pflichtlektüre 06/2014

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pflichtlekt端re 062014

Studentenmagazin f端r Dortmund

Krank im Kopf

... und das nicht nur im lustigen Sinn: Tobi Katze hat Depressionen.

Der perfekte mord

Vergiften, erstechen oder erschlagen?

Theken-Tutorium Was abends auf dem Campus so los ist

wort ist ihr hobby

Poetry Slam: Kommerz aus dem Keller?


AUS DER REDAKTION B

evor ein Text in der pflichtlektüre erscheint, lesen ihn mindestens fünf Menschen Korrektur: der Autor selbst, der Ressortleiter, wir Textchefs und die Redaktionsleiterin. Damit so wenig Fehler wie möglich gedruckt werden. Gelingt uns nicht immer – zugegeben – aber wir üben ja auch noch. Alle Mitarbeiter sind Studenten der TU, die im Haupt- oder Nebenfach Journalistik studieren. Weil so ein Korrekturprozess schon mal recht lange dauern kann, haben die Autoren den Auftrag, ihre Mails IMMER an beide Textchefs zu schicken. Gelingt uns auch nicht immer: Victor: Kannst du schon mal den Text lesen, bin noch unterwegs? Julia: Welchen Text? Victor: Ich leite ihn dir weiter. Julia: Da ist gerade ein Artikel per Mail gekommen, liest du schon mal? Victor: Hab nichts bekommen. Julia: Ich leite ihn dir weiter. Naja, wir üben ja auch noch.

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ir Frauen haben‘s im Layout-Team nicht leicht: Da muss man mit scheinbar endlosen Fußball-Diskussionen klarkommen, sich anhören, dass alles viel zu kitschig sei – und erst der ganze Dreck! Tabletts stehen einfach mal zwei, drei Wochen am selben Platz, bis wir sie dann selbst wegräumen. Von der Pfandflaschen-Lawine ganz zu schweigen. Wie soll denn da Festtagsstimmung aufkommen? Aber man macht ja das Beste draus. Wenn die Jungs nicht auf uns eingehen, dann machen wir‘s uns eben selber schön – so weit das möglich ist. Aus den leeren Bierflaschen wird einfach eine Vase gemacht: Tannenzweig rein, Kugeln dran und schon herrscht ein Haaaaauuuch an Weihnachtsstimmung. Ob die Jungs wohl einen Kitsch-Anfall bekommen, wenn wir jetzt noch ‘ne Duftkerze anzünden, um den Pasta-Geruch zu überdecken?

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mmer wenn Technik mit im Spiel ist, geht etwas schief: Böse Zungen behaupten, das liege daran, dass im Fotoressort nur Mädels arbeiten. Stimmt ja gaaaaar nicht. Immerhin hatten wir die Kamera bei dem Termin dabei. Dass die einem ohne Akku nichts nützt, kann ja nun wirklich niemand ahnen. Beim nächsten Fototermin war dann immerhin der Akku da – nicht aber das Ladegerät. Und Speicherkarten braucht ja nun auch keiner. Wie gut, dass in solchen Situationen die Protagonisten aushelfen können, der Akku auch ohne Ladegerät durchhält und im schlimmsten Falle das Smartphone auch noch eine Kamera hat. Beim nächsten Mal sind wir dann schlauer.


WIR SIND DANN MAL WEG Außergewöhnliche Auslandsaufenthalte

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INHALT AUS DER REDAKTION Pleiten, Pech und Pannen

APROPOS Diesmal: Körpersprache

HINGEGANGEN

EINS VORAB

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ein Bachelor-Studium der Kulturwissenschaften dauert sieben statt der üblichen sechs Semester, weil es einen obligatorischen Auslandsaufenthalt beinhaltet. Viele Arbeitgeber verlangen heutzutage Auslandserfahrung, heißt es dazu in unserer Studiengangbeschreibung. Und der „kulturelle Austausch“ sei ja auch nicht zu unterschätzen. Das hörte sich für mich damals plausibel an. Deswegen zweifeln? Nicht doch. Drei Semester glückliches Studentendasein später stolperte ich allerdings über eine Studie, die dem Auslandssemester „bestenfalls einen sekundären Einfluss“ bescheinigte. Hinzu kam die böse Behauptung, Auslandserfahrungen seien ein gängiges Symptom der angepassten, profillosen Studentengeneration von heute und bei einer Bewerbung eher Ausschlusskriterium als Vorteil. Soll ich also doch lieber elf Semester entspannt studieren und keine Praktika machen? Reichen solides Schulenglisch und der jährliche Mallorca-Urlaub für den Traumjob? Zweifel sind besonders unter Studierenden keine Seltenheit und in dieser Ausgabe findet ihr sie in ganz unterschiedlichen Geschichten wieder. Anne,

Kultur beim ersten Schnee VON TOBIAS KREUTZER

Felix und Mara haben zunächst nicht gezögert, sondern sind losgezogen – weg von hier, nach Südafrika, Indien und auf die Kapverden. Aber auch sie haben dann ihre Entscheidungen hinterfragt, weil sie sich fremd fühlten und andere Erwartungen hatten. Am Ende haben sie unvergessliche Geschichten mit nach Hause gebracht, die ihr in diesem Heft lesen könnt. Reporterin Ricarda hat die zweifelnde Frage „Kann ich das wirklich?“ nach ihrem zweiten Poetry Slam mit einem deutlichen „Ja!“ beantwortet. Und über die drückendste Form des täglichen Zweifels, die Depression, hat sich unser Reporter Johannes mit Autor Tobi Katze unterhalten. In diesem Sinne: Im Zweifel pflichtlektüre lesen. Viel Spaß dabei,

MOMENTE Auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt

THEKEN-TUTORIUM Nächtliche Tour durch die Bars am Campus

HERPES IM HERZEN Tobi Katze ist Autor, Blogger – und depressiv

SAG MAL PROF Wieso ist Fußball eine Männerdomäne?

BUCHTIPPS Die besten Lektüren für die kalte Jahreszeit

STEUERTIPPS So findet ihr euch im Steuer-Dschungel zurecht

NEBENJOB IM KINO Mädchen für alles in der Schauburg

DER PERFEKTE MORD Geht das überhaupt?

WORT IST IHR HOBBY Unsere Autorin ging unter die Poetry Slammer

REDAKTIONSOMA Omas Plätzchen sind die besten

ABGEFAHREN Eine Reise zu den Sternen

HINGESCHAUT Kunst&Punsch im Depot

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apropos ... körpersprache Diplom-Psychologin Beate Daber beurteilt, wie glaubwürdig und schuldfähig Zeugen und Angeklagte sind. Im Interview erzählt sie von ihrem Beruf als Aussagepsychologin. TEXT&Fotostina berghaus

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rau Daber, wie manipulieren Angeklagte oder Zeugen ihre Aussagen? Manche versuchen sich supernormal, das heißt in hohem Maße sozial erwünscht, darzustellen. Viele haben auch hysterische Persönlichkeitszüge. Das sind diejenigen, die zum Übertriebenen, Theatralischen oder Dramatischen neigen, sodass die Emotionalität oft etwas unecht und überzogen erscheint. Dadurch sind sie oft in der Lage, viele Helfer auf ihre Seite zu ziehen und dafür zu sorgen, dass man nicht so genau nachfragt, um sie nicht zu sehr zu belasten. Können Sie an der Mimik erkennen, ob jemand lügt? Der Mensch glaubt, dass man an Mimik und Gestik viel ablesen kann. Man denkt, dass man an nervösen Bewegungen oder Rotwerden eine Lüge erkennen kann. Das lässt sich wissenschaftlich nicht bestätigen, denn diese Bewegungen sind einfach nur Ausdruck von Übererregung, Nervosität oder innerer Unruhe. Gibt es besondere Haltungen oder Merkmale bei den Aussagenden? Viele putzen sich ganz fein heraus und sehen fast verkleidet aus. Manche wirken auch völlig emotionslos, da denkt man: „So einer und Vergewaltigung?“, aber das können auch traumatisierte Personen sein, die von einer schlimmen Geschichte so erzählen, als würden sie ein Telefonbuch vorlesen. Da kann man nicht aus der Haltung schließen, denn solche Personen distanzieren sich von dem Geschehenen, um es überhaupt aushalten zu können.

Steckbrief: BEate daber Nach ihrem Psychologiestudium in Köln begann Beate Daber Gutachten zu erstellen. Seit 1991 arbeitet sie freiberuflich. Sie beurteilt die Schuldfähigkeit von Beschuldigten und Angeklagten und die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen. 2010 und 2011 war sie als Psychologin am Kachelmann-Prozess beteiligt und erstellte ein Gutachten der Zeugin, deren Glaubhaftigkeit schlussendlich nicht positiv belegt werden konnte.

Was kann man vortäuschen? Die Aussagepsychologie ist so gestaltet, dass man vor allem die Aussageinhalte untersucht. Es gibt viele wissenschaftliche Nachweise dafür, dass erlebnisbasierte Aussagen eine andere Struktur und Qualität haben als gelogene Aussagen. Das hängt aber auch immer davon ab, wie intelligent oder kreativ jemand ist. Deshalb wird dann auch nach fallneutralen Erlebnisse gefragt, um zu sehen, wie geschildert wird. Täuschen wird schon häufig versucht, zum Beispiel Wahrheit und Lüge zu mischen, etwas zu übertreiben und etwas anderes wegzulassen. Man analysiert dann auch die Konstanz. Unwahrheiten sind nicht immer, aber häufig unbeständig, zum Beispiel in der Reihenfolge.

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Haben Sie schon mal etwas übersehen? Ja, in der Hauptverhandlung ergeben sich oftmals neue Sachen, die man dann einarbeiten und berücksichtigen muss. Ein Beispiel ist ein laufendes Verfahren. Die Zeugin, eine erwachsene Frau, sagte aus, dass sie vergewaltigt worden sei. Ihre Aussage ist auch wirklich glaubwürdig, das muss man sagen. Dann hat sich in der Verhandlung herausgestellt, dass sie just in dieser Zeit einen Krimi geschrieben hat, in dem es auch um Vergewaltigung geht. Ich habe darin viele identische Details entdeckt. So etwas muss als Neuigkeit berücksichtigt werden, zumal dies auch bei der Begutachtung verschwiegen worden war.


hINGeGaNGeN Balu und Winnie Pooh nackt sehen – das geht derzeit in Bochum. Besonders dick angezogene Menschen sind dagegen an der Zeche Zollverein zu finden. Dort könnt ihr bis Januar eislaufen. TEXTMOritZ MaKuLLa FoToSVeranstaLter

1 Weihnachts-schallplattenbörse in Dortmund Der Zweite Weihnachtsfeiertag kann sich ewig hinziehen. Wer an diesem Tag lieber nach Musik stöbert als bei Oma auf der Couch zu sitzen, kann dies bei der Schallplattenbörse in der Westfalenhalle tun. Dort bieten mehr als 100 Aussteller alles von Vinyl über Kassetten, Poster, Zeitschriften bis hin zu CDs an. Freitag, 26. Dezember, 11 bis 16 Uhr. Westfalenhalle Dortmund. Mehr Infos: www.schallplatten-boersen.de

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2 Das temporäre kulturkaufhaus in recklinghausen Unter dem Motto „Zwischen 1 und 1000 Euro“ können nicht nur Kunstfans mit dickem Geldbeutel die Werke von 100 verschiedenen Künstlern bestaunen oder kaufen. In der ehemaligen Fährmannschule in Recklinghausen finden neben der Ausstellung auch verschiedene Kunstevents, Seminare und Workshops statt. Noch bis zum 24. Dezember, Dienstag bis Donnerstag, von 11 bis 18.30 Uhr, Freitag bis Sonntag von 11 bis 19 Uhr, Kurfürstenwall 1 in Recklinghausen. Mehr Infos: www.kulturkaufhaus-ruhr.de

3 Nachtflohmarkt in Düsseldorf

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5 körperwelten der Tiere in Bochum

Die Veranstalter verwandeln eine ehemalige Schraubenfabrik in einen bunten Flohmarkt. Dort können Trödelfans klassisch nach alten Schätzen jagen oder sich nach neuen Kunst- und Designobjekten umsehen. Verschiedene Bands spielen live. Samstag, 13. Dezember und 24. Januar, 17 bis 23.30 Uhr, im „Bui Bui Bilk“, Suitbertusstraße 149 in Düsseldorf. Eintritt: 3 Euro. Mehr Infos: www.nachtkonsum.com

Ob man Gunther von Hagens Ausstellungen nun für provokant oder lehrreich hält, beeindruckend sind die gezeigten Ganzkörper-Plastinate echter Lebewesen auf jeden Fall. Zum ersten Mal im Ruhrgebiet wird in der Ausstellung das Innenleben verschiedener Tiere vom Knochenbau bis hin zu den Organen gezeigt. Noch bis zum 25. Februar, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, Hermannshöhe 42 in Bochum. Eintritt: 15 Euro (12 Euro für Studenten). Mehr Infos: koerperweltendertiere.de

4 eislaufen an der Zeche Zollverein Wer in diesem Winter an einem besonderen Ort Schlittschuh laufen will, sollte zur Zeche Zollverein nach Essen fahren. Entlang der stillgelegten Koksöfen und hohen Kamine schlittern Eislauffans über eine 150 Meter lange Eisbahn. Am Abend beleuchtet eine Lichtinstallation das historische Gebäude. Noch bis zum 4. Januar, Montag bis Freitag, 15 bis 20 Uhr (in den Ferien 10 bis 20 Uhr), Samstag 10 bis 22 Uhr, Sonntag 10 bis 20 Uhr, am Zollverein in Essen. Eintritt: 6,50 Euro (5,50 Euro für Studenten). Mehr Infos: www.zollverein.de

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ALLE JAHRE WIEDER ... Ob man sich nun darauf freut oder nicht: Um den Weihnachtsmarkt kommt man nicht herum - genauso wenig wie um die Reiz端berflutung. FOTOSCHRISTIANE REINERT&STINA BERGHAUS


THEKEN

TUTORIUM

Wie man auch nach fünf Semestern TU noch versteckte Ecken erforscht, neue Freundschaften schließt und alternative Sportarten für sich entdeckt: von Zweien, die auszogen, die Quellen des Bieres auf dem Campus zu ergründen. TEXTANNIKA FRANK&LISA BENTS FOTOSMIRIAM WENDLAND&STINA BERGHAUS

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ünf Semester studieren wir, Annika und Lisa, schon an der TU Dortmund. Trotzdem waren wir überrascht, als die vorige pflichtlektüreAusgabe den Erstsemestern die acht Campusbars ans Herz legte. Acht Bars? Wo haben die sich denn versteckt? Unser Plan: Eine Woche lang jeden Abend an einer anderen Theke den Unialltag ausklingen lassen. Vier Campusbars haben wir auf Herz und Nieren (und Leber) geprüft.

ehrenamtlichen Thekenchefs aufstellen lassen. Die kümmern sich dann um den wöchentlichen Ausschank, Bestellungen oder Sonderveranstaltungen. „In letzter Zeit hatten wir einen indischen, einen bayerischen und einen Dart-Abend. Am verrücktesten war aber mit Abstand die Spontanparty zum mexikanischen Unabhängigkeitstag mit Sombreros, Schnurrbart-Schminke und allem, was dazu gehört!“, erzählt uns der zweite Thekenchef Fabian.

Montag: Eastend-Multi-KultiHostelcharme

Das Eastend wird von Auslands- und Erasmus-Studenten gern besucht. Auch uns fällt der Hostelcharme der Studentenbar sofort auf. Je später der Abend, desto mehr füllt sich der Laden mit einer bunten Mischung von Leuten. „Könnt ihr kickern?“ – in den gemütlichen Sitzsäcken versinken wird hier nicht geduldet.

Entspannt vom Wochenende nehmen wir uns am Montag die erste Station vor: das Eastend. Um 21 Uhr treffen wir uns auf dem Wohnheimparkplatz in der Ostenbergstraße und machen dabei direkt den ersten Anfängerfehler: Um diese Uhrzeit geht in der Campusbar noch gar nichts. „Das ist in allen Wohnheimbars so, ab elf geht’s erst richtig rund“, erklärt Thekenchef Philip. Thekenchef? Wie kommt man denn zu der Ehre? „Durch Trinkfestigkeit!“, scherzt ein Stammgast. Nein, mal ehrlich: Beim regelmäßigen Bewohnertreffen der Studenten in der Ostenbergstraße kann man sich für die Posten der

Und so finden wir uns kurz darauf im mit viel (schwarz-gelber) Liebe verzierten Kickerraum wieder, im Duell mit zwei Wirtschaftsingenieuren. Die beiden sind regelrechte Campusbarfans, im Eastend gefällt ihnen neben dem abwechslungsreichen Publikum vor allem die noch abwechslungsreichere Bierauswahl. „Die bieten hier sogar immer ein Bier des Monats an“, verraten unsere

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Eastend Ostenbergstr. 99 44227 Dortmund Montag 21 - 01 Uhr

Getränkeauswahl

Erreichbarkeit

Partypotenzial

neuen Bekanntschaften. „Und das, wohlgemerkt, immer für´n Euro.“ Der Anblick von Glitzerkugel, blauen Lichtschläuchen und Neonbildern an den Wänden in Kombination mit musikalischen Sahnestücken wie Blümchens „Boom-Boom-Boomerang“ versetzt uns zurück in die Zeit der Partys in den Kellerräumen unserer Eltern. Und auch die Sperrstunde um ein Uhr nachts kommt uns noch ziemlich bekannt vor.


Dienstag: Figgestube – Nach dem Abpfiff ist vor der Party Emil-Figge-Straße 39 – dort soll sich die Figgestube verstecken. Als wir vor dem großen grauen Wohnheimhaus stehen, sehen wir jedoch keine Spur von einer Bar. Während wir überlegen, ob es nicht doch die Hausnummer 35 war, kommt die Rettung in Form von drei Jungs mit Pizzakartons an uns vorbeigelaufen. Wir folgen ihnen eine Treppe hinunter bis in die Figgestube. Wir hatten schon befürchtet, dass uns der Thekencheck um unseren Fußball-Abend bringen könnte. Wir konnten ja nicht ahnen, was uns hier unten im Keller des Wohnheimes erwartet: Vor einer riesigen GroßbildLeinwand sitzen viele Fans auf gemütlichen XXL-Sofas und Bierbänken und warten gespannt auf den Anpfiff. „Viele sind Stammgäste aus dem Wohnheim“, verrät uns Thekenchef Fabian. Zusammen mit vier anderen schmeißt er hier heute den Thekendienst. „Vergangene Woche war hier Cocktailparty – da hättet ihr dabei sein müssen“, schwärmt er. Die findet vier Mal im Semester statt und wird auf dem FacebookProfil der Figgestube angekündigt.

Genauso wie die anderen Motto-Partys und Fußball-Abende. Zum Semesterstart gab es eine Schwarzlicht-Neon-Party, die vom Wohnheimrat organisiert wurde und ab jetzt öfter stattfinden soll. Im Sommer wird oben auf der Wiese das Trinkspiel Flunkyball gespielt. „Wir haben hier immer viel Spaß“, sagt das Thekenteam, „aber wir müssen auch Verantwortung übernehmen.“ Wenn die Stube um 1 Uhr schließt, werden Fabian und sein Team noch kontrollieren müssen, dass auch draußen alles aufgeräumt ist, denn sonst gibt es Beschwerden vom Hausmeister. Während der BVB souverän auf Sieg spielt, gucken wir uns genauer um und entdecken auf einem Regal hinter der Bar etwas, was man hier nicht vermuten würde: die Bibel. „Falls jemand mal einen guten Rat braucht“, sagt Fabian dazu. Neben der heiligen Schrift stehen Brause, Zitrone und Salz, darüber hängt eine glitzernde Discokugel. Mit dem Abpfiff werden die Bänke zur Seite gestellt, die Kommentatoren-Stimme wird von tanzbarer Musik abgelöst. „Erst Fußball, dann figgen“ lautet das Motto an diesem Abend. Sprich: Die Party geht jetzt erst richtig los. Die Zweideutigkeit in diesem Wort ignorieren wir einfach.

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Figgestube Emil-Figge-Straße 39 44227 Dortmund Dienstag 21 - 01 Uhr

Getränkeauswahl

Erreichbarkeit

Partypotenzial


Mittwoch: Spunk – Immer der Musik nach Der dritte Tag unseres Thekenchecks führt uns ins Spunk. Laute Musik weist uns den Weg bis vor den Eingang. Kaum haben wir die Schwelle überschritten, finden wir uns direkt auf der Tanzfläche wieder, die um 22 Uhr schon gut gefüllt ist. Von der Optik erinnert alles eher an einen kleinen Club als an eine Bar. Statt auf Sitzsäcken und gemütlichen alten Sofas sitzen die Leute hier auf Bänken entlang der Wand oder stehen an der langen Theke, hinter der eine tolle Dortmund-Skyline an die Wand gemalt wurde. Unser geschultes weibliches Auge erkennt sofort: Hier herrscht Männerüberschuss. Wir positionieren uns an der Bar und bevor wir mit dem Thekenteam ins Gespräch kommen können, stehen schon fünf Pinnchen vor uns auf der Theke. „Hausgemachter Rhabarberschnaps – unsere Spezialität“, sagt Thekenchef Niklas und hebt sein Glas. Widerstand zwecklos – und Ausreden à la „Ich muss noch fahren“ gelten erst recht nicht. Also angestoßen und runter damit. Und was sollen wir sagen? Der selbstgemachte Schnaps aus Doppelkorn, Rhabarbernektar und Vanillezucker ist echt lecker. Der Mittwoch ist der einzige Tag der Woche, an dem wir uns nicht entscheiden müssen, welcher Uni-Bar wir

einen Besuch abstatten. „Wir sind eine zu große Konkurrenz für die anderen. Deshalb sind wir die einzige Bar, die mittwochs geöffnet hat“, sagt das Thekenteam stolz. Als wir uns weiter im Raum umgucken, entdecken wir alte Bekannte. Unsere Kickerfreunde vom Montag begrüßen uns als würden wir uns schon ewig kennen.

Spunk Vogelpothsweg 92 44227 Dortmund Mittwoch 20 - 24 Uhr

Getränkeauswahl

Als wir bemerken, dass unsere Notizblöcke an der Theke kleben, finden wir, dass es an der Zeit ist zu gehen. Was bleibt, sind eine leichte Rhabarberfahne, eine Telefonnummer, die uns noch schnell in den Block gekritzelt wurde und unser Versprechen, nochmal vorbei zu schauen. In der Woche nach unserem Besuch hat das Spunk jedoch einmalig geschlossen – eine Entscheidung der Barchefs, nachdem es Ärger mit der Wohnheim-Nachbarschaft gab.

Erreichbarkeit

Partypotenzial

Was gibt’s sonst noch im Spunk & Co.?

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icht allein Partys stehen auf dem Programm der Wohnheimbars. Die von den Wohnheimräten betreuten Gemeinschaftsräume bieten noch viel mehr. Es finden regelmäßig Spieleabende und Filmabende statt, genauso wie das gemeinsame Rudelgucken von spannenden Fußballspielen. Wer selbst ein paar Tore schießen will, macht einfach mit beim Kickerturnier oder betätigt 10

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sich sportlich bei den „Summer Games“ (Neue Emil-Figge-Straße). Für alle „Überswochenendehiergebliebenen“ gibt es sonntags auch mal ein nettes Frühstück (z. B. im Spunk). Bei Problemen mit dem Internetzugang, findet man zu bestimmten Sprechzeiten kompetente Hilfe der Netz-AG. Einfach mal vorbeischauen ...


Donnerstag: Baröpchen – Vom Nerd-Schuppen zur In-Bar Im Wohnheim der Emil-Figge-Straße 9 weist uns ein DIN-A4-Zettel auf die Kneipe im Keller hin. Aber warum klebt ein Schlüssel daneben? Zum freien Eintritt bei Feierabendbier-Gelüsten?! Wir lassen ihn erst einmal kleben und nehmen die Treppe in den Keller. Im Gegensatz zum Dancefloor im Spunk herrscht hier echte Bar-Atmosphäre. Im Hintergrund läuft ein Metallica-Livekonzert. „Das ist gerade noch massentauglich“, erklärt uns Clemens, der mit Robert und Christian das tatkräftige Dreigestirn der Wohnheimbar bildet. Bis vor zwei Jahren war das Baröpchen eher Treffpunkt dunklerer Gestalten und das Logo zierte ein Bier trinkender Zwerg aus dem Fantasyspiel „Warhammer“. Aber seitdem arbeiten die drei Studenten an einem neuen Image – offenbar mit Erfolg, denn nach eigener Aussage erhalten sie immer mehr Zulauf.

Fazit

Eine Woche Ausnahmezustand liegt hinter uns und am Freitag sind wir froh, dass die Campus-Bars am Wochenende geschlossen haben. An dieser Stelle Respekt vor unseren neugewonnenen „Kicker-Freunden“, die dieses Programm fast wöchentlich durchziehen.

Passend zu unserem Thekencheck-Besuch wird heute in unserem Beisein das neue Goldstück des Baröpchen eingeweiht: die Zapfanlage. Ein weiterer Schritt in Richtung Luxus-Bar, denn mit Belüftungsanlage, drei Sorten Baguettes und Marken-Spirituosen kann auf unserer Tour sonst keine Bar mithalten. Mit zwei der ersten frisch gezapften Biere geht´s zum Kickern. Und siehe da: Unsere treuen Begleiter sind auch wieder mit von der Partie. Während wir am blau-gelben Kickertisch im unüblichen Mädchen-Viererteam gegen unsere zwei Dauer-Gegner um unsere Ehre spielen, stutzen wir plötzlich: Ist das nicht „Aaaatemlos durch die Nacht“? Tatsächlich: Selbst die gestandenen Rocker kommen an Helene Fischer nicht vorbei. „Zu späterer Stunde findet hier immer unsere Youtube-Party statt“, erzählt uns Robert. Dann darf jeder einen Musikwunsch auf einen Bierdeckel schreiben und an der Theke abgeben. Am Ende fragen wir noch nach dem mysteriösen Schlüssel Wiederkommen werden wir auf jeden Fall. Schade nur, dass es in den Bars meistens erst ab 23 Uhr richtig losgeht und sie um 1 Uhr schon wieder schließen. Für Leute, die nicht direkt in Uninähe wohnen, wäre ein laufender Übergang zwischen Vorlesungsende und Feierabendbier angenehmer. Trotzdem: 11

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Baröpchen Emil-Figge-Straße 9 44227 Dortmund Donnerstag 21 - 01 Uhr

Getränkeauswahl

Erreichbarkeit

Partypotenzial

am Aushang. „Das ist der Schlüssel zum Glück“, sagt ein Stammgast und zwinkert.

Ein echter TU-Student sollte den einen oder anderen Campusbarbesuch während seiner Laufbahn auf jeden Fall auf seiner Agenda haben. Das wohlverdiente Feierabendbier am Ende eines Uni-Tages ist hier nämlich nicht nur günstig, sondern schmeckt in Gesellschaft Gleichgesinnter doppelt so gut.



herpes im herzen Tobi Katze ist Autor, Blogger, Poetry Slammer, Kabarettist. Und depressiv. Nach dem Selbstmord einer ebenfalls erkrankten Freundin hat er seine Krankheit öffentlich gemacht. Mit Humor will er für mehr Verständnis werben und anderen Betroffenen helfen. TEXTjohannes Hülstrung FotosChristiane reinert

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ines Morgens wacht Tobi Katze auf und bricht in Tränen aus. Grundlos eigentlich. Er hat einen Job, der ihm Spaß macht, eine tolle Freundin, gute Freunde. Aber das ist völlig bedeutungslos. In ihm drin ist alles leer. Er fühlt nichts. Und genau das fühlt sich so schlimm an. Der Gang zum Therapeuten bringt Gewissheit. „Bei mir ging das ziemlich schnell“, sagt Tobi. „Nach ein paar Gesprächen hieß es: ‚Alles klar, Sie haben eine Depression, und zwar richtig.’“ Tobi Katze heißt eigentlich Tobias Rauh. 1981 „irgendwo im Ruhrgebiet“ geboren, verschlug es ihn 2001 nach Dortmund. An der TU studierte er Angewandte Literatur- und Kulturwissenschaften mit den Nebenfächern Soziologie und Journalistik. „Danach ist man erstmal nichts und muss sich selbst seine Nische suchen.“ Das hat Tobi getan. „Ich schreibe und trete auf, und davon lebe ich.“ Andere bezeichnen ihn als Autor, Blogger, Poetry Slammer, Kabarettist. „Das ist ein so breites Feld, ich weiß selber gar nicht so genau, was ich bin und was ich nicht bin.“ Nicht zu wissen, was er ist, war für Tobi extrem belastend – nicht im Beruf, aber in Bezug auf seine Krankheit. Vor knapp drei Jahren bekam er die Diagnose. Die Gewissheit, dass er depressiv ist, habe befreiend gewirkt. „Jetzt weiß ich endlich, was es ist, es hat einen Namen“, sagt Tobi. „Es ist für mich selbst nicht mehr unerklärlich.“ Doch für viele andere ist die Krankheit, von der in Deutschland rund vier Millionen Menschen betroffen sind, immer noch ein Rätsel. Das fängt mit einer simplen Frage an: Wie sieht jemand aus, der Depressionen hat? Wahrscheinlich gibt es diesen typischen Jemand gar nicht. Tobi Katze jedenfalls

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trägt ein graues Kapuzen-Sweatshirt mit hochgeschobenen Ärmeln, die seine Tätowierung auf dem rechten Unterarm preisgeben. In großen, dunklen Buchstaben prangt dort das Wort „Poesie“ auf seiner Haut, umspielt von diagonalen, knallorangenen Streifen. „Ich wollte ein Tattoo, das auch in dreißig Jahren noch dasselbe Gefühl in mir auslöst“, sagt der 33-Jährige. „Das Gefühl, dass ich vom Schreiben leben kann.“

Wie sieht jemand aus, der Depressionen hat? Auffällig sind auch die zwei verschiedenfarbigen Schuhe, ein grüner und ein brauner. Seinen zerwuschelten Haaren hat er seinen Künstlernamen zu verdanken. „Meine Haare waren früher noch wesentlich wilder und sahen aus wie die Mikrofon-Umpuschelung beim Fernsehen, die man auch Katze nennt“, sagt Tobi und lacht. Überhaupt lacht er viel, hat ein offenes, freundliches Gesicht, ist eine angenehme Erscheinung. Ein Klischee-Depressiver ist er nicht. Wie ein Kind freut sich Tobi, für das Interview auf einer grüngeblümten Couch Platz nehmen zu dürfen. Auf einer Couch liegt er in der Therapie aber nicht. „Ich sitze in einem gemütlichen Sessel und darf unheimlich viel erzählen. Erstaunlicherweise ist es bei mir so, dass meine Therapeutin gar nicht so viel redet, sondern mich dazu bringt, die richtigen Fragen zu stellen.“ „Es liegt viel an den Fragen und gar nicht so sehr an den Antworten.“ Dass er bei einer Therapeutin landete, ist kein Zufall. „Für mich war sofort klar, dass ich bei einer Frau in Therapie sein möchte“, sagt Tobi. „Ich fühlte mich da irgendwie aufgehobener. Keine Ahnung, woran das

genau liegt.“ Selbstzweifel, Ängste und Flüchte gehören zu Tobis Alltag. In der Therapie dagegen ist er so, wie er ist. „Meine Therapeutin sitzt mir als Therapeutin gegenüber und nicht als Mensch“, erklärt er. „Wenn ich mich mit einem Menschen unterhalte, bin ich immer sehr um mein Selbstbild bedacht. Meine Therapeutin nehme ich aber gar nicht als soziales Wesen wahr, vor dem ich ein Selbstbild wahren müsste. Daher kann ich ihr Dinge erzählen, die ich niemandem sonst erzählen würde.“ Seine Erfahrungen aus der Therapie und im Umgang mit der Krankheit verarbeitet Tobi – oft sehr humorvoll – in seinem Blog „Dasgegenteilvontraurig“ auf stern.de und in einem Buch, das im September 2015 erscheinen wird. Zu seiner Krankheit hat er sich ganz bewusst bekannt. Er will Betroffenen Mut machen. „Der Auslöser war, dass sich eine Freundin von mir letztes Jahr an Weihnachten das Leben genommen hat, bedingt durch ihre Depression“, erzählt Tobi. Noch immer ist vielen Menschen nicht bekannt, dass es sich bei einer Depression um eine lebensbedrohliche Krankheit handelt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden allein in Deutschland jährlich 10.000 Suizide verübt. Schätzungen zufolge sind 65 bis 95 Prozent der Selbstmorde auf Depressionen zurückzuführen. „Ich musste irgendwo hin mit der Wut, der Trauer, dem Unverständnis“, sagt Tobi. „Irgendwann kam ich auf den Gedanken, dass ihr Tod vielleicht hätte verhindert werden können, wenn Depressionen nicht so ein Tabuthema wären.“ Er weiß, was es bedeutet, sich verstecken zu müssen. „Ich fühlte mich ganz oft so, als wäre meine Depression was ganz Schlimmes, das bloß keiner erfahren darf. Und das drückt

Sie haben eine Depression. Und zwar richtig. 14

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Mein Kopf weiß es besser. Aber mein Herz kriegt es nicht hin. natürlich noch mal auf die Seele, nach außen so eine Fassade aufziehen zu müssen, in einer Lüge zu leben. Ich dachte, ich kann meine Freundin zwar nicht mehr retten, aber ich kann versuchen, dass es bei anderen nicht so weit kommt.“ Daher der Schritt in die Öffentlichkeit. Ziemlich mutig, findet Prof. Dr. Hans-Jörg Assion, Chefarzt für Allgemeine Psychiatrie an der LWL-Klinik Dortmund: „Natürlich ist es in einer leistungsorientierten Welt immer schwer für den Einzelnen, Schwäche zuzugeben.

„Depression ist wie Herpes.“ Niemand geht gerne damit hausieren. Sich Schwächen einzugestehen, sich selbst anzunehmen und übertriebenen Perfektionismus abzulegen, sind aber wichtige Schritte auf dem Weg aus der Depression.“ Das hat Tobi Katze selbst so erlebt. „Mein Bekenntnis hat mich stärker gemacht. Und alle Leute wissen jetzt, woran sie mit mir sind, das hat die Kommunikation vereinfacht.“ Nach und nach konnte Tobi sich öffnen. „Ich habe das zuerst meinen engsten Freunden erzählt, irgendwann bei einem Kaffee“, sagt Tobi. „Und es fühlte sich erstaunlich gut an. Es hatte nichts Verurteilendes. Die Reaktionen waren eher: ‚Ah, okay, jetzt verstehen wir einiges besser von dem, wie du dich so verhalten hast.’ Das war ein wirklich schöner Moment.“ Wesentlich schwerer fiel es Tobi, sich seinen Eltern anzuvertrauen. Erst ein Jahr nach der Diagnose fand er den Mut, ihnen von seiner Krankheit zu erzählen. „Ich hatte Angst davor, dass meine Eltern enttäuscht sind und sich Sorgen machen. Dass sie sich fragen: ‚Was haben wir falsch gemacht?’ Ich wollte, dass es völlig unabhängig von einer Schuldfrage betrachtet wird.“ Neben dem Zuspruch seiner Eltern und Freunde trifft Tobi auch auf Unverständnis. Sätze wie „Lach

doch mal“ oder „Mir geht es manchmal auch nicht so gut“ hört er oft. Für ihn ein Zeichen, dass die Leute die Krankheit nicht verstanden haben. „Es ist schlimm, dass viele Menschen von sich auf andere schließen und zum Beispiel sagen: ‚Wenn es mir schlecht geht, gucke ich mir Katzenvideos bei YouTube an und dann geht es mir wieder gut.’ Diese ewigen Ratschläge, ‚Geh mal an die frische Luft‘, ‚Lass dich nicht so hängen‘, die gehen mir furchtbar auf die Nerven.“ Denn Depression habe nichts mit Faulheit oder Traurigsein zu tun. „Der größte Unterschied ist, dass man wirklich nicht kann. Dass man wie versteinert im Bett liegt und es nicht schafft aufzustehen, auch wenn man genau weiß, das täte mir jetzt gut. Es ist die Erkenntnis: Scheiße, ich kann das nicht.“ Sich nicht so verhalten zu können, wie man eigentlich möchte, ist ein Problem, das viele Depressionskranke teilen. Dieser Zwiespalt besetzt das ganze Denken. „Obwohl mein Kopf weiß, das ist ’ne gute Freundin von mir, die da sitzt, die ist für dich da, ist mein Herz total verunsichert, ob die jetzt wirklich da sitzen will, ob die sich überhaupt für mein Leben interessiert“, sagt Tobi. „Mein Kopf weiß es besser, aber mein Herz kriegt es nicht hin.“ Beim Wort „Herz“ muss Tobi lächeln und schiebt schnell hinterher: „Auch wenn das jetzt kitschig klingt.“ Von seiner Depression zu sprechen, fällt Tobi erstaunlich leicht. Es ist deutlich zu sehen, wie gut es ihm tut, sich nicht mehr verstecken zu müssen. Immer wieder sucht er nach den passenden Worten und Bildern und lächelt dabei. „Wie sagt man das am besten?“, fragt er laut und überlegt. „Depression ist wie Herpes“, platzt es dann aus ihm heraus. Der Vergleich gefällt ihm so gut, dass er kurz in seinen Ruhrpott-Dialekt verfällt: „Krisse nich weg. Wenn du im Stress bist, kommt es wieder.“ 15

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Mittlerweile hat Tobi gelernt, mit der Depression zu leben, durch die Therapie und auch durch Medikamente. „Ich kann machen, dass die Herpesbläschen ganz schnell verschwinden und alle Vorkehrungen treffen, damit sie nicht wieder auftauchen. Ich sollte dann vielleicht nicht gerade mit Leuten rumknutschen, ich muss mich aber auch nicht dafür schämen. Ich hab das halt. Fertig aus.“

Mit Alkohol und Drogen die Depression bekämpft Wieso diese „inneren Herpesbläschen“ manche Menschen befallen und andere eben nicht, ist wissenschaftlich nicht endgültig erwiesen. „Menschen sind im Hinblick auf Robustheit und Krankheitsanfälligkeit unterschiedlich“, erläutert Prof. Dr. Assion. „Als sicher gilt, dass die Gene und somit die Erblichkeit einen Anteil an einer Depression haben.“ In Tobis Familie sind jedoch keine weiteren Fälle von Depressionserkrankungen bekannt. Seinen Beruf als freier Künstler und seine Krankheit sieht Tobi in einem ambivalenten Verhältnis. „Für eine instabile Persönlichkeit ist es nicht förderlich, auch noch einen instabilen Lebensstil zu führen, wie den eines freiberuflichen Künstlers, was finanzielle Sicherheit und so weiter angeht“, bekennt Tobi. „Aber mein Beruf ist sicher nicht verantwortlich für meine Depression.“ Er weiß auch, dass er sich in anderen Berufen nicht so offen damit bewegen könnte. „Und genau das ist sehr hilfreich. Sich mit der Krankheit auseinandersetzen zu können, macht vieles erträglicher.“ Zu sehr von der Depression dominieren lassen, will er sich nicht. Nicht im Alltag: „Ich habe nicht vor, die nächsten zehn Jahre in Therapie zu sein. Dass das nötig ist, glaube ich auch nicht, obwohl man sich natürlich nie sicher sein kann.“


Und auch nicht im Beruf: „Ich merke, dass bald eine Grenze erreicht sein wird, wo ich sagen muss: Ich mache auch ganz viele andere Dinge abseits des Themas Depression.“ Ob er Angst davor hat, irgendwann nur noch als „der Depressive“ wahrgenommen zu werden? Tobi lacht und meint: „So weit ist es zum Glück noch nicht und so weit will ich es auch nicht kommen lassen.“ Seine Therapie ist für Tobi auch Vergangenheitsbewältigung. Schon als Jugendlicher lernte er das „Gefühl der Gefühllosigkeit“ kennen. „Das ist mir aber nie so bewusst geworden, weil ich ganz lange davon ausgegangen bin, dass sich Leben so anfühlen muss“, erzählt Tobi. „Ich habe das betäubt mit Drogen und habe sehr viel getrunken, um das erträglich zu machen, um nach außen normal zu wirken.“

Diese Zeiten sind vorbei – und Tobi bedankt sich dafür bei jemandem, der sonst wohl eher wenig Dank erfährt: seiner Depression. „Die Therapie und damit auch die Depression haben mir in meiner ganz persönlichen Entwicklung gut getan.“ Heute geht es Tobi besser. Seine Depression „besucht“ ihn nur noch in Schüben. „Früher habe ich zwischen guten und schlechten Tagen unterschieden. Heute sind es eher normale und schlechte Tage, weil die guten überwiegen.“ Mit seiner Depression an die Öffentlichkeit zu gehen, hat Tobi Katze keinen Moment lang bereut. Im Gegenteil: „Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“

ANSPRECHPARTNER IM NOTFALL Psychologische Beratung erhalten Studenten vertraulich und kostenfrei bei verschiedenen Anlaufstellen.

Das Krisenzentrum Dortmund bietet in akuten Lebenskrisen, bei Selbsttötungsgedanken oder nach Selbsttötungsversuch ein kurzfristiges Beratungsangebot an. Die Beratungsstelle ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr unter 0231 43 50 77 oder per Mail an kontakt@krisenzentrum-dortmund. de erreichbar. In dringenden Fällen sind die Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 oder der Ärztliche Notfalldienst unter 0231 19 292 für Hilfesuchende da.

Die psychologische Studienberatung der TU Dortmund hilft Studenten in schwierigen Lebenssituationen. Beratungstermine können per Mail an psychologische-beratung@tu-dortmund.de oder telefonisch unter 0231 755 5050 vereinbart werden.

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leben


SAG MAL, PROF Wieso ist Fußball eine Männerdomäne? TEXT&FOTOPHILIPP RENTSCH

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aola-Wellen schwappten durch die Stadien, die Einschaltquoten schnellten in die Höhe, bis zu 19 Millionen Menschen fieberten an den Bildschirmen mit: Die Begeisterung für Frauenfußball erreichte spätestens zur WM 2011 in Deutschland ihren Höhepunkt. Trotzdem ist Fußball noch immer eine Männerdomäne. Warum das so ist, verrät Soziologie-Professor Michael Meuser von der TU Dortmund. „Der Fußball ist ein bedeutsamer Ort zur Inszenierung von heterosexueller Männlichkeit“, erklärt der Experte. Dominante und rüde Verhaltensweisen auf und neben dem Platz hätten dazu geführt, dass Fußball deshalb lange Zeit als „unweiblich“ angesehen wurde, sagt Meuser. Bis ins Jahr 1970 war Frauenfußball in Deutschland sogar offiziell nicht erlaubt. Weil „im Kampf um den Ball die weibliche Anmut verschwindet, Körper und Seele unweigerlich Schaden erleiden“, lautete die Begründung des Deutschen Fußball-Bundes. Die heutige Wahrnehmung als Männersportart liege aber nicht nur an der damaligen Abgrenzung. Auch Sozialisationserfahrungen im Kindesalter seien entscheidend, erklärt Meuser. „Zum Beispiel gibt es im Schulsportunterricht noch immer eine starke Geschlechterdifferenzierung, was typisch weiblich und was typisch männlich ist.“

Diese Erfahrungen beeinflussten nicht nur die Interessen, sondern auch die Kommunikation: „Wer Männerfußball meint, verwendet häufig nur den Begriff Fußball. Wenn Frauen diesen Sport ausüben, sprechen viele explizit von Frauenfußball.“ Obwohl sich bis heute Vereine, Verbände und Fangruppen durch eine vorwiegend männliche Besetzung auszeichneten, sei ein Trend zu erkennen, so Michael Meuser. Der Anteil von weiblichen Zuschauern wächst. Aktuell liegt er bei knapp 30 Prozent. Das zeigen Untersuchungen in der Bundesliga. Bei den 14- bis 19-Jährigen begeistern sich Mädchen und Jungs mittlerweile sogar gleichsam stark für Fußball. „Das Interesse steigt. Es ist aber festzustellen, dass sich Frauen vor allem für Männerfußball begeistern“, merkt Professor Meuser an. „Zwar befinden sich auf den Stehrängen weiter deutlich mehr Männer. Neue, komfortable und familienfreundliche Stadien locken jedoch mittlerweile viele weibliche Fans.“ Auch die aktiven Fußballerinnen werden mehr. Zahlen des Deutschen Fußball-Bundes zeigen, dass sich in den vergangenen fünf Jahren jeweils mehr als 10.000 Frauen und Mädchen den Vereinen angeschlossen haben. Dass „die Zukunft des Fußballs weiblich ist“, wie es Sepp Blatter, Präsident des Fußballweltverbandes FIFA, vor einigen Jahren behauptete, glaubt der Professor allerdings nicht: „Soweit würde ich nicht gehen.“ Michael Meuser ist Professor für Soziologie an der TU Dortmund.


UNSERE PFLIC

STUDENTENROMAN 3000 Euro „Ich singe Lieder, und sie hören mir zu.“ „Und was für Lieder?“ „Lieder über dich und mich.“ „Über uns beide?“ „Nein. Oder doch. Über Menschen wie uns.“ „Und wie sind Menschen wie wir?“ Daraufhin lächelt Anton nur. „Anders“, sagt er. „Oder eben: so ein bisschen am Rand. (…) Oder schon über den Rand hinaus.“

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nd genau davon handelt der Roman: von Menschen, die sich am Rand der Gesellschaft bewegen. Als Anton fast alles verloren hat – sein Jurastudium, seine Wohnung, seinen Führerschein, die meisten seiner Freunde und fast auch seinen Lebenswillen – trifft er Denise. Die junge Mutter arbeitet im Discounter und hat große Träume. Beide kämpfen auf ganz unterschiedliche Weise darum, nicht endgültig „aus dem System gekegelt zu werden“. So nennt es Anton. Und dabei sind es für beide gerade einmal 3.000 Euro, die über die gesellschaftliche Akzeptanz entscheiden. Thomas Melle erzählt in einer klaren, manchmal poetischen Sprache. Oft tiefgründig und nachdenklich und dabei spannend wie in einem Krimi.

BESONDERES BUCH Come Prima

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rankreich, Ende der 1950er Jahre. Fabio hat vor vielen Jahren in den Wirren des faschistischen Italiens seine Heimat verlassen. Seither verdient er seinen Lebensunterhalt in zwielichtigen Milieus. Nach Jahren taucht sein jüngerer Bruder Giovanni auf, mit einer Urne in den Händen. Die Asche ihres gemeinsamen Vaters muss nach Italien überführt werden. Anfangs voller Abscheu füreinander, bewegen sich die Brüder mit jedem Kilometer der Reise ein Stückchen weiter aufeinander zu. Es ist die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die sich auf eine Reise begeben. Auf eine Reise von Frankreich in ihre Heimat Italien. Auf eine Reise in ihre eigene Vergangenheit und zu sich selbst. Come Prima – Wie einst. Eine Road Novel, erzählt in wirklich kunstvollen und ausdrucksstarken Bildern. Auf dem diesjährigen Comicfestival im französischen

FÜR DEN

TEXTKRISTINA GERSTENMAIER&MORIT

Für wen? Alle, die eine besondere Motivation brauchen, ihr Studium durchzuziehen. Auch wenn einiges zusammen kommen muss, um so zu enden wie Anton. Wo lesen? Am besten in der Badewanne oder unter der Bettdecke. Denn diese Geschichte jagt einem mehr als nur einen kalten Schauer über den Rücken. Was bringt’s? Einblicke in für uns Akademiker oft fremde Lebenswelten, obwohl sie uns täglich begegnen. Und ein Verständnis dafür, wie jemand in eine Lage wie Anton geraten kann. Thomas Melle: 3000 Euro. Rowohlt Berlin. 208 Seiten. Hardcover, 18,95 Euro.

STUDENTENLEBEN Warum unsere Studenten so angepasst sind

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hristiane Florin von der Uni Bonn liefert einen Tatsachenbericht über die Studenten von heute, mit denen sie als Lehrende vom Lehrstuhl für Politische Wissenschaft und Soziologie seit zehn Jahren zu tun hat. Mit vielen Beispielen illustriert sie die Probleme. Als Dozentin, die mit diskussionsfaulen Studenten zu kämpfen hat, wünscht sie sich mehr als nur junge Leute, die mit möglichst wenig Aufwand ihre Scheine bekommen wollen, aber auch der Einfluss der modernen Medien und die Politik der Hochschulen werden thematisiert. Nach Meinung von Florin sind wir nämlich nicht einfach angepasst, sondern versuchen, durch das System Uni zu kommen.

TIPPS VON DER FACHFRAU Angoulême als bestes Comic-Album des Jahres ausgezeichnet. Für wen? Alle, die sich auf kunstvolle Art eine poetische Geschichte erzählen lassen – und sich von ihr überraschen lassen möchten. Wo lesen? Lange, dunkle Winterabende mit einer Tasse Tee auf dem Sofa. Dort kann den tollen Bildern am wenigsten passieren, denn sie sind viel zu schade, um zerknickt oder bekleckert zu werden. Was bringt’s? Auf ganz unaufdringliche Art Einblicke in die Geschichte des italienischen Faschismus. Alfred, Come Prima. Reprodukt. 224 Seiten. Hardcover, 34 Euro.

Dr. Sabine WirthsHohgen, Buchhändlerin aus Witten, empfiehlt ihre Lieblings-Neuerscheinungen 2014.

Christian Eisert: Kim und Struppi. Ferien in Nordkorea Weil „der Autor in seinem Reisebericht auf humorvolle Herangehensweise ein hochbrisantes Thema behandelt. Er entdeckt stellvertretend für uns alle ein Land, das man nur sehr schwer bereisen kann.“ Ullstein Extra. 320 Seiten. Hardcover, 14,99 Euro.


CHTLEKTÜRE

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TZ MAKULLA FOTOSMIRIAM WENDLAND

Für wen? Alle, die sich irgendwie mit dem System Universität beschäftigen. Wo lesen? Am besten auf dem Campus, zwischen den Vorlesungen beim Kaffee holen oder in der S-Bahn. Was bringt’s? Es wird nicht nur über das mangelnde Engagement von Studierenden gejammert, sondern vor allem das System skizziert, in dem junge Leute sich an der Uni wiederfinden.

Christiane Florin: Warum unsere Studenten so angepasst sind. Rowohlt Taschenbuch Verlag. 80 Seiten. 4,99 Euro.

Géraldine Winter: Wie ein Wolf

W „es ein wirklich großartiges und beWeil rührendes Bilderbuch für Kinder und Erwachsene ist. Eine zu Herzen gehende Geschichte über einen Hund, der ein armseliges Leben führt. Für Hundeliebhaber und alle anderen. Mit besonders schönen Bildern.“ Minedition. 32 Seiten. Hardcover, 13,95 Euro.

Solomonica de Winter: Die Geschichte von Blue Weil „die erst 16-jährige Autorin eine absolut anrührende Geschichte eines Mädchens erzählt, das seinen Vater früh verloren hat und deren Mutter in einer eigenen Welt lebt. Packend, spannend, außergewöhnlich und verwundernd.“ Diogenes. 288 Seiten. Taschenbuch, 14,90 Euro.

SACHBUCH Der Fluch der bösen Tat

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ür die einen ist er der große Welterklärer, ein Chronist des Weltgeschehens. Für andere ist er ein „Steinzeitjournalist“, voller „imperialer Klischees“ (Ulrike Herrmann in der taz): Peter Scholl-Latour. Umstritten, ohne Frage, aber fraglos eine Reporter-Legende, geachtet vor allem aufgrund seiner Einschätzungen zum Nahen Osten. Im August dieses Jahres ist Peter Scholl-Latour verstorben. Das Buch wurde unmittelbar nach seinem Tod veröffentlicht. „Der Fluch der bösen Tat“ beleuchtet die aktuellen Brandherde im Nahen Osten und erklärt die Verwicklungen ethnischer, religiöser und ideologischer Konflikte. So kommen der Konflikt in der Ukraine, die jüngsten Angriffe Israels auf den Gaza-Streifen, der Vormarsch des „Islamischen Staates“ und die Auseinandersetzungen in der Türkei zur

SCIENCE FICTION Der Circle

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üstere Zukunftsvisionen sind immer in Mode. Aber „Der Circle“ schafft es, eine zu skizzieren, in der wir im Grunde schon leben: Eine gigantische Firma kontrolliert die Wirtschaft und das Internet und sorgt für immer mehr Transparenz durch eine Plattform, die alle sozialen Medien in sich vereint. Die Protagonistin, die dort anfängt zu arbeiten, muss sich bald mehr mit den persönlichen Kontakten beschäftigten als mit ihrer Arbeit selbst. Die Darstellung des eigenen Lebens nach außen durch Beiträge, Fotos und Kommentare nimmt schließlich die meiste Zeit des Tages ein. Und während die Kommunikation über das Internet und die zwischenmenschlichen Beziehungen immer unpersönlicher werden, schaffen sich die Menschen durch die völlige Transparenz freiwillig ihren eigenen Überwachungsstaat. Der Roman konzentriert sich in erster Linie auf die moderne Kritik an den sozialen Medien. Er wirft die Frage auf:

Sprache. Und Scholl-Latour erklärt, welchen Einfluss der Westen hat. Durch die vielen persönlichen Begegnungen, die er während seiner unzähligen Reisen gemacht hat, wird das Buch besonders lesenswert. Für wen? Alle, die die Ursachen und Zusammenhänge der aktuellen Konflikte in der Welt besser verstehen wollen. Aber nicht für: Politikneulinge. Das Buch ist kompliziert geschrieben und setzt eine Menge Vorwissen voraus. Wo lesen? An einem stillen Ort, an dem nichts die Konzentration stört. Was bringt’s? Weltgewandtheit und ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge.

Peter Scholl-Latour: Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens im Orient. Propyläen. 351 Seiten. Hardcover, 24,99 Euro.

Können wir uns dem Internet noch entziehen oder sind wir, ohne es zu merken, bereits vollkommen abhängig von Facebook und Co? Für wen? Fans von Science Fiction genauso wie für Medienkritiker. Wo lesen? Ganz klassisch als gebundenes Buch abends im Bett, ohne dabei alle paar Minuten aufs Handy zu starren. Was bringt’s? Medienkritik in unterhaltsamer Form irgendwo zwischen erhobenem Zeigefinger und Satire.

Dave Eggers: Der Circle. Verlag Kiepenheuer& Witsch. 560 Seiten. Hardcover, 22,99 Euro.



WIR Sind dann MALWEG Kinder in Südafrika, Ordensschwestern auf den kapverdischen Inseln oder gleich alle Nationen an einem Tisch: Drei Studenten haben sich auf die Reise gemacht und Außergewöhnliches erlebt. TEXTstefanie luthe Fotosprivat

DIE HELFERIN

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wischen Armut und Bildung: TUStudentin Anne Junker arbeitete in einer Grundschule in Südafrika und betreute dort unter anderem Kinder aus einem Township. Wenn Anne von ihrer Zeit in Südafrika erzählt, schildert sie vor allem Armut: Wellblechhüten ohne fließendes Wasser, Drogen, Gewalt und kriminelle Gangs. Als die Sonderpädagogik-Studentin der TU Dortmund in einem Vortrag von dieser Situation hörte, war ihr klar, dass sie helfen wollte. Anne sah in der Arbeit dort eine gute Möglichkeit, ihr theoretisch gelerntes Wissen praktisch anzuwenden. Sie arbeitete elf Wochen in einem Kapstadter Ortsteil in einer Grundschule, 500 Meter von dem Township „Imizamo Yethu“ entfernt. Das Township ist als eines von vielen Wohnvierteln während der Apartheid entstanden. Hier sollte die farbige Bevölkerung von den Weißen getrennt leben. Die Grundschule ist öffentlich und nimmt daher kein Schulgeld. So können sie auch Kinder aus dem Township besuchen. Anne half vormittags im 21

studium

Klassenunterricht, las mit den Grundschülern Bücher und brachte ihnen mit Spielen Vokabeln bei. Außerdem übte die 24-Jährige mit den Kindern Mathe und zeigte ihnen so einfache Dinge, wie den Stift richtig zu halten. Für den Nachmittag baute Anne zusammen mit anderen Freiwilligen und Praktikanten ein Sport- und Kreativprogramm für die Schüler auf. „Dabei ging es einfach darum, den Kindern wieder eine Kindheit zu geben“, erzählt sie. Viele kämen aus sehr schlechten familiären Verhältnissen. Ein Kind aus der Grundschule habe mit sechs Jahren schon geraucht, in dem gleichen Alter sei ein anderes vergewaltigt worden.

Starker Zusammenhalt in einer gefährlichen Gegend Bei einigen Grundschülern wird vermutet, dass sie unter dem fetalen Alkoholsyndrom leiden, also an kognitiven Defiziten und Konzentrationsstörungen infolge von starkem Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. „Den Leuten in der Grundschule fehlt aber die Zeit, mit diesen und anderen Kindern mit besonderen Lernschwierigkeiten zu arbeiten“, sagt Anne. Das


Die Reise nach Indien war für Felix ein Höhepunkt.

Anne lebte in Südafrika mit anderen Freiwilligen zusammen.

war ein weiterer Grund für ihre Reise: Anne wollte herausfinden, wie in dem Township mit behinderten Kindern umgegangen wird. „Ich habe in einem Appartement mit vier anderen Freiwilligen in Hout Bay gewohnt“, sagt Anne. Dieser Ort liegt ungefähr zwei Kilometer von dem Township entfernt. Obwohl er als problematische Gegend gilt, fühlte sie sich in Hout Bay meistens sicher. „Wir hatten einen Sicherheitsmann vor unserem Appartement und waren nach Einbruch der Dunkelheit mindestens zu dritt oder viert unterwegs“, sagt Anne. Trotzdem dürfe man die Arbeit in einem Township nicht zu locker nehmen: Andere Freiwillige seien zum Beispiel überfallen worden. Als ein Gangmitglied von einer rivalisierenden Bande ermordet worden sei, habe sich diese rächen und die Geschwister ihrer Rivalen in der Grundschule umbringen wollen. „Alle Erwachsenen aus dem Township kamen, um die Kinder von der Schule abzuholen und in Sicherheit zu bringen. Es war schön zu sehen, dass der Zusammenhalt in dem Moment so stark war und sich jeder um jeden gekümmert hat“, erzählt Anne. Während ihrer Zeit in Südafrika habe sie ein anderes Verständnis davon bekommen, was es heißt, arm zu sein. Anne glaubt, dass ihr das auch bei ihrer künftigen Arbeit mit Kindern an deutschen Schulen helfen wird. Denn es kämen immer mehr Flüchtlinge oder Menschen aus armen Verhältnissen nach Deutsch-

land. „Für die Kinder dort war ein Malbuch schon das höchste der Gefühle“, sagt sie. „Die Kinder sehen, dass es den Weißen besser geht, dass sie reicher sind. Auf die Frage, was sie gerne sein möchten, antworten viele Kinder: ‚weiß‘.“

können“, erzählt Felix. Gibt es bei so vielen Reisen einen Höhepunkt? Besonders gut gefallen hat ihm seine Zeit in Indien. Im September 2013 besuchte er dort die Summerschool der Universität zu Köln in der Nähe von Puducherry in Südindien.

DER WELTENBUMMLER

Eine deutsche Professorin, die jedes Jahr für mehrere Monate in Indien lebt, hatte diese organisiert. Sie lud elf Studenten aus NRW in ihr Haus ein und referierte zum Beispiel über die Politik, Kulturen und Religionen in Indien und die Geschichte vor und nach der Unabhängigkeit des Landes. In der letzten Woche reisten die Studenten durch die beiden großen Bundesstaaten im Süden Indiens. „Die Menschen dort sind ausgesprochen freundlich und das Essen ist lecker – es war gar nicht so scharf“, erzählt Felix und lacht.

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ath, Amboise, Indien, Montreal: Was sich anhört, wie ein Auszug aus einem Reisekatalog, sind die Orte, an denen Felix Wieland während seines Studiums schon war. „Das Reisen hat mir schon immer viel Spaß bereitet“, erzählt Felix. Er studiert im siebten Semester Physik an der TU. Während der vergangenen drei Jahre ist er viel herumgekommen: Neben einer Sommerakademie in Südfrankreich, Sprachkursen im englischen Bath und im französischem Amboise war Felix zwei Monate lang am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in der Schweiz. Die Studenten hatten Vorlesungen, Workshops und Führungen und arbeiteten an einem Projekt mit. Der 22-Jährige fand die Zeit dort klasse: „Wir waren fast 300 Studenten aus der ganzen Welt: Indien, den USA, Russland, Ghana, Kasachstan, Frankreich, Schottland... Wir haben Ausflüge gemacht, Tanzkurse organisiert, das Jazzfestival in Montreux besucht und gekocht. Es ist etwas Besonderes, auf einem Tisch Gerichte aus verschiedenen Ländern zu haben und sie zusammen probieren zu 22

studium

Vorfreude auf das Studium in Südkorea In diesem Herbst hat Felix an einem zweimonatigen Forschungspraktikum in Montreal teilgenommen. Ab März ist er schon wieder auf Reisen: Dann geht es für zwei Semester an die Universität in Seoul in Südkorea. Dort wird er Kurse belegen, die er sich für sein Masterstudium in Dortmund anrechnen lassen kann. „Ich kenne die koreanische Kultur und Sprache noch nicht“, sagt Felix. Gerade deswegen freue er sich besonders darauf. Ein bisschen vorbereitet hat er sich schon: Durch das Tandem-Programm der TU, bei dem sich Studenten verschiedener Nationen austauschen und so


Felix Wieland im CERN in der Schweiz.

ihre Sprachkenntnisse verbessern können. Auch mit Büchern zur koreanischen Geschichte und Kultur hofft er, sich vor dem einen oder anderen Fauxpas zu schützen. „Durch meine Reisen bin ich offener und selbstständiger geworden“, sagt Felix. „Mich interessiert es, wie sich die Kulturen und Sitten in verschiedenen Ländern unterscheiden und wie manche Dinge ganz anders gehandhabt werden. Außerdem koche ich gerne und liebe es, immer neue Gewürze und Gerichte zu probieren.“

Die missionarin

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er ein Jahr in ein Ordenshaus zieht, erwartet Ruhe, Entspannung oder hofft vielleicht, den Glauben zu entdecken. In dieser Zeit die Liebe zu finden, ist eher ungewöhnlich. Studentin Mara Kehrbaum ist jedoch genau das passiert. 6 Uhr: Aufstehen. 6.30 Uhr: Kirche. 8 Uhr: arbeiten im Kindergarten. Danach Mittagessen, wieder arbeiten, beten, Abendessen, schlafen: So durchgeplant war Maras Tagesablauf. Sie lebte ein Jahr lang in einem Ordenshaus in Assomada, der drittgrößten Stadt der kapverdischen Inseln, und arbeitete dort in einem Kindergarten. „Ich wollte nach der Schule schon immer mal wo anders hin und ein freiwilliges soziales Jahr machen“, erzählt die 21-Jährige aus Waltrop, einer

Mara Kehrbaum erkundet die Umgebung des Klosters auf den Kapverdischen Inseln.

Kleinstadt in der Nähe von Dortmund. Auf der Suche nach einer geeigneten Organisation stieß sie auf das katholische Programm „MissionarIn auf Zeit“ (MaZ). Das ermöglicht es jungen Leuten, ein Jahr lang in Afrika oder Lateinamerika in einer religiösen Gemeinschaft zu leben. „Ich bin eigentlich nicht besonders religiös“, sagt Mara. Am 12. September 2012 flog sie trotzdem zu den kapverdischen Inseln, fast 600 Kilometer vor der afrikanischen Westküste.

Ganz besondere Weihnachtstage Mara sprach kein Portugiesisch. „Ich konnte zunächst nur meinen Namen sagen, von eins bis zehn zählen und erklären, woher ich komme“, erinnert sie sich. Das machte ihr anfangs zu schaffen: „Wenn man sich nicht ausdrücken kann, kommt ja die eigene Persönlichkeit nicht zur Geltung.“ Ein Erlebnis ist Mara, die jetzt in Köln Soziale Arbeit studiert, besonders in Erinnerung geblieben: das acampamento. Dabei trafen sich religiöse Studenten mehrere Tage zwischen Weihnachten und Silvester. „Alle hatten Musikinstrumente dabei und wir haben viel gesungen.“ Sie übernachteten zusammen in einer Schule und zogen durch die Ortschaft, um die Einwohner zu ihren selbst organisierten Messen auf dem Schulhof einzuladen. „Das war wirklich eine sehr coole Zeit.“ Trotz dieser schönen Erinnerungen war die meiste Zeit des Jahres schwierig für 23

studium

Mara. Sie empfand die Schwestern als sehr streng. Aus Sorge, dass Mara außerhalb des Ordenshauses etwas passieren könnte, hätten sie ihr nur wenige Freiheiten gelassen. „Ich hatte kaum Möglichkeiten mal rauszugehen und Leute von außerhalb kennen zu lernen“, sagt sie. Ihren Freund Ja lernte Mara trotzdem während ihrer Zeit im Ordenshaus kennen. Seine Familie hat in Assomada eine Maismehlfabrik. Jeden Mittwoch auf dem Rückweg von der Kirche brachte Mara Briefe zur Post. „Ich bin deswegen immer an der Fabrik vorbeikommen. So haben wir uns kennengelernt“, erzählt sie. Deswegen bereut Mara das Jahr nicht: „Die Zeit hat mich weiter gebracht. Ich habe gelernt, mir selbst treu zu sein. Ich passe mich nicht mehr so schnell an und bin widerstandsfähiger geworden.“

Info: Bis zum Ende des Jahres können sich Studenten für die Summerschool in Indien im März 2015 bewerben. Die Bewerbungen gehen an Laura Hope vom Referat Internationales: laura.hope@tu-dortmund.de


DEIN WEG DURCH DEN

Steuererklärung: Für viele klingt das nach einem unbe man genauer hinschaut. Gemeinsam mit Katharina t Wegweiser für den Steue TEXTJULIA KÖRNER ILLUSTRATIONEN

LOS

Arbeitest du neben dem Studium?

Ja

Nein

Belege sammeln kann sich lohnen. Zwar musst du jetzt keine Steuererklärung machen, aber die Dokumentation deiner Kosten für das Studium kann trotzdem sinnvoll sein. Du kannst sie eventuell später als Werbungskosten absetzen.

Beachte: Bafög und Stipendien sind steuerfrei.

Im Bachelor Minijob / 450-Euro-Basis: steuerfrei Ein Einkommen von weniger als jährlich aktuell 8.354 Euro (der so genannte Steuerfreibetrag) wird grundsätzlich nicht besteuert. In welchem Arbeitsverhältnis stehst du?

Selbständigkeit

Wenn deine Einnahmen 410 Euro im Jahr übersteigen, musst du im gleichen Jahr eine Steuererklärung abgeben. Sie muss elektronisch mit dem Online-Programm ELSTER (www. elster.de) erstellt und übermittelt sowie ausgedruckt und unterschrieben an das Finanzamt geschickt werden. Bei Einnahmen bis zu 17.500 Euro im Jahr gilt man als Kleinunternehmer und muss keine Umsatzsteuer bezahlen. Diese Kleinunternehmerregelung muss aber gesondert beantragt werden.

Bist du im Bachelor oder im Master? Midijob / 850-Euro-Basis oder auf Lohnsteuerkarte

Wenn du Steuern gezahlt hast, dann wird eine Steuererklärung für dich interessant. Hast du in einem Jahr mehr als den Freibetrag verdient, kannst du erzielte Einnahmen durch die Kosten deines Studiums reduzieren. Eventuell liegt der Restbetrag dann wieder unter dem Steuerfreibetrag und du erhältst Geld zurück. Verdienst du zum Beispiel nur während der Semesterferien auf Lohnsteuerkarte, zahlst du meist automatisch Steuern. Bleibst du aber jährlich unter dem Freibetrag, kannst du die gezahlten Steuern über die Steuererklärung zurückholen.

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Im Master

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ezwingbaren Ungeheuer. Eigentlich unbegründet, wenn te Heesen vom Bund der Steuerzahler haben wir einen er-Dschungel entwickelt.

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Eine Steuererklärung für gering verdienende Bachelorstudenten lohnt sich nach aktueller Rechtsprechung nicht unmittelbar, weil Verluste nicht in spätere Jahre übertragbar sind. Aktuell gelten Kosten eines Erststudiums nicht als Werbungskosten, sondern nur als Sonderausgabe (Info 1). Diese Regelung wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Belege deiner studienbezogenen Ausgaben (Info 2) jetzt zu sammeln könnte sich in Zukunft also lohnen.

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NANNA ZIMMERMANN & ALINA FUHRMANN

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Wenn man auf ein positives Urteil spekuliert, kann man bereits jetzt als Bachelorstudent eine Steuererklärung machen und seine Kosten als Werbungskosten angeben. Gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzamts kann man dann innerhalb von vier Wochen Einspruch erheben und ein „Ruhen des Verfahrens“ beantragen. Sollten nach dem Urteil die Kosten der Erstausbildung als Werbungskosten gelten, können Verluste bis in erste gewinnbringende Jahre übertragen werden (Info 3).

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Steuererklärung bis zu vier Jahre später: Ausgaben für die Zweitausbildung gelten als Werbungskosten und können noch bis zu vier Jahre später geltend gemacht werden. Das geht mit dem rückwirkenden Verlustvortrag (Info 3).

Steuererklärung jetzt: Es gilt das sogenannte Zuund Abflussprinzip. Alle Einnahmen und Kosten beziehungsweise Aufwendungen des Jahres müssen aufgeführt werden. Sobald du einmal eine abgegeben hast, musst du von da dann jedes Jahr eine Steuererklärung machen.

Wer nicht vorsorglich seine Kosten in einer Steuererklärung geltend machen, sondern erst das Urteil abwarten möchte, kann die Erklärung bis zu vier Jahre rückwirkend machen. Vorausgesetzt natürlich, das Bundesverfassungsgericht erkennt die Kosten der Erstausbildung als Werbungskosten an. Verluste aus Einnahmen und Werbungskosten können beliebig weit in die Zukunft übertragen werden (Info 3). Sie werden dann mit künftigen Einnahmen verrechnet, so dass du weniger oder sogar keine Steuern zahlen musst. Also: Belege dieser Kosten aufbewahren lohnt sich und erspart dir zumindest in Zukunft bares Geld durch eine so verringerte Steuerlast.

Nicht verpassen: Die Erklärung muss bis spätestens 31. Mai des jeweiligen Folgejahres bei deinem Finanzamt eingegangen sein. Bei der rückwirkenden Vier-Jahres-Frist zählt aber der 31. Dezember. Danach wird sie fünf Wochen bis sechs Monate lang geprüft und du erhältst einen Bescheid. Gegen den kannst du vier Wochen lang Einspruch erheben, wenn du nicht einverstanden bist. Danach wird er rechtsgültig. 25 job


Info 1 - Erst- und Zweitausbildung

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as Einkommenssteuerrecht unterscheidet zwischen Erst- und Zweitausbildung. Als Erstausbildung zählt ein Bachelorstudium oder eine erste Ausbildung. Eine Zweitausbildung kann ein Masterstudium oder ein Bachelorstudium nach einer ersten Ausbildung sein. Aktuell werden nur Kosten einer Zweitausbildung als Werbungskosten anerkannt. Sie können bis zu vier Jahre rückwirkend geltend gemacht werden und entstehende Verluste in spätere Berufsjahre mit dem Verlustvortrag übertragen werden (Info 3). Aktuell wird vom Bundesverfassungsgericht geprüft, ob nicht auch Kosten einer Erstausbildung als Werbungskosten gelten sollen. Damit könnten gering verdienende Bachelorstudenten in Zukunft auch ihre Verluste in gewinnbringenden Jahren mit ihren Einnahmen verrechnen und Steuern sparen.

Info 2 - Werbungskosten Werbungskosten sind unter anderem Ausgaben, die man unmittelbar aufwenden muss, um studieren zu können. Diese Kosten verringern dann das zu versteuernde Einkommen, also auch die zu zahlende Steuerlast. Angerechnet werden Büromaterial wie PC, Schreibtisch, Bücherregal und Kopierkosten, Bewerbungskosten wie Bewerbungsfotos, Mappen, Briefporto, Fahrtkosten zur Uni (aktuell 30 Cent/ Kilometer), Umzugskosten, Studiengebühren und Fachliteratur. Sogar Kosten für ein Praxis- oder Auslandssemester können berücksichtigt werden. Oft fällt eine Zweitwohnungssteuer an: In Dortmund beträgt sie zwölf Prozent auf die Kaltmiete. Auch diese Ausgaben kann man als Sonderausgabe beziehungsweise als Werbungskosten geltend machen.

Info 3 - Verlust und Verlustvortrag Ein Verlust ist die negative Differenz aus deinen Einnahmen (die auch bei null liegen können) und deinen Kosten (Sonderausgaben oder Werbungskosten). Aktuell kann nur der Verlust aus Einnahmen und Werbungskosten per Verlustvortrag in gewinnbringende Jahre fortgeschrieben werden. Er wird dann mit deinen Einnahmen verrechnet werden, so dass du weniger oder sogar keine Steuern zahlen musst. Wer im selben Jahr eine Steuererklärung macht, in dem ihm die Kosten angefallen sind, kann einen Verlustvortrag in die nächsten Jahre beantragen. Willst du erst rückwirkend die Kosten für deine Zweitausbildung (Info 1) geltend machen, geht das bis zu vier Jahre danach mit entsprechenden Belegen. Und auch nur, wenn du vorher noch keine Steuererklärung gemacht hast. Weitere Infos unter www.steuerzahler-nrw.de oder per Mail an info@steuerzahler-nrw.de

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ZWISCHEN NOSTALGIE UND NISCHE FÜR SEBASTIAN IST SEIN JOB IM DORTMUNDER KULTKINO SCHAUBURG ETWAS GANZ BESONDERES. NICHT NUR, WEIL HIER NEBEN POPCORNDUFT AUCH DIE NOSTALGIE EINES VERGANGENEN JAHRHUNDERTS IN DER LUFT LIEGT. DER DORTMUNDER STUDENT VERBINDET SEIN MASTER-STUDIUM MIT DEM NEBENJOB. TEXTCHRISTOPH PETERS FOTOCHRISTOPH PETERS/PIXELIO

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ier werden die Kinokarten noch per Hand von einer Rolle abgerissen. Die Popcornmaschine im Eingang hat einen Münzeinwurf. Ein Kronleuchter funkelt. Es gibt zwei Kinosäle mit roten Sesseln, aber kein EC-Kartenlesegerät: Das mehr als 100 Jahre alte Lichtspielhaus an der Brückstraße unterscheidet sich für Sebastian Volberg nicht nur durch sein Nischenprogramm oder durch seine gemütliche Atmosphäre von anderen Kinos. Es ist der Ort, an dem er sich zuhause fühlt. Sebastian arbeitet seit einem halben Jahr in der Schauburg. Er muss kassieren und aufräumen, kann aber zwischendurch auch den einen oder anderen Film sehen. „Für mich als Filmliebhaber ist das ein echter Traumjob“, sagt der 26-Jährige, der an der TU Dortmund Alternde Gesellschaften studiert. Seit mehreren Jahren interessiert sich Sebastian Volberg für den Austausch zwischen den Generationen. Schon während seines Bachelorstudiums gründete er den Verein „Basement e.V.“, der studentische Mentoren für Nachhilfe an Schüler vermittelt. Inspiriert von einem bereits etablierten Projekt aus Heidelberg, dem Europäischen Filmfestival der Generationen,

kam Sebastian und seinen Kommilitonen eine Idee: Sie wollen Inhalte ihres Studiums ebenfalls in einem Filmfestival umsetzen. „Aber ich kann kein Filmfestival veranstalten ohne Ahnung davon zu haben, wie Kino eigentlich funktioniert“, stellte Sebastian schnell fest. Also hospitierte er in dem Dortmunder Programmkino. So kam er auch an seinen Job zwischen Popcornmaschine und Kronleuchter. Die von Sebastian mitorganisierte Veranstaltungsreihe im Oktober nannten die Macher „Storyboard – Kino der Generationen“. Und die kam beim Publikum gut an. Sebastian war sehr erleichtert, als die Eröffnung ausverkauft war. Neben den Filmen gab es ein Rahmenprogramm rund ums Älterwerden und den Generationendialog. Uniprofessoren hielten Reden, Regisseure stellten ihre Filme vor und das Publikum diskutierte mit. „Die monatelange Planung hat sich ausgezahlt. Das Feedback war sehr positiv“, sagt Sebastian und freut sich.

Mit seinen Kommilitonen arbeitet der Student schon am nächsten Event. Sie gründeten sogar einen Verein, um die Organisation des Festivals zu vereinfachen. Und neben seinem Ehrenamt möchte Sebastian Volberg natürlich weiterhin in „seinem“ Kino arbeiten.


DER PERFEKTE MORD Seit der Mensch existiert, tรถtet er seine Artgenossen und genauso lange schon versucht er, solche Taten zu vertuschen. Ist es trotz moderner Wissenschaft noch mรถglich, den perfekten Mord zu begehen? TEXTTobias Kreutzer FotosStina Berghaus


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enn der TV-Serienheld Dexter Morgan sein Opfer auserkoren hat, lauert er ihm auf und injiziert ihm ein Betäubungsmittel. Dann verschleppt er es in einen Raum, den er vorher mit Plastikfolie ausgelegt hat. Dort tötet er es kurz nach dem Erwachen mit einem Messer. Die Überreste der Leiche zerteilt er, packt sie zusammen mit der restlichen Folie in einen Plastiksack und fährt mit seinem Motorboot hinaus. Die mit Steinen beschwerten Körperteile versenkt er dann vor der Küste Miamis im Ozean. Er bleibt damit sehr lange unentdeckt. Als Experte für Blutspurenanalyse beim Miami Police Department profitiert Dexter Morgan von seinen eigenen forensischen Kenntnissen und nicht zuletzt von der Tatsache, dass seine Figur der Dramaturgie der US-amerikanischen TV-Serie Dexter unterliegt. Als sympathischer Serienkiller ist er nur eines von vielen popkulturellen Beispielen für den Mörder, dessen Taten niemals aufgeklärt werden. Aber wie sieht es im wirklichen Leben aus? So sehr uns Mörder und Verbrecher in Krimis auch in den Bann ziehen, so wenig haben die Darstellungen in Büchern und Fernsehen mit der Realität gemein. Egal wie oft wir dem Ex-Partner, der Stiefmutter oder dem tyrannischer Chef gedanklich schon an die Kehle gegangen sind: Die diplomatische Lösung ist meist doch einfacher als das „Verschwindenlassen“. Wie wahrscheinlich ist ein „perfekter Mord“ also tatsächlich? Und wie begeht man ihn?

Keine Leiche, kein Mord, kein Aufsehen? Am einfachsten kann der perfekte Mörder seine Tat vertuschen, wenn er keine Leiche hinterlässt – denn dann taucht sie in den Polizeistatistiken gar nicht auf. Im Januar dieses Jahres waren laut Bundeskriminalamt etwa 6.800 Menschen in Deutschland als vermisst gemeldet. Diese Zahl variiert innerhalb eines einzelnen Monats stark und nur in den wenigsten Fällen verschwindet eine vermisste Person für immer. Nach Angaben des BKA erledigen sich in der Regel etwa 50 Prozent

der Vermissten-Fälle innerhalb der ersten Woche. Nach einem Monat sind etwa 20 Prozent der Fälle nach wie vor offen. Der Anteil der Personen, die länger als ein Jahr vermisst bleiben, bewegt sich bei nur etwa drei Prozent. Detlef Berghaus ist erster Kriminalhauptkommissar und Leiter der Abteilung KK 11 für Tötungsdelikte, Brandermittlungen, Waffendelikte und Vermisste bei der Polizei Dortmund. Er bestätigt die hohe Aufklärungsquote bei Vermisstenfällen: „Die Zahl der Personen, die verschollen bleiben, liegt für den Bereich des Polizeipräsidiums Dortmund im Schnitt bei deutlich unter 0,05 Prozent.“ In den Statistiken wird diese Zahl nicht mit Mordfällen in Verbindung gebracht. Könnten sich hinter diesem verschwindend geringen Prozentsatz Morde verstecken, deren Opfer niemals gefunden wurden und deren Verursacher immer noch unter uns weilen?

Es wie einen Unfall aussehen lassen Das Polizeipräsidium Dortmund bearbeitet neben Dortmund und Lünen auch Fälle in den Kreisen Unna und Soest, dem Hochsauerlandkreis sowie im Gebiet des Polizeipräsidiums Hamm. Aufgegeben wird niemand, egal wie lange er oder sie verschwunden ist. „Die polizeilichen Ermittlungen werden erst eingestellt, wenn die vermisste Person aufgefunden beziehungsweise zurückgekehrt ist“, sagt Berghaus. Da Erwachsene ihren Aufenthaltsort jedoch frei wählen dürfen, wird bei vermissten Personen ab 18 Jahren nur ermittelt, wenn die Polizei eine „Gefahr für Leib und Leben“ vermutet. Bei ausreichender Beweislast kann ein Mordverdächtiger in Deutschland jedoch in einem sogenannten Indizienprozess auch verurteilt werden, ohne dass jemals eine Leiche gefunden wurde. So geschah es im Falle eines 55-Jährigen, der 2011 wegen Mordes an seinem Nachbarn lebenslänglich bekam. Der Richterspruch wurde in höherer Instanz vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt, nachdem der Mann zunächst in Revision gegangen war. Auf das Prinzip „Keine Leiche, kein Mord“ kann man sich hierzulande dem29

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nach nur bedingt verlassen. Lässt man es also doch lieber wie einen Unfall aussehen? Nachdem ein Notruf bei der Polizei eingegangen ist, sichert zuerst die Spurensicherung den möglichen Tatort. Gibt es Hinweise auf einen nicht natürlichen Tod, möglicherweise unter Einwirkung Dritter, wird ein Rechtsmediziner verständigt. So einer ist Dr. Ralf Zweihoff vom Dortmunder Institut für Rechtsmedizin. Er entscheidet, ob es sich um einen Unfall, einen Mord oder einen Suizid handelt. „Die Befunde der Untersuchung werden dabei auf Band diktiert“, sagt Zweihoff. „Die meisten Fälle, die wir untersuchen, enden jedoch mit dem Ergebnis: kein Fremdverschulden.“ Doch wäre es nicht möglich einen Suizid zu inszenieren? Zweihoff erzählt von einem Fall, der seine Essener Kollegen vor einiger Zeit beschäftigte. Diese hätten die Leiche eines Mannes in seinem Pool aufgefunden und seien zunächst von einem Ertrinkungstod ausgegangen. „Der Lungenbefund wies aber darauf hin, dass die Atmung zum Todeszeitpunkt noch intakt war“, so Zweihoff. Zudem wurde ein Schlafmittel im Körper des Toten festgestellt. Anscheinend hatte jemand dem Mann die Substanz verabreicht, worauf dieser bei Einsetzen der Wirkung in den Pool gefallen und ertrunken war. Die Ehefrau des Mannes wurde später aufgrund von Zeugenaussagen und weiterer Indizien wegen Mordes verurteilt.


Sich einer unliebsamen Person durch Zuführen von Giften und anderen Substanzen zu entledigen, hat schon seit Jahrhunderten eine gewisse Tradition. Im 17. Jahrhundert erregte eine regelrechte Welle von Giftmorden Aufsehen in Europa. Das damalige Mittel der Wahl: Arsen. Das hochgiftige Halbmetall konnte zu dieser Zeit nicht im Körper eines Toten nachgewiesen werden.

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Etwa die Hälfte der Obduktionen ergibt ein anderes Ergebnis als zunächst auf dem Totenschein vermerkt.

Seitdem hat die Medizin immense Fortschritte gemacht. Viele Stoffe sind auch lange nach Todeseintritt noch nachweisbar. Schwierig wird es bei Patienten, die regelmäßig Medikamente einnehmen müssen. Auch für Experten lässt sich dann schwer sagen, ob die Medikamentendosis im Blut eines Toten zum Todeszeitpunkt wesentlich erhöht war oder dem normalen Maß entsprach. Zweihoff sagt: „Wenn man die Dosierung verdoppelt, wird nach acht bis zehn Tagen vermutlich nichts mehr davon nachzuweisen sein.“ Dass ein Medikament im Körper eines Toten nachzuweisen ist, würde in Anbetracht der regelmäßigen Einnahme zu Lebzeiten wohl niemanden verwundern. Da die genaue Dosis aber schwer zurückzuverfolgen ist, besteht besonders in solchen Fällen die Gefahr, dass fälschlicherweise von einem natürlichen Tod ausgegangen wird. Cornelius Heß ist Leiter am Institut für forensische Toxikologie an der Universität Bonn und Experte für Gifte aller Art. Bestimmte Vergiftungen kann er schnell und ohne großen Aufwand anhand einiger Hinweise an der Leiche erkennen. „Zunächst kann der geübte Mediziner 30

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einige Gifte riechen“, erklärt Heß. „Zum Beispiel der aromatische Geruch bei Alkohol, Bittermandelgeruch bei Cyanidvergiftung oder lauchartiger Geruch bei Insektiziden.“ Auch ein „Saum am Zahnfleisch bei anorganischen Giften wie Blei oder Quecksilber oder eine andere Farbe der Totenflecke, zum Beispiel typisch hellrot bei Kohlenmonoxidvergiftung“ sagen einiges über die Umstände des Todes aus. Heß ist zwar der Meinung, dass die Analysemethoden für das Nachweisen von Giften sich in den letzten 20 Jahren enorm weiterentwickelt haben, trotzdem sieht er nach wie vor weiteren Forschungsbedarf. „Man muss sich vorstellen, dass es potenziell mehr als 16 Millionen chemische Verbindungen gibt, die giftig wirken könnten.“ Hinzu komme eine Flut neuer, unbekannter Substanzen. „Ich bin mir sicher, dass es eine gewisse Dunkelziffer gibt und uns viele Vergiftungen immer noch durch die Finger gehen.“

TV-Serienskript und Wirklichkeit

glauben machen wollen. 2012 berechneten Autoren der US-amerikanischen Internetseite Funeralwise.com den durchschnittlichen „body count“ bekannter Fernsehserien (siehe Kasten). Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Bereich der Kriegsführung und bezeichnete dort die Toten der gegnerischen Partei. In Videospielen und Filmen bezieht er sich auf die generelle Anzahl gewaltsamer Tode. Dexter lag mit drei Toten pro Episode im hinteren Teil des Rankings, hochgerechnet auf alle 96 erschienenen Episoden kommen so aber dennoch 288 Tote zusammen. So viele gab es in Miami in den letzten vier Jahren zusammen nicht. Auch wenn TV-Serien, Kinofilme und Literatur bisweilen ein unrealistisches Bild davon vermitteln wie leicht es ist, den perfekten Mord zu begehen, sind sich die Experten einig: Möglich ist es noch immer. Darauf angesprochen, wie er denn jemanden von der Bildfläche verschwinden lassen würde, hat auch Dr. Zweihoff direkt eine Antwort parat. Die würde er allerdings ungern in der pflichtlektüre lesen. „Nachher kommt noch jemand auf dumme Gedanken.“

Dass die wahren Todesumstände am Ende häufig andere sind als zunächst angenommen, zeigt eine Zahl aus einer ZDF-Reportage der Reihe „37 Grad“, die sich im Frühjahr mit einem ähnlichen Thema beschäftigte. Den ZDF-Recherchen zufolge ergeben „etwa die Hälfte der Obduktionen in Deutschland ein anderes Ergebnis als zunächst auf dem Totenschein vermerkt.“ Befand sich darunter der perfekte Mord? Herausfinden wird man es wohl nie.

Die tödlichsten Fernsehserien (2012) 1. The Walking Dead (AMC/RTL II)

Insgesamt ist Deutschland aber alles andere als ein Paradies für Mörder. Die Aufklärungsquote bei (versuchtem) Mord und Totschlag lag im Jahr 2012 bei 95,9 Prozent. Detlef Berghaus zählt für das Stadtgebiet Dortmund und Lünen im vergangenen Jahr insgesamt 16 versuchte und vollendete Tötungsdelikte. „Es konnten alle vollendeten Tötungsdelikte aufgeklärt werden. Von den versuchten Straftaten sind derzeit noch zwei ungeklärt.“ Der perfekte Mord ist also schwieriger zu begehen, als uns viele Filme, Serien und Bücher manchmal

2. Strike Back (Sky/RTL II) 3. Revolution (NBC/RTL) 4. Nikita (USA Network/RTL II) 5. Supernatural (The CW/ProSieben) Quelle: funeralwise.com

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Wort ist ihr Hobby Der Poetry Slam ist hip und das nicht erst seit dem Hype um Julia Engelmann. Aber wie kommerziell ist die Szene durch ihre Größe geworden? Eine Spurensuche unserer Autorin – zwischen Selbstversuch und Auftritt des Deutschen Meisters 2013. TEXT&FotosRicarda Dieckmann

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er Startschuss zu deinem eigenen Lebenslauf ist längst gefallen. Und bevor der Ausruf ‚Auf die Studienplätze, fertig, los!‘ richtig verhallen konnte, bist du schon mit deinen Einschreibunterlagen zur Post gesprintet.“ Mit drei Blättern Papier in der Hand stehe ich vor dem Spiegel und übe meinen Text. Wie damals in der fünften Klasse, als ich meine ersten Referate einstudierte. Aber diesmal will ich nicht 20 Mitschüler und einen Lehrer mit meinem Wissen beeindrucken – sondern eine anonyme Masse von etwa 200 Leuten mit einem autobiografischen Text voller Wortspiele. Ich werde an einem Poetry Slam teilnehmen. 2010 kam ich erstmals mit diesem Dichterwettstreit in Berührung – als Zuschauerin. Das Veranstaltungsformat mit seiner lockeren Atmosphäre und seinen vielseitigen Poeten gefiel mir sofort. Im April 2014 meldete ich mich spontan beim Poetry Slam der RuhrUniversität Bochum an. Ich landete im Mittelfeld und nahm neben der Erinnerung an einen schönen Abend eine kleine Schachtel Pralinen mit nach Hause. Dass auch auf dem Campus in Dortmund regelmäßig geslammt wird, erfuhr ich im Sommer von Stefan von der Germanistik-Fachschaft. Als er mir von den Vorbereitungen für die nächste „Pott meets Poetry“-Auflage berichtete, die er moderieren würde, meldete ich mich wieder an. Ohne lange nachzudenken. Eine gute Idee? Am Tag des Slams beginne ich zu zweifeln. Ich habe schlecht geschlafen. Mit einem starken Kaffee sitze ich vor meinem Text und ärgere mich. Warum? Weil ich nicht schon vorher getestet habe, ob er überhaupt in das Zeitlimit von sechseinhalb Minuten passt. Die Stoppuhr kennt keine Gnade: Ich muss kürzen. Gar nicht so einfach, denn mein Plädoyer dafür, mehr Wert auf das Leben anstatt auf den Lebenslauf zu legen, ist verdichtet und voller Querbezüge. Als ich fertig bin, ist der Kaffee kalt und ich erschrecke mich beim Blick auf die Uhr. Nur noch zwei Stunden bis zum Auftritt.

Kurz vor dem Auftritt: Der Text sitzt noch nicht hundertprozentig.

Ebenfalls zwei Stunden vor seinem Auftritt sitzt Jan Philipp Zymny im Restaurant der Zeche Zollern in Dortmund und blättert in der Speisekarte, kurz vor dem KrimiSlam hier im Industriemuseum. Noch wirkt Zymny gelassen. „Ob der Slam in 400 Jahren oder in zwei Stunden stattfindet, macht für mich gerade keinen Unterschied. Die Aufregung, die kommt etwa zehn Minuten vor dem Auftritt.“ Er grinst verschmitzt und fährt sich über den Fünf-Tage-Bart. Der Slammer trägt ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Bielefeld Slam 2013“. Es ist das Shirt der Deutschen Meisterschaft im vergangenen Jahr, bei der ihn eine Jury aus zwölf zufällig ausgewählten Zuschauern klar zum Sieger kürte. Doch nicht immer

wird der beste Poet des Abends durch Punktetafeln ermittelt: Oft entscheidet der Applaus des gesamten Publikums. Der gebürtige Wuppertaler Zymny wurde 2010 auf das Format Poetry Slam aufmerksam – durch ein Video auf Youtube. „Danach habe ich mir bei Wikipedia die Regeln durchgelesen und dachte mir schnell: Da kann ich ja auch mitmachen. Ich habe mir schon immer absurde, verrückte Geschichten ausgedacht.“ Seine ersten Auftritte in Hagen und Düsseldorf zeigten: Die Geschichten kommen gut an. Seitdem tingelt der 21-Jährige über Slam-Bühnen der Republik. Und Fans der Szene kennen ihn. Mehr als 9100 von ihnen haben auf seiner Facebook-Seite den „Gefällt mir“-Button geklickt.

An meinem Text „Lebenslauf“ habe ich wochenlang gefeilt.

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Bei der Facebook-Veranstaltung von ‚Pott meets Poetry‘ haben 119 Personen zugesagt. Als ich in der ID factory, einem unscheinbaren Gebäude auf dem Campus, ankomme und mich vorstelle, fühlt sich der Satz „Ich bin Ricarda und trete hier heute Abend auf“ befremdlich an. Auch meine Freunde sind mittlerweile eingetroffen. Als ich sie zum Poetry Slam eingeladen habe, hat auch der Gedanke „Dann ist jedenfalls gesichert, dass überhaupt jemand klatscht“ eine Rolle gespielt. Die kleine Halle ist schnell voll. Später erfahre ich, dass viele nicht mehr reingekommen sind.

Die Slam-Szene wird immer größer Auch die große Halle der Zeche Zollern, in der Jan Philipp Zymny beim Krimi-Slam auftreten wird, füllt sich komplett. Die Zuschauer sind allerdings weniger jung und studentisch als in der ID factory. 16 Euro Eintritt haben sie gezahlt. „Wer war noch nie auf einem Poetry Slam?“, fragt Moderator Sebastian23 das Publikum. Viele Arme heben sich.

von Auserwählten stattfinden‘, ist doch hirnrissig.“ Der Poetry Slam wird immer hipper. Doch wird er auch kommerzieller? Zymny verneint: „Im durchschnittlichen Poetry Slam ist kein Geld.“ Gagen gebe es in der Szene nur bei größeren Veranstaltungen wie dem jährlichen „Best of Poetry Slam“ in Hamburg. Zymny gehört mittlerweile zu dem Kreis der Slammer, die für solche Events gebucht werden. Außerdem tourt er mit seinem Solo-Programm „Bärenkatapult“ durch deutsche Städte und hat zwei Bücher veröffentlicht.Auf dem Tisch, den eine Dortmunder Buchhandlung für den Krimi-Slam aufgebaut hat , liegen einige Exemplare seines Romans „Henry

Frottey. Sein erster Fall, Teil 2. Das Ende der Trilogie“. Daraus wird er an diesem Abend vortragen. Meine „Gage“ besteht aus fünf Freigetränken. Kurz vor Beginn des Slams hole ich mir das erste ab: ein BierMixgetränk, obwohl ich eigentlich kein Bier mag. „Trinkst du dir Mut an?“, fragt ein Freund augenzwinkernd. Verneinen kann ich das nicht. Die Auslosung der Startplätze zeigt, dass ich noch ein bisschen durchhalten muss: Ich werde die achte und damit letzte Poetin sein, die in der Vorrunde auftritt. Jan Philipp Zymny betritt beim KrimiSlam als dritter Teilnehmer die Bühne. Er wirkt ruhig, die Nervosität, die ihn zehn

„Ob der Slam in 400 Jahren oder in zwei Stunden stattfindet, macht keinen Unterschied.“ - Jan Philipp Zymny

Das Format des Dichterwettstreits, bei dem das Publikum zur Jury wird, wird zunehmend beliebter. Das beobachtet zumindest Jan Philipp Zymny: „Die Szene ist in den letzten Jahren auf jeden Fall größer geworden – ihre Reichweite, ihre Veranstaltungsorte und die Zahl der Leute, die mitmachen.“ Im Januar 2014 griffen plötzlich alle Medien das Phänomen „Poetry Slam“ auf. Anlass: Ein Auftritt der Bremer Studentin Julia Engelmann wurde in sozialen Netzwerken geteilt. Mehrere Millionen Menschen sahen ihr auf Youtube dabei zu, wie sie in einem Bielefelder Hörsaal mit der immer wiederkehrenden Feststellung „Eines Tages, Baby, werden wir alt sein“ über verpasste Gelegenheiten sinnierte. Obwohl Jan Philipp Zymny dieser „adaptierten, aktualisierten Form von Carpe Diem“ persönlich wenig abgewinnen kann, sieht er die Aufregung positiv. „Der Gedanke ‚Poetry Slam muss aber underground bleiben, der darf nur in Kellerclubs für eine Schar 34

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Minuten vor seinen Auftritten überfällt, scheint überwunden. Drei Sekunden blickt er schweigend ins Publikum. Dann ein verschmitztes „Hallo!“. Er zückt seinen Roman und beginnt. Der Auszug ist absurd und voller Pointen, Sätze wie „Ein Schuss fiel. Der Privatdetektiv hob ihn auf und steckte ihn in die Tasche.“ amüsieren das Publikum. Zymnys Auftritt endet mit begeistertem Klatschen. Länge, Lautstärke und Intensität des Applauses entscheiden allerdings erst am Ende der Vorrunde, welche Poeten ins Finale einziehen: Es zeichnet sich aber ab, dass Zymny gute Chancen hat.

Nervosität wie vor der mündlichen Abiturprüfung Auch bei meinem Wettbewerb „Pott meets Poetry“ entscheidet der Applaus. Jeweils zwei Poeten treten im direkten Duell gegeneinander an. Unmittelbar danach entscheidet das Publikum, wen es im Finale noch einmal sehen möchte. Messinstrument ist dabei keinesfalls eine Stoppuhr, sondern das Gefühl des Moderators Stefan. Özge ist meine Gegnerin. Sie trägt mit ihrer charmanten Art einen Text übers Fernsehen vor. Ihr Auftritt ist kurzweilig, so dass ich von seinem Ende fast überrumpelt bin. Dann geht alles ganz schnell: Mein Name fällt, ich erhebe mich, während meine Freunde „Viel Glück“ wispern. Tausend Gedanken rasen durch meinen Kopf. Was, wenn ich das Mikrofon nicht eingestellt bekomme? Was, wenn die Technik versagt? Oder meine Stimme? Meine Knie sind so weich wie kurz vor meiner mündlichen Abiturprüfung. Auf die Bühne schaffe ich es trotzdem. Die Scheinwerfer blenden mich so sehr, dass ich nur die Umrisse der Gesichter in der ersten Reihe erkennen kann. Die Staubkörner im Gegenlicht sehen irre aus. Es gelingt mir, das Mikrofon auf die passende Höhe einzustellen. Erleichterung. Nach einer kurzen Anmoderation lege ich los mit meinem Plädoyer für weniger Zukunftsängste. Von Satz zu Satz gewinne ich an Sicherheit, spreche mit klarer Stimme ins Mikro: „Wenn schon nicht den Sinn des Lebens entdecken, dann doch

wenigstens den Unsinn des Lebens erleben, sich einfach mal das gesamte Streckennetz der U-Bahn geben und an den Endhaltestellen peinliche Selfies schießen.“ Kurz werde ich von einem lachenden, applaudierenden Publikum unterbrochen. Mit einer so intensiven Reaktion habe ich nicht gerechnet. Der Text macht ganz offensichtlich nicht nur mir ziemlich viel Spaß. Wenige Minuten später stehe ich mit Özge auf der Bühne. Der Applaus für ihren Auftritt ist groß, ich klatsche mit. Dann: „Wenn ihr Ricarda im Finale sehen wollt, dann klatscht jetzt.“ Ebenfalls großer Applaus. Und: Er ist minimal größer als der, der Özge galt und dauert ein paar Sekunden länger. Stefan, der Moderator, schaut mich an, während er verkündet, dass die Entscheidung eindeutig sei. Mir wird schwindelig: Ich habe mir den letzten der vier Startplätze im Finale erkämpft.

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Auch wenn ich im Weitsprung nie gut war, habe ich es über meinen eigenen Schatten geschafft. Viel Zeit, um diese Überraschung zu verarbeiten, bleibt mir nicht, denn ich muss im Finale bereits als zweite Starterin auf die Bühne. Und ich merke: Das Reden vor großem Publikum ist für mich noch längst kein Routine-Akt. Ich stolpere über ein, zwei Versprecher. Da ich den Nachmittag damit verbracht habe, meinen Vorrunden-Text zu kürzen, sind die Vorbereitungen für den Finaltext auf der Strecke geblieben. Trotzdem bin ich mit meinem Auftritt zufrieden, auch, wenn ich aus dem Applaus heraushöre, dass es für den Sieg nicht reichen wird. Für Enttäuschung bleibt aber kein Platz. Dafür fühlt es sich viel zu gut an, einfach mal Mut bewiesen zu haben. Oder, um aus meinem Text zu zitieren: „Auch, wenn ich im Weitsprung nie besonders gut war, habe ich es über meinen eigenen Schatten geschafft.“ Letztlich teile ich mir mit einem anderen Slammer den dritten 35

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Platz und bekomme einen TeilnehmerButton, den ich mir gleich stolz an mein Kleid stecke. Ein Beweisstück dafür, dass ich mich ins Scheinwerferlicht getraut habe – bestimmt nicht zum letzten Mal. Auch Jan Philipp Zymny muss ein zweites Mal ins Scheinwerferlicht, er ist einer der vier Finalisten beim KrimiSlam. Dort liest er ein weiteres Kapitel aus seinem Roman vor. Einen Versprecher zwischendurch überspielt er professionell: „Wenn ich aufgeregt bin, verfalle ich manchmal in meine Muttersprache, das Neptunische. Das klingt dann, als würde ich mich versprechen.“ Das Publikum klatscht begeistert. Nicht nur direkt nach Zymnys Auftritt, sondern auch bei der finalen Entscheidung über den Sieger des Abends. Zymny gelingt es, sich gegen die anderen Poeten durchzusetzen. Die Siegprämie ist ein Obstkorb. „Oft gibt es bei Slams Schnaps zu gewinnen, wir achten lieber auf die Gesundheit unserer Teilnehmer“, begründen die Moderatoren. Zymny posiert mit der Trophäe und reckt sie breit grinsend in die Luft. Nach dem Slam verschwindet er zwischen den Teilnehmern und Zuschauern. Wettbewerb? Erfolg? Verkaufte Bücher? Scheinen unwichtig, ist es doch eine ganz andere Gemeinsamkeit, die die Szene eint: Wort ist ihr Hobby.


OMAS HAUSHALTSTIPPS

Leckereien zum Advent

Printen, Vanillekipferl, Spritzgebäck: Weihnachten ist Plätzchenzeit, auch bei unserer Redaktionsoma Liesel. Ihre Lieblingskekse sind Haferflocken-Plätzchen: „Die sind schnell gemacht, kosten nicht viel und sind einfach lecker.“ Guten Appetit! TEXT & FOTOSMICHAEL SCHEPPE

„Man nehme...“ – Die Zutaten

Liesels Geheimtipp – Schoko-Überzug

„Meine Haferflocken-Plätzchen backe ich nach einem uralten Rezept. Das hat meine Oma schon benutzt. Man braucht gar nicht viel: Butter, Haferflocken, Mehl, Backpulver, Zucker, Vanillezucker und ein Ei. Es muss übrigens nicht unbedingt Butter sein, Margarine reicht auch. Die Zutaten kaufe ich im Discounter. Die schmecken nämlich genauso gut wie die vom Fachgeschäft. Nur die Bio-Eier nehme ich immer von meinem Eiermann – da schmeckt man einfach den Unterschied. Und ich kaufe immer die kernigen Haferflocken, dann haben die Kekse mehr Biss.“

„Wer mag, kann die Plätzchen auch mit Schokolade überziehen. Dazu mein Geheimtipp: Schokolade oder Kuvertüre mache ich nicht im heißen Wasserbad flüssig, sondern mit der Kaffeemaschine. Dazu stelle ich zum Beispiel einen kleinen Topf mit Schokolade auf die Wärmeplatte der Kaffee-Filtermaschine. Die Schokolade verkocht dann nicht, weil die Platte nicht so heiß wird. Außerdem spritzt es weniger als beim Erhitzen im Wasserbad. Die Kekse lagere ich luftdicht in Blechdosen. So bleiben sie mehrere Monate frisch. Aber solange halten die Plätzchen bei uns ohnehin nicht. Manchmal sind sie schon vor Weihnachten weg.“

„Da kann nichts schief gehen“ – Backen „Zuerst muss die Butter in einem Topf geschmolzen werden, aber nicht zu heiß, sonst spritzt es. In der Zwischenzeit mache ich den Teig. Alles kommt in eine Schüssel: erst die trockenen Zutaten, dann das Ei und zuletzt die geschmolzene Butter. Vom Zucker nehme ich weniger als in dem Rezept steht, sonst gehen die Plätzchen zu sehr auf die Hüften. Diese Masse knete ich gut durch. Mit zwei Löffeln forme ich dann auf dem Backblech walnussgroße Teighäufchen. Dann für eine Viertelstunde bei 200 Grad in den Ofen – und fertig. Haferflocken-Plätzchen backen ist ganz einfach, da kann gar nichts schief gehen.“ Unsere Redaktionsoma Liesel wohnt mit ihrem Mann Werner in Witten. Beide genießen ihre Altersteilzeit und verreisen gern. Vor Weihnachten bleibt Oma Liesel aber in der Küche und backt viele Weihnachtsplätzchen – sehr zur Freude von Werner. Ihr könnt unserer Redaktionsoma Fragen rundum alltägliche Probleme stellen. Schickt einfach eure Frage an redaktionsoma@gmail.com.


ABGEFAHREN ABGEFAHREN Ihr wollt Kultur, Action und Abenteuer? Wir gehen mit dem NRW-Ticket bis ans Limit und nehmen euch mit auf eine Reise durch das Ruhrgebiet und darüber hinaus. TEXTRICARDA DIECKMANN FOTOSZEISS PLANETARIUM BOCHUM

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schiedlich großen Linsen beinahe selbst an einen Mond mit Kraterlandschaft. Er macht einen überzeugenden Job: Als unerwartet ein Stern durch mein Blickfeld rast und einen Lichtschweif hinter sich herzieht, überlege ich kurz, ob Wünsche auch bei animierten Sternschnuppen in Erfüllung gehen – und beschließe, es auszuprobieren.

uf dem linken Auge bin ich kurzsichtig – und nach Ansicht der NASA damit nicht für eine Karriere als Astronautin geeignet. Der Griff nach den Sternen bleibt mir deshalb aber nicht verwehrt. Das Planetarium Bochum bietet – ganz ohne Eignungstest – eine Expedition in unser „Geheimnisvolles Universum“ an. Und die hat im Gegensatz zur realen Raumfahrt deutlich mehr Komfort zu bieten: Anstatt mich in eine enge Kapsel zu quetschen, freue ich mich über einen Sessel mit viel Beinfreiheit. Da die Reise vom Alltag ins All nur eine Stunde dauert, bleibt mir auch Weltraumnahrung aus Tüten erspart. Im Planetarium ist es finster. Untermalt von sphärischer Musik schweben tausende leuchtende Sterne auf mich zu. Sie scheinen zum Greifen nahe. Den Satz „Wir sind alle Sternenstaub“ fand ich bisher immer ziemlich kitschig. Nun erfahre ich aber, dass mehr als ein Funke Wahrheit darin steckt. Denn alle Elemente, Wasserstoff ausgenommen, sind vor mehreren Milliarden Jahren gemeinsam mit den Sternen entstanden. Eine unvorstellbare Zeitspanne, ebenso wenig greifbar wie die räumliche Ausdehnung des Alls. In Sekunden passiere ich fremde Galaxien und beobachte eine gigantische, farbenfrohe Sternenexplosion, die sich über Lichtjahre ausdehnt. Ich bin fasziniert, fühle mich aber auch ein wenig verloren in diesem riesigen Universum. Das 360-Grad-Panorama macht es ziemlich einfach zu vergessen, dass ich mich mit beiden Füßen auf dem Erdboden befinde. Der große Projektor in der Mitte der Kuppel erinnert mit seinen unter-

Wir nähern uns unserem Sonnensystem. Hier besitze ich dank des nicht mehr ganz gültigen Merkspruchs „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten“ eine Grundorientierung. Die Anfangsbuchstaben der einzelnen Wörter beschreiben die Anordnung der Planeten, wobei Pluto seit einigen Jahren nur noch als Zwergplanet gilt – mehr weiß ich dann aber auch nicht.

ANFAHRT UND CO. Ort: Zeiss Planetarium Bochum, Castroper Straße 67 Anfahrt: RE1/RE6/RE11 bis Bochum Hbf, dann mit der Straßenbahn 308 und 318 bis zur Haltestelle ‚Planetarium‘ Vorstellung: „Geheimnisvolles Universum“ bis zu dreimal wöchentlich Dauer: 60 Minuten Kosten: Studenten zahlen 5,50 Euro. Es wird empfohlen, Karten online zu reservieren. Infos: www.planetarium-bochum.de 37

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So bin ich erstaunt darüber, wie viele Asteroiden bekannt und benannt sind. Schmunzeln muss ich über ‚Itokawa‘. Der erinnert stark an eine unförmige Kartoffel. Weniger überrascht bin ich allerdings davon, dass der Saturn aufgrund seiner Dichte theoretisch schwimmen könnte. Aber ganz ehrlich? Allein beim Anblick seiner zahlreichen (Rettungs-) Ringe hatte ich nichts anderes erwartet. Nach der Rückkehr zur Erde bin ich ganz benommen von der Größe des Weltalls. Aber mir ist klar: Ich habe gar keinen Grund, mich über meine Sehschwäche zu ärgern, die mir die Astronautenkarriere verbaut. Denn die Anfahrt zum Planetarium Bochum ist deutlich unkomplizierter als ein Trip zum Weltraumbahnhof in Cape Canaveral.


HINGESCHAUT Weihnachtsmärkte, Weihnachtsfeiern, Weihnachtseinkäufe – das alles gehört alle Jahre wieder zum Dezember dazu. Auch das Dortmunder Kulturzentrum Depot trägt mit einer vorweihnachtlichen Aktion seinen Teil zum Advent in der Ruhrgebietsstadt bei. TEXTKRISTINA GERSTENMAIER FOTODEPOT

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s ist eine feste Größe im Dortmunder Kulturleben: das Depot. Mehr als 40 Personen, Vereine, ein Theater, ein Restaurant und ein Kino haben sich unter dem Dach der ehemaligen Straßenbahnwerkstatt zusammengefunden. Darunter auch 16 Künstler – Glas- und Objektkünstler, Fotografen, Maler und Grafiker – die hier im Dortmunder Norden mit ihren Ateliers die Basis ihrer Schaffenskraft gefunden haben. Erstmalig in diesem Jahr öffnen sie an den beiden Donnerstagen vor Weihnachten gemeinsam ihre Türen und bitten mit „Kunst und Punsch“ zum „Adventsgestöber“ ins Depot. „Uns geht es darum, dem vorweihnachtlichen Stress die Luft zu nehmen, eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen und die Menschen zum Schlendern und Sich-Treiben-Lassen einzuladen“, sagt Künstlerin Susanne Beringer. Gucken, entdecken, genießen, das sei das Motto des Kulturortes an den Dezemberdonnerstagen. Dazu gibt’s Glühwein. Und wer noch auf der Suche nach Geschenken ist: Die Objekte stehen zum Verkauf. Da sei auch was für studentische Geldbeutel dabei, sagt Beringer. In ihrem Atelier können die Besucher Grafiken, Malereien und Zeichnungen betrachten, die Beringer seit 1997 ausstellt. Sie können der Künstlerin bei der Arbeit zusehen und mit ihr ins Gespräch kommen. Außerdem wird es Popcorn aus der Maschine geben. Sie selbst erwartet das Adventsgestöber schon voller Vorfreude. „Auch für die Künstler soll es schön sein“, sagt sie. Nach einem ereignisrei-

chen Jahr mit vielen Ausstellungen sei das für sie die Zeit, in der sie „runterkommen“ könne. Sie hofft, dass sich diese Stimmung auf die Besucher überträgt. Und wer an diesem Abend noch mehr vom Depot mitbekommen möchte, kann sich Vorstellungen im Kino oder eine moderne Version von Dickens „A Christmas Carol“ im Theater ansehen. In Kooperation mit dem Depot öffnet zeitgleich die benachbarte „Kunstdomäne“ in der Schillerstraße sieben Ateliers für Besucher. Hier haben Künstler aus den Bereichen Malerei, Design, Bildhauerei, Installation, Illustration und Fotografie ihre Arbeitsräume. 38

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„Kunst & Punsch. Adventsgestöber“ gibt es im Depot, Immermannstaße 29, und der „kunstdomäne“, Schillerstraße 43a (beides 44147 Dortmund), Donnerstag, 11. und 18. Dezember, jeweils von 17 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Das Theater bringt eine moderne Version von „A Christmas Carol“ (Beginn 20 Uhr). Kosten: 8 Euro im Vorverkauf und 10 Euro an der Abendkasse. Kinoprogramm: www.sweetsixteen-kino.de. Vorstellungen jeweils um 17 Uhr und um 21 Uhr. www.depotdortmund.de und www.kunstdomaene.de


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Impressum Herausgeber Institut für Journalistik, TU Dortmund Projektleitung Dr. phil. Marco Dohle (ViSdP) Redaktionsleitung Sigrun Rottmann Redaktion Uni-Center, Vogelpothsweg 74, Campus Nord, 44227 Dortmund Tel.: 0231/755-7473, post@pflichtlektuere.com Redaktionsassistent Nils Bickenbach Chefin vom Dienst Julia Knübel Textchef Victor Fritzen Fotoredaktion Stina Berghaus, Thomas Borgböhmer, Christiane Reinert, Miriam Wendland Illustrationen & Zeichnungen Alina Fuhrmann, Nanna Zimmermann Layout & Grafik Sarah Breidenstein, Mareike Fangmann, Tobias Kreutzer, Martin Schmitz, Philipp Ziser Redakteure und Reporter Lisa Bents, Laura Bethke, Ricarda Dieckmann, Jana Fischer, Bernhard Fleischer, Annika Frank, Alina Fuhrmann, Kristina Gerstenmaier, Lucas Gunkel, Rebecca Hameister, Luisa Heß, Johannes Hülstrung, Julia Körner, Tobias Kreutzer, Anna-Christin Kunz, Stefanie Luthe, Moritz Makulla, Lara Malberger, Christoph Peters, Philipp Rentsch, Michael Scheppe, Helene Seidenstücker Das Grafikteam dankt nahezu stressbefreit ... ... der Academy, der netten Dame vom Reisebüro, Julias Oma für den Kuchen, dem Glühweinstand vor der EF50, dem Kreativbüro A.Palka und ausdrücklich NICHT Helene Fischer. P.S.: Und sie (die Kneipe) dreht sich doch! Druck Hitzegrad Print Medien & Service GmbH Auf dem Brümmer 9 44149 Dortmund

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