pflichtlektüre 03/2012

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pflichtlektüre Studentenmagazin für die Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen

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Wilde Ehe Zwischen Bachelorarbeit und Brautstrauß: Wie und warum sich Studenten trauen. www.pflichtlektuere.com


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Impressum Herausgeber Institut für Journalistik, TU Dortmund Projektleitung Dr. des. Annika Sehl (ViSdP) Redaktionsleitung Sigrun Rottmann Redaktion Uni-Center, Vogelpothsweg 74, Campus Nord, 44227 Dortmund Tel.: 0231/755-7473, post@pflichtlektuere.com Chef vom Dienst Julia Hortig Textchef Nils Bickenbach Fotoredaktion Florian Hückelheim, Katharina Kirchhoff, Christiane Reinert Layout Julia Hortig, Daniel Klager, Kai Knox, Timo Spieß, Christopher Tölle Redakteure und Reporter Elena Bernard, Maike Dedering, Kornelius Dittmer, Lara Eckstein, Lara Enste, Mareike Fangmann, Jonas Fehling, Sandra Finster, Jana Fischer, Anna Friedrich, Tobias Fülbeck, Luzie Hecking, Kirsten Hein, Ann-Kristin Herbst, Jana Hofmann, Stephanie Jungwirth, Jens Jüttner, Natalie Klein, Annika Koenig, Olga Kourova, Judith Merkel, Julia Viktoria Neumann, Alexandra Ossadnik, Marylen Reschop, Philipp Schulte, Helene Seidenstücker, Lena Seiferlin, Nora Jacqueline Sonnabend, Dominik Speck, Julia Stollenwerk, Katja Vossenberg Druck Data 2000 GmbH Kaiser-Wilhelm-Str. 39 20355 Hamburg Die pflichtlektüre wird mit Unterstützung der Bertelsmann Stiftung gedruckt.

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Duisburgs Tiger and Turtle statt Brüssels Atomium - Jonas wirbt für Interrail-Touren durch das schöne NRW statt durch Europas Metropolen. TEXTJonas Fehling FOTOChristiane Reinert

Langes Wochenende, Kurzurlaub in der Heimat ist angesagt. Ein Auto habe ich nicht. Macht nichts, ich bin Zugreisender aus Überzeugung. Erst von Dortmund nach Hagen. Zunächst nervt noch Moritz Bleibtreu, der süffisant vom Cover des Bahnmagazins lächelt, dann schlag‘ ich auf. Eine Geschichte springt ins Auge: „Interrail – die Entdeckung Europas“. Jugendliche bekommen für 422 Euro ein Zugticket, gültig für 30 Tage, fast in ganz Europa. Dieses Jahr ist 40-jähriges Jubiläum.

Etwas schleierhaft ist Interrail aber doch: Auf Züge ist schon in Deutschland oft wenig Verlass. Das gehört eben dazu. Doch wie verlässlich sind Züge in strukturschwachen Regionen? Folgendes Szenario kann ich mir gut vorstellen: Mein 28. Reisetag. Ich im tiefsten Osteuropa. Mein Ticket ist fast abgelaufen, der Zug defekt. Was jetzt? Wie komme ich wieder zurück ins schöne NRW? Abgesehen von denkwürdigen Begegnungen – was habe ich von der Fahrt? Bei Interrail werden besonders Nachtzüge angepriesen. Nächte im rumpelnden Zug mit wenig Schlaf – toll! Dafür sollen diese „kurzen Nächte“ einfach einen ganz besonderen Reiz ausmachen. Aber ein Nachteil bleibt: Die Landschaft sehe ich so nicht.

Einen Monat quer durch Europa, nur im Zug? Ein Traum: Unterhaltung pur muss das sein. Verrückt, merkwürdig, denkwürdig geht’s schon hierzulande zu. Wenn die Fahrt im „Ich-halte-an-jedemBaum“-Zug durch Südwestfalen mal wieder komödiantische Züge annimmt. Mein Höhepunkt des Jahres: Winter, ein Mann im T-Shirt steigt zu, öffnet zahllose Tüten Vollkornbrot und Käsepackungen und stopft alles zusammen ohne Verpackung in einen Leinensack.

Klar, Zeit für Städtetours ist genug. Aber der Preis lässt mich zögern. 422 Euro sind für 30 Tage Abenteuer zwar nicht viel, bleiben aber viel Geld. Die Alternative: das Semester-Ticket. Einfach mal eine Woche durch NRW. Auch hier gibt’s viel zu sehen: Zeche Zollverein statt Eiffelturm – Phönixsee statt Adria – Hohensyburg statt Akropolis – Tiger and Turtle statt Atomium. Ist doch mal was Anderes als zwischen Wohnung und Uni zu pendeln. Und für längere Reisen ist im Semester sowieso keine Zeit. Also: Wenn Interrail, dann Interrail NRW. Dafür kann auch schon ein Wochenende reichen ...

Oder die Eurobahn. Bringt einen durch Europa. Sollte man meinen. Doch was drauf steht, steckt nicht drin. Gerade mal über die Grenze kommt man – Endstation Venlo. Dafür versteckt sich Europa da, wo man es nicht erwartet: Wenn zwischen Witten und Herdecke aus den Lautsprechern plötzlich Niederländisch hallt ...

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Bei den „Brückenspatzen“ Campuskopf: Die Herzensangelegenheit der Jutta Bednarz.

Wenn es wieder kribbelt Sag mal, Prof: Woher kommen Frühlingsgefühle?

STUDIUM

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Moral im Wirtschaftsstudium Von den Bemühungen und Widrigkeiten, Ethik zu unterrichten.

Uni 1967 vs. 2012 Zwei Studenten trennen 45 Jahre, Technologien und viele Bücher.

Allianz der kleinen Schritte Fünf Jahre ist die UAMR alt - und bleibt den Studenten vieles schuldig.

JOB

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Auf dem Trimm-Dich-Pfad zum Job Was Trainee-Programme bieten und was sie an Opfern verlangen.

Was bringt der erste Arbeitsplatz? Traum oder Albtraum? Absolventen berichten von ihren Erfahrungen.

Gefiederte Forschungsobjekte Special Operations: Taubenpflegerin Sarah über die Liebe ihrer Lieblingstaube.

LEBEN

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Heiraten im Studium Was Paare dazu bewegt, sich zwischen Hörsaal und Bibliothek zu binden.

Wie kann ich dir helfen? Die Nightline bietet telefonische Beratung von Studenten für Studenten.

Im Bett mit John und Yoko Unser Bilderrätsel: Sechs Fehler führen zum Preis.

RAUS

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Perfekt unperfekt und peinlich Kulturgebiet: Ein inspirativer Ort in Essen, Witchcraft und Sinnflut.

V-Tipps Der Festival-Sommer beginnt, zudem gibt‘s viel Theater, Partys und Ausstellungen.

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inhalt


In der Geisterstadt Neulich in Deutschland: Was macht ein Australier, wenn sonntags nichts los ist? TextANDREW Fitzpatrick PROTOKOLLMareike Fangmann fotoFlorian Hückelheim

Gute Laune, neue Bekanntschaften und ganz viel Trubel: Als ich in den Flieger nach Deutschland gestiegen bin, habe ich mich auf ein erlebnisreiches Jahr und jede Menge neue Erfahrungen gefreut. Erwartungsvoll kam ich in Dortmund an. Doch dann erst mal ein Schock: In der gesamten Innenstadt war es wie leergefegt. Niemand war da! Außer ein paar alten Eheleuten, die gemütlich durch die Stadt schlenderten. Das hatte ich mir aber anders vorgestellt. Und das Schlimmste: Alle Shops waren geschlossen! Aber mein Magen verlangte dringend nach etwas Essbarem. Und was blieb mir übrig? McDonald‘s. Soll so etwa meine spannende Zeit in Deutschland aussehen?

nicht so einfach. Dafür fällt mein Einkauf bei Lidl jetzt immer ein wenig größer aus. Damit aber auch der Ruhetag nicht ganz so ruhig bleibt, treffe ich mich sonntags nun immer mit meinen neuen Freunden zum Kochen. Oder wir machen Hiking-Touren, sehen uns die Gegend an, fahren mit dem NRW-Ticket durch das Ruhrgebiet, testen die Restaurants, gehen Joggen, zum Fußball – wenn man es sich recht überlegt, dann ist das doch viel besser als immer nur in die Stadt zu gehen zum Shoppen. Auch wenn verkaufsoffene Sonntage natürlich praktisch sind.

Ich komme aus Ansonsten bleibt am Newcastle, einer Sonntag auch mal Zeit Hafenstadt an der für die Wäsche oder Ostküste Australiens. für‘s Aufräumen – SaDort lebe ich auf chen, für die ich in der einer Farm, weit weg Woche keine Zeit habe. vom Stadtleben. In Auch nicht schlecht. die Stadt dauert es Und zum Glück ist mit dem Auto etwa dafür wochentags eine Stunde, da kann umso mehr los. Denn man nicht mal eben nachdem ich durch die schnell rüber fahren. sonntägliche GeisterUmso gespannter war stadt lief, graute es mir ich auf Deutschland, schon ein bisschen. wo ich jederzeit in Aber Birte, die mich in Kannte bisher keine geschlossenen Geschäfte am Sonntag: Andrew Fitzpatrick. die Stadt fahren kann Deutschland empfing, um einzukaufen und beruhigte mich ganz Freunde zu treffen – dachte ich. In Australien ist es normal, dass schnell: „Tja, die Aussies sind das nicht gewöhnt. Bei uns ist es eben die Geschäfte jeden Tag geöffnet sind. Beinahe rund um die Uhr. normal, dass man am Sonntag frei hat. Da wirst du aber schnell mit Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass das in Deutschland klarkommen.“ anders ist. Aber hier braucht man anscheinend einen Ruhetag. Und das bin ich auch. Außerdem ist ein Tag, an dem man die Zuhause verbringe ich die meiste Zeit am Sonntag mit Freunden. neuen Erlebnisse verdauen kann, auch nicht das Schlimmste. Denn Für uns war der Tag schon fast wie ein fester Termin zum Einkaudavon habe ich bisher jede Menge gehabt – und es werden hoffentfen, Eis essen oder einfach Rumhängen. Weil in der Woche dafür lich noch viele dazu kommen. meist keine Zeit bleibt, ist die Stadt sonntags richtig voll. Anders als in Deutschland. Jetzt muss ich mir am Samstag immer überlegen, ob ich nicht noch dringend etwas brauche. Am Anfang war das gar 05

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Eine Nacht in Wenn schon weggehen, dann richtig: Radiosender 1 Unsere Fotografen waren bei den K FOTOSFLORIAN HĂœCKELHEIM, KATHAR IN

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Die Zeitverschafferin Seit mittlerweile 27 Jahren betreut Jutta Bednarz (51) Kinder studentischer Eltern an der Universität in Essen. Als Erzieherin arbeitet sie im multikulturellen Kindergarten der „Brückenspatzen“. Für sie eine Herzensangelegenheit. TextHenrike Fischer, Ingo Martin Schmitz FotoFlorian Hückelheim

Im Turnraum der „Brückenspatzen“ können die Studentensprösslinge klettern, spielen und sich austoben. Vor allem bei schlechtem Wetter ist hier immer richtig was los.

Duha und Marina trommeln für ihr Leben gern. Seit zwei Jahren gibt es bei den „Brückenspatzen“ eine Trommel AG – ins Leben gerufen von einem afrikanischen Vater. Mehrmals im Jahr tritt diese auch in der Mensa der Universität auf.

Als ehemalige Sozialpädagogikstudentin kennt sich Jutta Bednarz mit den Problemen und Sorgen von Studenten bestens aus. Während der Prüfungsphasen nimmt sie sich daher auch gerne mal die Zeit, länger auf die Kinder aufzupassen und entlastet damit die Eltern beim Lernen.

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Sag mal, Prof Woher kommen im Frühling eigentlich die Schmetterlinge im Bauch? protokollJonas Fehling FOTOSJonas Fehling ILLUSTRATIONGerd Altmann/AllSilhouettes.com/PIXELIo.de

Katharina Biermann (20), Sonderpädagogik-Studentin an der TU Dortmund, fragt Biochemie-Professer Dr. Peter Bayer, woher die „Schmetterlinge im Bauch“ kommen.

sie da: die gute Laune. Warum? Die Sonne sorgt für einen aktiveren Stoffwechsel. Über die Haut wird mehr Vitamin D produziert. Unser Immunsystem wird angeregt – wir sind fitter.

Es wird ein ganzer Cocktail an Hormonen ausgeschüttet. So entsteht ein explosives Gemisch an Gefühlen. Der Hormonhaushalt aus dem Winter kommt völlig durcheinander. Da das Wetter im Frühling – im Gegensatz zum Sommer – häufig wechselt, ist die Hormonproduktion im Körper unterschiedlich stark aktiv. Dies hängt mit der Anzahl und Stärke der Sonnentage zusammen.

Damit aber nicht genug: Die wiederkehrende Farbenpracht im Frühling, nach einem tristen und grauen Winter, sorgt zudem für eine Art psychische Belohnung. Alles wird grün – alles ist gut. Die Folge: Im Gehirn wird Dopamin ausgeschüttet. Das ist das „Belohnungshormon“. Dopamin erhöht unsere Aktivität und regt Lust, Leidenschaft und Libido an. Wir haben die vielzitierten Schmetterlinge im Bauch. Erst im Sommer, wenn sich die Hormonproduktion einspielt, stellt sich ein Gewöhnungseffekt ein – der Dopaminspiegel ist nun konstant.

In der so genannten Zirbeldrüse (oder Epiphyse) wird das Hormon Melatonin gebildet. Es sorgt dafür, dass wir uns schläfrig fühlen. Licht hemmt die Produktion des Schlafhormons. Da es im Frühling nun sehr viele Sonnentage und damit Licht gibt, sind wir weniger oft müde. Ein weiteres Hormon ist Serotonin. Das ist der Stoff, der uns entspannt und glücklich macht. Gleichzeitig ist Serotonin die Basis, um Melatonin herzustellen. Da die Melatoninproduktion im Frühling durch die höhere Lichteinstrahlung gebremst wird, ist mehr Serotonin vorhanden. Ergebnis: Wir sind glücklicher und entspannter.

Wer sich also noch an Frühlingsgefühlen erfreut, der genießt momentan einen Cocktail aus Vitamin D, Dopamin und der erhöhten Produktion von Serotonin. Das macht glücklicher, aktiver und vor allem: leidenschaftlicher.

„Gefrierpunkt-Temperaturen“, prasselnde Regenschauer und endlose Wolkenteppiche nehmen ab. Unter rosafarben blühenden Kirschbäumen locken Parkbänke zum Entspannen. Durch die Zweige fallen die ersten warmen Strahlen der Frühlingssonne. Plötzlich ist

Was wolltest du schon immer wissen? Mail es uns an gutefrage@pflichtlektuere.com Die besten Fragen lassen wir von Experten im Heft beantworten. 09

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d gibt es noch Nachholbedarf.

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An der Universität Witten-Herdecke, ebenfalls eine Privat-Uni, gibt es seit zwei Jahren den interdisziplinären Studiengang Philosophie, Politik und Ökonomik. „Da treffen, überspitzt ausgedrückt, die Hippies auf die Karrieristen“, erklärt der zuständige Professor Werner Vogd. Wenn die gemeinsam in einem Seminar zum Thema Bankenkrise sitzen, müssen scheinbar eindeutige Begriffe wie „Systemrelevanz“ plötzlich argumentativ begründet werden. „Nur so können die Studenten aus dem Gefängnis in ihrem Kopf ausbrechen“, sagt Vogd. Wichtiger Bestandteil des Studiums sind auch die allgemeinen Grundlagen der Philosophie, ohne Bezug zu konkreten wirtschaftlichen oder politischen Fragestellungen. „Denn wenn wir uns der Ethik nicht explizit widmen, kommt sie oft zu kurz“, weiß Vogd.

Ein Anzugträger, der mit der linken Hand einen Schwur ableistet, während er die Finger der rechten Hand hinterm Rücken kreuzt: Das ist die erste Power-Point-Folie im Seminar „Einführung in die Wirtschaftsethik“ an der Uni Duisburg-Essen. Verlegenes Grinsen bei den knapp 20 BWL-Studenten – sie kennen das Klischee. Doch der Dozent Ulrich Chiwitt meint es ernst, als er seine Veranstaltung mit den Worten beginnt: „Die zentrale Frage der Wirtschaftswissenschaften heute lautet: Haben wir zu wenig Moral in der Wirtschaft?“ In der öffentlichen Diskussion wird diese Frage oft mit „Ja“ beantwortet, seit Geschäfte mit Leerverkäufen und Ausfallversicherungen bekannt wurden. Und dieses „Ja“ wird lauter, seitdem erst Banken und dann auch verschiedene Staaten vor der Insolvenz standen. Es sind längst nicht mehr nur Kapitalismuskritiker, die ein Umdenken fordern. Auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften entwickelt sich ein neues Selbstverständnis.

An staatlichen Universitäten fehlt oft das Geld, um zusätzliche Lehrstühle oder gar Studiengänge einzurichten. Doch auch hier gibt es Entwicklungen: In München, Halle und Jena haben die Universitäten bereits einen Lehrstuhl für Wirtschaftsethik. In Frankfurt, Köln und vielen anderen Städten gibt es Arbeitsgruppen und Seminare. Im Ruhrgebiet ist die Uni Duisburg-Essen bisher allerdings die einzige mit einer Ethik-Veranstaltung für Wirtschaftswissenschaftler.

Wissenschaft des Geldverdienens Ökonomie galt lange als eigenständige Wissenschaft: Es wurden Gesetze entwickelt und Prognosen über wirtschaftliche Entwicklungen aufstellt. Die Forscher stützten sich dabei auf das Modell des „Homo Economicus“, des gut informierten und ausschließlich strategisch denkenden Nutzenmaximierers.

Den BWL-Horizont erweitern In seinem Seminar stellt Chiwitt seine Studenten jetzt vor die Entscheidung: Ein Zug rollt heran und droht, drei Bahnarbeiter zu töten. Noch bleibt Zeit, die Weiche am Gleis zu verstellen und den Zug umzuleiten. Dann müsste allerdings ein anderer Bahnarbeiter auf dem Parallelgleis sterben. „Greifen Sie aktiv ein, um drei Männer zu retten, auch wenn Sie einen Mann damit töten?“, fragt Chiwitt. „Oder nehmen Sie den Tod von drei Menschen durch Nicht-Handeln in Kauf?“ Solche moralischen Dilemmata sind es, mit denen er den Horizont der BWL-Studenten erweitern will. Seit 15 Jahren diskutiert er in seinen Seminaren den Utilitarismus, die Aufgabe von Unternehmen in der Gesellschaft und das Modell der Marktwirtschaft.

Kritiker der Finanzindustrie beklagen, solche Grundsätze seien in der Branche nicht vorhanden. Viele Menschen und auch Branchenkritiker machen das unmoralische Handeln Einzelner für die Finanzkrise von 2009 verantwortlich. Manche verteufeln gar das gesamte kapitalistische System. Ulrich Chiwitt ist überzeugter Verfechter des Kapitalismus und sieht keine bessere Alternative. Beide wollen das gewinnorientierte Wirtschaften nicht abschaffen – sie wollen ihren Studenten nur beibringen, es verantwortungsvoll zu tun.

Für Sibylle Mentfewitz und ihre Kommilitonen sind diese Fragen neu. Normalerweise dominieren Steuern, Insolvenzrecht und Mikroökonomie ihren Stundenplan. „Wir müssen diese Veranstaltung nicht besuchen, um das Studium abzuschließen“, erklärt Sibylle, „aber ich würde es jedem empfehlen: Das hier ist einfach mal was ganz anderes.“ Diesen Eindruck von Ethik als etwas „ganz anderem“ will Chiwitt seinen Studenten nehmen. „Wir Ökonomen müssen uns mit den Auswirkungen unseres Handelns beschäftigen“, sagt er. Ob Kaufentscheidung oder Personalabbau: „Alles, was in der Wirtschaft passiert, hat einen moralischen Hintergrund und moralische Konsequenzen.“

Ethik für die Elite Eine ethische Ausbildung in Wirtschafts-Studiengängen wird mittlerweile immer populärer – besonders an den oft als „Kaderschmieden“ verschrienen Privat-Unis. Die bekannte US-amerikanische Harvard Business School bietet inzwischen Ethik-Vorlesungen ebenso an wie die European Business School (EBS) im Rheingau. Eine interdisziplinäre Ausbildung sei nötig, so die Auffassung an der EBS, damit die Studenten auch später dazu in der Lage seien, „für unerwartet auftauchende Probleme sensibel zu sein und in Zusammenhängen zu denken“: Schlüsselqualifikationen für jeden verantwortungsvollen Job.

Am Campus in Bochum beschäftigten sich bisher nicht die Ökonomen mit dem Thema Wirtschaftsethik, sondern vor allem die Philosophen. „Bestimmte Fragen der Verantwortung stellen sich heute ganz neu“, sagt der zuständige Professor Klaus Steigleder. „Das ist für uns, wie für die Wirtschaftswissenschaftler, gleichermaßen interessant.“ Letztere Studenten verirren sich allerdings dann doch eher selten in seine Vorlesungen über Wirtschaftsethik. 11

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„Manche betrachten unser Fach offenbar als eine Art Astronomie“, sagt Steigleder.

BWL-Studenten interessiert an Ethik Bei den Wirtschaftswissenschaftlern gibt man offen zu, „keinen Experten auf dem Gebiet der Wirtschaftsethik“ zu haben. Das Interesse der Studenten sei in jüngster Zeit aber sehr groß. „Inzwischen sind auch immer mehr Kollegen an einer Zusammenarbeit interessiert“, sagt Steigleder. Erstes Ergebnis dieser Kooperation war ein Workshop mit dem Titel „Risiko und Verantwortung. Ethik der Finanzmärkte in der aktuellen Diskussion“. Zusätzlich können die Studenten den Kurs „Business Ethics“ besuchen – allerdings im Rahmen einer sogenannten „Summer School“ während der Semesterferien. Professor Steigleder und seinen Kollegen aus der Philosophie reicht das nicht aus. Sie wollen zum kommenden Semester einen Master-Studiengang auf den Weg bringen, in dem Ethik, Ökonomie, Recht und Politik gleichermaßen betrachtet werden – auch von Studenten mit einem Bachelor in BWL oder Wirtschaftswissenschaften. Eine ähnliche Entwicklung ist in Dortmund bisher nicht in Sicht. Zwar sind die Wirtschaftswissenschaften hier mit Sozialwissenschaften verknüpft und daher von vornherein interdisziplinärer als ein reines BWL-Studium. Veranstaltungen zum Thema Wirtschaftsethik gibt es bisher allerdings nicht. „Das ist natürlich ein Defizit gegenüber anderen Universitäten“, sagt Johannes Weyer, Professor in der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. „Unsere Studenten müssen wissen, wie sie mit Kinderarbeit bei Zulieferfirmen oder mit einem Korruptions-Verdacht umgehen sollen.“ Der sozialen Verantwortung von Managern widmet Weyer deshalb einen Teil seiner Veranstaltung „Organisationssoziologie“. In drei Sitzungen versucht er, den angehenden Wirtschaftswissenschaftlern ein paar Grundlagen in Sachen Moralphilosophie zu vermitteln. „Die Themen sind sehr aktuell“, sagt Weyer, „das kommt bei den Studenten gut an.“ Eigentlich bräuchte die TU einen speziellen Lehrauftrag für Wirtschaftsethik, findet er. Doch der ist nicht in Sicht, und auch ein Master-Studiengang, der Ökonomie und Ethik beinhaltet, ist vorerst nicht geplant. Gerechtigkeit und Ethik sind in vielen BWL-Studiengängen noch kein Thema.

Corinna Ast vom Fachschaftsrat kritisiert die Lehre an der Uni deshalb als zu konservativ: „Zu viel ‚Angebot und Nachfrage’ und zu wenig Rücksicht auf das Leben in einer Gesellschaft.“ Gerade die „Abzockermentalität“ mancher Banken zeige doch, „dass Ethik nicht nur ein leeres Konstrukt bleiben sollte.“

dig. Doch auch wer nicht handelt, kann verantwortlich sein. Jetzt stellt Ulrich Chiwitt noch eine letzte Frage: „Wie können wir es denn schaffen, dass sich die Menschen auch in wirtschaftlichen Fragen moralisch verhalten?“ Ratlose Gesichter bei den BWLStudenten. Dann meldet sich eine Studentin zaghaft zu Wort: „Eigentlich haben wir ja alle ein Gerechtigkeitsempfinden“, sagt sie. „Wir müssten nur lernen, darauf zu hören.“ Eine genaue Anleitung dafür kann Chiwitt nicht geben. Im Job müssen sich die zukünftigen Banker und Ökonomen selbst behaupten und eigene Entscheidungen treffen. „Leicht wird das nicht“, weiß Chiwitt, „aber einen gewissen Wettbewerbsvorteil in Sachen Ethik haben meine Studenten später bestimmt.“

Die richtige Entscheidung In dem kleinen, fensterlosen Seminarraum am Campus Essen haben die Studenten weit über den Tellerrand der Wirtschaftswissenschaften hinaus geblickt. 90 Minuten lang haben sie über Moral, Verantwortung und Gerechtigkeit diskutiert. Die meisten wollten die Weiche umstellen, den einen Mann opfern, um drei zu retten – doch es gibt auch Gegner dieser Strategie. In den grundsätzlichen Fragen sind sich jedoch alle einig: Den Wert eines Menschenleben kann man nicht messen. Wer nur eines auslöscht, macht sich schul12

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Studieren früher und heute Studieren kann im Jahr 2012 ganz schön nerven: Überfüllte Hörsäle, verschulte Studiengänge, E-Mail-Flut. War Studieren vor 45 Jahren wirklich besser als heute? Eine Gegenüberstellung. TEXTAnn-Kristin Herbst FotosCHRISTIANE REINERT

Professor Bernhard Lippert, Studentin Jennifer Cewe: War studieren „damals“ wirklich einfacher? Es ist mal wieder soweit: Semesterendspurt. Eine stressige Zeit: Hausarbeiten, Referate und jede Menge Klausuren. Auch Bernhard Lippert steht unter Druck. Er muss noch eine Hausarbeit schreiben – im Bereich der Anorganischen Chemie. Seine Nachmittage verbringt er in der Universitätsbibliothek zwischen Stapeln von Büchern. Auf einem Block macht er sich Notizen, schreibt wichtige Zitate ab und skizziert die Modelle verschiedener Moleküle. Lippert verbringt eine Menge Zeit in der Bibliothek damit, Bücher auszuwerten, denn kopieren kann er sie nicht. Bernhard Lippert studiert im Jahr 1967. Ohne Kopierer, Internet und Laptop. Kleinere Arbeiten gibt er handgeschrieben ab, längere werden auf der Schreibmaschine abgetippt. Bilder und Grafiken klebt er ganz am Ende sorgfältig per Hand auf.

Auch Jennifer Cewe hat gegen Semesterende immer besonders viel zu tun. Die 21-Jährige studiert an der Fachhochschule Dortmund Versicherungswirtschaft. Dass sie sich Nachmittage lang in die Bibliothek setzt, kommt selten vor. Sie arbeitet meist von zu Hause aus. Bücher, die sie ausleihen möchte, merkt sie sich im Internet vor und nimmt sie mit nach Hause oder kopiert sie in der Bibliothek – sie studiert im Jahr 2012. 45 Jahre liegen zwischen dem ehemaligen Chemiestudenten Bernhard Lippert und Jennifer Cewe. Bis heute ist Bernhard Lippert mit der Universität verbunden – auch wenn es jetzt nicht mehr die TU München ist, sondern die TU Dortmund. Dort hat er sein Büro, er ist emeritierter Professor für Anorganische Chemie. 13

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Wenn sich Jennifer vorstellt, wie das Studium vor 45 Jahren gewesen sein muss, kommt ihr als erstes die Technik in den Sinn. „Ich kriege morgens direkt die Krise, wenn ich merke, dass ich mein Ipad zu Hause vergessen habe“, sagt sie. Ihr Tablet-Computer ist das kleine Helferlein im täglichen Unileben und begleitet sie seit ihrem ersten Semester. In endlos erscheinenden Vorlesungen kann sie ihre E-Mails nachsehen, oder bereits den Mensaplan studieren. Die Vorstellung mit Ordnern und unzähligen Kopien beladen in die Uni kommen zu müssen, schreckt sie ab.

Organisation ist das A und O im Studium, findet Jennifer: „Mit dir selbst steht und fällt alles. Du musst dir sagen, ich mach das jetzt und ich lerne jetzt für die Klausur.“ Aber genau das ist heute sehr schwierig. Das Studium bietet viele Möglichkeiten: Studenten können aus den unterschiedlichsten Seminaren und Vorlesungen auswählen und zwischendrin ein Auslandssemester einlegen. Sich dabei nicht zu verzetteln, den Überblick zu behalten und in Regelstudienzeit abzuschließen ist für viele schwierig.

Die Arbeitseinstellung

Technische Hilfsmittel

Viele von Jennifers Bekannten seien mit den Anforderungen des Studiums nicht klar gekommen. Sie wechseln ihr Studienfach häufig oder kommen plötzlich nicht mehr zu Vorlesungen. Früher gab es weniger Auswahl und damit auch weniger Möglichkeiten sich im breiten Studienangebot zu verlieren, glaubt Jennifer: „Vor 30, 40 Jahren war der Student ein Streber. Aber im positiven Sinne. Er war zielstrebiger, weil das Angebot auch einfach nicht so groß war.“ Waren Bernhard Lippert und seine Kommilitonen also ehrgeizige Dauerstudenten, die auch ihre Sonntage in der Unibibliothek verbrachten?

Ihren ersten Computer hat sie bereits mit neun Jahren bekommen. Man kann sich Jennifer nur schwer in einer Zeit vorstellen, in der man nicht per Mausklick seinen Stundenplan zusammenstellen konnte. „Ich möchte die gegenwärtige Situation nicht missen“, gibt Jennifer zu, „aber neugierig wäre ich schon, wie das damals alles so lief. Aber ich glaube wirklich, dass ich es unter den damaligen Umständen nicht gepackt hätte.“ Heute steht im Büro von Bernhard Lippert auch ein Computer. „Vieles ist heute angenehmer, aber nicht unbedingt leichter“, sagt er. Für Hausarbeiten standen früher nur wenige Bücher zur Verfügung. „Wenn man sich zwangsläufig auf wenige Quellen stützen muss, nimmt man sie detaillierter auf“, sagt Lippert. Heute gibt es ein viel breiteres Angebot. Der Student von heute müsse lernen, mit der Informationsflut zurecht zu kommen, um nicht oberflächlich zu arbeiten. „Es ist unmöglich, die gesamte Fachliteratur zu einem Themengebiet zu lesen. Fragestellungen müssen viel stärker eingegrenzt werden als früher. Erst dann ist ein wirkliches wissenschaftliches Arbeiten möglich“, stellt Lippert fest. Den breiten Überblick über ein Themengebiet habe heute keiner seiner Studenten. Sie würden die Universitäten als Experten in einzelnen Fachgebieten verlassen, den Generalisten von früher gebe es eben nicht mehr.

„Streber waren wir nicht. Wir waren ganz normale Studenten“, meint Bernhard Lippert. Studieren bedeutete auch vor 45 Jahren eine Menge Arbeit. Trotzdem war das Studium oft entspannter, weil sich die Studenten mehr Zeit nehmen konnten. Den Druck in Regelstudienzeit abzuschließen, gab es nicht, sagt der Chemieprofessor: „Damals hatten wir noch nicht das Problem mit der Jobangst. Es war klar, dass wir eine Arbeit finden würden.“ Viele von Lipperts Kommilitonen hängten einfach ein paar Semester dran, um genügend Zeit für Hobbys und Freunde zu haben. „Wobei es früher nicht besonders viele Möglichkeiten gab, das Studium aus den Augen zu verlieren und sich abzulenken“, erinnert sich der 14

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Professor. „Man ist halt mal ins Kino oder ins Theater gegangen. Das war‘s dann aber auch schon.“ Soziale Netzwerke, DVDs oder Computerspiele gab es nicht. Selbst Fernsehen kam für ihn nicht in Frage. 1967 hatten seine Eltern noch keinen. Ablenkung ist seiner Meinung nach neben dem zeitlichen Druck das größte Problem: „Die geistigen Kapazitäten sind begrenzt. Man kann sich nicht in der Freizeit permanent berieseln lassen und zusätzlich in der Universität geistig präsent sein.“

Persönlicher Kontakt vs. Anonymität? Die Studentenzahl steigt ständig. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes begannen im vergangenen Jahr etwa 55% eines Geburtenjahrgangs ein Studium. 515.800 Erstsemester, das bedeutet immer größere Universitäten mit vielen Massenvorlesungen. Diese Auswirkungen kennt Jennifer. Sie sitzt bei ihren fächerübergreifenden Vorlesungen im Audimax mit mehreren hundert Studenten zusammen. „Der Professor fährt vorne sein Programm ab. Das ist ziemlich anonym. Aber er hat auch keine Chance, den Studenten im Audimax auf einer persönlichen Ebene zu begegnen“, sagt Jennifer. Die heutige Anonymität erstaunt Bernhard Lippert nicht. Es gibt heute einfach nicht genug Kapazitäten, um jedem Studenten gerecht zu werden: „Die Anzahl der Lehrenden ist nicht gewachsen, die der Studenten hingegen schon.“ Darunter leide auch die Qualität des Studiums. An den Universitäten versuchen die Studenten möglichst schnell ihr Studium abzuschließen. Viele legen dabei eine „EllenbogenMentalität“ an den Tag, die er und seine Kommilitonen früher nicht gekannt haben, meint Lippert. „Wir haben uns bei Prüfungen unterstützt. Zur Vorbereitung haben wir uns getroffen und zusammen gelernt.“ Heutige Studenten haben diesen Zusammenhalt häufig nicht mehr: „Ich glaube der Student ist heute egoistischer. Die Leute sehen in ihren Kommilitonen einen möglichen Konkurrenten um den zukünftigen Arbeitsplatz.“ Das fällt dem Professor vor allem bei mündlichen Prüfungen auf. Früher hätten die Studenten die Fragen aus den Prüfungen weitergegeben. „Da konnte ich keine Frage an einem Tag zweimal stellen“, schmunzelt Lippert.

Jennifer Cewe: Verlässt ohne ihren Tablet-PC nie das Haus. enormen Zeit- und Leistungsdrucks könnte sich Bernhard Lippert vorstellen, heute noch einmal im Hörsaal zu sitzen. Er würde dafür nur ein paar Wochen Eingewöhnungszeit brauchen: „Man wächst ja ins Studium rein.“ Und das wichtigste, was man im Studium lerne, sei sowieso zeitlos. Im Studium gehe es darum nicht aufzugeben. „Wenn man das Chemiestudium durchgestanden hat, dann lässt man sich in seinem Leben nicht mehr so schnell entmutigen!“ Das war damals schon so und wird auch immer so bleiben.

Heute sei das kein Problem. Die meisten Studenten würden die Fragen des Professors für sich behalten, um ihren Kommilitonen keinen Vorteil zu geben. Bernhard Lippert hat Verständnis für diese Einstellung: „Wenn man sich den Druck auf dem Arbeitsmarkt anschaut, ist das eigentlich auch kein Wunder.“ Trotz des

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Vision einer Allianz Auch fünf Jahre nach der Gründung ist die „Universitätsallianz Metropole Ruhr“ für die Studenten ein Phantom. Kritiker fürchten, Studiengänge könnte geschlossen werden, Befürworter sehen die Wettbewerbsfähigkeit der Unis gestärkt. Eine Bestandsaufnahme. TextDominik Speck FotoS/GrafikFlorian Hückelheim, ChristIANE REINERT, UAMR

Die Geburtstagsparty steigt da, wo das Ruhrgebiet in der Weltklasse spielt: auf Zeche Zollverein in Essen, seit einem Jahrzehnt UNESCO-Welterbe. Weltklasse – das wollen auch die drei großen Universitäten der Region sein. Auch deshalb haben sich die RuhrUni Bochum, die TU Dortmund und die Uni Duisburg-Essen 2007 zur Universitätsallianz Metropole Ruhr (UAMR) zusammengeschlossen und versuchen seither, sich als Global Player der Wissenschaft zu etablieren. Pünktlich zum fünften Geburtstag hat die Allianz sich selbst beschenkt: Das UAMR-Verbindungsbüro in Rio de Janeiro hat seit Anfang des Jahres eine Außenstelle in São Paulo, eröffnet im Beisein von Außenminister Guido Westerwelle. Man

könnte meinen, die Pott-Unis spielten mit im Konzert der ganz Großen. Auf zusammengerechnet rund 100.000 Studenten, 1.100 Professoren, 600 Studiengänge und ein Budget von mehr als einer Milliarde Euro bringen es die drei Hochschulen. Die Allianz ist in Deutschland bisher ein einmaliges Projekt. Sie birgt viele Chancen für die Studenten und für Forschung und Lehre.

Vision und Realität Allein: Noch verbindet die drei Universitäten wenig – sieht man von chronisch verspäteten Bahnen, Haushaltsproblemen und dem 16

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wenig reizvollen Sechziger-Jahre-Waschbeton einmal ab. Bislang ist die Universitätsallianz vor allem eins: eine Vision. Niemand tritt so überzeugt für diese Vision ein wie Hans Stallmann. Von seinem Büro in Bochum aus koordiniert er die Ruhr-Allianz. Er weiß, dass noch ein langer Weg bevorsteht und gibt die Marschrichtung vor: mit der Politik der kleinen Schritte. Er kennt sich aus in der Universitätslandschaft, hat über die Geschichte der Ruhr-Universität promoviert und an der Uni Erlangen-Nürnberg den Übergang zum Bologna-System gesteuert, ehe er 2009 UAMR-Koordinator wurde. Stallmann weiß um die verkrusteten Strukturen, die schnelle Entscheidungen an Hochschulen bremsen – sieht aber auch die Erfolge der Allianz. Etwa die ConRuhr-Verbindungsbüros, die in Russland, den USA und Brasilien für die Allianz-Unis werben. Oder das „Science CareerNet Ruhr“, das Weiterbildungen für Nachwuchswissenschaftler anbietet.

Orientalistik pendelt sie nach Bochum. „Bis ich im dritten Semester mit Orientalistik anfangen konnte, musste allein für mich eine neue Studienordnung geschrieben werden.“ Miriam fand sich an der RUB anfangs nur schwerlich zurecht. Kein Wunder, gibt es doch unterschiedliche Fristen, Ferienzeiten und Verfahren. „Jedem Dozenten muss ich erklären, welche Leistungen ich erbringen muss und welche nicht“, sagt sie genervt. Hans Stallmann verspricht Besserung: „Die Ferienzeiten sollen ab dem nächsten Wintersemester NRW-weit angeglichen werden.“ Einheitliche Prüfungsordnungen und eine gemeinsame Prüfungsverwaltung für alle drei Universitäten zu schaffen, hält er hingegen für unmöglich. „An der Uni Erlangen-Nürnberg war es ein langer Kampf, bis ich eine Vereinheitlichung der ECTS-Punkte durchsetzen konnte – und das für eine einzige Uni. Eine einheitliche Prüfungsverwaltung für alle drei Ruhrgebiets-Unis zu schaffen, wäre ein gigantisches Projekt“, sagt Koordinator Stallmann: „Jeder würde dann schreien: Unser System ist das Beste!“

Außerdem trägt die UAMR das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen. Seit der Gründung vor rund fünf Jahren rief die UAMR 20 Kooperationen ins Leben. Und dennoch blickt Stallmann häufig in fragende Gesichter, wenn es um die Allianz geht: „Bei der Bekanntheit haben wir sicher noch Aufholbedarf.“ „RuhrCampus Online“ zum Beispiel erfreut sich bei Studenten und Dozenten nicht gerade großer Beliebtheit. In dem E-Learning-Portal werden Campus-übergreifende Online-Seminare angeboten.

Verspätung eingeplant Doch das ist nicht das einzige Problem. Lange Fahrtzeiten zwischen den Unis belasten die Nerven der Studenten. Die „20-Minuten-Fahrtzeit“ von einem UAMR-Campus zum anderen, mit denen das „ConRuhr“-Büro New York US-amerikanische Studenten ins „akademische Dreieck“ lockt, sind schlicht utopisch. „Oft habe ich zwei aufeinanderfolgende Seminare an zwei Unis. Da muss ich zwangsläufig etwas früher gehen oder später kommen“, sagt Miriam: „Eine Bochumer Dozentin wollte, dass ich für meine Verspätung sogar einen Essay schreibe, als Ausgleich“.

Doch für das laufende Semester finden sich dort gerade einmal fünf Seminare. Ein Grund für das dünne Angebot: Die Förderung der Duisburger Mercator-Stiftung lief aus. „Fairerweise muss man sagen, dass bei vielen Veranstaltungen auf „RuhrCampus Online“ die meisten Teilnehmer nur aus einer der drei Unis kamen“, räumt Stallmann ein. Das sei nun mal die Achillesverse der Allianz, die auf freiwillige Kooperation angewiesen sei. „Wir geben keine Order von oben, nach dem Motto: „Ihr müsst jetzt zusammenarbeiten“, sondern die Allianz muss zusammenwachsen. Das ist zwar mühselig, aber auf lange Sicht effektiver.“

Es gibt keine zuverlässigen Zahlen, wie viele Studenten an „RuhrCampus³“ teilnehmen. „Die offizielle Statistik weist eine zweistellige Zahl aus“, sagt Stallmann. Das Problem: Viele Fakultäten zweier Universitäten kooperieren miteinander, ohne dass die Studenten als Zweithörer eingeschrieben sind. Damit ist unbekannt, wie viele Studenten tatsächlich pendeln – und das Programm erfreut sich zudem keiner großen Bekanntheit. Miriam Grün jedenfalls hat erst durch die pflichtlektüre-Anfrage von der Bezeichnung gehört, unter der ihr Studium läuft.

Student an zwei Unis Gemeinsames Lernen steht also weit oben. Mit dem Programm „RuhrCampus³“ wird Studenten zudem die Möglichkeit geboten, an mehreren Standorten gleichzeitig zu studieren. Wer Interesse hat, schreibt sich an einer der anderen Ruhr-Unis als Zweithörer ein. Der Clou: Die sonst üblichen Zweithörergebühren fallen nicht an. „Durch den Zusammenschluss sind neuen Fächerkombinationen kaum Grenzen gesetzt“, heißt es auf der Homepage der UAMR. So die Theorie. „Es braucht schon starke Nerven, ein Studium an zwei Unis durchzuziehen“, sagt Miriam Grün. Ihr Hauptfach Kulturwissenschaften studiert sie an der TU Dortmund, für ihr Nebenfach

Doch nicht nur Studenten pendeln zwischen den Unis: Der Physiker Claus Schneider ist seit 2009 der erste UAMR-Professor. Er soll an allen drei Universitäten lehren und forschen – bislang beschränkte sich sein Engagement jedoch hauptsächlich auf die Uni Duisburg-Essen. „Bald werden bis zu drei weitere UAMR-Professuren ausgeschrieben, die an mindestens zwei Standorten angesiedelt sein sollen“, sagt Stallmann. In welchen Fachbereichen die neuen Allianz-Professoren arbeiten werden, ist allerdings offen. In Sachen 17

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UAMR-Koordinator Hans Stallmann: „Bei der Bekanntheit haben wir sicherlich noch Aufholbedarf“.

löcher nicht unbedingt notwendig. Kyrill Levinson von „ConRuhrRussia“ hält dagegen: „Wir brauchen nicht immer viel Geld, um eine für Studenten sinnvolle Auslandsarbeit zu machen.“ Kritiker befürchten, dass die UAMR am falschen Ende spart: Die Zusammenlegung von Studiengängen sei das wahre Ziel der Allianz – und die Umbenennung der Dortmunder Uni in Technische Universität im Jahr 2007 ein Vorbote der künftigen Ausdünnung des dortigen Studienangebots. Die in Dortmund ohnehin nicht zahlreich vertretenen Geisteswissenschaften, so die Sorge eines dortigen Professors, könnten geschlossen oder komplett nach Bochum verlagert werden.

gemeinsamer Campus wartet auf Hans Stallmann also noch viel Arbeit. Zufriedener ist er mit der Entwicklung der „ConRuhr“Büros in Übersee. Sie sollen die UAMR mit Hochschulen vor Ort vernetzen, Nachwuchswissenschaftler anwerben und gemeinsame Programme lancieren.

Allianz auf Weltmission Auf diesem Weg entstanden bereits Sommerschulen und ein deutsch-russischer Masterstudiengang. Zehn Studenten der USamerikanischen Ivy-League, sozusagen die Elitehochschulen der USA, kommen im Sommer erstmals für ein Studienpraktikum ins Ruhrgebiet. Und von 10.000 Lateinamerikanern, die in den nächsten Jahren als Stipendiaten nach Deutschland geschickt werden, will die UAMR etwa 1.000 an die Ruhr-Unis lotsen. Das klingt zwar vielversprechend, doch viele Fakultäten und Institute organisieren derlei internationale Programme schon lange selbstständig und kostengünstiger: ganz ohne Verbindungsbüros.

Fusion oder Kooperation? Dort befürchtete die Initiative „Freie Uni Bochum“ bereits vor einigen Jahren, die UAMR könne zu Schließungen führen – oder zur Uni-übergreifenden Zusammenlegung von Studiengängen. „Wegen der UAMR sind bislang vielleicht ein, zwei Seminare gestrichen, aber noch kein Institut geschlossen worden. Wir wollen das Angebot nicht limitieren, sondern vielmehr ausweiten“, entgegnet Hans Stallmann der Kritik. Doch was Kritiker befürchten, wird von anderen unverblümt gefordert: Die Stiftung Mercator empfiehlt der UAMR in einer Studie zur Tauglichkeit des Ruhrgebiets als wissenschaftliche Metropolregion, „Parallelitäten in der Fächerstruktur zu

Kann man den Studenten, die zuhause in überfüllten Hörsälen sitzen, vermitteln, dass die Unis Vertretungen in Übersee brauchen? Nein, findet der Bochumer AStA. Die ConRuhr-Büros seien zwar Leuchtturmprojekte der UAMR, aber angesichts großer Haushalts18

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entdecken und abzubauen“. Nur so könne man sich im bundesweiten Konkurrenzkampf behaupten. Stallmann ist anderer Meinung: „Gerade mit Blick auf die steigenden Studentenzahlen lohnt es sich, an vielen Standorten breit aufgestellt zu sein.“ Ein gelungenes Beispiel dafür, wie man Dopplungen im Angebot verringern kann, ohne einen Standort aufzugeben, sieht er in der „Engineering Unit Ruhr“: In ihr haben sich die Maschinenbaufakultäten Dortmund und Bochum zusammengeschlossen. Die Studenten der „Unit“ besuchen Veranstaltungen an beiden Standorten mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten. Bis die Allianz zur fest verankerten Institution wird, ist noch ein langer Weg zu gehen. Das weiß auch Hans Stallmann: „Wir haben nur dann eine Chance, mit großen Forschungsstandorten wie München oder Berlin zu konkurrieren, wenn wir noch mehr zusammenarbeiten.“ Bislang wurde das vorhandene Potential nur halbherzig genutzt. Für eine bessere Zusammenarbeit der Unis müssten sich alle an der eigene Nase packen: die Universitätsverwaltungen, die Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter – und auch wir Studenten.

Ein Ausweis für alle Immerhin: Die UAMR könnte im Studentenleben bald sichtbarer werden. Die ASten der drei Unis, die bislang wenig kooperiert haben, stehen inzwischen in engerem Kontakt. „Wir planen gemeinsam mit dem AStA Duisburg-Essen ein dauerhaftes Netzwerk der UAMR-Studierendenvertretungen“, sagt Kathrin Jewanski vom AStA der RUB. „So könnten die Studenten, die bislang kaum in die Allianz-Entscheidungen miteinbezogen wurden, eine effektivere Vertretung bekommen“.

Pendlerin Miriam: „Ein Studium an zwei Unis braucht Nerven.“

wie ihn die Dortmunder Studierenden bereits besitzen. „Kein Mensch glaubt, wie schwierig es war, diesen einheitlichen Ausweis durchzusetzen“, sagt Hans Stallmann und schmunzelt. Ein einheitliches Semesterticket wird es dann immer noch nicht geben – weil die Verkehrsbetriebe der Region unterschiedliche Systeme haben. Wer in der „Metropole Ruhr“ eine Allianz durchsetzen will, stößt schnell an Grenzen.

Seit Anfang April können UAMR-Studenten in den Bibliotheken der jeweils anderen Allianz-Unis mit ihrem Studentenausweis Bücher ausleihen und brauchen nicht mehr, wie bisher, einen externen Nutzerausweis. Zudem gibt es nun einen Fernleihservice. So lässt sich ein Buch aus einer Allianz-Bibliothek bequem von der Heimat-Universität aus bestellen. Im Wintersemester bekommen dann alle Studenten einen einheitlichen UAMR-Studentenausweis,

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Durchtrainiert Wer hat noch nie davon geträumt, einmal Chef zu sein? Alle tanzen nach deiner Pfeife – und du kriegst auch noch Geld dafür, viel Geld. Traineeprogramme sind der schnellste Weg dorthin. Uniabsolventen werden so zu Führungskräften - aber dafür müssen sie auch hart arbeiten. TEXTJANA HOFMANN, KORNELIUS DITTMER MITARBEITLARA ENSTE FOTOSFLORIAN HÜCKELHEIM, JANA HOFMANN, PRIVAT

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Um Punkt neun Uhr beginnt Eva Doreens Arbeitstag. Die zierliche, blonde Frau sitzt in ihrem Auto und wirft einen letzten prüfenden Blick auf ihre Unterlagen. Dann steigt sie aus, streicht ihren hellbraunen Blazer glatt und betritt mit langen Schritten eine Autolackiererei. Es riecht nach Autoreifen, Lack und Männerschweiß. Gestandene Männer im Blaumann beäugen die 32-Jährige kritisch. Die bleibt entspannt und gut gelaunt: „Guten Morgen, wo geht’s hier zur Chefin?“ Eva Doreen Holland verkauft Versicherungen für Signal Iduna und will nach ganz oben. Ihr Ziel: eine Führungsposition. Deswegen arbeitet sie als Trainee im Vertrieb. Immer mehr Unternehmen in Deutschland haben Trainee-Programme entwickelt, um ihren eigenen Führungsnachwuchs auszubilden. Für Eva Doreen heißt das, dass sie das Versicherungsgeschäft an der Basis kennen lernt: im Verkauf. Trainee Mathias Raab arbeitet in einem Malteser Krankenhaus.

In der Werkstatt hat sie einen besonders schwierigen Fall: Die Kundin hat bereits eine Versicherung bei einem guten Freund der Familie abgeschlossen. Doch davon lässt Eva Doreen sich nicht aus der Ruhe bringen. Zu sehr ist sie Profi und weiß, wie sie doch noch Chancen auf einen Versicherungsabschluss bekommen kann. Jetzt heißt es beharrlich und doch freundlich bleiben. „Ich könnte das alles einmal unverbindlich für Sie durchrechnen und die Versicherungen vergleichen“, bietet sie an. Doch dieser Versuch kann die potentielle Kundin nicht überzeugen – nach nur fünf Minuten verlässt Eva Doreen die Lackiererei mit einer Absage. „So etwas muss man abhaken können“, erklärt sie – und direkt geht‘s weiter zum nächsten Termin.

förmlichen Kleidung: „Das macht mir gar nichts aus. Einen Arzt erkennt man an seinem Kittel, einen Betriebswirt an seinem Anzug und der Krawatte.“ Er denkt, dass ihn die beim Patientenkontakt gewonnenen Erfahrungen auch am Schreibtisch nutzen. „Natürlich wird man konfrontiert mit Krankheit, Tod und menschlichen Schicksalsfällen“, erzählt er. „Dass man das gesehen hat, hautnah dran war, ist ein Vorteil.“ Der gläubige Katholik identifiziert sich mit dem Leitspruch seines Arbeitgebers: „weil Nähe zählt“. Am Revers trägt er einen kleinen Anstecker mit dem Wappen der Malteser – freiwillig. „Vorgabe ist das nicht“, sagt er. 2011 schloss Mathias sein Gesundheitsökonomie-Studium an der Uni Bayreuth mit Diplom ab, eine Mischung aus Betriebswirtschaftslehre, Gesundheitswesen und ein bisschen Medizin. Für die Traineestelle zog er extra nach Duisburg. Wenn er über den Umzug redet, muss der Unterfranke schmunzeln. „Es ist schon eine Umstellung von der bayrischen Rhön nach Duisburg“, sagt er. Sein Geburtsort Bad Brückenau hat lediglich 6756 Einwohner.

Trainee: schnelle Karriere Trainee-Programme sind speziell für Hochschulabsolventen entwickelte und ausgelegte Ausbildungsmaßnahmen. Besonders größere Firmen nutzen sie, um Nachwuchskräften einen intensiv begleiteten, mit Schulungen verbundenen Einstieg in das Unternehmen zu ermöglichen. In der Regel lernen die Berufsanfänger dabei ein bis zwei Jahre abteilungsübergreifend den Betrieb kennen, arbeiten mal hier, mal dort mit. Am Ende wird entschieden, an welcher Station sie weiterbeschäftigt werden. Trainee-Programme gibt es in allen Branchen und Bereichen: In Banken und Versicherungen sind sie besonders häufig.

Rampensau-Mentalität Den großen Schritt, die ländliche Heimat gegen die Metropole Ruhr einzutauschen, machte er mit einer klaren Mission vor Augen: „Ziel ist es wirklich, Führungskraft zu werden.“ Auch Trainee Eva Doreen war von Beginn an klar, dass sie an einem FührungskräfteProgramm teilnimmt. Sie klingt sogar noch forscher als Mathias, wenn sie über ihre Zukunftspläne spricht. Auf ihrem Weg in die Führungsetage will sie „so weit kommen, wie sie mich lassen: Karriere ist mein Ziel, definitiv.“

Seit Januar 2012 steht auf Mathias Raabs Visitenkarte „Assistenz Geschäftsleitung und Trainee“. Der 27-Jährige arbeitet beim Duisburger Krankenhaus und Pflegedienstbetreiber „Malteser St. Anna gGmbH“, einem Teil des Malteserordens. Mathias hat ein helles, aufgeräumtes, aber etwas kahles Büro bezogen. Doch hier verbringt er nur einen Teil seiner Arbeitszeit. Während des achtzehnmonatigen Trainee-Programms wird der Gesundheitsökonom vom Controlling bis zur Pflege eingearbeitet. Zurzeit verbringt er zwei Tage in der Woche im Krankenhaus, begleitet Ärzte bei den Untersuchungen, nimmt Patienten auf, macht Abrechnungen. „Ich bin da auch wirklich im Pfleger-Outfit“, erzählt er und grinst. Im Büro hingegen trägt Mathias ganz selbstverständlich einen schwarzen Nadelstreifenanzug, weißes Hemd und Krawatte. Er fühlt sich wohl in der

Trainee-Programme erfüllen laut Wirtschaftswissenschaftler Volker Stein, Professor an der Universität Siegen, gleich mehrere Zwecke: Die Unternehmen würden den letzten Schliff in der Ausbildung der Hochschulabsolventen übernehmen. Diese Funktion werde immer wichtiger, besonders seit der Bologna-Hochschulreform. „Die Leute aus dem Bachelor- und Master-Pfad sind weniger arbeitsfähig als früher“, sagt Stein. Die Qualität der Studiengänge habe durch die 21 job


Reform abgenommen. Die Unternehmen müssten das ausgleichen. Aber auch der Fachkräftemangel spiele eine Rolle. Arbeitgeber versuchten nun, die Berufseinsteiger mit attraktiven Programmen zu ködern. „Firmen müssen etwas bieten, was die Absolventen spannend finden“, sagt Volker Stein, „zunehmend auch im Mittelstand.“ Auch für Eva Doreen war ein Quereinstieg durch ein Trainee-Programm attraktiver als ihr Studienfach Jura und die Option, Rechtsanwältin zu werden. Der Beruf war ihr zu verstaubt, sie wollte mehr mit Menschen zu tun haben. Dennoch hat sie ihr Studium durchgezogen – aus Vernunft: „Was man einmal anfängt, bringt man auch zu Ende!“ Als sie im Februar 2010 ihr Staatsexamen in Münster bestanden hatte, wurde es Zeit für die Jobsuche. Weil Freunde von ihr bei Versicherungen arbeiteten, interessierte Eva Doreen sich von Beginn an für diese Branche. Für Signal Iduna musste sie ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen: mehrere Bewerbungsgespräche und ein Online-Assessmentcenter, in dem die Fähigkeit zum systematischen und strukturierten Arbeiten getestet wurde. Eva Doreen musste unter anderem Termine koordinieren. Dann endlich kam die Zusage: Von 300 Bewerbern hat sie eine der 24 begehrten TraineeStellen bekommen. Nun arbeitet sie seit Oktober 2010 in der Filialdirektion Bochum und von dort aus im Raum GelsenkirchenGladbeck. Allerdings stellt Signal Iduna nicht jedes Jahr 24 Trainees ein. Die Zahl der Stellen richtet sich nach dem Bedarf – manchmal sind es sogar nur drei.

Flexibilität und Engagement sind die Grundvoraussetzungen.

ihn ist, kann er immer noch kündigen. Allerdings: Bei einer fristlosen Kündigung muss er die Ausbildungskosten tragen. Das wären 6.000 Euro. „Das ist aber noch nie vorgekommen“, sagt Krebs. Wer Karriere machen will, braucht eine klare Struktur, davon ist Eva Doreen überzeugt. „Mit System kann man alles schaffen“. Ihre 40-Stunden-Woche ist klar strukturiert. Bei Arbeitsbeginn am Morgen sind alle Termine vorbereitet, inklusive Unterlagen, Kalkulationen und Informationsmaterial. Entweder startet sie mit Schreibtischarbeit in ihrem Büro in einem Altbau in GelsenkirchenBuer oder mit dem ersten Kundenbesuch. Anschließend pendelt sie zwischen Kunden und Büro. Sie ist viel mit dem Auto unterwegs – vom Lackierer zur Friseurin, um anschließend dem Metzger ein Angebot zu machen. Immer dabei: der Terminkalender und ihr Handy mit Navigations-Funktion.

Sebastian Krebs ist Personalreferent im Unternehmen und hat Eva Doreen eingestellt. Sie bringt mit, was er sich von den Bewerbern wünscht. Die sollten kommunikativ und extrovertiert sein, dazu noch mit Begeisterung etwas verkaufen wollen. „Bewerber müssen schon ein Stück weit eine Rampensau sein“, erklärt Krebs. Mit einem abgeschlossenen Jura-Studium ist Eva Doreen ein typischer Trainee, denn die meisten dieser Auszubildenden bei Signal Iduna haben Jura oder BWL studiert. Aber auch Sprachwissenschaftler oder Forstwirte hätten sie schon eingestellt, erzählt Krebs. Wenn ein Trainee erst während der Arbeit merkt, dass die Branche nichts für

Eva Doreen genießt es, auf Achse zu sein. „Wenn mal nichts los ist, wenn ich keine Termine habe – dann ist mir langweilig!“, erzählt sie. Deshalb macht sie Fremdakquise. Das heißt, dass sie versucht, fremden Menschen eine Versicherung zu verkaufen. „Manche haben Scham davor, einfach rein zu marschieren, aber da muss man Bock drauf haben“, erzählt Eva Doreen mit leuchtenden Augen. Die Arbeit macht ihr so viel Spaß, dass sie es nicht schlimm findet, hin und wieder im Privatleben zurückzustehen. Zum Versicherungsservice gehört es, rund um die Uhr erreichbar zu sein. Das bedeutet, dass Eva Doreen schon mal zu Hause auf dem Sofa den Laptop aufklappt, weil sie noch ein paar Zahlen durchrechnen muss. Oder dass wegen eines kurzfristigen Termins der Kino-Besuch ausfällt. Allerdings zieht sie eine klare Linie: „Es gibt Dinge, die brennen, und es gibt Dinge, die brennen nicht.“ Auch Malteser-Trainee Mathias ist bereit, einiges an Privatleben für die Karriere zu opfern. „Nach der Uni will man ja auch durchstarten“, sagt er. Da müsse man lange Abende im Büro in Kauf nehmen und sich daran gewöhnen, dass nach einem Arbeitstag nicht mehr

Versicherungs-Trainee Eva Doreen liebt die Abwechslung in ihrem Beruf.

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viel Energie übrig bleibe. Aber Mathias hat gelernt, seine Freizeit effizienter zu nutzen. „Wirklich harte Abstriche mache ich nicht“, sagt er deshalb.

sich beschwert, „dass der Versetzungsrhythmus so kurz war, dass man schon wieder wechseln musste, wenn man sich gerade eingelebt hatte“. Gleichzeitig hätte sich der Arbeitgeber bei Ortswechseln nicht um Unterkünfte für die Trainees gekümmert.

Viel Arbeit, viel Druck

Vier Monate seiner eineinhalb Jahre als Trainee hat Mathias erst hinter sich. Besonders gespannt ist er auf den Geschäftsbereich Personal und auf den Menschenkontakt. „Ich könnte mir vorstellen, dort später zu arbeiten“, sagt er. Aber auch sein jetziger Arbeitsplatz als Assistent der Geschäftsführung würde ihn langfristig reizen. Der Posten ist noch nicht besetzt, Mathias hat ihn nur während des Programms übernommen. „Ich würde mich auch nicht dagegen wehren, wenn das so bleiben würde“, verrät er. Ein paar Monate vor Ende seines Vertrages wird er sich mit dem Chef über seine Zukunft bei den Maltesern beraten. Eva Doreen ist da ein ganzes Stück weiter. Ende Juni endet ihre Zeit als Trainee. Wie es danach weitergeht, weiß sie schon: Sie bleibt im Unternehmen - als Verkaufsleiterin in Köln. Damit hat sie die angestrebte Führungsposition und betreut Menschen, die ihre bisherige Arbeit machen: Versicherungen verkaufen. Aber das Ende ihrer Karriereleiter hat sie damit bestimmt noch nicht erreicht.

Im ersten Jahr absolvieren die Trainees bei Singnal Iduna eine Prüfung zum Versicherungsfachmann. Druck zieht sich durch das ganze Programm, von 220 Arbeitstagen ist jeder vierte ein Seminartag – Selbststudium neben der regulären Arbeit. Eva Doreen spricht von einer „Herausforderung“. Die gut bezahlt wird: Die Trainees verdienen im Monat 3000 Euro brutto. Dazu kommt die Provision für neu angeworbene Kunden, so dass sie im Schnitt 45.000 Euro pro Jahr verdienen. Ist ein Trainee so erfolgreich wie Eva Doreen, die 2011 zur „besten Einsteigerin“ in Bochum gekürt wurde, gibt es bis zu 70.000 Euro. Dafür verlangt Signal Iduna, dass die Trainees einen gewissen Umsatz erfüllen. Daran wird der Erfolg gemessen. Auch die Malteser verlangen Engagement und Flexibilität. Der Neu-Duisburger Mathias spricht von „positivem Leistungsdruck“. Von Trainees in anderen Unternehmen hat er allerdings auch schon Klagen über zu hohen Druck und schlechtes Betriebsklima gehört. Auch das Rotationsprinzip sei kritisiert worden. Manch einer habe

Ausprobieren — aber mit Rückhalt Andrea Podschadel arbeitet am „Akademischen Beratungs-Zentrum“ der Uni Duisburg-Essen und berät Absolventen auf der Jobsuche. Sie weiß, was Berufseinsteiger in Trainee-Programmen erwartet und wer sich dort bewerben sollte.

Hab ich?

Krieg ich?

Hochschulabschluss: Welcher gefragt ist, hängt vom Arbeitsbereich ab: Vertrieb ist für alle offen, Unternehmensberatungen bilden gezielt interdisziplinäre Teams. Für Controlling oder Bankenwirtschaft benötigt man eher einen Wirtschaftsabschluss.

Faires Gehalt: Die durchschnittliche Bezahlung liegt bei 30.000 bis 45.000 Euro brutto jährlich.

Das richtige Alter: Die meisten Unternehmen haben eine Altersobergrenze, die zwischen 28 und 30 Jahren liegt.

Übernahmechance: Ausgesiebt wird in der Bewerbungsphase, danach winkt oft direkt ein unbefristeter Vertrag.

Sozialkompetenz: Bewerber, die sich als „durchsetzungsfähige Platzhirsche“ darstellen, fallen durch.

Rückhalt: Trainees haben neben ihrem Vorgesetzten meistens auch noch einen Tutor, der ihren Berufseinstieg begleitet.

Zeit für Experimente: Trainees haben die Möglichkeit selbst auszuprobieren, welcher Arbeitsbereich im Unternehmen ihnen liegt. Andrea Podschadel

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Mein erster Job Nach dem Studium ins Berufsleben durchstarten: Das kann schön werden, stressig – und manchmal auch frustrierend. Fünf Uni-Absolventen berichten.

Die Lehrerin mit der Albtraumklasse

Die meisten Kinder in ihrer Klasse sind schwer erziehbar oder haben ADHS, eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Im Unterricht beschmeißen sich die Schüler mit Stiften und Stühlen.

TextOLGA KOUROVA FotoKatharina Kirchhoff

Eltern rennen in den Klassenraum, wenn sie eine Note oder Anmerkung falsch interpretieren. Bei einem Ausflug kommen Schüler nicht, weil die Eltern Briefe nicht lesen können. Trotz „psychischer Überbelastung“ möchte Maria Lehrerin bleiben. „Das ist ein ganz toller Job“, sagt sie – oder zumindest wäre er es, „wenn man professionelle Hilfe eines Förderpädagogen bekommt - und eine gewisse Stundenanzahl, um mit jedem Kind einzeln zu arbeiten“, so Maria.

„Normaler Schulalltag ist nicht möglich“, sagt Maria Hoffmann. Die Grundschullehrerin arbeitet in einer Integrationsschule im Ruhrgebiet. Maria studierte Englisch und Deutsch auf Lehramt in Dortmund. Ihr erster Job nach der Uni ist ein Albtraum geworden. „Wir wurden ins kalte Wasser geschmissen: Das Schulkonzept war neu, weil Kinder mit unterschiedlichen Entwicklungsniveaus zusammen lernen. Die Qualität wurde ständig kontrolliert“, erzählt Maria. „Ich war neu und musste erst mal lernen, Lehrerin zu sein.“

* Der Name wurde geändert. 24 job


Der kreative Selbstständige

Der zufriedene Unternehmensberater

TextKIRSTEN HEIN FotoPRIVAT

TextKIRSTEN HEIN FotoPRIVAT

Joscha Bruckert (24) aus Bad Fredeburg im Sauerland hat sieben Semester an der Fachhochschule Dortmund Fotografie studiert und veröffentlicht seit seinem dritten Semester die Fotografie-Zeitschrift „Romka Magazine“ – als Alleinherausgeber. Zum Brötchenverdienen reicht das allein leider noch nicht aus. Nebenbei macht er Bildbearbeitung für andere Magazine und Kataloge. An ruhigen Tagen liegt nicht viel an, kurz vor Druckbeginn enden die Tage erst, „wenn ich die Augen nicht mehr aufhalten kann“.

Florian Vollmer (31) aus Castrop-Rauxel hat zehn Semester an der Ruhr-Uni Bochum Wirtschaftswissenschaften studiert und arbeitet seit Oktober 2011 als Senior Consultant in der internen Beratung bei Bayer. Mit dieser Tätigkeit wird er vier Jahre lang für eine Führungsposition im Konzern vorbereitet. Erfahrungen für seinen ersten längeren Job hat er zuvor bei einem Automobilkonzern gesammelt. Am Arbeitsleben gefällt ihm besonders, dass sich der Stress dank flexibler Arbeitszeiten nun anders verteilt. „Trotzdem können einzelne Projekte dich auch schon mal länger im Büro halten“, sagt Florian. Im Studium lernte der Unternehmensberater das theoretischanalytische Denken, jedoch leider wenig konkrete Praxis. „Mein Wissen anzuwenden musste ich mir selbst aneignen“, bemängelt er. Die beste Voraussetzung für den Traumjob sieht er darin, zügig zu studieren, eine klare Linie im Lebenslauf und etwas internationale Erfahrung zu haben.

Das „Romka Magazine“ erscheint halbjährlich mit einer Auflage von 1000 Exemplaren und richte sich vor allem an Nicht-Fotografen, die „das fotografische Bild als Erinnerungsträger zu schätzen wissen“. Es geht um private Aufnahmen von Jedermann, die an der Kühlschranktür oder im Geldbeutel aufbewahrt werden, „kleine Fragmente aus der Vergangenheit“, sagt Joscha. Auf das erste große Freiheitsgefühl folgten direkt erste Zukunftsängste. Er habe im Arbeitsleben viel weniger Zeit, erheblich weniger soziale Kontakte „und ich denke beunruhigend oft über Geld nach“. Zurückstecken musste Joscha beispielsweise bei seinem Umzug: In Leipzig wohnt er auf dreizehn Quadratmetern mit „Minimalstmöblierung“. Sein Geld steckt er in sein Magazin. „Aber es lohnt sich“, beteuert er. Generell fühlt Joscha sich jedoch sehr wohl im Arbeitsleben, es gibt „dem Tag einen Sinn“. Auch wenn’s manchmal “stinklangweilig“ sei.

„Für mich hat die Arbeit definitiv einen höheren Stellenwert als die Uni früher“, sagt er. Er sei erwachsener und ernsthafter geworden, „die Prioritäten verschieben sich.“ Er fühlt sich jetzt durch sein festes Gehalt viel unabhängiger: „Ich habe ganz andere Möglichkeiten zu verreisen, kann mir ein neues Auto kaufen oder aus der WG ausziehen.“ 25 job


Der Ingenieur am Ende der Freizeit

Der An-der-Uni-Bleiber

TextPHILIPP SCHULTE FotoPRIVAT

TextPHILIPP SCHULTE FotoPhilipp schulte

Eigentlich hat Sebastian Schmücker (28) es immer geschätzt, wenn er mit seinen Händen arbeiten konnte. So hatte er das Resultat stets direkt in der Hand: „Es hat mich immer stolz gemacht, etwas hergestellt zu haben.“ Sein Werdegang: Ausbildung zum Schreiner, Fachabitur nachgeholt, Diplom-Ingenieur an der FH Münster, anschließend Bauingenieur-Master an der Ruhr-Uni Bochum. Der Sprung ins kalte Wasser des Arbeitsmarktes war für Sebastian eher wie das Rennen in einen himmelblauen Ozean – denn Ingenieure sind gefragt: „Ich konnte mich zwischen drei Zusagen entscheiden.“ Seit vier Monaten ist er jetzt bei der Konsta Planungsgesellschaft in Gelsenkirchen. Sebastian plant dort verschiedene Infrastrukturmaßnahmen – „Straßen und ähnliches“, sagt er. Jetzt hat sein Job nicht mehr viel mit Handarbeit zu tun. Sebastian arbeitet am Rechner.

Nach dem Studium noch länger an der Uni bleiben? Für viele Studenten undenkbar. Schnell weg von Mensaessen und überfüllten Hörsälen, hin zum gut bezahlten Akademikerjob. „Von meinen Studienkollegen bin ich der Einzige, der an der Uni geblieben ist“, sagt Diplom-Ingenieur Christopher Huck (26). Nach 13 Semestern ist er seit Januar wissenschaftlicher Mitarbeiter (WMA) im Fachgebiet Fluidtechnik an der TU Dortmund. Warum er trotz der rosigen Job-Aussichten für Ingenieure weiterhin zum Campus radelt? „An der Uni hat man Möglichkeiten der Weiterbildung und persönlichen Entwicklung, die es in der freien Wirtschaft so nicht gibt.“ Und was ist dran an den Klischees, WMAs seien „bezahlte Studenten“, theoriehörig und praxisfremd? Nichtschwimmer im Haifischbecken der Arbeitswelt? „Auf keinen Fall“, sagt Christopher, „hier ist kein Rumlungern angesagt.“ Neben der Lehre kümmert er sich in seiner 40-Stunden-Woche vor allem um Fach-Projekte.

Trotz netter Kollegen und einem guten Gehalt fehlt Sebastian eine Sache sehr: Zeit. „Als Student war ich spätestens um 16 Uhr zu Hause“, erzählt er, „jetzt stehe ich um 5.30 Uhr auf, arbeite von 7.45 Uhr bis etwa 16.30 Uhr und bin um 18 Uhr zu Hause. Für private Dinge bleibt im Moment nur Zeit am Wochenende.“ Nach einem langen Tag fehlt ihm auch die Lust auf Sport. Trotzdem – „arbeiten zu können, ist für mich ein sehr befriedigendes Gefühl, das für die vielen Mühen entschädigt.“ Langfristig will Sebastian in einer Behörde arbeiten. „Das soll ja mit wesentlich mehr Freizeit, aber auch weniger Verdienst verbunden sein.“ Mit beidem kann er gut leben.

Es ist das große Interesse an seinem Fach, das ihn an der Uni gehalten hat, trotzdem ist ihm wichtig, immer noch genug Zeit für Privates zu finden; zum Beispiel seine Pfadfindergruppe. Ein Job, der ihm alle Freizeit raubt, käme auf Dauer nicht in Frage – „Dann lieber weniger Geld.“ Was er als WMA verdient? „Verhungern tu‘ ich bestimmt nicht“, sagt Christopher und grinst. In fünf Jahren will er seinen Doktortitel einrahmen „und dann gehe ich die Wirtschaft. Forschung, wenn‘s geht.“ 26 job


Flatterhaft Special Operations: Was hat Biopsychologie mit Tauben zu tun? Dienen die eher unbeliebten Tiere doeinem höheren Zweck? Sarah Kloss weiß es – sie ist Taubenpflegerin an der Ruhr-Universität Bochum. TextHelene Seidenstücker, FotoFlorian Hückelheim, MontageKai Knox

mit den Tauben ist vielseitiger, als man denkt“. Neben Füttern, Krallen schneiden und Käfigreinigungen im Labor steht montags der Großputztag an: Bewaffnet mit Hochdruckreiniger, Friesennerz und Gummistiefeln befreit sie die Voliere von Futterresten, Federn und massenweise Taubenkot. Ein kompletter Arbeitstag kann dabei draufgehen, wenn bestimmte Tauben zum Forschungszweck eingefangen werden müssen: „Unter 100 Tauben die Richtigen zu erwischen, kann dauern wenn man Pech hat…“, schmunzelt Sarah.

Einträchtig nebeneinander, untereinander und übereinander hocken in unzähligen hölzernen Sitzkästen an der Wand etwa 100 Tauben und gurren friedlich vor sich hin. Doch kaum öffnet sich die Tür der etwa 50 Quadratmeter großen Außen-Voliere im Botanischen Garten der RUB, ist es vorbei mit der Ruhe: Die Studentin Sarah betritt den überdimensionalen Vogelkäfig, der gesamte Taubenschlag gerät in Aufruhr! Kreuz und quer fliegen dutzende Tauben aufgeregt von einer Ecke in die andere, überall Federn, das friedliche Gurren wird übertönt von wildem Flügelschlagen. Dann legt sich die Unruhe langsam, die Tiere setzen zur Landung an und der gesamte Taubenschlag schart sich in der hintersten Ecke der Voliere erwartungsvoll eng zusammen. Die Tauben wissen: Jetzt ist Fütterungszeit.

Inzwischen weiß Sarah, dass auch Tauben individuelle Charaktere haben: „Es gibt scheue und zutrauliche Tiere.“ Durch die acht Stunden in der Woche lerne man sich gegenseitig kennen. Auch eine Lieblingstaube hat Sarah im Forschungslabor: „Wenn ich den Käfig öffne, schmiegt sie sich an und möchte gekrault werden. Sie wird sogar eifersüchtig, wenn ich mich zu lange mit den anderen Tauben beschäftige und beschwert sich dann lautstark“, erzählt Sarah lachend.

So beginnt ein typischer Arbeitstag der 23-jährigen Bochumer Studentin. Bis zu 170 Tauben hält das Biopsychologische Institut der Ruhr-Universität zu Forschungszwecken im Bereich der Verhaltensforschung. Die Tauben werden trainiert, um ihr Sozialverhalten und die Rolle, die das Gehirn dabei spielt, zu ergründen. „Alles total tierfreundlich“, versichert Sarah. „Unsere Tauben haben ein schönes Leben. Wenn sie leiden müssten, könnte ich die Arbeit nicht machen“. Im Dezember 2011 hat Sarah den Aushang „Taubenpfleger/in gesucht!“ am schwarzen Brett entdeckt. „Genau mein Ding“, dachte sie sich. Seitdem steht sie einer professionellen Tierpflegerin zur Seite und kümmert sich um die Pflege und das Wohlergehen der gefiederten Forschungsobjekte.

Bis zum Masterabschluss möchte die tierliebe Studentin, die privat keinen Vogel sondern eine Katze hat, ihren Nebenjob auf jeden Fall weitermachen. „300 Euro im Monat bei flexibler Zeiteinteilung sind gute Bedingungen für einen Studentenjob“, sagt sie. Und außerdem diene die Taubenforschung und somit auch ihre Arbeit ja sogar einem höheren Ziel: der Wissenschaft.

Sarah studiert im fünften Semester Religion und Germanistik. Mit Tieren zu arbeiten findet sie super: „Ich bin tierlieb ohne Ende. Und die Arbeit

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Getraut! Das Studium ist für viele junge Erwachsene eine Zeit der Selbstfindung. Liebeskummer, Pleitemonate und Partynächte inklusive. In dieser Zeit das Ja-Wort zu geben – ein Albtraum für den freiheitsliebenden Studenten. Dennoch sind fünf Prozent der deutschen Studenten verheiratet. TextAnna Friedrich, Maike Dedering, Natalie Klein MitarbeitLena Seiferlin, Alexandra Ossadnik FOTOSKatharina Kirchhoff, Perfect Wedding Münster, Pixelio/delorean333

Rock‘n‘Roll statt Wiener Walzer - so geht Heiraten unter Studenten.

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„Entweder nur heute Nacht oder die nächsten 40 Jahre.“ Das war Patrycja (27) und Christian (29) schon beim ersten Flirt in einer Kneipe klar. Jetzt, eineinhalb Jahre später, stecken die Lehramtsstudentin und der Maschinenbautechniker Hals über Kopf in den Hochzeitsvorbereitungen. Die Planung für die Feier im September steht: Der Saal ist gemietet, rund hundert Gäste sind eingeladen. Im Studium zu heiraten - mit dieser Entscheidung sind die beiden nicht alleine. Laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks sind fünf Prozent der deutschen Studenten verheiratet. Im Jahr 2009 machten die Studentenhochzeiten laut dieser Statistik mit 100.000 von 378.412 Trauungen rund ein Viertel aller geschlossenen Ehen in Deutschland aus. Ihren großen Tag, den 2. März 2012, haben Studentin Gazal (20) und ihr Ehemann Selman (24) schon hinter sich. Sie mussten für 400 Gäste, Unmengen an Essen und einen riesigen Festsaal zahlen. Noch während des Studiums eine Hochzeit zu finanzieren, kann eine echte Herausforderung sein. Auch die zukünftige Braut Patrycja macht gerade diese Erfahrung. Ihr kommt dabei der „Do-it-yourself“Trend gelegen. Die Einladungen hat sie selbst gebastelt, zurzeit widmet sie sich eifrig der Dekoration. Und auch für ihr Traumkleid hat sie eine clevere und vor allem günstige Lösung gefunden: „Ich habe einige Kleider anprobiert, um zu schauen, welcher Schnitt mir am besten steht. Jetzt lasse ich es mir günstig nachnähen.“

kostengünstig im Studentenwohnheim leben: Bei der Wohnungsvergabe berücksichtigen die Studentenwerke den Status „verheiratet“. Die so genannten Familien-Zimmer sind für verheiratete oder zusammenlebende Paare reserviert und bieten Platz für eventuellen Nachwuchs.

Ganz traditionell, ganz klassisch

„Der Verlobungsring war einfach symbolisch, nichts hyperdolles“, sagt Kevin. An den Tag des Antrags kann er sich noch ganz genau erinnern. Dass er Lena heiraten wollte, stand für ihn schon am Anfang der Beziehung fest. Beide waren seit vielen Jahren eng befreundet. Bei ihrer Verlobung waren sie ein Jahr fest zusammen. Ganz traditionell hielt Kevin bei Lenas Vater um die Hand der Tochter an. Am Morgen der Verlobung traf er sich mit seinem zukünftigen Schwiegervater in der Stadt, um einen passenden Ring auszusuchen. Bei einem Spaziergang bei Sonnenuntergang war es dann soweit: „Ich hatte zwei Piccolos und Gläser in meiner Jackentasche versteckt. Deshalb konnte ich Lena gar nicht richtig begrüßen, sonst hätte sie was gemerkt. Und dann habe ich ihr den Antrag gemacht – ganz klassisch. Ich bin sogar auf die Knie gegangen.“ Obwohl er eigentlich wusste, dass sie Ja sagen würde, war er sehr nervös. Stolz zeigt Patrycja ihren Verlobungsring. Die Entscheidung, noch während des Studiums zu heiraten, hat Kevin nie in Frage gestellt: „Warum hätten wir warten sollen? Wir wussten, dass wir füreinander gemacht sind.“ Ein wichtiger Grund war dabei auch ihr Glaube, denn Lena und Kevin sind überzeugte Christen. Dass der Glaube auch heute noch viele junge Leute in ihrer Entscheidung zu heiraten bestärkt, sieht auch Klaus Giepmann so. Der Studentenpfarrer der katholischen Hochschulgemeinde in Bochum hat die Erfahrung gemacht, dass Paare ihre Beziehung unter Gottes Segen stellen möchten und die kirchliche Hochzeit als Bekräftigung ihrer Liebe sehen. Viele Paare haben das Gefühl, dass Gott ihnen auf dem gemeinsamen Weg hilft und sie so nicht mit der Entscheidung alleine sind. Und das ist natürlich nicht nur im christlichen Glauben der Fall.

Dass eine Hochzeit einige tausend Euro kostet, darüber waren sich auch Kevin (24) und Lena (24) im Klaren. Aber dank Hilfe konnte das Paar bei der Hochzeit sparen: Freunde und Verwandte haben Vorspeisen für das Buffet mitgebracht. „Mit Essen und Trinken kommt da finanziell einiges zusammen. Aber wir haben gesagt: Das ist eine Sache, die wir einmal im Leben machen. Das ist zwar teuer, aber auf ein ganzes Leben lang gesehen auch wieder nicht“, sagt Kevin. Seit Juli 2011 sind die beiden verheiratet, ihre zweiwöchigen Flitterwochen haben sie auf Mauritius verbracht. „Als Studenten können sich das wahrscheinlich nicht viele leisten“, sagt Kevin. „Wir sind aber immer arbeiten gegangen, ich habe Sachen auf Ebay und als Fotograf meine Bilder verkauft.“

Auch bei Gazal und Selman spielten religiöse Motive eine Rolle. Beide sind Kurden – in ihrer Kultur ist das Zusammenziehen vor der Hochzeit ein Tabu. Seit vergangenem Sommer sind die beiden verlobt. Nach kurdischem Brauch hielt Selmans ganze Familie um Gazals Hand an. Über hundert Gäste waren bei der Verlobungsfeier dabei. Erst drei Monate zuvor hatte Gazal ihren Eltern von der Beziehung erzählt. So ganz sicher war sie sich nicht, wie ihre Eltern reagieren würden. „Mein Vater war schon ein bisschen geschockt. Ich glaube er sieht mich immer noch als kleines Mädchen“, erzählt Gazal. Außerdem habe er sich Sorgen gemacht, wie sie das alles mit

Aber nicht nur die Hochzeit selbst, sondern auch der Ehe-Alltag muss finanziert werden. Rechtlich betrachtet sind die Eheleute gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. Verheiratete Studenten können allerdings weiterhin BAföG beziehen. Neben dem Einkommen der Eltern wird dabei dann auch das Einkommen des Ehepartners berücksichtigt. Jedoch bekommen unterdurchschnittlich wenig verheiratete Studenten BAföG. Das zeigt die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Zusätzlich können verheiratete Studenten bis zu 20 Stunden die Woche arbeiten. Ehepaare können 29

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Der Tisch ist gedeckt, die Party des neuen Lebens kann beginnen.

dem Studium hinkriege. „In einer Ehe hat man schließlich Verantwortung.“

Während des Studiums hatten sie genug Zeit, sich auszuprobieren und zu sich selbst zu finden. Die Beziehung hatte Zeit zu reifen und der Entschluss, sich für das ganze Leben zu binden, wird dann nicht leichtfertig getroffen. Auch die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks bestätigt: Je älter der Student, desto heiratsfreudiger ist er. Von den Studenten, die schon einen Uni-Abschluss in der Tasche haben, sind dreimal so viele verheiratet wie von denen im Erststudium. Ausschlaggebend für die Entscheidung zu heiraten sei meist ein äußerer Anlass, wie zum Beispiel ein Ortswechsel oder ein neuer Job, sagt Klaus Giepmann und fügt hinzu: „Obwohl eigentlich jeder Zeitpunkt richtig ist, sind gerade diese Anlässe wichtig, damit dem Paar klar wird, dass die Heirat nun überfällig ist.“

Skeptische Bekannte An der Universität erlebte Lehramtsstudentin Gazal eher negative Reaktionen: „Ganz viele fragen, ob ich freiwillig geheiratet habe. Die meinen alle, das wäre eine Zwangsheirat gewesen. Das verletzt mich.“ Auch Kevins und Lenas Entscheidung stieß zuerst auf Skepsis. Viele Bekannte hatten vor allem Zweifel, weil die beiden vorher nicht zusammengewohnt hatten. Kommentare wie „Dann lernst du doch erst die Marotten des anderen kennen“ oder „Wenn das mal gut geht“ kamen häufig. Die Reaktionen von Frauen seien allerdings positiver gewesen, erinnert sich Kevin. „Viele waren erstaunt, weil es nicht unbedingt ins heutige Bild passt“, sagt er. Die meisten in seinem Alter würden sich erst später über so etwas Ernstes Gedanken machen wollen.

Obwohl für Kevin und Lena von Anfang an klar war, dass sie heiraten wollen, hatte Kevin am Anfang noch einige Ängste: „Ich dachte immer, ich wäre noch zu jung dafür.“ Er machte sich jedoch klar: Vor der Ehe ist nichts anderes als vor dem Studium, Referendariat oder dem ersten Job. Selbstzweifel und Angst gehören dabei wohl dazu. „Aber wenn die Einstellung ernst ist, dann funktioniert es meist auch.“ Wann jemand reif oder erwachsen genug für eine Ehe sei, könne man nicht pauschal sagen, findet Kevin. „Es kommt mehr auf die Herangehensweise an. Logik und rationale Abwägungen oder Jux und Dollerei sollten keine Heiratsgründe sein. Entscheidender ist, sich sicher zu sein: Das ist mein Partner und das soll bis zum Ende so bleiben.“

Dieses weit verbreitete Bild des bindungsunfähigen oder freiheitsliebenden Studenten kennt auch Daniela Eichholz, Mitarbeiterin am Soziologischen Institut der TU Dortmund. Da es viele unterschiedliche Studententypen gibt, möchte sie das nicht verallgemeinern. Die Rahmenbedingungen für eine Ehe seien zum Beispiel gerade bei Lehramtsstudenten besser mit dem Übergang ins Berufsleben vereinbar, denn Ehen werden bei der Ortszuweisung einer Referendariatsstelle berücksichtigt.

Für eine erfolgreiche Ehe nennt der Dortmunder Studierendenpfarrer Peter Jochem vier Voraussetzungen. Die Grundlagen sollten sein, sich Treue zu schwören, wirklich Anteil am Leben des anderen

Studentenpfarrer Klaus Giepmann weiß aus Erfahrung, dass viele Paare erst am Ende ihres Studiums über eine Heirat nachdenken. 30

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zu nehmen, das Wohl des Partners in den Vordergrund zu stellen und sich prinzipiell eine Familie mit dem Partner vorstellen zu können. Diese Elemente seien nicht zwingend, sie erinnerten aber an die Verantwortlichkeit, die man in einer Ehe übernehme. Manch freiheitsliebender Student würde bei diesen Bedingungen wohl um Fußballabende, Shoppingtouren oder durchfeierte Nächte bangen. Zeit für Hobbies bleibt aber trotzdem, versichert Kevin: „Ich habe mit Naturfotografie ein sehr zeitaufwändiges Hobby. Lena singt in einer Band. Man spricht sich einfach ab und muss natürlich Rücksicht nehmen, aber das ist ja in einer Beziehung genauso – oder sollte so sein.“

Nicht viel verändert Der Ehe-Alltag ist bei Lena und Kevin mittlerweile eingespielt. Während er die Unibank in Dortmund drückt, geht die Referendarin jeden Morgen in die Schule. Nach Feierabend lassen sie den Tag gemeinsam ausklingen. Wer zuerst zuhause ist, kocht. Beim Essen erzählen sie sich von ihrem Tag. Die Hochzeit hat für Kevin eigentlich nicht viel verändert: „Höchstens, dass man alle Sachen zu zweit machen kann – zum Beispiel den Abwasch. Eigentlich ist es sogar einfacher.“ Ganz so einfach gestaltet sich der Ehe-Alltag bei Gazal und Selman nicht. Momentan führen die beiden noch eine Fernbeziehung. Gazal studiert in Dortmund und wohnt in Essen. Ihr Mann lebt noch in der Türkei. Gesehen haben sie sich immer nur in den Semesterferien. Das eigene Leben zu führen und trotzdem jeden Tag zu „skypen“, ist keine einfache Aufgabe. Es erfordert genaue Absprachen, Kompromisse und Zuverlässigkeit. Das Ende der Fernbeziehung ist allerdings absehbar – Selman hat schon einen Deutschkurs absolviert, nun muss er nur noch das Visum beantragen. In spätestens einem Monat erwartet Gazal ihn am Flughafen. Im Moment sucht sie eine gemeinsame Wohnung. Trotz der Vorfreude hat Gazal noch einige Ängste – schließlich kommt das richtige Kennenlernen erst, sobald sie und Selman den gemeinsamen Alltag meistern müssen. „Manchmal habe ich schon ein schlechtes Gewissen, weil er alles für mich zurücklässt – seine Familie, seine Freunde und seinen Job“, sagt Gazal. Während Gazal die Tage bis zur Ankunft ihres Ehemannes zählt, zählen Patrycja und Christian die Tage bis zur Hochzeit. Das klassische Reiswerfen vor der Kirche kommt für das junge Paar nicht in Frage. Stattdessen gibt es Seifenblasen. Und danach geht es in die Flitterwochen nach Kuba. Die Freiheit, das zu tun, was man möchte, neue Erfahrungen zu sammeln und die Welt zu erobern, endet schließlich nicht mit der Hochzeit – auch wenn viele genau das meinen. Das Wort Freiheit bekommt einfach nur eine andere Definition mit vielen neuen Facetten.

Reiswerfen war gestern, die moderne Alternative sind Luftballons.

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Am Ende der Leitung Die Nightline in Köln ist ein anonymes Sorgentelefon – von Studenten für Studenten. Hier wird nicht beraten, sondern zugehört. Die Mitarbeiter sind spontan und mitten in der Nacht zu erreichen und ergänzen damit die psychologische Beratung der Ruhr-Unis. TEXTAnnika Koenig FotosKatharina Kirchhoff, Christiane ReinerT

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direktiven Gesprächsführung.“ Das besagt: Fragen vermeiden, denn sie können den Anrufer in eine bestimmte Richtung dirigieren oder unter Rechtfertigungsdruck setzen. Und man spiegelt, was der Anrufer sagt. Damit wirken Fritz und seine Kollegen wie eine Art neutraler Vermittler zwischen dem Ratsuchenden und seinen Problemen. „Ich biete den Anrufern einen Freiraum, in dem sie geschützt, also vertraulich, über ihre Sorgen reflektieren können. Und in vielen Gesprächen habe ich das Gefühl, dass der Anrufer zu sich selbst findet, allein dadurch, dass er frei reden kann. Diese Erfahrungen sind immer wieder sehr berührend, und das motiviert mich besonders.“

Alexanders Eltern lassen sich scheiden. Und er fühlt sich plötzlich so klein und hilflos wie mit acht Jahren. Dabei ist er doch ein erwachsener Student. Seinen Freunden hat er nichts davon erzählt, es ist ihm peinlich. Aber er muss es loswerden, am besten gleich. Langsam hebt er den Hörer ab, er fühlt sich schwer an. Am anderen Ende der Leitung hört er es tuten, dann meldet sich eine männliche Stimme: „Das ist die Nightline aus Köln, wie kann ich dir helfen?“ Liebeskummer, Leistungsdruck, schlechte Klausuren oder Stress mit der Familie: So vielfältig sind die Sorgen und Probleme von Studenten. Doch nicht immer hört jemand zu. Vor allem nicht nachts, wenn längst alle schlafen, man selbst aber vor lauter Sorgen kein Auge zukriegt. Aus diesem Grund wurde die Nightline in Köln gegründet. Die „Nacht-Leitung“ ist ein Zuhör- und Informationstelefon von und für Studenten. Ursprünglich kommt die Idee dieses Sorgentelefons aus England, der Service wurde dort an der University of Essex entwickelt. In Deutschland wurde die erste Nightline an der Universität in Heidelberg gegründet. In Köln entstand die Nightline später aus einem Projekt-Management-Kurs, erklärt Fritz, Mitarbeiter und Pressesprecher der Nightline.

Für diese befriedigenden Momente am Telefon nimmt er in Kauf, dass er viel Zeit in Öffentlichkeitsarbeit stecken muss. Denn jeder, der für die Nightline telefonieren möchte, muss gleichzeitig Mitglied im eigenen Verein werden. Damit fällt jedem noch eine weitere Aufgabe zu, zum Beispiel Pressearbeit, Mitarbeiterschulungen, Mitgliederbetreuung oder Mitarbeit im Bereich Finanzen und Sponsoring. Doch auf die 30 Mitglieder verteilt ergeben sich nur vier bis fünf Schichten von 21 bis 1 Uhr pro Semester. „Manchmal ruft nur einer an, manchmal führt man vier Gespräche. Sie dauern oft eine Stunde lang. Wir beenden das Gespräch von uns aus nur, wenn wir merken, dass sich der Anrufer im Kreis dreht. Denn dann werden wir an dem Abend nichts lösen können.“

Zu seinem Arbeitsalltag und dem Konzept der Nightline gehört auch, dass Fritz eigentlich gar nicht Fritz heißt. Und dass er das Interview am Telefon führt, denn der Standort der Büroräume ist ebenfalls geheim. Das hat einen guten Grund: „Alle Nightliner sind ausschließlich Studierende.“ Dadurch seien sie mit den Problemen, die es während des Studiums geben kann, vertraut. Aber selbst eine größere Uni sei immer noch relativ überschaubar. „Damit es keinerlei Gerede gibt und jeder, der bei uns anruft, völlig sicher sein kann, dass alles vertraulich bleibt, geben wir uns als Nightliner in der Öffentlichkeit nicht zu erkennen“, erklärt Fritz. Niemand solle wissen, mit wem er in der Nacht telefoniert hat. Auch für die Mitarbeiter sei die Anonymität der Anrufer wichtig. Wenn man nicht wisse, mit wem man spreche, sei es besser möglich, die Distanz zum Anrufer und seinen Problemen zu wahren.

Eine Nightline gibt es nicht nur in Köln. Voneinander unabhängige Nightline-Sorgentelefone werden in Heidelberg, Freiburg, Münster, Dresden und Hamburg angeboten. Sie alle sind selbstständig, stehen aber unter dem Schirm einer Stiftung, der Förderinitiative Nightlines Deutschland e.V. Diese kümmert sich unter anderem um größere PR-Aktionen und Neugründungen.

Umfrage auf dem Campus

Bei den Gesprächen geht es um Themen wie Liebeskummer oder Einsamkeit. Deswegen rufen viele sonntagnachts an, wenn sie länger alleine waren. Probleme im Studium werden seltener thematisiert. Fritz vermutet, dass es immer noch einfacher sei, mit seinen Kommilitonen über eine schlechte Klausur zu reden, als über unglückliche Liebe oder die Angst, depressiv zu sein. Auf die Frage, ob auch Menschen mit Suizid-Gedanken angerufen haben, antwortet er erleichtert: „Zum Glück noch nicht. Davor hat man schon Angst.“ Auch wenn es diesen Fall noch nicht gab: Manche der Probleme sind schlimm genug, um auch die Mitarbeiter zu belasten. Deswegen sei man immer zu zweit. So kann man sich zwischendurch austauschen und unterstützen. Auch wenn alle Schulungen mitmachen müssen, bevor sie telefonieren dürfen, sind sie eben doch keine Psychotherapeuten.

Über eine neue Nightline habe man auch an der Ruhr-Universität Bochum nachgedacht, erinnern sich Diplom-Pädagogin Kathrin Humpert und Psychologin Judith Knoche. Sie leiten die OASE (Ort für Austausch, Studium und Entwicklung), eine Abteilung der Zentralen Studienberatung an der Ruhr-Uni. „Im letzten Jahr haben wir das Konzept der OASE überarbeitet. In dem Zusammenhang haben wir eine Umfrage auf dem Campus durchgeführt. Dabei haben nur sehr wenige Studenten angegeben, dass sie sich an der RUB eine Telefonberatung wünschen.“ Trotzdem finden sie die Idee der Nightline gut und versuchen, auch an ihrer Uni die Studenten zu motivieren, sich für andere Studenten einzusetzen. „Wir bilden Studierende im Rahmen eines Praktikums aus, damit sie Workshops im Bereich Studienkompetenzen geben können“, sagt Judith Knoche. „Auch die Kurse über richtige Lernmethoden werden von Studenten geleitet.“ Eine Besonderheit der OASE: Sie bietet eine Plattform, um Selbsthilfegruppen zu gründen. „Wir sammeln Anfragen, helfen bei der Organisation und ziehen uns dann zurück. Bei Schwierigkeiten oder Fragen stehen wir aber weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung“, erklärt Kathrin Humpert.

„Wir beraten auch nicht“, betont Fritz, „wir hören zu. Da orientieren wir uns an einem Prinzip nach Carl Rogers, der nicht-

Thematisch ähneln die Angebote der psychologischen Studienberatung an der TU Dortmund denen der RUB. Diplom-Psychologin

Kompliziert und belastend

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Liebeskummer, Leistungsdruck oder Klausurenstress - die Sorgen und Probleme von Studenten sind vielfältig.

Ellen Wiese, eine von drei Psychotherapeuten an der TU, ist besonders stolz auf die Wartezeiten: „Meist dauert es nur eine Woche bis zum ersten Kontakt.“ Sie versucht, die Hemmschwelle zur Beratung zu kommen, möglichst niedrig zu halten. Trotzdem merkt sie, dass es „für viele immer noch merkwürdig ist, zu einem Psychotherapeuten zu gehen. Sie machen sich sogar Gedanken darüber, hier in den Gängen gesehen zu werden.“

Doch Sven Rüter weiß auch, dass er mit seiner Arbeit nur teilweise helfen kann. Auf Grund einer neuen Regelung, dem „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“, dürfen sich in manchen Städten einfach nicht mehr Therapeuten niederlassen. Das liegt daran, dass die Bedarfsplanung derzeit noch mit veralteten Verhältniszahlen rechnet. 1990 sollte noch eine Überversorgung der Bevölkerung mit Psychotherapeuten verhindert werden. Neue Berechnungskriterien sollen bis zum Januar 2013 festgelegt werden. Deswegen müsse man im Moment noch Wochen, oder sogar Monate, auf einen Therapieplatz warten. Darauf bereite er auch diejenigen vor, die er aus seiner eigenen Beratung an eine Praxis vermittelt. Angebote, die spontan und schnell helfen können, wie zum Beispiel die Nightline, sind daher sehr nützlich. „Eine neue Nightline würde in Duisburg-Essen nur funktionieren, wenn Studenten die Initiative selbst in die Hand nehmen. Das können wir nicht leisten.“

Langsame Veränderungen Diese Erfahrung hat auch Sven Rüter, Diplom-Psychologe an der Universität Duisburg-Essen gemacht. Bei seiner Arbeit an der Universität und in einer regulären Praxis hat er aber auch gemerkt, dass sich langsam etwas ändert. „Seit das Thema Depression in den Medien ist und mehr Prominente dazu stehen, wird es einfacher. Für viele besteht die Hemmschwelle aber eher darin, Hilfe anzunehmen und sich selbst ein psychisches Problem einzugestehen.“ Dass trotzdem viele Menschen das Beratungsangebot in Anspruch nehmen, zeigen die Zahlen des vorigen Jahres: 185 EinzelberatungsFälle in Duisburg, 274 in Essen. Insgesamt waren im Wintersemester 2011/12 in Duisburg und Essen 37.000 Studenten eingeschrieben. Die Zahlen der Beratungs-Fälle erklärt Rüter unter anderem mit dem verschulten Bildungs-System. „Die Schul- und Universitätszeit ist sehr eng gestrickt und bringt einen großen Leistungsdruck mit sich. Das fällt genau in die Zeit der Identitätsfindung. Es bleibt wenig Platz, in Ruhe erwachsen zu werden.“

Die Nightline ist zu erreichen: Während der Vorlesungszeit täglich von 21 bis 1 Uhr, außer Mi. & So., unter (0800) 470 35 00 und (0221) 470 35 00.

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Rätselraten

Gewinnspiel: John & Yoko Finde alle sechs Fehler im rechten Bild und maile die Aufzählung bis zum 07.07. an gewinnspiel@pflichtlektuere.com – samt deiner Adresse (für den Fall, dass du gewinnst und deinen Preis nicht abholen kannst; sonst wird sie gelöscht). Viel Erfolg! Zu gewinnen gibt es “Nicht lustig: Das dicke Cartoonbuch“. Mit diesem Taschenbuch habt ihr fast 350 Nichtlustig-Cartoons in einem dicken Band versammelt. Macht nicht dick. Aber lustig.

Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeiter der pflichtlektüre-Redaktion und deren Angehörige. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

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Kulturgebiet

Liebster Platz TextLukshmypreya Ravindran FotoMaike Dedering

Das Unperfekthaus in Essen ist für mich ein Lieblingsplatz, weil ich mit dem Ort unvergessliche und lustige Momente verbinde. Obwohl es mitten in der Stadt liegt, ist das UPH ein Insidertipp. Zu verschiedenen Gelegenheiten treffe ich mich dort mit meinen Freunden. Wir können dort entspannen, uns unbefangen unterhalten oder einfach die perfekte Unperfektion und die besondere Atmosphäre des Hauses auf uns wirken lassen. Das Unperfekthaus ist ein ganz spezieller Ort, wie man ihn hier in der Gegend nicht noch einmal findet. Es ist ein Künstlerdorf, eine Kneipe, ein Treffpunkt, ein Veranstaltungsort. Täglich hat es von zehn Uhr morgens bis elf Uhr abends geöffnet. Für 6,50 Euro kann man sich dort fünf Stunden lang aufhalten, unbegrenzt Kaffee, Säfte und Softdrinks genießen. Essen gibt es auch – das lässt man sich einfach in seine Verzehrkarte eintragen. Genauso ist es mit Cocktails, Longdrinks und Bier. Und ganz sicher ist: Langeweile kommt im UPH nicht auf: Tischtennis, Ruheliegen, Kicker und Kuschelecken stehen zur freien Verfügung. Außerdem gibt es ein Kunstkaufhaus. Das Besondere am Unperfekthaus ist die Ansammlung der verschiedenen Räume, wie die Lounge, der Konzertsaal, der große Seminarraum, die vielen individuell gestalteten Räume für Künstler und Musiker und natürlich auch die Dachterrasse, auf der man im Sommer grillen kann. Jeder Raum ist frei zugänglich und bietet uns die Möglichkeit, unserer Kreativität freien Lauf zu lassen. Genauso originell und einzigartig wie das Unperfekthaus selbst sind die Bilder, die die lokalen Künstler ausstellen. Nur um mir diese großartigen Werke anzuschauen, würde ich jederzeit in das UPH gehen. Wo ist dein liebster Platz im Ruhrgebiet? Sag‘s uns: * liebsterplatz@pflichtlektuere.com 36

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Peinliche Platte

bandschriftlich PROTOKOLLnaTaLie kLein FOTOheike Wippermann

TexTLena seiFerLin FOTOkaTharina kirChhOFF

Ich war 15 und unsterblich verliebt. Leider war es überhaupt nicht realistisch, den Mann meiner Träume kennenzulernen. Sein Beruf: Schauspieler. Seine Aufgabe: jungen Mädels vor dem Fernseher den Kopf verdrehen. Bei mir funktionierte das perfekt. Dafür brauchte Sebastian Deyle kein besonderes schauspielerisches Talent. Mit den Schmetterlingen in meinem Bauch interessierte mich das nicht.

Ihre Musik pendelt zwischen energiegeladenem Rock und groovigem Pop. Sie ist auf jeden Fall aussagekräftig, sagt die Band „Sinnflut“. In ihren deutschen Texten erzählen die fünf Mitglieder von dem, was sie bewegt: Aufbruchstimmung, Veränderung oder Entfremdung. Seit vier Jahren treten die Hagener in ganz Deutschland auf, 2011 waren sie für den deutschen Rock und Pop Förderpreis nominiert. Zurzeit arbeitet Sinnflut am zweiten Studioalbum.

Jeden Abend verfolgte ich sein „Leben“ in der ARD-Serie „Marienhof“. Hier spielte er den Sunnyboy Nick, inklusive Pottschnitt und braun gebranntem Sixpack. Die Frisur lässt mich heute eher schaudern. Trotzdem, Nick war definitiv ein Frauenschwarm. Keine Folge durfte ich verpassen. Jedes Mal saß ich wieder schmachtend vor dem Fernseher. So etwas hatte ich vorher noch nie für einen Schauspieler empfunden.

Wir machen Musik, weil...

Natürlich hatte Nick auch in der Serie eine Verehrerin. Zu jeder Szene mit den beiden gehörte ein ganz bestimmter Song. Den habe ich bis heute im Kopf. Immer noch kann ich jede Zeile auswendig mitsingen: „I’m just more than you can see obviously…“. Das Lied löste bei mir regelmäßig eine Gänsehaut aus. Voller Inbrunst sang ich „Just more“ von der deutschen Girlband „Wonderwall“. Wie gerne wäre ich selbst Teil der Serie gewesen. An seiner Seite.

Wir wären gerne Vorband von...

Unser Musikstil klingt wie...

Ich musste mir unbedingt das Album „Witchcraft“ der Band kaufen. Hörte ich die Lieder, dachte ich sofort wieder an Nick. Endlich konnte ich „Just more“ hören, wann ich wollte. Dabei träumte ich mich regelrecht in die Szenen mit ihm hinein. Die ganzen kitschig romantischen Songs des Albums liefen bei mir rauf und runter. Alles nur wegen Nick! Als ich jetzt aus aktuellem Anlass noch einmal die CD hervorgeholt habe, konnte ich tatsächlich immer noch einige Zeilen auswendig.

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Probehören auf pflichtlektuere.com


Neues vom V-Mann

fOTOANdré Hainke

Juicy Beats

fOTOHELDEN NÄCHTE

28. Juli, Dortmund, Festival ab 12 Uhr, Westfalenpark Dortmund An der Buschmühle 3 www.juicybeats.net

fOTOThomas Nitz / tnt-fotoart.de

16 Stunden lang Festival im Grünen. Unter anderem mit Casper, Get Well Soon und Egotronic. VVK 27 Euro zzgl. Gebühr

15. Juni, Bochum, Lesung 20 Uhr, Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108 www.bahnhof-langendreer.de

Fernweh 21. Juni, Bochum, Theater 20 Uhr, Kammerspiele Bochum Königsallee 15 www.schauspielhausbochum.de Zusammenarbeit von Folkwang Universität und Drama Academy Ramallah/Palästina, ein Stück über die Suche nach dem Glück in der Ferne. ab 11 Euro / erm. ab 7 Euro

La Boum 16. Juni, Dortmund, Party 22 Uhr, Sissikingkong Landwehrstraße 17 www.sissikingkong.de Auf diesen Abend fiebern viele jeden Monat auf ’s Neue hin: „La Boum – Die Party“ im Keller unterm Sissikingkong mit Rock, Beats, Soul, Hits und Trash. Eintritt frei

Horst Evers

Kabarettist Horst Evers kommt mit seinem Programm „Großer Bahnhof“ nach Bochum. Der Gewinner des Deutschen Kleinkunstpreises gilt als großer Geschichtenerzähler, der witzige Analysen des Alltags in Deutschland liefert. VVK 15 Euro, AK 19 Euro

Park-Kult-Tour 30. Juni, Duisburg, Festival Einlass 13.30 Uhr, Meidericher Stadtpark Bürgermeister-Pütz-Straße 123 www.parkhaus-meiderich.de Headliner ist Thees Uhlmann. Es treten außerdem auf: Stereo Love, aber auch Bands aus dem Ruhrgebiet, wie The Black Forest Cherry Cakes. Während des Festivals gibt es auch einen Trödelmarkt und nach dem Live-Programm eine Party im „Parkhaus“. Eintritt 10 Euro

Heldenrock 23. Juni, Essen, Party 23 Uhr, In der Heldenbar (Grillo Theater) Theaterplatz www.heldennaechte.de Rock im Grillo Theater: Sabrina Hotpants legt Alternative-Rock von Placebo, Mando Diao, Foo Fighters, Pearl Jam u. a. auf. Eintritt 5 Euro

Bochum Total 5.-8. Juli, Bochum, Festival Bermuda3Eck Kreuzstraße www.bochum-total.de Drei Tage lang Musik in der Bochumer Innenstadt, unter anderem mit Max Prosa, Glasperlenspiel und Frittenbude. Unter dem Motto „umsonst und draußen“. Eintritt frei

The Fog Joggers 20. Juli, Oberhausen, Konzert 21 Uhr, Druckluft Am Förderturm 27 www.drucklufthaus.de Poppiger Indie-Rock. 8 Euro

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fOTOThomas M. Jauk/Stage Picture fOTORuhr Tourismus / Nielinger

fOTOMIGMA FILM

Kinostart „Miss Kicki“ Start: 26. Juli 2012 Drama Kicki (Pernilla August) kehrt nach längerer Zeit im Ausland zur Familie ins Heimatland Schweden zurück. Ihr 17-jähriger Sohn Viktor (Ludwig Palmell) ist bei seiner Großmutter aufgewachsen. Die emotionale Bindung zwischen Mutter und Sohn ist längst verloren gegangen. Deshalb schlägt Kicki eine Reise nach Taiwan vor - aber nur vordergründig, um mit ihrem Sohn zu verreisen. In Wirklichkeit sucht sie dort auch einen Mann, in den sie sich im Internet verliebt hat. Obwohl sich Kicki und Viktor endlich nah sind, waren sie wohl nie weiter voneinander entfernt. Viktor scheint erwachsener zu sein, als es seine Mutter je war. Und während Viktor sich in einen Jungen, Didi, verliebt, hetzt seine Mutter immer noch unerfüllter Liebe hinterher. Stoff für ein Drama über Familie, Träume und Sehnsucht nach Liebe. Das Spielfilmdebüt des Regisseurs Håkon Li wurde bereits 2009 mit dem Rainer Werner Fassbinder-Preis ausgezeichnet und läuft jetzt auch in deutschen Kinos.

Extraschicht

Fan-Gesänge

30. Juni, Ruhrgebiet, Ausstellungen ab 18 Uhr www.extraschicht.de

24. Juni, Dortmund, Oper 18 Uhr, Opernhaus – Theater Dortmund Kuhstr./Platz der Alten Synagoge 12 www.theaterdo.de

Während der Extraschicht – „Die Nacht der Industriekultur“ sind eine Nacht lang 53 Spielorte der Region Ruhrgebiet für Besucher geöffnet. Mit dem Ticket kommt man zu allen Spielorten und Veranstaltungen und kann Shuttlebusse nutzen. VVK 14 Euro, AK 16 Euro

Fußball-Hymnen sind manchmal mehr Gegröle, als Gesang. Anders ist das, wenn im Opernhaus Fußball-Gesänge auf die Bühne gebracht werden. ab Euro 12,50 / erm. ab 6,25 Euro

Static Movement

Dein Lebens-Lauf

Bis 15. Juli, Essen, Ausstellung Di-So 10-18 Uhr, Fr bis 22.30 Uhr, Museum Folkwang Museumsplatz 1 www.museum-folkwang.de

Bis zum 30. September, Dortmund, Ausstellung Di-Fr 9-17 Uhr, Sa und So 10-18 Uhr, DASA-Galerie, DASA Friedrich-Henkel-Weg 1-25 www.dasa-dortmund.de

Film – das sind bewegte Bilder. Und doch können sie auch nicht ohne Stillstand funktionieren. Mit dieser Ambivalenz in Filminstallationen beschäftigt sich die Ausstellung. Eintritt 5 Euro / erm. 3,50 Euro

Die Ausstellung geht spielerisch der Frage nach dem Sinn des Lebens nach – an sieben Stationen werden Besucher mit Situationen konfrontiert, die im Leben unerwartet auftauchen können und gelöst werden müssen. 5 Euro / erm. 3 Euro

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