Live Streaming leicht gemacht

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MARKETING & KOMMUNIKATION

werbewoche 07 | 17.04.2015

Live-Streaming leicht gemacht Manuel P. Nappo, Studienleiter CAS Social Media Management HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. www.fh-hwz.ch/smm

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b beim Konzert, in den Flitterwochen oder zu Hause bei der Familie: Die neuen StreamingApps wie Meerkat oder Periscope machen jeden Smartphone-User zu einem wahren Live-Reporter. Dies funktioniert nämlich ziemlich einfach: App öffnen, Startknopf drücken, draufhalten und los geht’s. Innert Sekunden können nun die eigenen Follower in Echtzeit mit verfolgen und kommentieren, was uns gerade so vor die Smartphone-Linse kommt.

Doch jetzt mal von vorne: Beim diesjährigen South-by-Southwest-Festival in Austin machte ein ganz bestimmtes App das Rennen: Meerkat. Die

deutsche Übersetzung Erdmännchen besagt bereits ziemlich viel über den Sinn und Zweck dieser App: einen langen Hals machen, filmen und die ganze (Internet)-Welt daran teilhaben lassen. Gleichzeitig wird automatisch über das eigene Twitter-Profil ein Tweet veröffentlicht, dass nun eine Live-Stream-Übertragung läuft. Diejenigen Nutzer, die sich in die Übertragung einklinken, können nicht nur zuschauen, sondern auch Kommentare senden. So kann man den Kameramann auch gerade bitten, sich nach rechts zu drehen oder etwas Beliebiges zu zoomen. Jeder Stream kann archiviert werden und ist dann später abrufbar. Nur ein einziger Klick ermöglicht es uns, zu jedem beliebigen Video Zugang zu haben. Übrigens: Auch ich testete an der GfM-Tagung Meerkat und übertrug meine Präsentation an meine Twitter-Follower live – sehr empfehlenswert. Ja, das Erdmännchen Meerkat erlebte in den vergangenen Wochen einen richtigen Hype, und dies wollte und konnte sich Twitter nicht gefallen lassen. So entwickelte der Social-Media-Star in Kürze einen, man könnte fast sagen, Meerkat-Zwilling – die Periscope-App. Abgesehen von einem etwas anderen Design und ein paar minimen Unterschieden haben die Apps dieselben Funktionen und machen LiveStreaming so einfach wie nie. Die Hochzeit der Nachbarin, die Sommerferien des besten Freundes oder der Konzertbesuch der

Schwester. Streamings von Freunden und Bekannten sind schön und gut, doch nun frage ich mich, welchen Einfluss diese digitalen Innovationen für das Marketing der Unternehmen haben – insbesondere fürs Content Marketing. In meinen Augen besteht kein Zweifel, dass Live-Streaming-Apps den Marken viele Vorteile und neue Gelegenheiten bieten. Meerkat und auch Periscope stellen zum Beispiel ein ergänzendes Tool für Events dar; wenn nicht alle Gäste die Möglichkeit haben zu kommen, können diese trotzdem durch eine App daran teilnehmen. So haben Veranstalter die Gelegenheit, mehr Zuschauer anzusprechen. Es können exklusive Inhalte verbreitet werden, wie zum Beispiel Aufnahmen hinter den Kulissen oder bestimmte Auftritte und Reden. Durch Live-Streaming wirkt die Botschaft überzeugender, realer und beeinflussender als Bilder oder vorbereitete Videos. Ausserdem passt das Streaming perfekt zur Storytelling-Strategie, in der die Zuschauer in die Welt einer Marke integriert werden. Natürlich wird es auch an schlechten Streamings nicht fehlen. Doch diese langweiligen, nichtssagenden Streams werden die Community überschwemmen – und keine Aufmerksamkeit finden. Ich bin überzeugt: Wenn Live-Streaming-Tools und Professionalität eine glückliche Ehe eingehen, werden wir in Zukunft viele tolle Dinge zu sehen bekommen – und dies erst noch live.

Kino unplugged Florian Weischer, Geschäftsführer WerbeWeischer

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nplugged» als Begriff für echt, authentisch oder «handgemacht» erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei den Menschen. Denn dieses Wort steht auch für eine Einstellung, bei der auf Ballast der Technologie verzichtet und nach dem Unverfälschten gesucht wird. Aber noch eine Generation vor uns hätten die Menschen beim Thema «Stecker raus» sicher den Kopf geschüttelt, an Stromausfall mit all seinen negativen Begleiterscheinungen, an Energiemangel in jedweder Hinsicht, fehlendes Benzin beim Autofahrten oder totale Erschöpfung gedacht. Energie aus Strom oder Öl war alles – und schien unbegrenzt verfügbar. Die leeren Autobahnen im Jahr 1973 an den autofreien Sonntagen in Deutschland wurden deshalb als Zeichen einer echten Krise begriffen. Nur wir Kinder fanden es natürlich absolut schick, mal mit dem Fahrrad über die grosse, autobefreite Strasse zu flitzen, was wir natürlich nicht durften. Die Generation der Eltern sah hingegen ihren hart erarbeiteten Wohlstand in Gefahr – «Stecker raus» wäre für sie nie in Frage gekommen. Wir sehen das Thema heute anders. Vielleicht auch, weil die Technologie um uns herum so gross und umfassend geworden ist, uns in fast allen Lebensbereichen begleitet. Sie hilft uns auf der einen

Seite, weil viele Aufgaben heute ohne Technologie nicht mehr lösbar wären. High Tech ist im Spiel, wenn wir Verkehrsmittel benutzen, wenn wir kommunizieren oder wenn wir arbeiten. Auf der anderen Seite verstehen wir immer weniger von diesen hochtechnisierten Prozessen im Hintergrund, aber wir spüren ihre Auswirkungen an uns selbst. Gerade das digitale Zeitalter hat eine bisher unbekannte Beschleunigung in unser Leben gebracht, wir tun immer mehr in immer kürzerer Zeit, wir wollen an immer mehr Orten möglichst gleichzeitig sein, mehr Kontakte pflegen, mit mehr Menschen sprechen, schneller laufen und weiter springen. Irgendwann merken wir allerdings, dass wir den Kontakt mit dem wirklichen Leben, mit uns selbst fast verloren haben, so schnell und simultan muss alles gehen. Die Indianer im vermeintlich Wilden Westen setzten sich nach einem langen Ritt durch die Prärie auf einen Stein und warteten, bis die Seele nachkam. Wie klug. Wir dagegen hetzen gleich zum nächsten Ziel. Kein Wunder, dass wir so eine Art Raubbau an uns selbst betreiben. Viele Menschen verspüren dieses Missverhältnis und versuchen einen Prozess der Entschleunigung in ihrem Leben einzuleiten. Wesentlich dafür sind Erfahrungen, die den Kontakt mit den wichtigen Dingen im Leben wieder herstellen. Deshalb suchen wir nach Zeit für Familie und Freunde, nach gesunder Ernährung, nach Bewegung, Musse und Entspannung. Das ist gar nicht so einfach – vor allem, weil wir ja ganz freiwillig ständig mit der ganzen Welt über das Smartphone verbunden sind, für unsere digitalen Netzwerke per-

manent erreichbar sind und wir grosse Mühe haben, uns eine Art «Digital Detox» zu verordnen. Wenn die Digitalisierung der Welt uns allzu sehr erfasst, entstehen gegenteilige Tendenzen bei uns. Die Menschen suchen dann die möglichst «echte» Erfahrung. In der Musik ist das an der grossen Beliebtheit von Live-Konzerten zu beobachten – und zwar generationen- und zielgruppenübergreifend. Musik, die ja sonst digital, also überall und jederzeit mit ihrem vollen Repertoire verfügbar ist, wird live, im Hier und Jetzt, zu etwas ganz Besonderem. Wenn dann auch noch auf Technik-Bombast verzichtet wird, ist das schon ganz viel «Unplugged» und verspricht uns ein authentisches Erleben an einem realen Ort mit realen Künstlern und realen Menschen im Publikum. So ähnlich sehen wir auch das Kino, nämlich einen realen Ort mit realen Menschen im Saal, die gemeinsam einer Geschichte auf der grossen Leinwand folgen. Auch das vermittelt ein «Unplugged»Erlebnis. Beides erfordert eine gewisse positive «Anstrengung» in der Vorbereitung: Ich muss mich aus den eigenen vier Wänden bewegen, eine Karte kaufen, meinen Zeitplan darauf abstellen und nicht einfach nur «on demand» konsumieren. Wir sind überzeugt, dass diese Aktivierung eine andere Hinwendung zum Erleben bringt, Vorfreude, geteilte Freude, Aufmerksamkeit und Genuss und Gemeinschaft. Kaum zu überbieten, oder? Vielleicht nur, wenn man die Musik live auf den Berg bringt. Das können Sie jetzt in Zermatt erleben, live und, wie schon der Name des Festivals sagt: «unplugged». Wir sind auch dabei!

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