den Niederlanden können Hochschulabschlüsse in Bereichen gemacht werden, in denen in Deutschland größtenteils nur eine praktische Ausbildung möglich sei. Eines der besten Beispiele sei die Physiotherapie. Laut Sebastian Horndasch finde dieses Konzept aus den Niederlanden einen guten Kompromiss zwischen Theorie und Praxis. Trotzdem empfiehlt er nicht jedem Bewerber ein Studium im Ausland. Das sei immer eine Persönlichkeitsfrage. Es käme oft darauf an, wie sehr man mit


der Familie verbunden sei und ob man schnell Heimweh bekomme. Nachteil an dem Studium im Ausland seien die hohen Studiengebühren, sagt Horndasch. 1771 Euro müssten Studenten in den Niederlanden pro Jahr hinblättern. Für Sebastian Horndasch ist das Streben nach der Elite und der Exzellenz ein weiterer Grund, im Ausland zu studieren. In den Niederlanden, der Schweiz und Großbritannien seien die Top-Unis mit besserem Ruf. Diese hätten leichtere Zugänge als in Deutschland.

EU-weite Anerkennung des Abschlusses Was passiert allerdings, wenn man seinen Abschluss in der Tasche hat und wieder zurück nach Deutschland möchte? Bilaterale Abkommen regeln EU-weit die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Trotzdem muss man im Ausland einige Hürden erklimmen. Studiert man beispielsweise Jura in Ungarn, kennt man zwar das ausländische Recht, muss aber nachweisen können, dass man auch die deutsche Rechtslage beherrscht. Dies ist durch einen schriftlichen und mündlichen Eignungstest möglich. Angehende Rechtsanwälte, die noch keine Zulassung besitzen, können zum

Vorbereitungsdienst (Referendariat) zugelassen werden, heißt es auf der Website des Bundesministerium für Bildung und Forschung, die sich mit der Anerkennung von Studienabschlüssen beschäftigt. Auch hier müssen jedoch wieder Kenntnisse in deutschem Recht nachgewiesen werden. Das Landesjustizprüfungsamt kontrolliert dies anhand von Diplomen und Prüfungszeugnissen. Im zweiten Schritt folgt eine ergänzende Eignungsprüfung. Ist diese bestanden, kann man das Referendariat in allen Bundesländern antreten. Hat man im Ausland Medizin studiert, muss man in Deutschland eine Approbation beantragen, um ohne Einschränkung tätig werden zu dürfen. Dies ist allerdings für alle Ärzte vonnöten. Die zuständige Stelle untersucht dann, ob die erworbenen Kenntnisse auf dem nötigen Niveau sind, um den Beruf in Deutschland ausüben zu können. Die Anerkennung ist nicht von der Herkunft des Abschlusses abhängig. Fragt man Katrin Sommer, was sie nach dem Bachelor tun möchte, ist sie sich noch unsicher: „Also generell möchte ich vielleicht erst einmal ein wenig herumreisen und Praktika machen. Aber danach möchte ich einen Master machen und das wird in Deutschland schwierig werden.“ In den Niederlanden gebe es ein Notensystem, das von Eins bis Zehn reicht.

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Zehn sei das Beste, werde aber sehr selten vergeben, räumt sie ein. In Deutschland sei eine Zehn jedoch eine bevorzugte Voraussetzung für einen Master-Platz. Katrin äußert weitere Bedenken: „Außerdem sind die Studienplätze ohnehin erst einmal für die Studenten vor Ort reserviert und wir als in Hollandstudierende stehen weit hinten auf der Liste.“ Ihr Ziel, einen guten Abschluss zu machen, will sie aber trotzdem nicht aus den Augen verlieren. *Name von der Redaktion geändert


STUDIUM IM AUSLAND: DIE RICHTIGE PLANUNG Wann muss ich mit der Planung beginnen? Im Ausland wird oftmals nach Studienjahren und nicht nach Semestern organisiert. Das bedeutet, man kann sich nur einmal im Jahr um einen Studienplatz bewerben. Start der Vorlesungszeiten ist meist der Herbst, weswegen man sich Monate, manchmal sogar ein Jahr vorher anmelden muss. Vorbereitungen auf das Auswahlverfahren oder Eignungstests müssen in die Planung mit einberechnet werden. Eineinhalb Jahre vor der Ausreise sollte demzufolge mit der Planung begonnen werden. Wird mein Abschluss in Deutschland anerkannt? Sofern die Studienleistung den in Deutschland vorgegebenen Modalitäten entspricht, steht einer

Anerkennung nichts im Wege. Nähere Infos kann man bei den Landesprüfungsämtern und der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen erfragen.

Kann ich auch während meines Studiums wieder nach Deutschland zurückkehren um dort weiter zu studieren? Natürlich müssen deutsche Hochschulen in den höheren Semestern noch einen Platz für den Wechsel frei haben. Frühzeitig muss beim Dekanat der Zieluni und den zuständigen Landesprüfungsämtern angefragt werden, ob die erbrachten Studienleistungen anerkannt und angerechnet werden können.

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Was muss bei einem Umzug ins Ausland bedacht werden? Vor allem die Sprache, die Entfernung und die Kosten. Allerdings sollte man auch die kulturellen Umstände und Lebensbedingungen genauer bedenken. Manche Lebensstandards unterscheiden sich sehr von denen in Deutschland, was spannend aber auch belastend werden könnte. Finanzierungsmöglichkeiten sollten unbedingt erfragt werden. Erkundigen kann man sich auch vor Ort in den Auslandsbüros der Universitäten. Weitere Informationen gibt es auf: http://www.lpa1.nrw.de/


aBgeFaHRen aBgeFaHRen Ihr wollt Kultur, Action und Abenteuer? Wir gehen mit dem NRW-Ticket bis ans Limit und nehmen euch mit auf eine Reise durch das Ruhrgebiet und darüber hinaus. TEXTJennY göDeCKer FoToWWW.KörPerWelten.De

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eine Hände schwitzen. Ich fühle mich etwas unsicher. Vorsichtig gehe ich auf die Glasvitrine zu und werfe einen Blick hinein. Mehrere tote Föten unterschiedlicher Entwicklungsstadien liegen vor mir. Ich bin fasziniert und nachdenklich zugleich. Menschen in einer noch so unvollkommenen Form, die eigentlich wohl geschützt im Mutterleib liegen sollten, wirken hier in der Vitrine so zerbrechlich. Es fällt mir schwer, meinen Blick von ihnen zu lösen. Die Ausstellung „Körperwelten und der Zyklus des Lebens“ klärt über den menschlichen Körper auf. Eine große Informationstafel hängt an einer schwarz verkleideten Wand. Darauf wird beschrieben, wie der Mensch altert. In den Glasvitrinen liegen dazu verschiedene menschliche Organe und Körperteile aus. Ich schaue mir ein gesundes Kniegelenk an und eines, das an Arthrose erkrankt ist. Der Knorpel des erkrankten Kniegelenks ist spröde und zersplittert. Mein Rundgang durch die 1 500 Quadratmeter große Ausstellung geht weiter. Ich bin überrascht, was der menschliche Körper an kuriosen und spannenden Fakten zu bieten hat: Wer hätte geahnt, dass wir mehr als 620 willkürliche Muskeln besitzen oder dass das Netz von Arterien, Venen und Kapillaren bei einem Erwachsenen über 96 500 Kilometer lang ist?

gezogen, sodass auch die inneren Organe sichtbar sind. Präpariert hat die Leichen Dr. Gunter von Hagens, der die Ausstellung mit seinen sogenannten Ganzkörperplastinaten berühmt gemacht hat. Der Wissenschaftler entwickelte 1977 die Plastination, die den natürlichen Verwesungsprozess stoppt. Dieses Verfahren besteht aus fünf komplexen Schritten, benötigt bei einem Körper rund 1.500 Arbeitsstunden und dauert zirka ein Jahr. Es wird mittlerweile in mehr als 400 Institutionen in 40 Ländern meist zu Lernzwecken angewandt. Auch vor strittigen Themen schreckt die Ausstellung nicht zurück: Zwei Ganzkörperplastinate werden in einem separierten Raum beim Sexualakt gezeigt. Ein gewöhnungsbedürftiges Bild. Aus diesem Grund klärt eine Informationstafel vorab über die Szene auf und ermöglicht dem Besucher, selbst zu entscheiden, ob er sich diese anschauen will. Für mich ist die Darstellung nur konsequent. Es geht in der Ausstellung schließlich darum, die Entwicklung des menschlichen Körpers von seinen Anfängen bis zum Tod verfolgen zu können, und dazu gehört eben auch der Entstehungsakt des menschlichen Lebens selbst.

Alle Exponate hier sind, laut offiziellen Angaben, ausdrücklich mit Einverständnis der Organgeber ausgestellt: Da ist ein präparierter Schachspieler, der deutlich macht, wie unsere Nervenfasern verlaufen. Da ist die Körperhülle eines Skispringers, in der Mitte geteilt und auseinander 36

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Mein Fazit nach zwei Stunden: Ich bin erstaunt von der Komplexität unseres Körpers und fasziniert von den Möglichkeiten, diese sichtbar zu machen. Allen, die am menschlichen Körper und seiner Funktionsweise interessiert sind, kann ich den Besuch dieser Ausstellung nur empfehlen. Oder denen, die einfach nur den Wandel des menschlichen Körpers im Laufe eines Lebens nachvollziehen möchten. Ort: „Körperwelten und der Zyklus des Lebens“, Hermannshöhe 42, 44789 Bochum Anfahrt: RE1/RE6/RE11 bis Bochum Hbf, ab hier fünf Minuten zu Fuß Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag: 9 bis 19 Uhr, Freitag: 9 bis 21 Uhr, Samstag und Sonntag: 10 bis 19 Uhr Eintritt: Studenten 15 Euro, zusätzlich 3,50 Euro für die Audioführung (bei Bedarf ) www.koerperwelten.de


HingeSCHaUT LMBN: So nennt sich Dortmunds Lesebühne mit DJ und Livezeichner. Das klingt speziell. Ist es auch. TEXTJanne Oltmanns FoToPrIVat

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eck meine bunte Nuss“ – Das ist nur eine Version von vielen, die versuchen zu erklären, was sich hinter dem Namen LMBN verbirgt. „Die Lesebühne braucht schließlich ihre Mythen“, sagt Gerrit Nicolas alias DJ Nachtfalke. Er ist während der Show zuständig für Interludes, die musikalischen Zwischenspiele. Irgendwo zwischen Poetry Slam, Kabarett und Comedy siedelt sich die Lesebühne an. Sie besteht aus den vier Slam Poeten Andy Strauß, Mischa-Sarim Vérollet, Sebastian 23 und Sulaiman Masomi. Mit zum Team gehören außerdem DJ Nachtfalke und Illustrator Artur Fast alias FastART. Die sechs Künstler tragen Texte vor, spielen Musik, zeichnen – das alles gleichzeitig, alles auf einer Bühne und an einem Abend. Dazu lädt sich die Stammcrew jedes Mal einen wechselnden Gast aus der Poetry Slam Szene ein, der ebenfalls Texte liest.

Es ist nicht der einzelne Eindruck, sondern die Masse aus Texten, Bildern und dazu passender Musik, die den Zuschauer erreicht. Die Illustrationen entstehen live während des Lesens und werden direkt für das Publikum an die Wand projiziert. Zwischen den Texten spielt der DJ zehn- bis zwanzigsekündige Tracks. Die Musik ist modern, meistens elektronisch, und reicht von Dubstep bis Hip-Hop oder Soul. Das Konzept entstand 2009 und wird seither monatlich im Domicil, mitten in der Dortmunder Innenstadt, auf die Bühne gebracht. Seit Anfang dieses Jahres treten die Künstler außerdem auch einmal im Monat im Club Bahnhof Ehrenfeld in Köln auf. Im Mittelpunkt von LMBN stehen die Texte der Poeten. Die schreiben sie meist exklusiv für den Abend. Anders als beim Poetry Slam tragen die Lesenden aber keinen Wettbewerb aus. Thematisch ist alles offen: „Die Jungs hauen alles raus, was sie beschäftigt. Das kann ein Pickel am großen Zeh sein, oder Bezug haben zu aktuellen Geschichten. Zum Beispiel die NSA, Sarrazin oder YOLO. Internetthemen sind

generell beliebt, vor allem Facebook“, sagt DJ Nachtfalke. Für den Abend schlüpfen die Künstler in unterschiedliche Rollen: „Andy ist der Freak, Sulaiman der Quotenausländer, Mischa ist für das Zeitgeschehen zuständig und Sebastian ist der Lesebühnenstreber. Er kann alle seine Texte auswendig.“ Das Dortmunder Publikum hat die Lesebühne erstaunlich schnell angenommen, sodass die Show vom kleinen Club in den großen Saal umziehen konnte. „Wir haben den Nerv der Jugend getroffen“, sagt DJ Nachtfalke. „Unser Publikum beginnt altersmäßig bei der Oberstufe. Ab Ende 20 wird es dünner.“ Manchmal sitze zwischen den Jugendlichen auch der ein oder andere Deutschlehrer. Aber die Altersgruppe, die bei Facebook am häufigsten auf „Gefällt mir“ klickt, ist zwischen 18 und 24 Jahre alt. Die Veranstalter sind selbst im Alter von 28 bis 34. „Es ist der Jugendhumor, der uns ausmacht“, sagt der DJ. Obwohl die Künstler älter werden, bleibe das Publikum jung. In zehn Jahren könne das vielleicht zum Problem werden, wenn das Publikum ihnen den jungen Humor aufgrund des Altersunterschieds nicht mehr abnimmt. Im Moment sei es jedoch nicht relevant.

Die nächste Lesebühne steht am 12. Dezember auf dem Programm des Domicils, Hansastr. 7-11. Einlass ist ab 19 Uhr. Los geht es ab 20 Uhr. Eintritt: 6 Euro Weitere Infos: www.lmbn.de

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Hingegangen h, was ihr in Von Reggae bis Pasta ­– wir zeigen euc nt. Hier findet Dortmund und Umgebung erleben kön achtsstress ihr garantiert Abwechslung von Weihn und grauen Unitagen. TEXTJanne Oltmanns FotosThomas Borgböhmer

Oneway Runway

Ausstellung im Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse, 44137 Dortmund bis zum 12.01.2014, 11-18 Uhr

Die Ausstellung des Fachbereichs Kulturanthropologie des Textilen von der Uni Dortmund setzt sich mit Papiermode aus den 1960er Jahren auseinander. Im Fokus steht der enge Zusammenhang zwischen Kleidung aus Papier und Werbung.

GlasBlasSing Quintett

Herne, Straße des Show, Flottmann-Hallen in rne Bohrhammers 5, 44625 He 18.01.2014, 20 Uhr Eintritt: ab 21,40 Euro geht zeigt das Quintett Liedgut auf Leergut? Wie das schen, Sensationen“. Die in seiner Show „Männer, Fla t Wasser gefüllten Flafünf Künstler spielen auf mi en damit eine Mischung schen jeder Art und erzeug aus Musik und Comedy. .com Infos auf www.glasblassing


Westfale Winterle np 44139 D ark Dortmund uchten ,A or Eintritt: tmund 07.12.2 n der Buschmü h 013 - 12 5 Euro .01.201 le 3, 4 Der We stfalenp ark ve wieder in rwandelt sich in diesem ein Mee Wint r aus tallation en. Zum bunten Lichtin er s11. Janu Abschluss gib t es am ar 2014 ein feuerwe rk mit M Höhenusik.

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