Digitale Revolution

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handelszeitung | Nr. 34 | 21. August 2014

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Digitale Revolution Wie sich die Chefs ändern müssen

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erschiedene Epochen erfordern unterschiedliche Arten von Führungsmodellen. In der aktuellen frühen Phase des Übergangs von einer Industriegesellschaft zu einer postindustriellen, digitalen Gesellschaft gehört es zu den wichtigsten Aufgaben von Führungskräften, die eigene Organisation so zu verändern, dass sie sich zu einer agilen Einheit weiterentwickelt, welche die rasante Entwicklung antizipieren kann. Allerdings stossen die klassischen Führungskonzepte hier an ihre Grenzen. Denn Digital Leadership beherrscht nicht nur das alte Management-Einmaleins, sondern ist in der Lage, die bewährten Führungskonzepte und Erfolgsrezepte mit den neuen Werten und Erfolgsmodellen aus der digitalen Welt abzugleichen und erfolgreich zu implementieren.

Veränderungen werden schneller, weitreichender und globaler

Manuel P. Nappo Leiter Fachstelle Social Media Management, HWZ Zürich

«Digital Leaders sind flexibel, haben eine ­intellektuelle Neugier und sind hungrig nach neuem Wissen. Sie fühlen sich in der ­Unsicherheit wohl.»

Eine erfolgreiche digitale Transformation ist heute nicht mehr nur ein Thema für visionäre Unternehmer aus dem Silicon Valley. Die neuesten Errungenschaften haben je länger, je mehr Auswirkungen auf die gesamte Organisation und fordern die Führung an mehreren Stellen im gesamten Unternehmen. Der Verwaltungsrat muss eigene digitale Fähigkeiten und Erfahrungen aufbauen, um den CEO gut beraten zu können. Der CEO muss eine Vision der digitalen Transformation entwickeln und durchziehen. Und auf der Managementebene

müssen digitale funktionale Rollen umgesetzt werden. Digital Leaders müssen die Veränderungen verstehen und diese in ihrer Branche, Organisation und auf individueller Ebene umsetzen. Geprägt wird die neue, digital transformierte Gesellschaft durch vier wichtige strukturelle Veränderungen: • Schnelle und weitreichende technologische Veränderungen; • eine beschleunigte Globalisierung; • eine Verschiebung zugunsten des Wissen als zentraler Produktionsfaktor; • weniger hierarchische Organisationsformen mit starker Beweglichkeit innerhalb und zwischen Organisationen und Branchen. Da die technologische Innovation ihrerseits ein hochdynamischer Prozess ist, verändern sich auch die digitalen Führungsqualitäten permanent, sind also keineswegs statisch. Jede Phase erforderte eine etwas andere Mischung von Führungskräften. Während in der Frühzeit des digitalen Übergangs die Fähigkeiten zur Bewusstseinsbildung und Ressourcenmobilisierung nützlich sind, wird zu einem späteren Zeitpunkt die operative Fähigkeit besonders wichtig. Digital Leaders unterscheiden sich von den Non-Leaders durch die unterschiedlichen Kombinationen von Fähigkeiten, Einstellungen, Wissen und beruflichen wie persönlichen Erfahrungen. Entscheidend ist vorerst die Einstellung. Das hochdynamische Umfeld zwingt zu stärkeren horizontalen Verbindungen zwischen den Eliten in den unterschiedlichen

Sektoren und Ländern. Digital Leaders sind daher flexibel und anpassungsfähig, haben eine breite intellektuelle Neugier und sind hungrig nach neuem Wissen. Sie fühlen sich in der Unsicherheit wohl und suchen global nach Lösungen und Herausforderungen. Sie sind hungrig nach lebenslangem Lernen und bestehen auf ständigem Lernen von ihren Mitarbeitern und Anhängern. Wie alle Führungskräfte in jedem Zeitalter besitzen sie Leidenschaft für das, was sie tun. Dazu kommt die Fähigkeit, Koalitionen zu schmieden, Interessengemeinschaften aufzubauen und auf die eigenen Prioritäten fokussiert zu bleiben. Führungskräfte müssen auch wissen, was sie nicht wissen und wie sie durch die Mobilisierung ihrer eigenen Sozialen Netzwerke zum fehlenden Know-how gelangen.

Amazon-Gründer Jeffrey P. Bezos sollte ein Vorbild sein Wie wird man nun zum Digital Leader? Wie so oft ist es die Bereitschaft – die Bereitschaft, mitzumachen und sich der digitalen Transformation zu unterziehen. Zusammen mit der ­Bereitschaft kommt auch der Wille zum Expe­ rimentieren. Und die Bereitschaft, Fehler zu machen und machen lassen. Um es mit den Worten von Jeffrey P. Bezos, Gründer von Amazon und neu Eigentümer der «Washington Post», zu sagen: «Es gibt keine Karte, und den Weg zu zeichnen wird nicht einfach sein. Wir werden alles erfinden müssen, das heisst, wir müssen experimentieren.»

Menschenrechte Sinnvolle UNO-Leitsätze

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etzte Woche befasste sich die Aussenpolitische Kommission des Ständerats einmal mehr mit der von rund 50 Menschenrechts- und Umweltorganisationen lancierten Petition «Recht ohne Grenzen». Die Petition will Schweizer multinationale Unternehmen bei der globalen Durchsetzung der Menschen- und Umweltrechte stärker in die Pflicht nehmen. Gleichzeitig veröffentlichten die Petitio­ näre einen Umsetzungsvorschlag, der konkretisiert, was sie sich dabei vorstellen. Mitglieder des Verwaltungsrats sollen für sämtliche Verstösse gegen Sozial- und Umweltstandards persönlich haften – und zwar nicht nur dann, wenn die Verfehlungen innerhalb des Konzerns erfolgen, sondern auch, wenn sie bei Dritten wie Zulieferern geschehen. Eine derart weitgehende Haftung widerspricht fundamentalen Grundsätzen eines entwickelten Rechtssystems. Dementsprechend kennt auch keine andere mit der Schweiz vergleichbare Rechtsordnung solche Haftungsbestimmungen. Äusserst unglücklich war der von den Nichtregierungsorganisationen gewählte Zeitpunkt der Petition. Kurz zuvor war auf internationaler Ebene endlich ein Durchbruch im Bereich Menschenrechte und Wirtschaft erzielt worden. John Ruggie, der UNO-Sonderbeauftragte

«Multinationale Firmen spielen ­zentrale Rolle bei Armutsbekämpfung» Christian Stiefel Direktor, SwissHoldings, Verband der Industrie- und Dienstleistungskonzerne

für Menschenrechte und transnationale Unternehmen, hatte Empfehlungen verfasst, die auch in die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen aufgenommen wurden. Mit ihren überrissenen Forderungen hat die Petition «Recht ohne Grenzen» seither die Diskussion um eine sinnvolle und vernünftige Umsetzung dieser Leitsätze in der Schweiz erheblich erschwert. Der Nationalrat lehnte die Petition – zu Recht – bereits vor einiger Zeit ab. Gleiches beantragte ursprünglich die ständerätliche Kommission. Allerdings lehnte der Ständerat diesen Antrag mit nur einer Stimme Differenz ab und wies das Geschäft an seine vorberatende Kommission zurück. Diese hat nun letzte Woche entschieden, vom Bundesrat einen Bericht darüber zu verlangen, wie Personen, deren Menschenrechte durch ein Unternehmen in einem Gaststaat verletzt worden sind, Wiedergutma-

chung im Heimatstaat des Unternehmens erhalten könnten. Der Ständerat wird sich mit dem neuen Antrag seiner Kommission voraussichtlich in der kommenden Wintersession ­befassen. Die Schweizer Wirtschaft hat die von Ruggie geschaffenen UNO-Leitlinien als schlüssiges Konzept zur besseren Durchsetzung der Menschenrechte stets begrüsst. Adressaten dieser Ruggie-Prinzipien sind sowohl die Staaten als auch die Unternehmen. Neue völkerrechtliche Verpflichtungen werden nicht begründet. Die Staaten sollen überprüfen, ob die von ihnen ergriffenen Schutzmassnahmen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte wirkungsvoll sind. Die Unternehmen ihrerseits werden angehalten, ihre Verfahren zur Respektierung der Menschenrechte zu untersuchen und gegebenenfalls auszubauen. Ein wichtiges Anliegen der UNO-Leitlinien ist es,

die internationale Wirtschaft besser in ihren Bemühungen zu unterstützen, ihre soziale Verantwortung in Ländern mit schwachen Gouvernanzstrukturen wahrzunehmen. Die Leitlinien betonen dabei die zentrale Rolle, welche den multinationalen Unternehmen in diesen Regionen bei der Bekämpfung der Armut und zur Erhöhung des Lebensstandards zukommt.

Hoffen auf ein klares Zeichen des Ständerats Gegenwärtig wird in der Schweiz darüber diskutiert, wie die Ruggie-Prinzipien hierzulande umgesetzt werden. Soll die Umsetzung Erfolg haben, müssen die Leitlinien richtig und ganzheitlich verstanden werden. Ruggie hat von den Staaten nie verlangt, überrissene Haftungsnormen und Wiedergutmachungsmechanismen einzuführen, die für ihre Wirtschaft einen Standortnachteil zur Folge hätten. Der von «Recht ohne Grenzen» verfolgte Ansatz führt in die falsche Richtung. Ein schweize­ rischer Alleingang ist zu vermeiden. Es ist ­deshalb zu hoffen, dass der Ständerat in der Wintersession ein klares Zeichen setzt und die Petition, die lediglich die Umsetzung der Ruggie-Leitlinien behindert, endlich auf die Seite gelegt werden kann.

Dialog

@ HZ Nr. 33 14.8.2014 «Der moralische Bankrott», Kolumne von Armin Müller Sie singen in Ihrem Artikel das hohe Lob des Kapitalismus. Es ist Ihr gutes Recht, wenn Sie schreiben: «Private Firmen investieren nicht, wenn sie keine Chance ­sehen, das Kapital wieder hereinzuholen.» Und Sie fragen, ob «eine Firma moralisch bankrott ist, wenn Sie nicht vorsätzlich Verluste produziert». Das mag in gewissen Fällen zutreffen, nicht aber im Fal-

le der Basler Chemie. Sie hatte bereits eigene Forschungsstätten in Afrika und hat sie leider wieder geschlossen, weil sich eben das Forschen in Afrika wegen der «finanziellen Lage der Patienten» nicht lohnte. Aber Ebola wäre wohl eine Epidemie mit genügend Patienten gewesen. Wo bleiben da die noblen Worte der «moralischen Governance» einer Grossfirma im Verwaltungsrat, wenn man einfach aus «kapitalistischen Gründen» das Aus für die Forschung in Afrika erklärt? Das wäre eines Kommentars würdig gewesen! Martin Ungerer, Wädenswil

HZ Nr. 33 14.8.2014 «Die Bling-Bling-Lobbyisten» Sommeruni mit der @Handelszeitung: Wir definieren eine neue #Lobbyisten-Kategorie @furrerhugi

Bling-Bling steht für Maulhelden/Muskelprotze mit viel Lautstärke und wenig Lauterkeit: Willst du dieses Attribut wirklich? @ahugi @Oliver_Classen Eben in @Handelszeitung gelernt, was ein «Bling-

Bling-Lobbyist» (@furrerhugi) ist und wie «Schmus»-Akquise geht. Nette Plattform. Roland Binz @RolandBinz @claudelongchamp gibt es eigentlich auch BlingBling-Meinungsforscher? Peter Metzinger @campaigning Nope, aber Bling-BlingJournalisten sind Legion, wenn auch kaum bei der @Handelszeitung. @Oliver_Classen Also, Pascal Couchepin meinte mir gegenüber einmal ... doch das ist eine

Geschichte, die wir jetzt lassen! Claude Longchamp @claudelongchamp @claudelongchamp @ahugi – Einstein, ca.: «Wer nicht wenigstens ein bisschen #blingbling ist, der bringt es zu gar nichts.» Peter Metzinger @campaigning HZ Nr. 33 14.8.2014 «Auf eigene Rechnung» Oder anders gesehen: Ein vielseitiger, ein Milliardenvermögen Verwaltender ist Migros-Präsident! Markus Müller @markuspmueller

Schreiben Sie uns HZ Nr. 33 14.8.2014 «Schweiz–EU, Bundesrat muss über die Bücher» Nur heisst EWR automatische Übernahme von EURecht ohne Mitentscheidungsrecht! Das ist genauso unhaltbar. Marco Bättiger

Aber wo ist für die Schweiz die Alternative? Das möchte ich gerne wissen. Die Bilateralen stoppen und Rückzug ins Reduit? Harry Simmen

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