Energie Dezember 2013 - Sonderausgabe der Leipziger Volkszeitung

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ENERGIE

„Energiewende 2.0“ Erfahrung nennt man die Summe aller Irrtümer, sagte Thomas Alva Edison, der Erfinder der Glühbirne. Auch Union und SPD haben gelernt: Wer zu schnell in einen Wendekreis fährt, fliegt aus der Kurve. Mit dem vorsichtigen Abbremsen der Energiewende, so die Hoffnung der Koalitionäre, kann das Ziel einer ökologischen Stromversorgung sicherer, nachhaltiger und mit weniger sozialen und wirtschaftlichen Kollateralschäden erreicht werden. Frei nach dem Motto: Wer langsam fährt, fährt sicher. Während die große Koalition den Netto-Zuwachs an erneuerbaren Energien einerseits garantiert, unternimmt sie andererseits erstmals den Versuch, den Wildwuchs der vergangenen Jahre in den Griff zu bekommen. Verbraucherschützer, Ökonomen und Netzbetreiber warnen seit Langem davor, dass weder der Netzausbau noch die Entwicklung von Speichertechnologien mit dem bisherigen Tempo der Energiewende Schritt halten kann. Windkraft-Anlagen mussten immer öfter abgeregelt, Überschuss-Strom ans Ausland verschenkt werden. Ineffiziente Technologien wurden zu Lasten von privaten und gewerblichen Verbrauchern hoch subventioniert, Innovation und Wettbewerb zwischen verschiedenen Stromerzeugungsarten durch das Subventionskorsett des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abgewürgt. In dieser Verlagsbeilage kommen Experten aus Politik, Wirtschaft und Forschung zu Wort, die sich von der „Energiewende 2.0“ einen Fortschritt versprechen. Ihre Hoffnung ruht auf kommendem Frühjahr: Bis Ostern 2014 will Schwarz-Rot eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Weg bringen.

Reaktion der Versorger -

Reaktion der Technologen -

Reaktion der Verbraucher -

Wie sich die Kraftwerksbetreiber jetzt positionieren

Wie neue Energiespeicher den Markt beleben

Warum viele Unternehmen ihren Strom selbst erzeugen

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ENERGIE REPORT

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Dienstag, 10. Dezember 2013

Energiewende wird ausgebremst Union und SPD wollen die Energiewende planbar machen. Sie setzen auf verbindliche Ausbauziele, eine Reform der Ă–kostrom-FĂśrderung und auf Versorgungssicherheit. Private Haushalte sollen bei der Gebäudesanierung und durch Energieberatungen unterstĂźtzt werden. sollen nicht mehr so viel Geld wie bisher erhalten. Die FĂśrdersätze sollten hier – insbesondere an windstarken Standorten – gesenkt werden. Um den Ausbau der Onshore-Windenergie allerdings nicht komplett abzuwĂźrgen, wollen Union und SPD an anderer Stelle gegensteuern. Sie wollen das sogenannte „Referenzertragsmodell“ Ăźberarbeiten, das die EinspeisevergĂźtung fĂźr eine konkrete Windenergieanlage von der voraussichtlichen Stromerzeugung und von den Windverhältnissen am Standort abhängig macht. Windanlagen an Standorten, an denen 75 bis 80 Prozent des Referenzwertes erzielt werden kĂśnnen, sollen dadurch weiterhin Subventionen erhalten. Auch bei der Offshore-Windkraft passen CDU/CSU und SPD die Gesetze der Realität an. Die alte Regierung hatte stoisch am Ziel festgehalten, dass bis zum Jahr 2020 Wind-Kraftwerke mit einer Leistung von zehn Gigawatt vor der deutschen KĂźste errichtet werden. In der Branche war das fĂźr unmĂśglich gehalten worden. Es mangelt bereits jetzt an AnschlĂźssen fĂźr die bestehenden und geplanten Anlagen. Hinzu kommen Probleme der Investoren, die vielfach das Risiko des Wellengangs und der Witterung auf See unterschätzt haben. Viele Bauvorhaben verzĂśgern sich. Union und SPD reduzieren deswegen das Ausbauziel auf 6,5 Gigawatt. FĂźr das Jahr 2030 gehen sie von Kapazitäten in HĂśhe von 15 Gigawatt aus – zehn Gigawatt weniger als einst geplant. Bei der Biomasse bleiben Einschnitte ebenfalls nicht auf. Neue Kapazitäten sollen vor allem durch Abfall- und Reststoffe aus der Landwirtschaft betrieben werden. Dem flächendeckenden Anbau von Mais, der besonders oft in den Anlagen eingesetzt wurde, soll so ein Riegel vorgeschoben werden. Bei der Photovoltaik, deren FĂśrderung schon im vergangenen Sommer reformiert wurde, bleibt alles beim Alten. Die Energiebranche soll durch Zugeständnisse beruhigt werden. Gerade die fĂźnf groĂ&#x;en deutschen Energieversorger klagen, dass ihre konventionellen Gas- und Kohlekraftwerke nicht mehr kostendeckend betrieben werden kĂśnnen. Sie sind aber essenziell, um die Stromversorgung an windschwachen und wolkigen Tagen zu sichern. Union und SPD stellen deswegen in Aussicht, dass Betreiber mittelfristig Geld dafĂźr bekommen, falls sie ihre Kraftwerke nicht abschalten, auch wenn

der Strompreis im Grund unrentabel ist. Zudem sollen mehr Kraftwerke als heute in Reserve gehalten werden. Auffällig ist, dass Union und SPD eine steuerliche FĂśrderung der energetischen Gebäudesanierung wieder absagten. Die Arbeitsgruppe hatte dies noch gefordert. Auch Gelder, die fĂźr Energieberatungen vorgesehen waren, finden sich in der Schlussfassung des Koalitionsvertrages nicht mehr. Offiziell will die groĂ&#x;e Koalition einen „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ weiterhin umsetzen. Doch der finanzielle Rahmen bleibt vollkommen offen. Allgemein heiĂ&#x;t es in dem Koalitionsvertrag, dass das KfW-Programm zur energetischen Gebäudesanierung aufgestockt und verstetigt wird. Haushalte mit niedrigem Einkommen sollen kostenlose Energieberatungen erhalten. Hierbei setzt die kĂźnftige Regierung darauf, dass die Effizienz von Heizungen verbessert werden kann. Auch eine neue Kennzeichnung fĂźr besonders energiesparende Haushaltsgeräte will sie auf den Weg bringen.

Aus fĂźr Privilegien Weniger Unternehmen sollen Strompreis-Rabatte erhalten

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gen, ein Haushalt mit 3500 KilowattstunDie deutsche Industrie muss eine deutliden Jahresverbrauch zahlt dann knapp che KĂźrzung ihrer Rabatte bei den Ă–ko220 Euro. strom-FĂśrderkosten befĂźrchten. Union Die deutsche Industrie wehrt sich gegen und SPD betonen auf Druck der EU-Komdie Pläne der Regierung, die milliardenmission die Notwendigkeit einer Reform. schweren Strompreisrabatte zu kappen. Ein Papier aus dem Bundesumweltminis„Eine reine Umverteilung der Kosten terium sieht ein Einsparvolumen von durch Einschnitte in die Entlastungen der 1,045 Milliarden Euro vor. Betroffen von energieintensiven Industrien ist keine LĂśeinem Aus fĂźr Rabatte wären dem Papier sung“, warnte zum Beispiel Stahl-Präsizufolge vor allem Branchen, bei denen dent Hans JĂźrgen Kerkhoff. Auch der angezweifelt wird, dass sie diese brauChemieverband VCI schlug Alarm: „Eine chen: Bei Nahrungs-, Getränke- und FutZusatzbelastung durch eine – wie auch terbetrieben kĂśnnten 295 Millionen Euro immer geartete – Umlage wĂźrde das Fass gespart werden, beim Braun- und Steinzum Ăœberlaufen bringen.“ Der Chemiekohlebergbau 150 Millionen Euro. Auch konzern BASF hat die Recycling-, Zemit einer teilweisen ment- und ZiegelinVerlagerung seiner dustrie finden sich „Eine reine Umverteilung Produktion ins Ausauf der Streichliste. der Kosten ist keine LĂśland gedroht, falls er Stahlwerke, AluhĂźtsung.“ kĂźnftig nicht mehr ten und StraĂ&#x;enbahnen sollen hingegen Stahl-Präsident Hans JĂźrgen Kerkhoff von der Ă–kostromUmlage befreit wird. weiterhin kaum Nach Angaben des Ă–kostrom-Umlage BASF-Chefs Kurt Bock fĂźrchtet der Chebezahlen, aber etwas mehr als bisher. mieriese allein am Produktionsstandort BrĂźssel droht mit einem Verfahren geLudwigshafen Mehrkosten von fast gen das bisherige Rabattsystem. Betriebe 400 Millionen Euro. etwa aus der Alu-, Stahl- und ChemieNach Mineralbrunnen, Molkereien und branche mĂźssten dann RĂźckstellungen SchlachthĂśfen lassen sich jetzt auch Saftbilden – aus der SPD wird vor einer mĂśgkeltereien von der Ă–kostrom-Umlage belichen Insolvenzwelle gewarnt. Der Druck freien. Zu den fĂźnf Pionieren der Saftaus BrĂźssel ist so groĂ&#x;, dass sich im neubranche, die 2013 erstmals den Schritt en Koalitionsvertrag keine genaue Forwagten, gehĂśren gleich drei Betriebe aus mulierung findet, wie die Rabatte fĂźr die Mitteldeutschland: Obst-Kontor Natursaft Industrie kĂźnftig begrenzt werden sollen. Sachsen aus AblaĂ&#x; bei MĂźgeln, Becker’s Denn das kĂźnftig nicht mehr so viele UnKelterei in Eisleben und der LohnabfĂźller ternehmen wie aktuell in den Genuss des Refreco in Dachwig bei Erfurt, wo HanSonderstatus kommen sollen, ist fĂźr CDU/ delsmarken fĂźr Kaufland, Penny, Lidl und CSU und SPD ein Muss. Doch die KoalitioNetto abgefĂźllt werden. Genau 2262 Benäre scheuten vor eindeutigen Aussagen triebe bundesweit sind in diesem Jahr zurĂźck, um nicht bei einem Einspruch von der EEG-Umlage befreit. 2012 waren aus BrĂźssel die Reform Ăźberarbeiten zu es nur 979. Das geht aus der aktuellen mĂźssen. Liste des Bundesamtes fĂźr Wirtschaft und Unternehmen mit einem besonders hoAusfuhrkontrolle (Bafa) hervor. In Sachhen Stromverbrauch zahlen derzeit nur sen erhĂśhte sich die Zahl von 60 auf 164, 0,05 Cent Ă–kostrom-Umlage je Kilowattin Sachsen-Anhalt von 61 auf 162 und in stunde, NormalbĂźrger hingegen im lauThĂźringen von 39 auf 128. Grund fĂźr den fenden Jahr 5,23 Cent. Durch die Ausrasanten Anstieg: Die Anforderungen weitung der Industrie-Rabatte steigen fĂźr wurden gesenkt. Mussten bisher zehn Gisie die Kosten. Im Papier heiĂ&#x;t es, die gawattstunden pro Jahr verbraucht werZahl der Antragsteller fĂźr die besondere den, so reicht jetzt eine Gigawattstunde, Ausgleichsregelung sei in den vergangeum in den Genuss des billigeren Stroms nen Jahren um das Dreifache gestiegen, zu kommen. die begĂźnstigte Strommenge um 23 ProRichtig rasant ist der Zulauf bei Steinzent. 2014 wĂźrden mit voraussichtlich brĂźchen und Kiesgruben. 2012 hatte es 106 Terawattstunden fast 17 Prozent des in ganz Mitteldeutschland nur einen einStromverbrauchs privilegiert. zigen Steinbruch gegeben, der die EinIn einer Antwort auf eine Linke-Anfrastufung als energieintensiv schaffte. Dank ge betonte das Bundesumweltministerider gesenkten Schwelle gelang das 2013 um, ohne die ganzen Rabatte läge die gleich 47 SteinbrĂźchen und Kiesgruben Ă–kostrom-Umlage der BĂźrger 2014 bei aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und ThĂź4,89 Cent. Regulär wird sie von derzeit ringen. 5,23 auf 6,24 Cent je Kilowattstunde stei-

HINTERGRUND

Offshore-FĂśrderung Union und SPD haben sich darauf verständigt, die hohe AnfangsfĂśrderung fĂźr Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee im Falle einer groĂ&#x;en Koalition Ăźber 2017 hinaus fortzuschreiben. Man werde das entsprechende FĂśrdermodell bis Ende 2019 verlängern, sagte der amtierende Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Eine weitere Verlängerung schloss er aus. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, mit dem Beschluss lĂśse man Investitionen in HĂśhe von etwa zwĂślf Milliarden Euro aus. VerbraucherschĂźtzer hatten dagegen vor einer Verlängerung der AnfangsvergĂźtung gewarnt: Die BĂźrger zahlen die FĂśrderkosten Ăźber den Strompreis mit. Bisher gibt es nur bis 2017 fĂźr angeschlossene Meereswindparks eine AnfangsvergĂźtung von 19 Cent pro Kilowattstunde fĂźr einen Zeitraum von acht Jahren. Zum Vergleich: FĂźr Solaranlagen gibt es nur noch rund 14 Cent bei viel geringerer Stromproduktion. Die Branche hatte auf eine Verlängerung gepocht, damit der Ausbau nicht stoppt. Er soll ohnehin kleiner als geplant ausfallen, da es viele technische Probleme gibt. Union und SPD hatten während der Koalitionsverhandlungen angekĂźndigt, die Ausbauziele fĂźr Offshore-Energie der Realität anzupassen und auf 6500 Megawatt bis 2020 nach unten korrigieren zu wollen – geplant waren 10 000 Megawatt. Weil sprach von einem Durchbruch. Mit der Verlängerung kĂśnnten nun weitere Offshore-Anlagen geplant und finanziert werden. „Der Verlust tausender Arbeitsplätze in Norddeutschland wird verhindert.“ In Norddeutschland seien rund 5000 Menschen in der Branche beschäftigt.

Foto: dpa

Zum Schluss blickten sich die Verhandler noch einmal tief in die Augen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und der geschäftsfĂźhrende Umweltminister Peter Altmaier (CDU) waren zufrieden. Lange hatten sie beraten. Oft genug hatte es in den Energie-Beratungen gekracht. An ein, zwei Momenten standen die Verhandlungen sogar vor dem Aus, weil die eine Seite zu hohe Forderungen stellte. Nun konnten zuvorderst Altmaier und Kraft aber mit den Kompromissen leben. Auch die Parteichefs gaben ihre Zustimmung. Die Energiewende, darauf einigten sich alle, mĂźsse weitergehen. Leitplanken sollen sie aber berechenbarer machen, wie Union und SPD hoffen. Sie sollen den Ausbau abbremsen. Zentrales Element des gefundenen Kompromisses sind sogenannte Ausbauziele fĂźr die erneuerbaren Energien. Per Gesetz wird die nächste Bundesregierung festlegen, dass der Anteil des Ă–kostroms bis zum Jahr 2025 40 bis 45 Prozent ausmacht. FĂźr das Jahr 2035 wurde ein Ziel von 55 bis 60 Prozent fixiert. Jährlich soll zukĂźnftig ĂźberprĂźft werden, wie der Fortgang des Ausbaus sich entwickelt. Werden die Ausbauziele zu schnell und zu frĂźh erreicht, wollen Union und SPD Investoren zwar nicht daran hindern, weiterhin Ă–kostrom-Anlagen zu bauen. Das wäre allein rechtlich schwierig, weil dabei in die Eigentumsrechte eingegriffen wĂźrden. Doch die Investoren werden keine Ăśffentliche FĂśrderung fĂźr ihren Strom erhalten. Ein „automatischer“ Mechanismus soll sicherstellen, dass dieser Schritt auch umgesetzt wird. Details klären gerade die Fachabteilungen in den Ministerien. Die GroĂ&#x;-Koalitionäre hoffen, dass sie dadurch den Anstieg der Strompreise zumindest abbremsen kĂśnnen. Denn der Boom der Wind- und Solarenergie in den vergangenen Jahren war daran nicht ganz unschuldig. Experten beziffern, dass die Ă–koenergie die Stromkosten fĂźr die Privatverbraucher um rund ein Drittel in die HĂśhe getrieben hat. Deswegen wird das FĂśrdersystem fĂźr die Erneuerbaren Ăźberarbeitet. Die drei Regierungsparteien haben dafĂźr einen ehrgeizigen Zeitplan festgelegt. Bis Ostern 2014 soll eine Reform vom Kabinett verabschiedet werden. FĂźr bestehende Anlagen ändert sich nichts. DafĂźr setzt die neue Regierung aber bei den Neuanlagen an. Gerade Windanlagen an Land

Strom aus dem Meer: die groĂ&#x;e Koalition hält an Offshore-FĂśrderung fest.


ENERGIE REPORT

Dienstag, 10. Dezember 2013

Die Folgen der Stromschwemme

Strompreise steigen Anfang 2014 nur leicht Deutschlands Stromkunden kĂśnnen im neuen Jahr erst mal durchschnaufen: Die Preise steigen Anfang 2014 nach schmerzhaften ErhĂśhungen 2013 nur noch moderat um durchschnittlich gut drei Prozent. Viele Versorger halten sie trotz der erneut kräftig erhĂśhten Ă–kostrom-Umlage sogar erst mal konstant. Grund sind die niedrigen Strombeschaffungskosten an der BĂśrse, die viele Versorger zunehmend an die Kunden weitergeben. AuĂ&#x;erdem stagnieren vielfach die Netzentgelte. Nur knapp ein FĂźnftel der rund 1000 deutschen Versorger erhĂśhten voraussichtlich zum Jahresbeginn, sagte eine Sprecherin des Vergleichsportals Verivox. Bis 15. November hatte das Portal 104 PreiserhĂśhungsankĂźndigungen um durchschnittlich 3,2 Prozent fĂźr das nächste Jahr registriert. Ă„hnliche Werte verzeichnen Check 24 (110 Versorger um 3,35 Prozent) und TopTarif (104 ErhĂśhungen um 3,1 Prozent). PreiserhĂśhungen fĂźr Anfang des kommenden Jahres mĂźssen sechs Wochen vorher angekĂźndigt werden. TopTarif errechnete eine Mehrbelastung von etwa 35 Euro fĂźr eine vierkĂśpfige Familie mit 4000 Kilowattstunden Verbrauch im kommenden Jahr. 2013 hatten die Preise fast flächendeckend noch um durchschnittlich zwĂślf Prozent zugelegt. Verbraucher mit 4000 Kilowattstunden mussten laut TopTarif gut 120 Euro zusätzlich auf den Tisch legen. Die Lage ist aber alles andere als stabil. Die in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD erzielte Einigung auf bessere FĂśrderbedingungen fĂźr Windparks in Nord- und Ostsee kĂśnnte die Strompreise stark belasten. Das geht aus Berechnungen des Energieexperten der Verbraucherzentrale Bundesverband, Holger Krawinkel, hervor. Demnach drohen hier bis zum Jahr 2020 jährliche Gesamtkosten von bis zu 4,5 Milliarden Euro. Die auf den Strompreis abgewälzte Summe kĂśnne sich dann der Marke von 30 Milliarden Euro im Jahr nähern, so Krawinkel. 2014 werden es 23,5 Milliarden Euro sein. Zusammen mit den Stromtransportkosten drohten Haushalten jährliche OffshoreKosten von bis zu 75 Euro, warnte er.

Ă–kostrom-Umlage steigt auf Rekordniveau Kosten wachsen im Schnitt um 36 Euro pro Jahr Die Ă–kostrom-Umlage wird im kommenden Jahr auf 6,307 Cent pro Kilowattstunde steigen. Das berichten Nachrichten-Agenturen. Offiziell mitgeteilt wird die zukĂźnftige HĂśhe der Umlage von den Netzbetreibern erst kommende Woche. Derzeit liegt der Wert bei 5,227 Cent pro Kilowattstunde.

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist weiter enorm: Dies wirkt sich auch auf die Ă–kostrom-Umlage aus. Foto: dpa

Fßr die Verbraucher bedeutet die ErhÜhung um etwas mehr als einen Cent abermals eine Steigerung der Energiekosten. Ein Durchschnittshaushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 3500 Kilowattstunden wird nach Berechnungen des Vergleichportals 36 Euro netto mehr zahlen. Hinzu kommen die Mehrwertsteuer und hÜhere Netzentgelte, so dass der Durchschnittshaushalt sogar 70 Euro mehr im kommenden Jahr einkalkulieren muss. Dass die Steigerung in diesem Rahmen ausfällt, war länger erwartet worden. Regierungsstellen hatten im Frßhjahr gar einen Anstieg auf ßber sieben Cent pro Kilowattstunde fßr mÜglich gehalten. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien ist noch immer enorm. Zwar konnte durch eine Reform der FÜrderung im Bereich der Solarenergie die Anzahl von neuen Anlagen reduziert werden. Die Windenergie boomt aber nach wie vor. In diesem Jahr wird mit einem Zubau von rund 2500 Megawatt an Windkraftanlagen gerechnet. Insgesamt ist derzeit in Deutschland eine Leistung von rund 34 000 Megawatt im Bereich der Solar-

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„Verbraucher sind von Versorgern abhängig“ Verivox-Energieexperte Ăźber Preisvorteile und Sparpotenzial Die Umlage fĂźr erneuerbare Energien steigt im kommenden Jahr von 5,2 auf 6,2 Cent pro Kilowattstunde. Die Einkaufspreise an der StrombĂśrse sind zwar zurzeit sehr niedrig, aber damit ist die Differenz zum garantierten Preis fĂźr Anlagenbesitzer besonders groĂ&#x; – eine Differenz, die Stromkunden auszugleichen haben. Eine Krux, sagt Jan Lengerke, Energieexperte beim Vergleichsportal Verivox.

Unternehmen entlasten beziehungsweise nicht noch stärker belasten. Wie kommt es, dass die Netznutzungsentgelte, also die Kosten fßr den Transport von Strom, im Moment sehr uneinheitlich sind? Insbesondere ländliche Regionen mßssen im Vergleich zu Ballungszentren hÜhere Netzentgelte in Kauf nehmen. Der Grund: Auf einen Kilometer Leitungslänge kommen weniger Abnehmer, auf deren Schultern sich die Kosten verteilen. Darßber hinaus mussten Energieversorger beispielsweise in Ostdeutschland stark in den Netzausbau investieren. Auch das hat Auswirkungen auf die HÜhe der Netzentgelte in den einzelnen Regionen. Fßr die Durchleitung von 4000 Kilowattstunden Strom kÜnnen sich deswegen ganz erhebliche Preisunterschiede ergeben.

Frage: Die Ă–kostrom-Umlage steigt auf Rekordwerte und damit auch der Strompreis. Ein durchschnittlicher Haushalt muss 2014 mit hĂśheren Kosten von mehr als 60 Euro rechnen. Wann ist ein Ende des Preisanstiegs in Sicht? Jan Lengerke: Das kann nach heutigem Ermessen niemand sagen. 2013 ist der Ăœber Ihr Portal kĂśnnen sich Jan Staatsanteil an den StromkosVerbraucher ja informieren, Lengerke ten erstmals auf Ăźber 50 ProkĂśnnen Preise vergleizent gestiegen. Dieses chen. Welche KompoJahr ist die Ă–kostromINTERVIEW nenten flieĂ&#x;en in Ihre Umlage zwar stark geBerechnungen ein? stiegen, andere PreisVerivox berĂźcksichbestandteile wie beispielsweise die tigt alle regionalen und Ăźberregionalen Netznutzungsentgelte steigen oder sinAngebote fĂźr Privat- und Gewerbeken regional allerdings sehr unterkunden und bildet diese Tarife exakt so schiedlich. DarĂźber hinaus ist der BĂśrab wie die Anbieter selbst. In die senpreis fĂźr Strom gefallen. Der Berechnung des Jahresverbrauchs Verbraucher kann von preisdämpfenflieĂ&#x;en der Preis pro Kilowattstunde den Entwicklungen aber nur profitieren, ebenso wie die GrundgebĂźhr und mĂśgwenn diese vom Versorger auch an ihn liche Boni ein. Diese Daten werden weitergegeben werden. tagesaktuell gepflegt. Generell listet Golfclubs, Mastställe, Autohäuser – Verivox nur Tarife, die strengen Ver1500 Unternehmen beantragten in diebraucherschutzrichtlinien standhalten. sem Jahr von Netzentgelten, also den So gibt es bei den Tarifempfehlungen Durchleitungskosten fĂźr Strom, befreit standardmäĂ&#x;ig weder Tarife mit Vozu werden, auch Unternehmen also, die rauskasse noch mit Kaution oder Paketnicht im internationalen Wettbewerb preisen. stehen. Rund 2500 Betriebe profitieren bereits von einer solchen Befreiung, und Hunderte von Fälle sind noch strittig. Kleinere Firmen und Privatkunden mĂźssen fĂźr diese Ausfälle aufkommen. Mit welchem Recht? Die vergleichsweise hohen Stromkosten in Deutschland kĂśnnen fĂźr die Industrie ein Wettbewerbsnachteil sein. Deshalb herrscht weithin Einigkeit darĂźber, dass es auch kĂźnftig Befreiungen geben wird, wenngleich nicht im derzeitigen Umfang. Sogar Industrieverbände kritisieren die jetzige Regelung. Mit dem neuen Koalitionsvertrag sind hier Ă„nderungen zu erwarten, die private Verbraucher und mittelständische

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Foto: Swen Carlin

Deutschland exportiert in diesem Jahr so viel Strom wie nie zuvor. Nach den Zahlen des Bundesverbandes der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW) flossen im ersten Halbjahr dieses Jahres im Saldo 14,9 Terawattstunden (Billionen Kilowattstunden) ins Ausland. Das sind fast 50 Prozent mehr als im Vorjahrszeitraum. FĂźr den starken Zuwachs gibt es zwei GrĂźnde: Der subventionierte Aufbau von erneuerbaren Energien fĂźhrt zu temporären StromĂźberschĂźssen, die aufgrund physikalischer Gesetze Ăźber die Stromnetze ins Ausland abflieĂ&#x;en. Das klingt zwar gut, hat aber eine erste Konsequenz, die so nicht geplant war: Wind und Photovoltaik sind so erfolgreich, dass sie inzwischen Gaskraftwerken das Geschäft verderben. Das ist selbst fĂźr Freunde des Ă–kostroms ein bisschen unheimlich, weil sie fĂźr die Gaskraftwerke die Rolle als eine Art Libero der Stromversorgung vorgesehen hatten. Gaskraftwerke haben nämlich zwei groĂ&#x;e Vorteile: Von den Kraftwerken, die Treibhausgase emittieren, sind sie die am wenigsten dreckigen, und sie kĂśnnen schnell hochoder heruntergefahren werden, wenn der Wind auf Grund hĂśheren Ratschlusses gerade mal nicht liefert: Er weht nicht oder so stark, dass die Windräder stillgestellt werden, damit es sie nicht zerreiĂ&#x;t. Doch die Rolle als Libero mĂźssen die Gaskraftwerke absagen: Alle groĂ&#x;en deutschen Energieversorger hegen nun SchlieĂ&#x;ungspläne. Von der deutschen Stromschwemme profitieren die Nachbarn Deutschlands. Mangels SpeichermĂśglichkeiten muss der produzierte Strom in der gleichen Sekunde verbraucht werden. Sonst knallt es im Netz. Weil sich das deutsche Angebot aber nicht nach der Nachfrage richtet, sondern nach WillkĂźr des Windes und der Sonne und den technisch-physikalischen Grenzen der Kohlekraftwerke, gibt es immer häufiger viel, gelegentlich zu viel Strom. Der Ăœberschuss wird ins Ausland verscherbelt, verschenkt oder mit Aufpreis weggegeben. Damit subventioniert der deutsche Stromkunde die niedrigen Strompreise vor allem in den Niederlanden und in Ă–sterreich. Die Alpenrepublik baut rund um die deutschen Niedrigpreise gerade ein wunderbares Geschäftsmodell mit dem Arbeitstitel: GrĂźne Batterie Europas. Das Land baut seine Pumpspeicherkraftwerke systematisch aus. Sie nehmen den ĂźberschĂźssigen Windstrom aus Norddeutschland – im besten Fall gegen Entgelt, im zweitbesten fĂźr lau –, und treiben damit ein Pumpensystem an, das Wasser eines kĂźnstlichen Sees von einem niedrigen auf ein hohes Niveau hievt. Zu geeigneter Zeit wird das Wasser wieder heruntergelassen Ăźber eine Strom produzierende Turbine. Geeignet ist die Zeit, wenn an der StrombĂśrse hohe Preise dafĂźr erzielt werden kĂśnnen. Wenn es ganz blĂśd läuft fĂźr Deutschland, dann verschenkt es morgens seinen Strom an Ă–sterreich, um ihn abends wieder teuer zurĂźckzukaufen. Berechnungen zufolge haben deutsche Haushalte den billigen Strom der Nachbarn im vergangenen Jahr mit bis zu drei Milliarden Euro bezahlt.

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FĂźr wen zahlt sich ein Wechsel des Anbieters aus, beziehungsweise was bringt eine Vereinbarung mit dem Versorger Ăźber Preiskonstanz fĂźr die nächsten ein oder zwei Jahre? Insgesamt kĂśnnten Ăźber sieben Milliarden Euro eingespart werden, wenn alle diese 18 Millionen Haushaltskunden den gĂźnstigsten verfĂźgbaren Stromtarif wählen wĂźrden. Ein Wechsel in einen Tarif mit Preisgarantie schĂźtzt Kunden fĂźr den vereinbarten Zeitraum vor PreiserhĂśhungen, wobei SteuererhĂśhungen ausgenommen sind. Auch ein Ă–kostrom-Tarif mit GĂźtesiegel ist vielfach gĂźnstiger als die Grundversorgung.

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energie und von rund 31 000 im Bereich Windenergie installiert. Der Ausbau wirkt sich auf die Ă–kostrom-Umlage aus. Mit der Umlage wird die Differenz zwischen dem BĂśrsenstrompreis und dem fixen VergĂźtungssatz fĂźr Strom aus erneuerbaren Energien ausgeglichen. Durch den Ausbau sinkt zwar der Strompreis an der Leipziger BĂśrse. DafĂźr muss im Gegenzug die Umlage steigen, damit die Betreiber von Solar- oder Windanlagen auf die ihnen versprochene Subventionierung kommen. Die Politik Ăźberlegt seit Langem, wie sie diesen Effekt abmildern kann. Eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist Konsens. Allerdings unterscheiden sich die Ansätze. Die Union will vor allem die FĂśrderung der erneuerbaren Energien umgestalten. SPD und GrĂźne fordern einen Abbau der Privilegien der energieintensiven Unternehmen. „In der vierjährigen Regierungszeit von Schwarz-Gelb hat sich die EEGUmlage auf nun 6,3 Cent pro Kilowattstunde fast verfĂźnffacht“, sagte der energiepolitische Sprecher der GrĂźnenBundestagsfraktion Oliver Krischer. „Sie steigt, weil der Strommarkt nicht funktioniert und die alte Regierung immer mehr Industriesubventionen auf die Verbraucher abwälzte.“ Nur rund ein Zehntel des Preisanstiegs gehe auf den Bau neuer Solar- und Windanlagen zurĂźck. Ă„hnlich äuĂ&#x;erte sich der Umweltverband BUND. „Die kĂźnftige Regierung darf sich nicht von einer kĂźnstlich aufgebauschten Debatte treiben lassen und die Säge an das Erneuerbare-Energien-Gesetz anlegen“, so Expertin Tina LĂśffelsend. Es mĂźsse gesetzlich verankert werden, dass sinkende BĂśrsenstrompreise an Privatkunden weitergegeben werden. Auch der Sachverständigenrat fĂźr Umweltfragen hatte die Bundesregierung zuletzt vor einer einseitigen Fixierung auf die Ă–kostrom-Umlage gewarnt. Die Umlage sei zur Ermittlung der tatsächlichen FĂśrderkosten ungeeignet, weil sie vom BĂśrsenpreis und den Ausnahmeregelung fĂźr die Industrie abhängig sei. Dadurch wĂźrden die Kosten der Energiewende Ăźberzeichnet, so Vorsitzender Martin Faulstich.

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Ostdeutschland – Verlierer der Energiewende ThĂźringens Umweltminister JĂźrgen Reinholz (CDU) sieht zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) keine Alternative. „Wir sind uns im Klaren darĂźber, dass es so nicht weitergeht“, sagte er vor Beginn der Umweltministerkonferenz im November in Erfurt. Den noch zu bauenden Stromleitungen mĂźsse Vorrang vor der Produktion von Strom aus Solar- oder Windenergie gegeben werden, betonte er: „Das ist sonst wie beim Bäcker, wenn sie fĂźnf Euro zahlen und ohne BrĂśtchen rausgehen.“ Die EEG-Umlage sei als Anschubfinanzierung konzipiert worden. „Wenn man merkt, dass es in die falsche Richtung läuft“, mĂźsse eingegriffen werden. In Ostdeutschland wird Ăźberdurchschnittlich viel Ă–kostrom produziert. Die Ostdeutschen selbst haben aber nur wenig davon – sie zahlen einen hĂśheren Strompreis als der Rest der Republik. Und die Gewinne aus der Wind- und Solarstromproduktion bleiben selten in den neuen Ländern, weil die Investoren aus dem Westen kommen. Auch deshalb sinkt die Zustimmung zur Energiewende im Osten. Zu dem Ergebnis kommt eine im Auftrag der Bundesregierung angestellte Untersuchung „Auswirkungen der Energiewende auf Ostdeutschland“. Der Beauftragte der Bundesregierung fĂźr die neuen Länder, Christoph Bergner (CDU), forderte: „Der Osten darf nicht die Zeche zahlen.“ Grund der Mahnung ist die Feststellung, dass die Netzkosten im Osten besonders hoch sind. „Die Netzentgelte in den neuen Bundesländern sind deutlich hĂśher und liegen im Durchschnitt etwa 1 Cent je Kilowattstunde (kWh) Ăźber denen in den westdeutschen Bundesländern“, heiĂ&#x;t es. Verantwortlich dafĂźr sei die wachsende Menge fluktuierender Ă–kostromeinspeisung, die hohe Regelkosten auslĂśse. Eine andere Ursache sei die dĂźnne Besiedlung, welche die Kosten je Verbraucher treibe. Dieser Effekt dĂźrfte durch die alternde Gesellschaft und Abwanderung zunehmen. Schon heute werde in Ostdeutschland mehr Strom produziert als nachgefragt. ĂœberschĂźssiger Windstrom werde in den Westen sowie nach Polen und Tschechien ausgefĂźhrt. Mit knapp 30 Prozent liege der Anteil regenerativer Quellen an der Bruttostromerzeugung um ein Drittel Ăźber dem westdeutschen Niveau. Bis 2020 werde der GrĂźnstrom-Anteil im Osten auf fast 50 Prozent steigen.

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ENERGIE REPORT

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Dienstag, 10. Dezember 2013

Der Druck der Versorger Boom beim Ökostrom drängt konventionelle Anlagen ins Abseits Die rasant gestiegene Erzeugung von Ökostrom macht immer mehr konventionellen Kraftwerken den Garaus. Das Problem: Auch moderne Gaskraftwerke, die für wind- und sonnenarme Tage nötig sind, werden unrentabel. Die Betreiber wollen sich den Stand-by-Betrieb deshalb bezahlen lassen. Problem Nummer zwei: Der Ökostrom verteilt sich nicht gleichmäßig über das Land. In Süddeutschland drohen ohne Atom- und Kohlestrom Engpässe. Die beiden Energieriesen Eon und RWE bestätigten, dass sie die Stilllegung vor allem alter Kohle- und Gaskraftwerke prüfen. Bei der Bundesnetzagentur hieß es, bislang lägen 15 derartige Anträge vor. Der vor allem

mit modernen Braunkohlekraftwerken in Ostdeutschland sowie in Hamburg tätige schwedische Vattenfall-Konzern hat bisher keine Anträge gestellt, Kraftwerke vom Netz zu nehmen. Die Auslastung sei derzeit „so gut wie selten“, sagte eine Konzern-Sprecherin. Wenn mehr Ökostrom ins Netz drücke, werde bei den konventionellen Kraftwerken abgeregelt. Vattenfall unterhält Kohlekraftwerke unter anderem in Lippendorf bei Leipzig und im sächsischen Boxberg sowie in Jänschwalde in Brandenburg. Anders die Lage beim Energieversorger EnBW, der gleich vier über 40 Jahre alte Anlagen außer Betrieb nehmen will. Das Unternehmen verhandelt au-

ßerdem mit der Bundesnetzagentur darüber, ein relativ neues Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Karlsruhe in eine „kurzfristige, konservierte Außerbetriebnahme“ zu überführen. Weil die Anlage so gut wie gar nicht zum Einsatz komme, könne sie die Kosten nicht decken, heißt es bei EnBW. In Hürth bei Köln wurde vor einem Monat eines der weltweit modernsten Gas- und Dampfturbinenkraftwerke fertiggestellt – um nun bis auf Weiteres zu ruhen. Das Verbrennen von Erdgas ist deutlich teurer als das Verfeuern klimaschädlicherer Braunkohle. Auch das hochmoderne Eon-Gaskraftwerk im bayerischen Irsching bei Ingolstadt ist in Turbulenzen geraten. Lediglich

2000 Betriebsstunden standen 2012 zu Buche, in diesem Jahr erwartet Eon gar nur die Hälfte. Trotz Unwirtschaftlichkeit wird das Gaskraftwerk aber weiterbetrieben. In Süddeutschland drohen nach allgemeiner Einschätzung Engpässe, wenn die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Denn gleichzeitig fehlen Leitungen, um den im Norden erzeugten Windstrom in den Süden zu bringen. Die Bundesnetzagentur will deshalb Stilllegungen von weiteren Kraftwerken im südlichen Deutschland nicht zulassen. Als problematisch gilt, dass es derzeit keinen Anreiz für moderne Gaskraftwerke gibt. Die werden als flexible Er-

gänzung für Flautezeiten gebraucht. „Der Aufwuchs der erneuerbaren Energien wird im Übermaß durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz subventioniert, was zur Folge hat, dass die für die Versorgungssicherheit notwendigen konventionellen Kraftwerke nicht mehr über rentable Laufzeiten verfügen“, klagt Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Mehr als die Hälfte der im VKU vertretenen Stadtwerke hätten ihre Pläne für Kraftwerksneubauten zurückgestellt oder aufgegeben. Von einer drohenden „Eiszeit beim Neubau von Kraftwerken“ spricht der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Die Betreiber fordern Geld für das Bereitstellen erforderlicher, aber nur selten genutzter Kraftwerke. „Leistungsvorhaltung muss einen Gegenwert erhalten“, heißt es etwa beim VKU. Kommt es dazu, dürften die Strompreise wohl weiter anziehen. Für die Grünen ist dagegen der Braunkohlestrom das Problem. Schon in der Planungsphase seien viele neue Kohlekraftwerke „energiewirtschaftlich absurd“ gewesen, kritisiert der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Der Energieexperte im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Matthias Machnig, bescheinigte der Bundesregierung ein „Desaster mit Ansage durch Untätigkeit“.

Schwarze Pumpe

„Beim Neubau von Kraftwerken droht Eiszeit“

50 Jahre Briketts aus der Lausitz

Beim Neubau von Kraftwerken „droht eine längere Eiszeit“. Davor warnt Hildegard Müller (46), Hauptgeschäftsführerin des 1800 Mitgliedsfirmen zählenden Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Zugleich plädiert sie für einen radikalen Umbau der Ökostrom-Förderung.

Das riesige DDR-Gaskombinat Schwarze Pumpe wurde nach 1990 aufgelöst. Doch noch immer werden Briketts an dem Traditionsstandort gepresst – seit nunmehr fünf Jahrzehnten. Zu DDR-Zeiten stand hier eine der größten Dreckschleudern des Landes. Heute werden am Standort Schwarze Pumpe zwar immer noch Briketts aus Braunkohle gepresst, aber ohne die einstmals horrende Belastung der Umwelt. Drei Fabriken produzierten bis zur Auflösung des Gaskombinats 1990 jährlich zehn Millionen Tonnen Briketts. Seit dem Abriss zweier Anlagen liefert der Energiekonzern Vattenfall nur noch aus der 1963 erbauten Brikettfabrik Mitte an der Landesgrenze von Brandenburg und Sachsen pro Jahr rund zwei Millionen Tonnen Trockenkohle, darunter Briketts sowie Kohlestaub für Kraftwerke und die Industrie. An dem Lausitzer Standort wurden 2012 nach Angaben des Deutschen Braunkohlen-IndustrieVereins 686 000 Tonnen Briketts gepresst. Die zweite ostdeutsche Brikettfabrik in Deuben (Burgenlandkreis) kam auf weniger als ein Zehntel davon: Bernd Lindau auf ei56 000 Tonnen. nem Berg Briketts. Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft hatte die Anlage eigentlich 2003 schon stillgelegt. Weil dann aber die Nachfrage nach Briketts wieder anzog, wurde sie 2011 nach umfangreicher Modernisierung wieder in Betrieb genommen. 16 Mitarbeiter fanden einen neuen Job. Ohne diese achtjährige Pause wäre der Standort sogar deutlich älter als Schwarze Pumpe: Die Brikettproduktion in Deuben begann schon vor fast 80 Jahren. „Zu DDR-Zeiten wurde mit den Briketts im Kombinat Schwarze Pumpe Koks und Stadtgas erzeugt, außerdem waren sie begehrt als Hausbrand für die Bevölkerung“, sagt der Leiter der Brikettfabrik Mitte, Gerd Sieling. Der Grund: „Briketts waren neben Stadtgas der wichtigste Brennstoff. Denn die Strategie der DDRFührung zielte darauf ab, sich angesichts knapper Devisen von Rohstoffimporten aus dem Westen unabhängig zu machen.“ Die Braunkohle kam damals aus den Lausitzer Tagebauen Welzow-Süd, Nochten, Spreetal, Scheibe und Burghammer. Der Rohstoff wurde neben den drei Brikettfabriken im Gaswerk, in drei Kraftwerken und einer Kokerei verarbeitet. Rund 15000 Menschen waren im Gaskombinat beschäftigt, davon etwa ein Fünftel in der Brikettproduktion. Heute stellen noch rund 230 Vattenfall-Beschäftigte die Trockenkohle her.

Foto: BDEW

Frage: Sie fordern eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz. Was schlagen Sie konkret vor? Hildegard Müller: Die Energiewirtschaft schlägt für Neuanlagen eine verpflichtende DiHildegard rektvermarktung vor. Müller Ich glaube, dass wir das Fördersystem so umstellen müssen, dass sich auch die erneuerbaren Energien in Zukunft stärker auf Angebot und Nachfrage ausrichten. Das bedeutet: Sie machen ihr Angebot dann, wenn Strom gebraucht wird. Es kann nicht sein, dass die Erneuerbaren mit fester Vergütung auch dann abgenommen werden müssen, wenn kein Strom benötigt wird.

Sie plädieren also für den Abschied von der garantierten Einspeisung mit fester Vergütung für 20 Jahre? Ja. Wir schlagen darüber hinaus vor, das System von einer zeitlich befristeten auf eine auf Strommengen begrenzte Förderung umzustellen. Wir stellen uns insgesamt also Anreize vor, damit der einzelne Anbieter von erneuerbaren Energien wie jeder andere, der im täglichen Leben ein Produkt anbietet, sich nach Angebot und Nachfrage richten muss – weiterhin allerdings mit Begleitung und Stützung. Es geht auch darum, den ungebremsten Ausbau der Erneuerbaren unter Kontrolle zu bringen? Es geht um eine Entschleunigung, um das Geld der Stromkunden effizienter einzusetzen. Es geht darum, ökonomische Vernunft in das ökologisch Gewollte hineinzubringen. Wir brauchen hier vor allem auch eine stärkere Abstimmung über die Ausbaukorridore zwischen Bund und Ländern. Wir haben nicht nur eine Energiewende, sondern auch noch 16 Bundesländer, die jeweils ihre eigenen Energiekonzepte entwickelt haben. Der BDEW ist für einen dezentralen Leistungsmarkt. Was ist darunter zu verstehen? Wir brauchen, um die Versorgungssicherheit zu garantieren, auch auf lange Sicht konventionelle Kraftwerke. Die Wirtschaftlichkeit dieser Kraftwerke ist gegenwärtig dramatisch gefährdet, unter anderem weil ihre Laufzeitstunden immer weiter zurückgehen. Wir wollen deshalb dezentrale Leistungsmärkte entwickeln, in denen die Menge ausgeschrieben wird, die wir brauchen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Darauf können sich Kraftwerksbetreiber bewerben und ihr Angebot machen. Wie dramatisch ist die Situation bei den konventionellen Kraftwerken? So manches hochmoderne und umweltschonende Gaskraftwerk hat Probleme. In der Tat sind alle, auch die neuen Kraftwerke, dramatisch unter Druck. Die neuen Anlagen müssen hohe Abschreibungen und Fremdkapitalkosten erwirtschaften, schaffen das im Moment aber nicht. Beim Neubau von Kraftwerken droht eine längere Eiszeit. Das kann nicht in unserem Interesse sein. In Ostdeutschland spielt die Braunkohle eine wichtige Rolle. Welche Zukunftschancen geben sie ihr? Sie ist ein wichtiger, subventionsfreier und heimischer Energieträger. Ich bin mir sicher, dass wir in der Energiewende nicht auf sie verzichten können. Die Energiewende erfordert einen gewaltigen Netzausbau. Momentan sind die Netzentgelte im Osten höher als im Westen. Ist da ein bundesweites Solidaritätsmodell erforderlich? Wichtig ist auf jeden Fall, dass wir keine weitere Entsolidarisierung im Netz bekommen. Es gibt Verbraucher, die das Netz nur wenige Stunden nutzen. Es ist aber trotzdem gebaut worden und muss bezahlt werden. Hier muss umgedacht werden.

Die Anlage zur Zündund Stützfeuerung auf Basis von Trockenbraunkohle. Grafik: Vattenfall

Vattenfall rüstet sich für die Zukunft Flexibilität ist das Maß der Dinge – auch in der Energiewirtschaft Die vielseits beschworene Renaissance der Braunkohle ist nicht länger nur ein Mysterium in der öffentlichen Diskussion um die Energiewende. Sie manifestiert sich auch in kontinuierlich wachsenden Produktionszahlen. Wie schon im Vorjahr stieg die Stromproduktion aus Braunkohle auch im ersten Halbjahr 2013 um einen weiteren Prozentpunkt. Im ersten Halbjahr 2013 wurden rund 91 Millionen Tonnen gefördert, in Mitteldeutschland (+ 13 Prozent) und in der Lausitz (+ 6 Prozent). Versorgungssicherheit rund um die Uhr und Wettbewerbsfähigkeit sind die großen Stärken des heimischen Energieträgers. Längst behaupten sich die Braunkohlekraftwerke der Lausitz und des mitteldeutschen Reviers erfolgreich bei der Preisbildung an der europäischen Strombörse in Leipzig im Wettbewerb mit hochsubventionierten erneuerbaren Erzeugern und anderen konventionellen Produzenten wie Gas- und Kernkraftwerken. Doch vom Bau neuer Anlagen sind konventionelle Produzenten – unabhängig welcher Erzeugungsart – weiter entfernt denn je. Das Hauptaugenmerk der Energieer-

naus die Lücken, die sich bei plötzlichen zeuger liegt deshalb auf der InstandhalWindflauten oder nach Sonnenuntergang tung und Modernisierung bestehender ergeben. „Unsere heimische Braunkohle Anlagen. Dies wird durch die wachsenist der leistungsfähige und zuverlässige den technischen Anforderungen in der Partner der erneuerbaren Energien. Ohne sich ständig ändernden Energielandunsere effizienten schaft ohnehin zur und flexiblen großen HerausforBraunkohlekraftderung der Bran„Ohne unsere effiche: Der Anteil unzienten und flexiblen werke wäre die Stromversorgung regelmäßig Braunkohlekraftin unserem Land eingespeister werke wäre die nicht zu sichern“ Energien aus Windkraftund Stromversorgung in betont Dr. HartSolaranlagen steigt unserem Land nicht muth Zeiß, Vorstandsvorsitzenstärker als geplant, zu sichern“ der von Vattenfall der für den TransEurope Mining port der zusätzliDr. Hartmuth Zeiß und Vattenfall Euchen Strommenrope Generation. gen notwendige Im Kraftwerk Jänschwalde (BrandenNetzausbau geht hingegen nur schlepburg) wurde nun der Grundstein für ein pend voran. innovatives Pilotprojekt gelegt. Vattenfall Die Frequenz und Spannung vor dieinvestiert dort 13 Millionen Euro in eine sem Hintergrund jederzeit stabil zu halAnlage zur Zünd- und Stützfeuerung auf ten, wird zunehmend zu einem Kraftakt Basis von Trockenbraunkohle mit der zufür die Übertragungsnetzbetreiber. künftig eine noch dynamischere FahrBraunkohlekraftwerke stellen mit ihren weise des ertüchtigten Kraftwerksblocks großen Erzeugungskapazitäten feste möglich werden soll. Die dabei angeGrundpfeiler im Stromnetz dar. Sie stellen wandte moderne Brennertechnologie und dem Bedarf entsprechend kontinuierlich der Einsatz von Trockenbraunkohle bei Energie bereit und schließen darüber hi-

der Zünd- und Stützfeuerung ermöglicht es, die Temperatur im Kessel besser zu regulieren und ineffektive An- und Abschaltprozesse zu vermeiden. Mit dem Umbau des Kraftwerkskessels setzt das Unternehmen Maßstäbe für eine neue Generation von Braunkohlekraftwerken, um als Partner der Erneuerbaren auch weiterhin eine feste Rolle im Energiemix der Zukunft zu spielen. „Unsere Braunkohlekraftwerke sind heute schon gut aufgestellt und reagieren flexibel auf die sich ständig ändernde Energielandschaft. Mit einem absoluten Absenkpotenzial von 5900 Megawatt und einem Wirkungsgrad von 36 bis 44 Prozent der Nennlast im Braunkohleportfolio können wir eine Mindestlast von 30 bis 40 Prozent erreichen“, sagt Hubertus Altmann, Vattenfall-Vorstand für Kraftwerke. Auch das Kraftwerk Lippendorf im Süden von Leipzig kann innerhalb von 20 Minuten bis zu 500 Megawatt Leistung pro Block hoch und runter regeln. Darüber hinaus ist es ein Garant für die sichere Versorgung der Leipziger Bürger mit Wärme. Im August diesen Jahres wurde der Fernwärmeliefervertrag zwischen den Stadtwerken Leipzig und Vattenfall für weitere zehn Jahre vereinbart.

„Kohle und Erneuerbare gehören für uns zusammen“ MIBRAG-Chef Joachim Geisler über die Rolle der Braunkohle in der Energiewende Wegen des wachsenden Ökostrom-Anteils, der wegen fehlender Speichermöglichkeit aber nicht zu jeder Zeit zur Verfügung stehe, will die große Koalition dafür sorgen, dass ausreichend konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke am Netz bleiben. Weil aber mittelfristig zu wenige Kraftwerke zur Verfügung stehen könnten, um die Versorgung zu garantieren, sollen Betreiber künftig eine Prämie dafür erhalten, dass sie die Anlagen nicht schließen. Ein Interview dazu sowie über die Rolle der Braunkohle in der Energiewende mit dem Vorsitzenden der MIBRAG-Geschäftsführung Joachim Geisler. Frage: Energiepolitik und insbesondere die Energiewende haben dieses Jahr bei den Koalitionsverhandlungen eine entscheidende Rolle gespielt. Sind Sie mit dem Verlauf der Gespräche zufrieden? Joachim Geisler: Jein. Die Verhandlungen haben gezeigt, dass Braunkohle auf absehbare Zeit ein wichtiger Bestandteil der Energieversorgung bleibt. Gleichwohl ist Deutschland keine Insel und bei der Umsetzung der Energiewende sollten am Ende Wirtschaftlichkeit und Vernunft über das Vorgehen entscheiden. Die Wirtschaftlichkeit ist aus meiner Sicht nicht

genügend berücksichtigt. Außerdem bin ich überzeugt, dass die regenerativen Energien nur in einem Energiemix erfolgreich weiter ausgebaut werden können. Ferner fehlt mir im Koalitionsvertrag eine klare Aussage, wie der Strommarkt nach marktwirtschaftlichen Regularien organisiert werden soll. Was meinen Sie damit?

Versorgungssicherheit und Netzstabilität gewährleistet bleiben. Das ist gerade in einem Industrieland wie Deutschland ganz besonders wichtig, weil viele Arbeitsplätze von der Energieversorgung abhängen. Braunkohle ist ein sehr günstiger Rohstoff und leistet damit einen Beitrag, dass Energie insgesamt bezahlbar bleibt. Dies ist im Übrigen nicht nur für die Industrie wichtig, sondern auch Marktmechanismen sind außer für die privaten Haushalte, die Kraft gesetzt. Es bringt überhaupt unter dem Anstieg der Stromnichts, konventionelle Energieträkosten leiden. Versorgungssiger wie die Braunkohle und ercherheit wird durch moderne neuerbare Energien gegeneinanKraftwerke, die sehr flexibel der auszuspielen. Wir bei MIBRAG und regelungsfähig sind, sicherverstehen uns als Partner der ErJoachim gestellt. Sie können dann einneuerbaren. Die Braunkohle hilft Geisler springen, wenn die mit, den Weg ins ZeitalSonne nicht scheint ter der regenerativen INTERVIEW oder der Wind nicht Energien zu beschreiweht. Auch ist die Verten. Sie braucht daher fügbarkeit von Braunkohle als heimischer einen festen Platz im zukünftigen EnerRohstoff nicht mit so hohen Risiken begiemix. haftet, wie dies bei Import-Rohstoffen der Braunkohle und Erneuerbare, das Fall ist. klingt ja nun zunächst einmal wie ein WiInwieweit hat die Braunkohle mit den derspruch. Können Sie das etwas genauer Folgen der Energiewende zu kämpfen? erklären? Foto: MIBRAG

INTERVIEW

Foto: dpa

BDEW-Hauptgeschäftsführerin:

Die Energiewende kann nur dann gelingen, wenn Strom bezahlbar bleibt und

Durch den Zubau der erneuerbaren Energien hat sich das Energiesystem ver-

ändert. Fast ein Viertel des gesamten Stroms wird heute bereits aus regenerativen Quellen erzeugt. Die Braunkohle übernimmt dadurch heute mehr Verantwortung für die Stabilität und die Sicherheit der Energieversorgung. Solange die Netze noch nicht auf einen höheren Anteil erneuerbarer Energien ausgelegt sind und wir keine nennenswerten Speichermöglichkeiten für Strom haben, wird die Braunkohle ein unverzichtbarer Bestandteil des Energiemix’ sein. Welchen Einfluss nehmen diese Entwicklungen auf das Unternehmen? Die MIBRAG ist ein modernes Bergbauunternehmen und entwickelt sich stabil. In den letzten 20 Jahren haben wir rund 1,3 Milliarden Euro in neue Anlagen und Maßnahmen des Umweltschutzes investiert. Wir sichern 2500 qualifizierte und tarifgebundene Arbeitsplätze direkt beim Unternehmen und indirekt 7500 Arbeitsplätze in der Region. Erst dieses Jahr haben wir ein neues Ausbildungszentrum eröffnet und stellen jedes Jahr 40 neue Auszubildende ein. Wir arbeiten mit 1900 Zulieferern und Lieferanten zusammen, der größte Teil davon aus Mitteldeutschland. Wir sind stolz auf die große Verbundenheit mit der Region.

20 Millionen Tonnen Rohbraunkohle pro Jahr Die mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) hat ihren Sitz in Zeitz (Burgenlandkreis). Das Unternehmen betreibt zwei Tagebaue in Profen (Sachsen-Anhalt) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen), aus denen es jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen Rohbraunkohle fördert. Hauptabnehmer sind die Kraftwerke Lippendorf und Schkopau sowie Unternehmen und Stadtwerke aus der Region. Gute Nachbarschaft liegt dem Unternehmen am Herzen: Die MIBRAG unterstützt eine Vielzahl an kulturellen, sportlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten. Im Mittelpunkt steht der Dialog mit Bürgern, Kommunen und Vereinen rund um die beiden Tagebaue. Auch die Perspektive der erneuerbaren Energien ist der MIBRAG nicht fremd: Auf einer ehemaligen Tagebaufläche betreibt das Unternehmen einen Windpark, der weiter wachsen soll.

www.mibrag.de


ENERGIE REPORT

Dienstag, 10. Dezember 2013

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DIHK-Chef Schweitzer:

Solarindustrie

„Wir brauchen keine SolarfĂśrderung“

Die Hälfte der Jobs ist weg

EEX-Chef Reitz:

„Wettbewerb ist die effizienteste LĂśsung“

Foto: pd

Der Druck auf das Erneuerbare-EnergienGesetz wird grĂśĂ&#x;er. Die Europäische EnergiebĂśrse (EEX) in Leipzig verlangt eine rasche Reform. Die Planungssicherheit mĂźsse erhĂśht werden, sagte EEXPeter Chef Peter Reitz. Reitz Reitz sagte bei der Präsentation der Halbjahreszahlen, der Strommarkt sei gegenwärtig von Unsicherheiten geprägt. Nahezu alle Verantwortlichen seien sich einig, dass der ungebremste Anstieg der Strompreise durch den unkontrollierten Ausbau regenerativer Energien gebremst werden mĂźsse. „Die erneuerbaren Energien mĂźssen in den Markt integriert werden“, so der 48-jährige Manager. „Wettbewerb ist die effizienteste LĂśsung.“ Dass die Umlagen fĂźr erneuerbare Energien hĂśher seien als der Marktpreis fĂźr Strom, „ist nicht sinnvoll“. Reitz verspricht sich von der Integration von Sonnen- und Windkraft auch eine Belebung des BĂśrsenhandels an der EEX. Dabei steht sie, zumindest gemessen an den Ergebnissen des ersten Halbjahres, derzeit auf der Sonnenseite des Wirtschaftslebens. Trotz eines „schwierigen Umfeldes“ wegen der Probleme mit der Energiewende habe das Unternehmen glänzende Zahlen erwirtschaftet. Der Umsatz sei im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent auf 28,9 Millionen Euro geklettert. Der Gewinn vor Steuern legte sogar um 36 Prozent auf 11,5 Millionen Euro zu. Reitz berichtete, dass die EEX mit ihren 156 Mitarbeitern in allen Geschäftsfeldern zugelegt habe. Eine exakte Prognose fĂźr das Gesamtjahr wollte der studierte Mathematiker nicht abgeben. Er beschränkte sich auf die Aussage, dass Umsatz und Gewinn Ăźber dem Niveau des Vorjahres liegen werden. 2012 hatte die EEX - sie ist mehrheitlich im Besitz der Eurex ZĂźrich AG, aber auch der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig sind beteiligt - 47,9 Millionen Euro umgesetzt und ein Vorsteuerergebnis von 11,8 Millionen Euro erzielt. Was sicher ist: Reitz bleibt weitere fĂźnf Jahre an der Spitze der Leipziger EnergiebĂśrse EEX. Der Aufsichtsrat habe seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender in seiner jĂźngsten Sitzung vorzeitig bis Juli 2019 verlängert.

Die Energiepolitik gehĂśrt zu den Themen, die der deutschen Industrie am meisten unter den Nägeln brennen. „Politisch schlecht gemanagt“ sei die Energiewende, auf diesen Satz kĂśnnen sich die meisten Unternehmer einigen. Man brauche wieder Planungssicherheit, damit investiert werden kĂśnne. Unternehmer in Deutschland fordern von der neuen Regierung ein sofortiges Umsteuern in der Energiewende. Der ungebremste Ausbau der erneuerbaren Energien koste Verbraucher und Unternehmen Milliarden, erklärten mehrere FĂźhrungskräfte von Dax-Konzernen und Familienunternehmen in einer Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. FĂźr einige groĂ&#x;e industrielle Stromverbraucher sei das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) längst existenzgefährdend, hieĂ&#x; es. Kurt Bock, Vorstandsvorsitzender der BASF, mahnte eine grundlegende EEG-Reform an: „Mehr Markt, mehr Wettbewerb fĂźr die Erneuerbaren statt des ,Rundum-sorglos-Paketes‘ fĂźr die Investoren“. Die Energiekosten, einschlieĂ&#x;lich Ă–l und Gas, sind beim grĂśĂ&#x;ten Chemiekonzern der Welt der grĂśĂ&#x;te Kostenblock. Der Vorstandsvorsitzende von Bayer, Marijn Dekkers, der wie Bock frĂźh die Ăźbereilte Umsetzung des EEG kritisiert hatte, warnte jetzt vor den Folgen einer verfehlten Energiewende: „Die bereits hĂśchsten Strompreise weiter zu erhĂśhen wĂźrde zwangsläufig Arbeitsplatzabbau und Verlust an industrieller WertschĂśpfung nach sich ziehen“, sagte er. BASF-Vorstandschef Bock hält gar das Szenario einer „schleichenden Deindustrialisierung“ fĂźr denkbar, sollten weiter steigende Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands schwächen. Auch Mittelständler, die nicht zu einer energieintensiven Branche gehĂśren, äuĂ&#x;erten sich empĂśrt. Ihre Kritik entzĂźndet sich vor allem an den festen EinspeisevergĂźtungen fĂźr Strom aus Photovoltaikanlagen oder Windrädern. FĂźr Karl Tack, geschäftsfĂźhrender Gesellschafter des Rhodius Mineralbrunnens, ist das EEG reine Planwirtschaft: „Abnahmegarantie, 20 Jahre fixe VergĂźtung, null Risiko fĂźr die Investoren. Das wĂźnschte ich mir mal als Unternehmer.“ Als Vorsitzender der Energiepolitischen Kommission der Familienunternehmer fordert Tack von der neuen Bundesregierung einen „konsequenten Abbaupfad fĂźr die Subventionen“ und einen Systemwechsel zu mehr Marktwirtschaft auf der Erzeugerseite. Auch das sächsische Handwerk fordert eine kalkulierbare und verlässliche Energieversorgung. Roland Ermer, Präsident des Sächsischen Handwerkstages, der

knapp 60 000 Handwerksbetriebe mit 350 000 Beschäftigten im Freistaat vertritt, verlangte von den Regierenden im Bund und in den Ländern, das Projekt Energiewende nicht länger länder- und parteipolitischen Machtspielen zu unterwerfen. „Die anhaltende Blockade zwischen Bund und Ländern ist ein Trauerspiel angesichts der gewaltigen Herausforderungen, vor denen wir – auch im europäischen Kontext – stehen“, sagte er. Neben Privatleuten litten unter der Last steigender Strompreise in erster Linie energieintensiv arbeitende Klein- und Mittelbetriebe des Handwerks – etwa Bäcker, Fleischer, Textilreiniger und Kfz-Lackierereien. Viele Unternehmen sehen das viel drängendere Problem dagegen in den Stromtrassen von Nord nach SĂźd. Und Ăźber allem schwebt das ungute GefĂźhl, dass die Versorgungssicherheit durch den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien doch gefährdet sein kĂśnnte. Die Zahl der Stunden, an denen es eng wurde und die Netzbetreiber eingreifen mussten, sei von frĂźher 500 auf inzwischen 4000 im Jahr angestiegen, sagt Martin Fuchs, der Vorsitzende der GeschäftsfĂźhrung von Tennet. „Damit bewegen wir uns am Limit“, warnt er. „Black-outs“ werde es nicht geben, aber „Brown-outs“, die Abschaltung groĂ&#x;er Industriestromkunden vom Netz, diese Gefahr wachse durchaus. Auch die Bahn macht mobil: Die Politik schiebt nach einem Bericht der FAZ den SchienengĂźterverkehr mit Lärmauflagen und steigenden Energiekosten auf das Abstellgleis – und treibt die Fracht auf die StraĂ&#x;e. Mit immer neuen Vorgaben fĂźr die Bahn nehme sie unbemerkt Abschied von dem Ziel, dass mehr Verkehr von der StraĂ&#x;e auf die Schiene verlagert werden mĂźsse. Verschärfen kĂśnnte sich die Lage noch, wenn die neue Bundesregierung beschlieĂ&#x;en sollte, geltende Ausnahmen von der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fĂźr die energieintensiven Bahnunternehmen abzuschaffen. „Die Kostenschere zwischen StraĂ&#x;e und Schiene geht nicht nur wegen der Personalkosten immer weiter auseinander“, sagte Karl-Friedrich Rausch, Logistikvorstand der Deutschen Bahn AG, der Zeitung. „EEG-Umlage und lärmabhängige Trassenpreise verteuern die Schiene.“

Nicht nur eitel Sonnenschein: Beim Thema erneuerbare Energien sehen viele Unternehmer Handlungsbedarf. Foto: AndrĂŠ Kempner

Sie galt als Vorzeigebranche fĂźr erfolgreiche Industriepolitik Ost - nun steckt die Solarindustrie in der Krise. In ThĂźringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo die Sonnenenergiebranche viele Jahre durch hohe Investitionen in Fabriken als Jobmotor fungierte, habe sich die Zahl der Beschäftigten seit 2011 etwa halbiert, sagt der Vorstandsvorsitzende der Branchenvereinigung Solarvalley Mitteldeutschland, Hubert Aulich. „Dumpingpreise durch enorme Ăœberkapazitäten in China haben dazu gefĂźhrt, dass die Produktion weltweit drastisch zurĂźckgefahren werden musste“, erklärte Aulich. Die Zahl der Arbeitsplätze, 2011 waren es in ThĂźringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt fast 20 000, „hat sich etwa halbiert“. Einige Unternehmen wie Sovello in Sachsen-Anhalt seien ganz von der Bildfläche verschwunden, andere wie Bosch wollten aus der Solarfertigung aussteigen. „Das ist schon eine dramatische Entwicklung, die wir erleben.“ Aber es gebe auch Beispiele, dass Firmen aus der Krise heraus ein Neuanfang gelingt. DafĂźr stĂźnden Q-Cells sowie eine Fertigung von Solarsilizium in Bitterfeld. Aulich hofft, dass sich der Weltmarkt bis Ende 2014 wieder erholt. â€œĂœberkapazitäten in China werden zum Teil auf Eis gelegt, gleichzeitig werden in dem riesigen Land deutlich mehr Solaranlagen installiert. Wir erwarten, dass das den Weltmarkt entlastet.“ Trotz der Markterholung werde sich die Preiserholung in Grenzen halten. Aber es sei schon ein Fortschritt, „wenn der Preisverfall fĂźr Solaranlagen in diesem Jahr zumindest gestoppt scheint“, betonte der Branchenvertreter. Von den Firmen forderte er, verstärkt auf technische Neuerungen und technologische Weiterentwicklungen zu setzen, „um die Produktionskosten weiter zu verringern“. Die Solarbranche mĂźsse zum Komplettanbieter bis hin zur Speicherung werden. Solarvalley steht fĂźr einen Produktions- und Forschungsverbund in den drei mitteldeutschen Ländern. „Das Cluster muss weiterbestehen“, so Aulich. Es sei ein wichtiger Impulsgeber fĂźr Verbundforschung, Allianzen und Ăźbergreifende Projekte. „Allerdings läuft die SpitzenclusterfĂśrderung des Bundes, die fĂźr vier Jahre gewährt wurde, Ende 2013 aus. Die Organisation Solarvalley bleibt erhalten. Sie wird mit einem begrenzten Budget die Erweiterung mit neuen Partnern in Richtung Systemtechnik vorbereiten.“

„Energieeffizienz ist die Antwort“ Dena-Chef Stephan Kohler im Interview Kaum einer kennt die Realitäten der Energiewende besser als er: Stephan Kohler steht an der Spitze der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Sein Ruf nach einer schnellen Reform des EEG wird lauter. Bereits im Sommer hat er in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung seinen Standpunkt untermauert – er will den regional verstreuten Zubau von neuen Photovoltaik- und Windkraftanlagen stoppen und stellt den Einspeisevorrang fĂźr die Erneuerbaren infrage. „Wir mĂźssen den planlosen Zubau stoppen. Bisher darf jeder eine Windkraft- oder Solaranlage bauen, wo immer er will. Und jeder hat einen Anspruch darauf, vom Netzbetreiber angeschlossen zu werden – auch wenn in seidiesen Strom vorhanden ist. Und eine feste VergĂźtung gibt es auch noch. Dieses Prinzip mĂźssen wir umkehren.“

zwar gut vorankommt – nicht aber der Ausbau der Netze, um den Ă–kostrom in der Bundesrepublik zu verteilen. Von fast 2000 Kilometern HĂśchstspannungsleitungen, die bis zum Jahr 2015 gebraucht werden, sind nicht einmal 300 Kilometer gebaut. Was läuft da schief?

Wir benĂśtigen bis zum Jahr 2015 rund 1850 Kilometer und bis zum Jahr 2022 noch weitere 3600 Kilometer. Die Situation ist in der Tat sehr kompliziert, aber gleichzeitig auch sehr wichtig fĂźr die Umsetzung der Energiewende. Dies hat auch die Bundesregierung erkannt und hat eine Reihe von Veränderungen eingefĂźhrt, um den Ausbau der wichtigen Trassen zu beschleunigen. Dabei sind alle relevanten Akteure involviert. Auch die Ă–ffentlichkeit hat die MĂśglichkeit, sich zu beteiligen. Das grĂśĂ&#x;te Hindernis fĂźr den Bau neuer Freileitungen ist die fehlende Akzeptanz bei den Anwohnern. Hier mĂźssen wir noch mehr Ăœberzeugungsarbeit leisten. In Frage: Die Energiewende der Zukunft muss aber der Zubau der Bundesregierung steht in der Stephan Kohler erneuerbaren Energien mit dem Kritik. Die Ziele zur ReNetzausbau synchroniduzierung des StromINTERVIEW siert werden. Das beverbrauchs und zur deutet, dass nur dort Energieeffizienz bis Windkraftwerke ge2020 scheinen kaum baut werden dĂźrfen, wo auch ein Netz noch erreichbar. Die Gebäudesanierungsvorhanden ist. Quote liegt bei gerade mal einem Prozent Die Strompreise steigen. EigentĂźmer – statt der benĂśtigten zwei. Die Verbrauscheuen vor den Kosten fĂźr eine Gebäucher sind frustriert, die Unternehmen in desanierung zurĂźck. Vielen Mietern Habachtstellung. Waren die Ziele der wachsen die Energiekosten Ăźber den Bundesregierung zu ehrgeizig? Kopf. FĂźr sie ist auch die Anschaffung Stephan Kohler: Den Zielen folgten energieeffizienter Haushaltsgeräte Lunicht die konsequenten Schritte, die fĂźr xus. Gleichzeitig werden viele Unternehdie Umsetzung erforderlich gewesen wämen von Abgaben befreit. Ein Zukunftsren. Was wir brauchen, sind funktioniemodell, um den Wettbewerbsstandort rende Energieeffizienzmärkte. Es gibt in Deutschland zu sichern? allen Bereichen wirtschaftliche EinsparDie Unternehmen mĂźssen reduzierte potenziale, die mit heutiger Technik erBeiträge bezahlen, das heiĂ&#x;t, sie werden schlossen werden kĂśnnen. Dazu benĂśtinicht ganz befreit. Viel wichtiger aber gen wir beispielsweise FĂśrderprogramme, ist, dass Energieeffizienz die Antwort wie die steuerliche Abschreibung von Efauf steigende Energiepreise ist. Investifizienzinvestitionen im Gebäudebereich, tionen in Energieeffizienz lohnen sich. aber auch Markttransparenz, die durch Wir haben berechnet, dass fĂźr die UmGebäudeenergieausweise geschaffen wersetzung der Energieeffizienzziele bis den kann. Wir brauchen aber auch qualizum Jahr 2022 Investitionen in HĂśhe fizierte Berater und Fachleute, die den von 100 Milliarden Euro nĂśtig sind, mit Kunden bei der Umsetzung zur VerfĂźgung denen wir aber rund 130 Milliarden Euro stehen. Der SchlĂźssel zum Erfolg sind an Energiekosten einsparen kĂśnnen. also Beratung, Transparenz und innovatiEnergieeffizienz schafft zusätzlich Wertve Dienstleistungen, wie zum Beispiel schĂśpfung und Arbeitsplätze in den ReContracting. Dann kĂśnnen die Ziele auch gionen, was auch volkswirtschaftlich erreicht werden. sinnvoll ist. Damit kĂśnnen wir Deutschland als integrierten Industriestandort erEiner der grĂśĂ&#x;ten Kritikpunkte ist, dass halten. der Ausbau der erneuerbaren Energien

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Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordert einen Radikalumbau des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und will Bundesregierung und Bundestag dazu in KĂźrze konkrete Vorschläge vorlegen. Eric Der DIHK befĂźrwortet Schweitzer einen Stopp jeglicher FĂśrderung von Solarstromerzeugung. „Wir glauben, dass die Solarenergie keine FĂśrderung mehr braucht“, sagt DIHKPräsident Eric Schweitzer. Bei der Offshore-Windenergie sollen nach Vorstellungen des DIHK nur noch die Windparks fertiggestellt werden, die bereits im Bau sind. Denn Offshore-Windenergie sei „die teuerste Variante“, sagte Schweitzer. FĂźr Strom, der in Windparks zu Lande gewonnen werde, solle nur noch der BĂśrsen-Strompreis gezahlt werden, erweitert um einen „kleinen, zeitlich befristeten und degressiv gestalteten Zuschlag“. Schweitzer hält die Energiewende nur dann fĂźr aussichtsreich, wenn es fĂźr Stromerzeuger statt garantierter Dividenden „vernĂźnftige Anreize“ gebe. Er forderte, den bedingungslosen Einspeisevorrang fĂźr erneuerbare Energie abzuschaffen und stattdessen auf Wettbewerb zu setzen. „Wer eine Garantie hat, spĂźrt keinen Anreiz, besser zu werden“, warnte Schweitzer. Wenn die Branche dagegen mehr unternehmerisches Risiko tragen mĂźsse, wĂźrden die Unternehmer „unglaublich kreativ“. Zur Befreiung von der EEG-Umlage steht Schweitzer: „Die energieintensiven Betriebe sind ausgenommen, weil sie ansonsten sofort dichtmachen mĂźssten. Die Ausnahmeregelung umfasst auch lediglich vier Milliarden Euro. Zugleich trägt die Wirtschaft die Hälfte der gesamten EEG-Kosten. FĂźr viele Betriebe sind die gestiegenen Energiekosten heute ein grĂśĂ&#x;eres Risiko als die Lohnkosten. Drei Viertel der Industrieunternehmen machen sich laut Umfrage groĂ&#x;e Sorgen Ăźber die steigenden Strompreise. Und 25 Prozent erwägen Investitionstätigkeit im Inland einzuschränken. In den USA ist der Strompreis nur halb so hoch. Auch die EU-Kommission verlangt eine Reform des EEG, weil sie die jetzige Regelung fĂźr EU-rechtswidrig hält. Wir mĂźssen die Energiewende marktwirtschaftlich gestalten. Wenn die neue Bundesregierung das nicht bald hinbekommt, wird BrĂźssel handeln und dann vielleicht sogar in bestehende Verträge eingreifen.“

Die Schattenseite der Sonne

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ENERGIE REPORT

Seite 6

Dienstag, 10. Dezember 2013

Sachsen

Strompreise steigen, Gaspreise sinken etwas Mindestens zwei große kommunale Anbieter in Sachsen werden zum Jahreswechsel die Strompreise anheben. Die Kilowattstunde werde ab Januar in allen Tarifen 0,53 Cent brutto mehr kosten, teilten Drewag Stadtwerke Dresden und Enso Energie Sachsen Ost mit. Auf einen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden kommen Mehrkosten in Höhe von 19 Euro im Jahr zu. Der regionale Anbieter enviaM hält die Strompreise nach eigenen Angaben konstant. Der Strom in Leipzig wird zum Jahreswechsel nicht teurer. Zumindest nicht für die Kunden der Stadtwerke Leipzig. Erdgas wird sogar günstiger. Das teilte der kommunale Energieversorger mit. Den Stadtwerken sei es gelungen, durch eine günstigere Beschaffung die weiter steigenden staatlichen Kostenfaktoren am Strompreis zu kompensieren und somit die Preise konstant zu halten, sagte Stadtwerke-Geschäftsführer Raimund Otto (48). Rückblick: Zu Jahresbeginn erhöhten sich die Stromkosten bundesweit im Schnitt um rund 15 Prozent, da die EEG-Umlage – mit ihr wird der Ausbau von Sonnenund Windkraft finanziert – damals von 3,59 Cent je Kilowattstunde auf 5,28 Cent zulegte. Durchschnittliche Privathaushalte mussten 140 Euro im Jahr an Zusatzbelastung verkraften. Der Unterschied heute: Die Energieunternehmen kaufen Strom an der Börse zu verschiedenen Zeitpunkten und oft auch sehr langfristig ein. Eine Veränderung des Strombörsenpreises wirkt sich deshalb zumeist zeitversetzt auf den Preis aus, den die Verbraucher letztendlich zahlen. Die Preise für Strom an der Börse waren jetzt zu den Zeitpunkten, als für das Jahr 2014 Strom eingekauft wurde, niedriger als davor. Otto bestätigte das: „Die Stadtwerke Leipzig beschaffen den Strom für ihre Kunden langfristig und strukturiert im Vorlauf von bis zu zwei Jahren. Die daraus resultierenden längerfristigen Effekte zugunsten der Kunden kommen jetzt zum Tragen.“ Noch besser ist die Nachricht für die 30 000 Stadtwerke-Kunden, die Gas beziehen. Hier gehen in der Grund- und Basisversorgung die Preise zum 1. Januar um 0,44 Cent brutto je Kilowattstunde zurück. Dies entspricht einer Senkung von 4,3 Prozent. Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden bedeutet das eine Ersparnis von 88 Euro.

Montage: Andreas Häusler

Noch ist nicht klar, wie die von der künftigen Bundesregierung zu erwartende Neujustierung der Energiepolitik aussehen wird. Im Energiekonzept der bisherigen Bundesregierung spielte Gas zumindest keine große Rolle. Jürgen Lenz, Vorstandsmitglied im Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), sieht dagegen im Gas den Schlüssel zur „Green Economy“. Gas und seine Infrastrukturen wie Speicher und Leitungen könnten ein wesentlicher Bestandteil eines Gesamtenergiekonzepts sein, glaubt DVGWVorstand Lenz. Angesichts einer zunehmenden Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik bekommt das Gasnetz eine wichtige Funktion als Energiespeicher. In Europa verfügt Deutschland über die größten Gasspeicherkapazitäten. Die Zahl der Erdgasspeicher hat sich von 48 Anlagen auf mittlerweile 51 erhöht, das Speichervolumen ist damit um elf Prozent gestiegen. Hinzu kommt ein Gasnetz mit einer Gesamtlänge von 477 000 Kilometern. Diese europäische Gasinfrastruktur kann als Bindeglied zwischen einer zunehmend vom Bedarf entkoppelten Stromproduktion und den Verbrauchern dienen. Als Lösung mit großem Potenzi-

Auch mit dem durch und durch grünen Verwandten des Erdgases lassen sich Heizanlagen betreiben – mit Biogas aus landwirtschaftlichen Abfällen. Selbst im Transportsektor, wo das Erdöl bisher in Form von Benzin und Diesel absolut dominiert, holt Erdgas als grüner Konkurrent inzwischen auf. Auf der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt stellten Audi, Volkswagen, Mercedes-Benz, Fiat und Skoda neue Erdgasmodelle vor. „Erdgasfahrzeuge haben im Vergleich zu Elektrofahrzeugen den Vorteil, dass sie bei Reichweite, Anschaffungskosten und Sicherheit besser abschneiden“, sagt Michael Sterner von der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher der Technischen Hochschule Regensburg in einem FAZ-Essay. Deshalb eignet sich Gas zum Beispiel auch als Antrieb für Busse, für den Fern-, Schiffs- und Schwerlastverkehr. Neben klassischem Erdgas experimentieren die Fahrzeughersteller auch mit Biogas und Windgas als grünem Antrieb. Und immer mehr Schiffe fahren mit Flüssiggasantrieb, um ihren CO2Ausstoß zu senken. Das Golden Age of Gas könnte so auch ein Zeitalter der grünen Energie werden.

Gas kann auch grün Sie gelten als das Dream-Team der Energiewende: Flexible Gaskraftwerke sollen als Partner der erneuerbaren Energien eine sichere und grüne Stromversorgung möglich machen. Auch als effizienter Wärmelieferant, Speichermedium und Treibstoff läuft der fossile Energieträger Gas derzeit zu Höchstform auf. al wird dabei die Power-to-Gas-Technologie gehandelt. Regenerativ erzeugter Strom, beispielsweise aus Windkraftanlagen, wird mit Elektrolyse für die Produktion von Wasserstoff genutzt. Dieser kann entweder direkt in das Erdgasnetz eingespeist werden – eine Beimischung bis zu zehn Prozent wird als technisch unkritisch gesehen – oder mit dem Kohlendioxid aus einer Biogasanlage zu synthetischem Methan weiterverarbeitet werden. Kontrovers diskutiert wird die Förderung von Gas mit sogenannten unkonventionellen Methoden wie dem Fracking. Unabhängig davon, ob das

Fracking-Verfahren in Deutschland eingesetzt wird, sind Veränderungen der Märkte zu erwarten. In den USA, wo das Verfahren in großem Umfang genutzt wird, ersetzt unkonventionell gefördertes Erdgas zunehmend Kohle, die als preisgünstiger Energieträger auf den Weltmarkt drängt. Nach Ansicht von Lenz wird der Preisunterschied auch eine Veränderung und Verlagerung der Industriestrukturen zur Folge haben. Denn Erdgas ist ein wichtiger Grundstoff als Synthesebaustein für die chemische Industrie und für die Herstellung von Kunststoffen. Der Industriestandort

Deutschland sollte die Potenziale nicht vergeben, die die Fracking-Technologie bietet, mahnte Lenz. Allerdings gibt es auch innerhalb des Verbandes Gegenstimmen, denn der DVGW versammelt Gasförderer und Wasserversorger, die aufgrund der beim Fracking eingesetzten Chemikalien um das Grundwasser fürchten. Klassisches Erdgas wird derweil auf dem Wärmemarkt immer beliebter, gerade weil es besonders günstig ist. Heizöl ist zurzeit im Schnitt fast 30 Prozent teurer als Erdgas. Zudem lassen sich Erdgasheizungen gut mit Öko-Technologien wie Solarthermie kombinieren.

Sicher durch den Winter VNG-Chef Karsten Heuchert über Versorgungssicherheit, Energiewende und Rolle von Erdgas

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Frage: Die drei Monate März bis Mai 2013 waren die kältesten ihrer Art in Deutschland seit 26 Jahren. Wie gut ist es jetzt um die Versorgungssicherheit in Deutschland bestellt? Karsten Heuchert: Sehr gut, vor allem was die Erdgasversorgung angeht! Die deutschen Unternehmen setzen seit vielen Jahren auf einen klugen Mix aus Karsten Heuchert Handel, Produktion und langfristige LieDie Energiewende braucht vor allem ferbeziehungen und dazu noch auf leisEnergieträger, die Flexibilität, Umwelttungsfähige Transport- und Speicherinverträglichkeit und Zuverlässigkeit in frastrukturen. Sie beziehen ihr Erdgas sich vereinen. Erdgas hat all diese Eiaus verschiedenen in- und ausländigenschaften. Es ist in den verschiedensschen Quellen, über zahlreiche Transten Anwendungsbereichen einsetzbar, portwege und von liquiden Großhandelsweist niedrige CO2-Emissionen auf und märkten. Das 477 000 Kilometer lange ist noch lange verfügbar. Für den deutGasleitungsnetz ist modern und in den schen Energiemix ist Erdgas deshalb 51 Speicheranlagen kann mehr als ein noch viele Jahrzehnte unverzichtbar. Viertel der jährlich Das freut uns als in Deutschland verINTERVIEW Erdgasspezialist nabrauchten Erdgastürlich, und wir semengen eingespeihen uns mit unsechert werden. Damit gehört der deutsche rem Produkt für die Zukunft gut Erdgasmarkt zu den versorgungssichersgerüstet. ten Märkten überhaupt. Im Zusammenhang mit der EnergieWie hat sich die VNG auf den Winter wende wird hauptsächlich über den vorbereitet? Strommarkt gesprochen… Die VNG-Gruppe ist von der Erdgas…richtig. Aber langsam setzt sich das quelle bis zum Endverbraucher bestens Bewusstsein durch, dass der Wärmeaufgestellt, und ich kann unseren Kunmarkt ein entscheidender Erfolgsfaktor den nur sagen: Mit VNG kommen Sie sifür die Energiewende ist. Immerhin entcher durch den Winter! Wir kaufen einen fallen auf ihn rund Großteil unserer Erdgasmengen bei den 40 Prozent des Energieverbrauchs in Produzenten in Russland, Norwegen und Deutschland. Erfreulich ist, dass der KoDeutschland. Gleichzeitig handelt VNG alitionsvertrag den Wärmemarkt und an den liquiden europäischen Großhandas Thema Energieeffizienz als wichtidelsmärkten und kann ihre Mengen dages Element der Energiewende hervormit zusätzlich optimieren. Im Infrastrukhebt. Darauf lässt sich aufbauen. turbereich haben wir mit unseren Womit punktet Erdgas im WärmeTöchtern ONTRAS und VNG Gasspeicher markt? zwei leistungsstarke Unternehmen an Bord, die zuverlässig ihrer VerantworMit seinem ganzen Potenzial an effitung für die technische Versorgungssizienten und günstigen Leistungen. Mocherheit nachkommen. Auch die Investiderne Erdgasheizungen, allen voran die tionen der VNG-Gruppe in die Brennwerttechnik, arbeiten bis zu 30 Exploration und Produktion von Erdgas Prozent wirtschaftlicher als herkömmlisind auf lange Sicht ein weiterer Garant che Heizkessel. Sie sind mit erneuerbadafür. Mit diesem Höchstmaß an Versorren Energien kombinierbar, zu bezahlgungssicherheit tragen wir letztlich auch baren Preisen auf dem Markt und ihr zum Gelingen der Energiewende bei. Austausch ist mit einem geringen bauSie geben das Stichwort. Was bedeutet seitigen Aufwand verbunden. Nicht umdie Energiewende für VNG? sonst sind Erdgas-Heizungen die Num-

Foto: André Kempner

Die Versorgungssicherheit mit Erdgas ist auch bei lang anhaltender Kälte gewährleistet. „Mit VNG kommen unsere Kunden sicher durch den Winter“, sagt Karsten Heuchert (59), Vors t a n d v o r s i t z e n d e r der VNG – Verbundnetz Gas AG (VNG). Außerdem erklärt er, wie wichtig das Thema Versorgungssicherheit für die Energiewende ist.

mer eins im Neubau und Bestand, fast die Hälfte aller Wohnungen wird mit dem Energieträger beheizt. Was hat Erdgas noch zu bieten? Eine ganze Menge. Ich denke hier vor allem an die erdgasbetriebenen Brennstoffzellen. Auch die Erdgasinfrastruktur bietet noch weitere Möglichkeiten. Bestes Beispiel dafür ist die Power-to-GasTechnlogie, die das Speicherproblem im Strombereich lösen kann. Und selbst im Mobilitätsbereich tut sich einiges. Viele neue Erdgasfahrzeugmodelle mit großen Reichweiten sind mittlerweile auf den Markt. Übrigens hat auch die Politik die Möglichkeiten von Erdgas als Kraftstoff erkannt. Deshalb sollen die Steuerermäßigungen für Erdgaskraftstoff über 2018 hinaus verlängert werden. Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung? Um die Energiewende voranzutreiben, müssen marktwirtschaftliche Mechanismen wieder Vorrang vor regulatorischen Eingriffen bekommen. Für einen erfolgreichen Umbau des Energiesystems fordern wir eine energieträgerneutrale und technologieoffene Herangehensweise sowie langfristig stabile Rahmenbedingungen für Investitionen. So werden Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb der Energieträger und Technologien geschaffen. Dieser wiederum fördert eine kosteneffiziente und sichere Umsetzung der Energiewende. Wir stellen uns gerne diesem Wettbewerb.

Der Erdgasversorger VNG VNG ist eines der führenden europäischen Erdgasversorgungsunternehmen. Die Unternehmen der VNG-Gruppe sind in den Geschäftsbereichen Exploration und Produktion, Gas-Transport, Gas-Speicherung und Gas-Handel tätig und versorgen Stadtwerke, Weiterverteiler, Kraftwerke und Industriekunden sowie Endkunden sicher und zuverlässig mit Erdgas. 2012 erzielte die VNG-Gruppe einen Umsatz von 9,9 Milliarden Euro. Im Konzern sind mehr als 1400 Mitarbeiter beschäftigt. Der Vorläufer der heutigen VNG wurde 1958 in Leipzig gegründet. Er baute in den Folgejahren die Ferngasversorgung der damaligen DDR auf und importierte seit 1973 auch erstmals russisches Erdgas nach Deutschland. 1997 hat VNG ihren jetzigen Firmensitz in der Braunstraße in Leipzig-Schönefeld bezogen.


ENERGIE REPORT

Dienstag, 10. Dezember 2013

I

vereinigung kamen neue Leitungen hinzu. n Gerhard Deutschbeins Garten kribAn Strom sind die Lauchstädter gebelt es. Das Gefühl steigt die Beine hiwohnt. Es gibt Leute, die erzählen mit einauf, kriecht die Bauchdecke hoch, an nem Lächeln, dass ihrer Mutter durch die den Armen entlang, zurück zum Nacken. elektrische Ladung die Haare zu Berge Tausend unsichtbare Ameisen. Die Haare stehen, wenn sie zum Kaffeeklatsch in der richten sich auf. Die Nase juckt. Der Körkleinen Wohnung vorbeischaut. Das Surper geht auf Hab-Acht-Stellung. Deutschren, das an den Strommasten in der Luft bein merkt diese Unruhe nicht mehr. Nur liegt, nehmen sie nicht mehr wahr. Halbimanchmal schlägt sie Funken, wenn er ronisch scherzt eine Stadtangestellte gar: sich über den Arm streift und den Finger „Wir sind alles gelernte DDR-Bürger.“ Die an einen Gast hält, um ihn zu erschrecken. Hochspannung gehört zum Stadtbild – Es funktioniert nicht immer. meint auch Bürgermeisterin Niewiadoma. Ein elektrisches Feld umschließt seine „Das war bei uns schon immer so“, sagt kleine grüne Oase, die direkt gegenüber sie. „Das ist hisdem Wohnblock liegt, torisch gewachin der er mit seiner „Ich bin nicht 100-prozentig sen.“ Dadurch, Frau zweieinhalb davon überzeugt, dass Stromdas geben selbst Zimmer bewohnt. masten für irgendwelche Krank- die StromnetzbeGuckt Deutschbein treiber zu, hätte gen Himmel, sieht heiten verantwortlich sind.“ Bad Lauchstädt der 76-Jährige 25, Rüdiger Schmädicke einen entscheivielleicht 30 Meter denden Vorteil. In über sich die Hochdem Städtchen spannungskabel. wird niemand gegen die neue Leitung pro380 000 Volt schießen durch die Verbintestieren – im Rest Deutschlands dagegen dungen, hinüber zum Umspannwerk, an schon. dessen Grenze er seinen Garten bestellt. Der Wutbürger ist die größte Sorge der Sie sind noch am Boden zu spüren. Die Netzbetreiber beim Bau der drei Stromelektrische Spannung strahlt ab. Sie kribautobahnen. Allein zum ersten Entwurf belt, zwickt, entlädt sich auf der Haut. des Netzentwicklungsplans Strom gingen Deutschbein ignoriert es. Er hat gelernt im vergangenen Jahr 1500 Kommentare mit dem Strom zu leben. Auch das stähein. Die Planer erwarten, dass das öffentlerne Skelett des Strommastes stört ihn liche Interesse und die Kritik weiter annicht, das seinen Garten überragt. So ist steigt, je näher der Bau der neuen Leitundas eben hier in Bad Lauchstädt. gen rückt. Niemand hat prinzipiell etwas gegen einen Strommast, aber im Garten Stolz auf das Goethetheater oder am Haus soll er bitteschön nicht stehen. Die Bundesnetzagentur versucht vorBad Lauchstädt firmiert offiziell als zusorgen. Auf sechs Infoveranstaltungen Goethestadt. Der Klassiker der deutschen in betroffenen Regionen informierte sie im Literatur hat hier im Jahr 1802 der Eröffvergangenen Herbst über die Vorhaben. nung eines kleinen Theaters beigewohnt, Verwaltungsfragen wurden besprochen, das dem Weimarer Hoftheater unter seiaber auch die Auswirkungen der Magnetner Leitung eine prächtige Heimat für die und Elektrofelder auf den Menschen und Sommergastspiele bieten sollte. Goethe die Natur. Alles sei gut erforscht, versiselbst steuerte ein Sechstel der Bausumme cherten Experten. Grenzwerte böten von 9000 Talern bei. Seitdem ist die Stadt Schutz, nur wenige Fragen seien offen. mit seinem Namen verbunden. Noch heuWissenschaftlich kann der Vorwurf, der te wollen sie im Rathaus am liebsten über Elektrosmog der Hochspannungstrassen den Dichterfürsten und dessen Spuren im schade der Gesundheit der Anwohner, Süden Sachsen-Anhalts sprechen. Der nicht gehalten werden. Doch die Skepsis Strom, die Masten, die kilometerlangen der Bevölkerung ist immer noch da. Sie Kabel seien doch nicht so wichtig, sagt kann leicht in handfesten Streit ausarten. Stadtoberhaupt und FDP-Politikerin Ilse Eines der bekanntesten Beispiele für dieNiewiadoma. Dabei ist es genau der sen Furor ist die nordrhein-westfälische Strom, der Bad Lauchstädt südlich von Gemeinde Meerbusch, genauer der OrtsHalle so interessant macht. Ob die Bewohteil Osterath. Dort will der Stromnetzbener wollen oder nicht. treiber Amprion Europas größte KonverEine der großen drei Stromautobahnen, teranlage bauen. Seit Monaten schäumen die Deutschland für die Energiewende die Einwohner. rüsten sollen, wird wohl ihren Ursprung in Bad Lauchstädt haben. Fix ist noch nichts, zumal die Bundesnetzagentur den Elektrosmog ist kein Thema genauen Verlauf noch genehmigen muss. Bereits jetzt laufen aus allen HimmelsrichRüdiger Schmädicke dagegen streicht tungen Trassen auf die Kommune mit lieber den Lattenzaun, der sein Haus an knapp 10 000 Einwohnern zu. Strommaseiner Ausfallstraße von Bad Lauchstädt ten umzingeln die Stadt, schnüren sie geumgibt. Keine 100 Meter neben seinem radezu ein. Der Strom surrt über den KöpHaus kreuzt der Hochspannungsstrom. fen der Lauchstädter, beim Spaziergang Mehr als 30 Jahre lang wohnt der 52-Jähüber die Felder passieren oder kreuzen sie rige nun in dem Haus, in dem seine Frau die Trassen. Ein großes Umspannwerk aufgewachsen ist. Mehr als sein halbes existiert seit DDR-Zeiten. Seit der WiederLeben. Er kennt die Bedenken rund um

Unterm Strom Drei große Stromautobahnen sollen Deutschland fit machen für die Energiewende. Eine davon wird wahrscheinlich im sachsen-anhaltischen Bad Lauchstädt vor den Toren Leipzigs beginnen. Während andernorts der Bau von Hochspannungstrassen gefürchtet wird, haben sich die Lauchstädter an sie gewöhnt.

In Bad Lauchstädt spricht man mit Besuchern am liebsten über das Goethetheater. Ortsfremden fallen dagegen als erstes die zahlreichen Strommasten auf. Foto: Kai Kollenberg

Seite 7 den Elektrosmog, der von der Leitung abstrahlt und Neue Stromautobahnen bis 2022 die Gesundheit gefährden Konzept für den Ausbau des Stromnetzes bis 2022 soll. Ganze Seiten im In- Korridore (keine konkreten Trassen) für Neubauten ternet beschäftigen sich Wechselstrom-Neubauten Gleichstrom-Neubauten mit diesem Thema. UmNetzverstärkung-Wechselstrom bilaterale weltorganisationen wie Interkonnektor Offshoreanbindung Deutschland – der BUND warnen vor Deutschland – Dänemark möglichen Folgen. Aber Norwegen bei Schmädicke knackt es nicht im schnurlosen TeRostock lefon, Kopfschmerzen hat Conneforde Barlt Hamburg er keine, seine Kinder seiSchwerin en auch gesund, mittlerEmden weile studieren sie. „Ich Bremen bin nicht 100-prozentig Berlin davon überzeugt, dass Hannover Strommasten für irgendWesterkappeln Magdeburg welche Krankheiten verantwortlich sind“, sagt Münster Schmädicke. „Ich habe Lauchstädt nie Probleme gehabt.“ Er Osterath Leipzig Kassel Düsseldorf will möglichst diplomaErfurt Mecklar tisch klingen. Egoismus Obermöchte er niemandem zier unterstellen. Doch er finUrberach det es verwunderlich, dass GrafenFrankfurt viele Menschen sich den rheinfeld Kopf darüber zerbrechen, Weinheim welchen Weg der Strom Mannheim Philippsburg Nürnberg quer durch die Republik Großgartach nehmen soll. Es ist nicht so, dass die Stuttgart Menschen in Bad LauchMeitingen städt besonders phlegmaMünchen tisch sind. Hier wird einfach über andere Dinge gestritten. Gerade wird beispielsweise das historische Pflaster auf dem Marktplatz aufwendig wiederhergestellt. Die historischen STICHWORT Quarzit-Quader, die unter dem modernen Asphalt verborgen sind, reichen aber nicht für den Markt-Umbau aus. Neue Steine müssen aus Asien angeschafft werden. Ein Politikum in der kleinen Gemeinde, Der Ausbau der Übertragungsnetze ist die ihren Haushalt dafür strapazieren ein zentrales Element der Energiewenmuss. Die Einwohner können fürchterlich de. Für den Transport von Windstrom über den Fluglärm des nahen Flughafens sind drei große Stromautobahnen geLeipzig-Halle schimpfen. Auch der Verplant. Sie sind 2800 Kilometer lang kehr durch die Goethestadt ist ein Ärgerund werden die Energie von Nordnis für sie, jetzt wo viele Lastwagen durch deutschland in den Süden transportieden Ort donnern, um Maut zu sparen. Nur ren. Wo genau die Trassen entlangder Strom mit hunderttausenden Volt laufen, ist noch nicht geklärt. kann eben fließen. Die Stromnetzbetreiber werden Gerhard Deutschbein ist gern in seinem demnächst Korridore vorschlagen, in Garten. 1000 Quadratmeter hat er zu seidenen die Stromautobahnen verlaufen nem Reich gemacht. 1000 weitere besollen. Diese Korridore werden anackert er mittlerweile zusätzlich, weil so schließend von der Bundesnetzagenviele Nachbarn ins nahe gelegene Halle tur überprüft. Ist ein Korridor abgegezogen sind. Der Weg zum Supermarkt nommen, erstellen die Netzbetreiber ist dort nicht so weit. Deutschbein pflegt mehrere alternative Routen, die eine die Rasenflächen, er kultiviert die Rosen, Stromautobahn nehmen kann. Davon der Gemüsegarten reift beim Zusehen in wählt die Bundesnetzagentur eine diesen sonnenreichen Tagen. Einen Veraus. Dies soll ab dem kommenden schlag hat er zur Laube ausgebaut. Der Jahr geschehen. Bis spätestens 2019 Rentner hat es sich gemütlich gemacht. sollen die ersten Strecken in Betrieb Nichts soll ihn stören. „Wenn das alles sein. Jeder kann die Pläne der Netzstimmen würde, was diese Typen über betreiber einsehen und sich dazu äuElektrosmog behaupten, dann wäre ich ßern. Die Kritik wird von der Bundesdoch schon drei oder vier Mal tot“, sagt er. netzagentur bei deren Bewertung Das Umspannwerk summt im Hinterberücksichtigt. grund. Das Kribbeln ist noch da.

Stromautobahnen

Steckdose auf hoher See

Blackout-Gespenst gebannt

Mitverdienen statt protestieren

Thüringer klagen gegen 380-kV-Trasse

Die wohl größte Hochsee-Steckdose der Welt steht momentan in der Deutschen Bucht, eine halbe Hubschrauberstunde westlich von Emden. Was aus der Ferne anmutet wie ein überdimensionierter Briefkasten, entpuppt sich aus der Nähe als gigantischer Stahlbau. Er ist 62 Meter lang, 42 Meter breit und 42 Meter hoch. Die Höhe entspricht damit dem Doppelten der klassischen Traufhöhe von 21 Metern für alte Berliner Mietskasernen mit fünf Geschossen. Hier, 50 Kilometer vom Festland entfernt, wird dafür gesorgt, dass die Energiewende unter Strom bleibt, Offshore-Ökostrom natürlich. Der Stahlkasten wiegt 9300 Tonnen und steht auf 100 Meter langen Pfählen. Die wurden 50 Meter tief in den Meeresboden getrieben. Um den in Rotterdam gefertigten Koloss auf die Stelzen zu hieven und fest zu verschweißen, musste das größte Kranschiff der Welt, die Thialf, mit anpacken. 12 000 Tonnen trägt jeder ihrer beiden Krane. Zehn Tage lang war die Thialf mit ihren 700 Mann Besatzung im Einsatz, jeder Tag kostete rund eine Million Euro. Das ist wenig im Vergleich zu den Kosten, die Bau, Installation und Verbindung der Konverterplattform Dolwin alpha mit dem Festland kostet. 75 Kilometer sind es bis zum Deich, dann nochmal 90 Kilometer bis zum Einspeisepunkt ins Höchstspannungsnetz an Land. Auf eine Milliarde Euro beziffert der Netzbetreiber Tennet den Betrag. Mit der Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) kann Elektrizität in großen Mengen verlustarm über weite Entfernungen transportiert werden. Auch wenn es bis zu 800 Megawatt sind, die durch die Leitung gejagt werden, brauche man dazu nur ein vergleichsweise dünnes Kabel, wo sonst vier durchs geschützte, aber mit Kriegsmunition verseuchte Watt gelegt werden müssten, berichtet Tennet-Manager Lex Hartman gegenüber der FAZ. 800 Megawatt Strom soll die Konverterplattform Dolwin alpha einmal Richtung Küste schicken. Geht es nach den Ausbauzielen der Bundesregierung, muss es noch viele Konverterstationen mehr geben. Bis zu 25 Gigawatt reichen die Planungen für den Ausbau der OffshoreStromerzeugung. Am Netz sind von dieser Zielmarke gerade einmal anderthalb Prozent. Auf 400 MW bezifferte die Stiftung Offshore-Windenergie die angeschlossene Kapazität. Ob die Ziele energiepolitisch sinnvoll, ökonomisch zu akzeptablen Kosten zu erreichen sind, ist umstritten. „Wir bauen auf Vorrat“, sagt Tennet-Geschäftsführer Hartmann.

Netzbetreiber optimistisch für den Winter

Bürger sollen an Bauvorhaben mitverdienen

Die Gegner der umstrittenen 380-kVTrasse durch den Thüringer Wald haben nun Beschwerde gegen den Bau beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die Klage vor dem obersten deutschen Gericht sei bereits Anfang November eingereicht worden und dort inzwischen mit einem Aktenzeichen registriert, sagte der juristische Vertreter der Leitungsgegner, der Münchner Rechtsanwalt Tillo Guber. Eingelegt hätten die Beschwerde drei Privatpersonen aus dem Ilm-Kreis. Sie alle besäßen Grundstücke, die durch den Bau der Leitung in Mitleidenschaft gezogen werden würden. Die Kläger greifen das für den Bau der Leitung grundlegende Gesetz an, das sogenannte Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG). Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte im Juli eine Klage gegen die Baugenehmigung für den zweiten Abschnitt der Trasse abgewiesen, die von Sachsen-Anhalt durch Thüringen nach Bayern verläuft. Die Landrätin des IlmKreises, Petra Enders (Die Linke), sagte, mit diesem Urteil sei der Weg nach Karlsruhe erst frei geworden. Somit stehe nun das erste Mal das für den Bau der 380-kVLeitung grundlegende Energieleitungsausbaugesetz auf dem Prüfstand. Sollte die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben, werde dies deshalb gravierende Folgen für den Netzausbau in ganz Deutschland haben. Enders, die seit Jahren gegen die Trasse kämpft, wiederholte ihre Kritik, die 380-kV-Leitung diene nicht der Energiewende. Vielmehr solle sie vor allem Kohlestrom transportieren. „Deshalb ist es richtig zu sagen: Wir geben nicht auf, wir ziehen nach Karlsruhe.“ Sowohl Enders als auch der Vorsitzende der Linke-Fraktion im Landtag, Bodo Ramelow, kritisierten die Landesregierung und vor allem Bauminister Christian Carius (CDU). Die agierten unglaubwürdig, wenn sie nun erklärten, neben der 380-kV-Trasse keine weiteren neuen Hochspannungsleitungen durch Thüringen akzeptieren zu wollen. Die Landesregierung hätte schon vor Jahren die Möglichkeit gehabt, die Verfassungsmäßigkeit des EnLAG überprüfen zu lassen oder das Gesetz im Bundesrat zu thematisieren. Das habe sie aber versäumt. Dass Carius sich nun als Naturschützer geriere, sei deshalb nicht mehr als ein Schauspiel. Die Landesregierung hatte Anfang der Woche erklärt, sie lehne den Bau zweier weiterer geplanter Hochspannungsleitungen durch Thüringen ab. Thüringen könne nicht allein die Netzlast für Deutschland tragen, sagte Carius.

größere Kraftwerke ausfallen und die großen Kapazitäten an Photovoltaik mangels Sonnenschein nichts liefern. Deshalb sind riesige Stromautobahnen für den Nord-Süd-Transport der Elektrizität geplant, aber bis zu deren Realisierung dauert es noch viele Jahre. Gegen die bisher gern praktizierte Durchleitung durch Polen regt sich immer mehr politischer Widerstand, weil die großen Strommengen das relativ alte polnische Netz stark belasten. Schwierige Situationen für das deutsche Netz könnten insgesamt weniger aus Strommangel entstehen, sondern durch ein zeitweises massives Überangebot mit stark negativen Strompreisen wegen der erneuerbaren Energien, warnt der Bericht. Das gilt vor allem an den ruhigen Weihnachtstagen, wenn die industriellen Verbraucher weitgehend wegfallen. Die Netzbetreiber unterstreichen deshalb erneut ihre Forderung nach mehr internationalen Stromverbindungen. Mit dem jetzigen Leitungsnetz seien viele Nationen gezwungen, ihre Stromproduktion zeitweilig zu drosseln, weil die Verteilung in Nachbarländer nicht ausreicht. Falls es einen langen und kalten Winter gibt, könnten zugleich mehrere Länder deutlichen Stromimportbedarf entwickeln. Das gilt etwa für Frankreich, das im Süden nur wenige gedämmte Häuser – vielfach ohne eingebaute Heizung – hat. „Wenn es da mal richtig kalt wird, holen alle die Elektroheizung aus dem Keller. Das gibt eine gigantische Lastsenke“, warnt ein Netzexperte.

Mit schönen Renditen sollen immer mehr Bürger in Geldanlagen für Projekte der Energiewende gelockt werden. Windparks, Solaranlagen oder Gaskraftwerke werfen zum Teil deutlich höhere Zinsen ab als Tages- oder Festgeldanlagen – und „grün“ sind sie auch noch. Für die Firmen, die diese Projekte initiieren, hat die Bürgerbeteiligung einen entscheidenden Vorteil: Wer an einem Kraftwerk in der Nachbarschaft, der Solaranlage am Südhang oder dem Windpark auf dem Hügel mitverdienen kann, protestiert auch nicht dagegen. Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass gerade große Infrastrukturprojekte an der mangelnden Akzeptanz in der Bevölkerung scheitern, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Hans-Joachim Reck. „Über Bürgerbeteiligungen werden Energieprojekte zu Bürgerprojekten, mit denen sich die Menschen identifizieren können.“ Diesen Umstand wollen sich auch die Versorger zunutze machen: „Wir wollen ganz bewusst in neue Modelle der Bürgerbeteiligung investieren“, erklärt der Chef der RWE Deutschland AG, Arndt Neuhaus. Der Konzern hat eine Genossenschaft mitbegründet, die den Bürgern eine Beteiligung an Ökostromprojekten anbietet. Dazu gehören Photovoltaikanlagen in Trier und Siegen. Für die Anteile an der Genossenschaft soll es eine Rendite von drei Prozent geben. In Kerpen haben sich die Kommune

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So sicher wie der erste Schnee kommt Jahr für Jahr im Winter die Angst vor einem Strom-Blackout mit Milliardenschäden. Diesmal sind die Netzbetreiber aber optimistisch: Sie glauben, gut vorgesorgt zu haben. Europaweit hätten die Unternehmen deutlich mehr Reserven bei Gas und Kohle aufgebaut als im Vorjahr, resümierte der europäische Netzbetreiberverband ENTSO-E in Brüssel. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass es keinen Blackout geben wird“, sagte der Chef der Bundesnetzagentur in Bonn, Jochen Homann. Wenn es richtig kalt wird und der Frost länger bleibt, bräuchten viele Länder natürlich Stromimporte und damit leistungsfähige grenzüberschreitende Leitungen, heißt es in dem Bericht. Aber selbst im Fall einer Kältewelle, wie sie nur alle zehn Jahre vorkommt, lägen die Erzeugungskapazitäten noch um 43 Gigawatt über dem Bedarf. Das entspricht dem Stromverbrauch von 40 Millionen Menschen. Die Reserven seien im Vergleich zum Vorjahr deutlich gewachsen, auch in Deutschland. Die Versorgungsrisiken erschienen insgesamt begrenzt. Die deutschen Netzbetreiber haben in Zusammenarbeit mit der Bonner Aufsichtsbehörde aufgerüstet: 2500 Megawatt an konventioneller Kraftwerksreserve mit Leistung unter anderem von österreichischen und italienischen Anlagen haben sie sich für den Notfall gesichert. Zudem laufen zwei moderne Gaskraftwerksblöcke mit rund 1400 Megawatt im bayerischen Irsching, die sonst abgeschaltet worden wären, im Stand-by-Modus zur kurzfristigen Sicherung der Netzstabilität. Die Eigentümer erhalten dafür eine separat verhandelte Vergütung, die die Stromkunden über die Netzentgelte bezahlen. Wenn Versorger in Deutschland wegen der in den Keller gerutschten Strompreise Gas- oder Kohlekraftwerke abschalten wollen, müssen sie das in Bonn genehmigen lassen. Und Genehmigungen für den Süden, wo die abgeschaltete Atomkraft fehlt, gibt es praktisch nicht, wie eine Sprecherin sagt. Die sichere Erzeugungskapazität ist in Deutschland auf 5000 bis 6000 Megawatt gewachsen – nicht zuletzt dank der oft kritisierten neuen RWEBraunkohlekraftwerke im rheinischen Revier. Das ändert aber nichts an der gefährlichen Schieflage des deutschen Netzes. Im Norden hat die Windkrafterzeugung weiter um mehrere Gigawatt zugelegt – dort droht an windreichen Tagen eine erhebliche Überversorgung. Im Süden kann dagegen schnell Mangel entstehen, wenn

Hochspannung im Winter: Ein großflächiger Strom-Blackout ist unwahrscheinlich.

Investition ins Grüne oder Blaue? Hauptsache: mitgemacht.

und rund 140 Bürger an dem Bau einer zwei Kilometer langen Solaranlage auf einem Wall am Tagebau beteiligt. Sie soll rein rechnerisch 530 Haushalte im Jahr mit Strom versorgen. Der Gewinn der Anlage wird RWE zufolge von der Raiffeisenbank Frechen-Hürth garantiert. Auch hier liege die jährliche Verzinsung bei drei Prozent. Insgesamt seien 1,2 Millionen Euro eingesammelt worden – die Hälfte der in etwa benötigten Summe. Die Stadtwerke Gütersloh haben bereits im Jahr 2011 mit der örtlichen Volksbank die Energiegenossenschaft Grünwerke gegründet. Diese schrieb eine Beteiligung von einem Drittel an einem Windpark mit 4,6 Megawatt Leistung in Harsewinkel aus. 140 Bürger hätten Anteile gezeichnet, berichtet der für Energiedienstleistungen zuständige Abteilungsleiter der Stadtwerke Uwe Pöppelmann. Auf der Warteliste hätten weitere 250 Namen gestanden. „Was die GrünEnergie-Kunden offenbar motiviert ist die Anlage in grüne Energie, die als schick gilt.“ Schick soll auch das neue Gaskraftwerk der Düsseldorfer Stadtwerke sein, an dem die EnBW-Tochter die Bürger beteiligen will. Der Siemens-Konzern soll den 600-Megawatt-Block bis 2016 hochziehen. Die Pläne für ein Kohlekraftwerk an gleicher Stelle waren am Widerstand von Politik und Bevölkerung gescheitert. Das neue Kraftwerk soll gar zum Wahrzeichen werden: „Das Stadtfenster“ – ein großer, nachts beleuchteter Rahmen aus Stahl und Glas mitsamt Aussichtsplattform in 45 Meter Höhe – wird von der wenige Kilometer entfernten Innenstadt gut zu sehen sein. Er soll gleichzeitig den Schornstein der Anlage verdecken. Die Bundesregierung brachte im Herbst Investitionsangebote für die Anrainer von den neuen Stromtrassen auf den Weg. Sie können sich an den Baukosten beteiligen und für ihre Einlagen rund fünf Prozent Zinsen erhalten. Dies sehen die Pläne vor, die Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) mit den Netzbetreibern Tennet, Amprion, TransnetBW und 50Hertz vereinbarte. Die Mindesteinlage soll 1000 Euro betragen, die Laufzeit mehrere Jahre. Die Pläne der Bundesregierung stoßen allerdings nicht überall auf Zustimmung. Der Bund der Energieverbraucher kritisiert, dass die Rendite zu niedrig sei. Schließlich gestehe die Bundesnetzagentur den Netzbetreibern eine garantierte Eigenkapitalrendite von über neun Prozent zu.


ENERGIE REPORT

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Dienstag, 10. Dezember 2013 DIW-Energieexpertin Kemfert:

Es ist das zentrale Problem der Energiewende: Wie kann man die volatil erzeugten erneuerbaren Energien so haltbar machen, dass der Strom dann verfügbar ist, wenn er gebraucht wird? Forscher und Unternehmen in ganz Deutschland tüfteln daran.

„Wir benötigen ein flexibles Lastmanagement“

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Die Energiewende ist mehr als der Ausstieg aus der Atomenergie im kommenden Jahrzehnt. Es geht um einen weiteren Zubau von erneuerbaren Energien, die mit auf Gas basierenden flexiblen Kraft-WärmeClaudia Kopplungsanlagen Kemfert kombiniert werden, von Netzen und Speichermöglichkeiten sowie der Verbesserung der Energieeffizienz und der nachhaltigen Mobilität. Leider verfehlt die Politik die Ziele: Die erneuerbaren Energien müssen als Sündenbock für ein verfehltes Management der Energiewende herhalten. Die Energiewende sollte nicht mehr gemobbt werden, sondern effektiv und konsequent umgesetzt werden, sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Stationäre Brennstoffzellen auf Vormarsch Viele Experten sehen in der Brennstoffzelle eine mögliche Technik für die Energieerzeugung von morgen. Vielversprechend sind dabei insbesondere die erreichbaren hohen elektrischen Wirkungsgrade und die geringen Emissionen. Fast unbeachtet von der europäischen Öffentlichkeit sind Brennstoffzellen auf zwei stationären Anwendungsfeldern auf dem Vormarsch. Diese Anwendungsfelder sind Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme der 1-kW- bis 5-kW-Klasse zum Einsatz als Energiezentrale im Ein- oder Mehrfamilienhaus und die deutlich größeren Anlagen zur dezentralen Energieerzeugung in der 100-kWbis 3-MW-Anlagenklasse. Im Bereich der kleinen Energiezentralen fürs Haus ist Japan führend. Dort sind die Installationen nach dem Fukushima-Schock explodiert. Aktuell sind dort rund 100 000 Einheiten der 700-Watt-Brennstoffzellengeräte installiert. Die Installation wird von der japanischen Regierung massiv gefördert (2009 mehr als 10 000 Euro pro Gerät, aktuell noch 3000 Euro). In Deutschland und Europa laufen Feldtests (Callux und Ene-Field), an denen sich alle großen Heizungshersteller beteiligen. „Der Hausbesitzer kann durch den Einsatz von Brennstoffzellenheizgeräten parallel Strom und Wärme auf Erdgasbasis erzeugen“, so Christian Wunderlich vom Fraunhofer Institut für Keramische Technologien und Systeme in Dresden (IKTS). Durch die hohe Effizienz werden auch gegenüber modernsten Heizsystemen deutliche CO2-Einsparungen realisiert, die gerade im Altbaubereich eine attraktive Alternative zur Fassadendämmung darstellen. Der Freistaat Sachsen unterstützt die Installation über eine Förderinitiative für innovative Energiespeicher. Interessant ist, dass auch sächsische Akteure mitmischen. Die RBZ GmbH aus Riesa liefert ein 5-kW-Brennstoffzellengerät für Mehrfamilienhäuser, das IKTS hat für die Firma Vaillant das System mitentwickelt und die Dresdner Firma sunfire liefert dafür die Zellstapel. Wunderlich ist zweiter Vorsitzender des Vereins Energy Saxony, der zahlreiche Akteure vernetzt. Bei großen stationären Anlagen sind die USA führend. Die drei Hersteller Bloom Energy, Fuel Cell Energy und Clear Edge Power arbeiten mit unterschiedlichen Technologien und bestücken immer größere Brennstoffzellenparks mit bis zu 60 MW. Eine typische Anwendung ist die Stromversorgung in Datenzentren. Fuel Cell Energie hat 2012 gemeinsam mit Fraunhofer IKTS die Fuel Cell Energy Solutions GmbH in Dresden gegründet, um die eigene Technologie in Europa zu vermarkten. Eine erste Installation erfolgt im Neubau des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Luft-Batterie speichert zehnmal mehr Energie Eine gute Nachricht für die Elektromobilität: Eine neue Super-Batterie kann zehnmal mehr Energie speichern als die jetzt immer häufiger verwendete Lithium-Ionen-Batterie. Wissenschaftler an der TU Graz haben in Zusammenarbeit mit der schottischen St. Andrews University einen Schritt hin zur leistungsfähigeren LithiumLuft-Batterie getan. Mit dem Einsatz von Titancarbid statt Kohlenstoff für die Elektrode sowie leichter Sauerstoff- statt schwerer metallischer Ionenstrukturen könnte die Energiespeicherkapazität potenziell verzehnfacht werden.

Impressum Verlagbeilage der Leipziger Volkszeitung Verlag, Herstellung und Druck: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG Peterssteinweg 19, 04107 Leipzig Anzeigen: Dr. Harald Weiß Redaktion: Simone Liss, Thomas Bothe, Andreas Dunte, Bert Endruszeit, Andreas Friedrich, Frank Johannson, Kai Kollenberg, Ulrich Milde Content/Fotos/Grafik: Enzo Forciniti, dpa, LVZ-Archiv, Christian Wunderlich, Energie Pressedienst, Bundesverband Erneuerbare Energie, Bundeswirtschaftsministerium, Agentur für Erneuerbare Energien, Bundesumweltministerium, Deutsche Energie-Agentur Titelseite: dpa, Wilfried Müller Kontakt: serviceredaktion@lvz.de

Siemens geht neue Wege Technologiekonzern entwickelt Energiespeicher / Herzstück kommt aus Leipzig Um das Zusammenspiel von verschiedenen Energiequellen zu optimieren, forscht Siemens an neuen Technologien. Während in den Wachstumsmärkten der Strombedarf steigt, stehen in den Industriestaaten vor allem die Wirtschaftlichkeit und der Klimaschutz im Vordergrund. Der Schlüssel für einen erfolgreichen Umbau der Stromversorgung in all diesen Volkswirtschaften liegt im Konzept der Nachhaltigkeit. Vor allem die ressourcen- und umweltschonende Erzeugung, die intelligente Verteilung und die effiziente Nutzung von Energie spielen hier eine entscheidende Rolle. Damit der Umbau gelingt, muss eine ganze Reihe von Maßnahmen wie bei einem Puzzle ineinandergreifen. Denn in Zukunft werden die Strukturen von Energiesystemen weit vernetzter und flexibler sein als heute: Die einstmals lineare Energieumwandlungskette wird zu einer komplexen Strom-Matrix mit einer Vielzahl von Erzeugern und Verbrauchern. Neben hocheffizienten Großkraftwerken wird es Millionen kleiner und mittelgroßer Anlagen geben, die Strom aus Wind, Sonne, Wasser, Biomasse oder Erdwärme erzeugen. Dabei könnte Deutschland zum Pionier eines neuen Stromzeitalters werden. Denn mit der Energiewende steht die Bundesrepublik vor einem Jahrhundertprojekt: dem Ausstieg aus der Kernenergie und dem Beginn der Ära des „grünen“ Stroms. Momentan hakt dieses Projekt an nötigen politischen sowie technischen Richtungsentscheidungen. „Viele bringen derzeit die Energiewende mit steigenden Strompreisen und steigenden CO2-Emmissionen in Verbindung“, erläutert Frank Büchner, der die Region Ost bei Siemens leitet. „Dies ist natürlich nicht das Ziel. Im Gegenteil, wir alle habe jetzt die Chance, die Energiewende wieder auf die richtige Schiene zu setzen, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen und Fehlentwicklungen zu korrigieren.“ Der Ausstoß von Treibhausgasen soll bis 2050 um 80 Prozent reduziert werden. Das sind ehrgeizige Pläne für ein beispielloses Umbauprojekt, das gleichzeitig die Lebensqualität der Menschen und die Wirtschaftskraft des Landes steigern soll. Dabei gilt es eine Reihe von Herausforderungen zu meistern,

beispielsweise eine Balance zwischen erneuerbaren und fossilen Energien sowie zwischen dezentralen Kleinanlagen und Großkraftwerken zu schaffen und gleichzeitig das hohe Maß an Versorgungssicherheit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Was ist hierfür zu tun? Zunächst müssen erneuerbare Energien zu wettbewerbsfähigen Kosten verfügbar sein. Stromautobahnen und intelligente Netze müssen gebaut werden, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Auch die Entwicklung von Energiespeichern ist ein wichtiges Element. Zudem muss die Energienutzung in Gebäuden, Verkehr und Industrie viel effizienter werden. Auf allen diesen Feldern arbeitet Siemens und hat bereits viele Lösungen dafür anzubieten.

speisen. Anfang 2000 war das gerade mal ein Bruchteil. Wir brauchen also auch einen Ausbau der Netze einschließlich der intelligenten Vernetzung, der mit dieser Entwicklung Schritt hält“, erklärt Büchner. Zu diesem Umbau gehört auch die Bereitstellung von Speicherkapazitäten im Netz.

Baustein Energiespeicher

Energiespeicher können in zwei Gruppen unterteilt werden: Pufferspeicher und Arbeitsspeicher. Pufferspeicher dienen dazu, große ÜberschussEnergiemengen zu speichern und im Bedarfsfall wieder ans Netz abzugeben. Entsprechende Technologien wären beispielsweise die Erzeugung von Methan oder Wasserstoff, die Kompression von Luft oder das Erhitzen von Wasser. Wesentlich wichtiger sind ArbeitsProblemfeld Netze speicher zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität und der Netzqualität. Als Die Energiewende bringt viele techniHauptaufgabe nehmen diese Speicher sche Herausforderungen mit sich. GeraSpannungsspitzen auf, dämpfen oder de für Verteilnetze ergeben sich aus der kompensieren Volatilität der schnelle LaständeStromerzeugung, rungen, überbrüdem Ungleichgewicht zwischen Er„Ich freue mich, cken Spannungseinbrüche und zeugung und Verdass wir in stabilisieren die brauch und der Leipzig weiterhin Netzfrequenz. Bei Dezentralisierung innovative Tech- einem Blackout der Einspeisung können einzelne einige dieser Henologien ferNetzbereiche (Inrausforderungen. tigen.“ seln) mithilfe der Herkömmliche Frank Büchner Arbeitsspeicher im Netzstrukturen Inselbetrieb weiter sind mit der dezenbetrieben oder nach tralen Einspeisung, komplettem Netzausfall als „Taktgeber“ dem Ungleichgewicht zwischen Erzeufür einen Netz-Schwarzstart genutzt gung und Verbrauch sowie mit kurzzeiwerden. Als derzeit geeignetste Speitigen Lastsprüngen überlastet, da diese chertechnologie erweisen sich Lithiumschnellen Lastsprünge vom Netz nicht Ionen-Batteriespeicher. abtransportiert werden können. In der Der Siemens-Energiespeicher vom Folge solcher kurzzeitigen SchwankunTyp Siestorage gleicht im Verteilnetz gen, wenn sie nicht ausgeglichen werSpannungsschwankungen innerhalb den, können empfindliche Verbraucher von Millisekunden aus. Das System wie Fertigungsstraßen oder Werkzeugwirkt dabei entweder als zusätzliche maschinen zum automatischen AbEnergiequelle oder nimmt Erzeugungsschalten gezwungen werden. Die Stabispitzen auf. Große Kraftwerke müssen lität der Übertragungsnetze hat also nicht regulierend eingreifen. Das Erhöchste Priorität und fordert geeignete gebnis: höhere Versorgungssicherheit Maßnahmen. „Schon heute haben wir und eine bessere Netzqualität. Der bundesweit etwa 1,2 Millionen ErzeuSpeicher basiert auf Lithium-Ionengungseinheiten, die Strom ins Netz ein-

Grafik: Siemens Batterien in Verbindung mit Umrichtertechnik und Regel- und Leistungselektronik. Durch den modularen Aufbau des Speichers können beliebige Speichergrößen bis 20 Megawatt realisiert werden. Das Herzstück des Energiespeichers – die Schaltanlage mit Umrichter-, Leistungs- und Regeltechnologie – wird im Siemens-Schaltanlagenwerk in Leipzig gefertigt. „Das Siestorage-Konzept funktioniert, die Prototypen haben sich bewährt, wir starten jetzt in die Markteinführungsphase“, sagt Werksleiter Arnd Leuchtenberg. In Leipzig beschäftigt Siemens über 1000 Mitarbeiter, die im Vertrieb und Service, in der Fertigung und Entwicklung tätig sind. Das Werk in Böhlitz Ehrenberg ist neben dem Werk der Siemens Turbomachinery Equipment GmbH der zweite Siemens-Fertigungsstandort in Leipzig. „Ich freue mich, dass wir in Leipzig weiterhin innovative Technologien fertigen. Unsere Produkte sind ein wichtiger Baustein für die Energiewende in Deutschland!“, so Büchner. Der Energiespeicher ist bereits für verschiedene Anwendungen im Einsatz, beispielsweise beim italienischen Energieversorger Enel. Als reiner Arbeispeicher dient er zur Frequenzregelung, hilft bei der Integration von Photovoltaik-Anlagen ins Netz und ermöglicht die Inselfähigkeit des örtlichen Netzes. Industrieunternehmen wie die Vulkan Energiewirtschaft Oderbrücke GmbH (VEO) setzen die Leipziger Hochtechnologie ein. Der Energiespeicher Siestorage sichert die Schwarzstartfähigkeit der Gasturbine im Kraftwerk am Standort Eisenhüttenstadt. Das Hüttengaskraftwerk versorgt hier im Falle einer Betriebsstörung im örtlichen Verteilnetz das Stahlwerk der ArcelorMittal Eisenhüttenstadt GmbH (AMEH) mit Strom und Wärme. Neben den Anlagen zur Verstromung von Hüttengas unterstützt eine Gasturbine als Teil des GuD-Blocks die Versorgung. Damit die Gasturbine aus dem spannungslosen Zustand starten kann, bringt ein Anwurfmotor die Turbine auf eine Mindestdrehzahl. Der Motor bezieht im Störfall den Strom aus dem Batteriespeicher und sichert damit die Energieversorgung.

Strom tanken an der Laterne Wissenschaftler der HTWK entwickeln neues System / Pilotprojekt startet 2014 in Leipzig Noch sind Elektromobile auf deutschen Straßen eher eine Seltenheit. Was nicht zuletzt an fehlenden Ladestationen in öffentlichen Räumen liegt. Leipziger Wissenschaftler entwickeln jetzt als Teil des Förderprogramms „Schaufensterr Elektromobilität“ ein Ladesystem an Straßenlateraßenlaternen. „Im kommenden Jahr soll die erste Straße in Leipzig damit ausgerüstet üstet werden“, sagt Martin Leutelt, Wissenschaftler nschaftler an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig. Erweist weist sich das Projekt als alltagstauglich, wovon ovon Leutelt fest ausgeht, sollen weiteree Straßen vorerst in Leipzig und München folgen, da das „Schaufenster“-Projekt ein sächsischächsischbayrisches ist. Leutelt rechnet damit, amit, dass auch andere deutsche Großstädtee nachziehen werden. Denn ohne effektive und nutzerfreundliche Ladeinfrastruktur wird der erhoffte Boom bei Elektroautos ausbleiben, usbleiben, deren Reichweite heute im Schnitt nitt noch bei rund 160 Kilometern liegt. Pro Straße soll es bis zu vier Ladestationen geben. Anders als etwa in n Berlin, wo die Straßenbeleuchtung mitt Niederspannung betrieben wird, kann in Leipzig

das Beleuchtungsnetz nicht direkt angezapft werden. Dafür reicht der Kabelquerschnitt nicht aus, so der HTWK-Wissenschaftler. Deshalb muss ein separates

Kabel eingezogen werden. Das habe man mit den Stadtwerken in Leipzig, die das Projekt koordinieren, bereits vereinbart. In der engeren Auswahl sind Straßen im

Als spiele man mit Lego-Autos: So einfach soll das System, mit dem E-Mobile an Straßenlaternen aufgeladen werden können, funktionieren. Foto: Kristina Denhof

Leipziger Westen sowie das Waldstraßenviertel. Das Laternenparken selbst soll so unkompliziert wie möglich erfolgen. Der Fahrer eines Elektroautos nutzt entweder über eine Smartphone-App, eine Ladekarte oder od über ein TAN-Verfahren die Ladesäulen. „Die von uns geplante Ladeeinheit säule soll an alle vorhandenen Laternentypen passen und so Umrüstungen unnötig mapass chen“, erklärt Leutelt. Dafür haben die chen Forscher unter Leitung des HTWK-ProfesFors sors Andreas Pretschner einen kreditkartengroßen Rechner entwickelt. Dieser steutengr ert den d Ladevorgang, also die Übertragung von Elektroenergie ins Stromnetz, und baut Risiken vor allem in Zeiten großen Energiebedarfs ab. Ener Immerhin bieten schon mehrere HerIm steller E-Mobile an, die im Schnellgang stelle aufgeladen werden können. Dieser dauert aufge eine halbe bis dreiviertel Stunde. „Momentan sstecken Wirtschaft und Regierung viel Geld in bessere Akkus. Bei einer Reichweite von vo 300 Kilometern und bei ausreichend Ladestationen wird sich die Akzeptanz der Lade E-Autos schlagartig vergrößern“, ist sich E-Au der Leipziger sicher.

Frage: Die deutsche Volkswirtschaft hat in den vergangenen zehn Jahren eine Billion Euro nur fürs Heizen, Kochen und für Mobilität bezahlt. Tendenz steigend. Wenn wir den Fokus ganz weit stellen: Sind wir in einem globalen Maßstab insgesamt auf einem guten Weg in eine nachhaltige Zukunft? Claudia Kemfert: Sicherlich nicht. Global gesehen steigen die Treibhausgase immer weiter an, immer mehr Kohle wird verbrannt. Dabei gilt es diesen Trend umzukehren, denn mit dem weiteren Zubau von Kohlekraftwerken nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit, werden wir die globalen Klimaprobleme sicherlich nicht lösen. Aber auch in Deutschland setzen wir noch immer viel zu sehr auf Kohle und beachten die wichtigen Bereiche Heizen und Mobilität zu wenig. Immerhin zahlt ein Durchschnittshaushalt 30 Prozent seines Einkommens dafür, nur fünf Prozent für Strom. Wenn wir uns nicht umstellen und mehr aufs Energiesparen setzen, zahlen wir die kommenden zehn Jahre zwei Billionen Euro für Öl und Gas. Das ist nicht hinnehmbar.

INTERVIEW Verbraucherschützer, Unternehmer und Experten fordern von der neuen Bundesregierung angesichts weiter steigender Strompreise einen Kurswechsel in der Energiepolitik. Die neue Regierung will das EEG bis Ostern kommenden Jahres überarbeitet haben. In welcher Hinsicht sehen Sie Handlungsbedarf? Es geht darum, die Systemverantwortung der erneuerbaren Energien zu erhöhen, den Netzausbau mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zu harmonisieren. Wir benötigen ein flexibles Lastmanagement, welches Angebot und Nachfrage klug steuert. Allerdings geht es nicht nur ums EEG, sondern um die Energiewende insgesamt: Das Energiesparen muss vorangebracht werden, wir benötigen flexible Gaskraftwerke anstelle von inflexiblen und klimaschädlichen Kohlekraftwerken und vor allem ist ein besseres Energiewende-Management dringend erforderlich. Mittlerweile sind mehr als 2000 Unternehmen von der EEG-Umlage befreit. Nun soll unter anderem die Futtermittelbranche, der Steinkohlebergbau und die Zementindustrie ihr Privileg verlieren. Ein richtiger Schritt? Es macht Sinn, dass man Unternehmen von der Zahlung der EEG-Umlage genau wie bei der Zahlung des Emissionshandels oder der Ökosteuer ausnimmt, wenn sie hohe Energiekosten haben und im internationalen Wettbewerb stehen. Nun hat man diese Ausnahmeregelungen sehr stark erweitert, auf zahlreiche Unternehmen, auf die diese Kriterien gar nicht zutreffen. Dies führt zu einseitigen und unfairen Belastungen der restlichen Stromkunden. Daher macht es Sinn, diese Ausnahmeregelungen wieder auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen. Dies sollte aber von Unternehmen zu Unternehmen entschieden werden, nicht nach Branchen. Deutschlands oberster Verbraucherschützer Gerd Billen fordert eine Obergrenze bei den Kosten für die Energiewende. Die Energiewende treibe die Strompreise in die Höhe. Können Sie verstehen, dass angesichts der diffusen Lage immer mehr Eigenheimbesitzer, Bauherren und Unternehmen planen, mit Solaranlagen auf dem Dach, Windrädern vor dem Werkstor und Blockheizkraftwerken im Keller ihre Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen und sich damit vom Rest der Gesellschaft abzukoppeln? Ja, durchaus. Ich würde mir allerdings auch wünschen, dass die Verbraucherschützer die Kosten der Nicht-Energiewende im Blick haben. Die Kosten für Heizen, Kochen und Mobilität, getrieben von Öl- und Gaspreisen, explodieren! Ohne Energiewende steigen diese Kosten immer weiter an. Die Öko-Energien stigmatisiert man einseitig als Preistreiber, dabei machen sie den geringsten Betrag aller Energiekosten aus. Ich verstehe es sehr gut, dass immer mehr Konsumenten ihre Energie selbst herstellen wollen – um sich unabhängiger von politischer Willkür und von explodierenden Preisen für fossile Energien zu machen.


ENERGIE REPORT

Dienstag, 10. Dezember 2013

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Die Suche nach Einsparpotenzialen bleibt zentraler Baustein heutiger Unternehmensstrategien. Während die Potenziale bei Personal und Rohstoffen an ihre Grenzen stoĂ&#x;en, bietet das Thema Energie noch viele Ansatzpunkte.

Der Sonne entgegen Im Winter fallen die Temperaturen am Fichtelberg schon mal auf minus 20 Grad. Schwer vorstellbar, in Oberwiesenthal ein Haus zu bauen, dessen Energiekonzept sich fast ausschlieĂ&#x;lich auf die Sonne stĂźtzt. „Es war ein Experiment“, sagt Gerald Schwenk vom Chemnitzer Bauunternehmen FASA AG. Der Mut wurde belohnt. Trotz der rauen Winter kann der „Cube“ seinen Wärmebedarf fĂźr Heizung und Warmwasser zu knapp 90 Prozent Ăźber die Sonne decken – das zeigt der Praxistest seit 2010. Das Experiment ist geglĂźckt. Der „Cube“ ist das kleinste und hĂśchstgelegene Sonnenhaus des Unternehmens. Der offizielle Markenname: „Energetikhaus 100“. Seit 2003 forscht die Firma an ganzjährig solar beheizten Häusern. Den Forschergeist weckte Ullrich Hintzen. Im Mai 1990 grĂźndete er die FASA. Mittlerweile ist aus dem Drei-Mann-Betrieb ein Unternehmen mit 60 Mitarbeitern geworden. An den ersten Auftrag erinnert sich Hintzen genau: „Das war eine Fassadensanierung in Chemnitz-Hilbersdorf – fĂźr 16 000 DDR-Mark.“ Viel lieber spricht er Ăźber die neuesten Projekte: Ă–ko-Dämmstoffe und Solar-Häuser. „Der Osten kann nicht auf Dauer nur verlängerte Werkbank sein. Wir mĂźssen eigene Produkte entwickeln, die sich am Markt durchsetzen kĂśnnen.“ Seit Mitte der 90er kĂźmmert sich sein Unternehmen um die Projektentwicklung. In Zukunft soll vor allem Ăśkologisches Bauen fĂźr Wachstum sorgen: 2004 lieĂ&#x; er sich Seegras als Dämmstoff patentieren. Die Idee war ihm im Urlaub gekommen: „Seegras brennt einfach nicht. Das glimmt nur und geht dann wieder aus.“ Dadurch lieĂ&#x;en sich die deutschen Anforderungen an den Brandschutz ganz ohne chemische Zusätze erfĂźllen.

Kleiner Kasten, groĂ&#x;e Wirkung Auf einmal kommt die Sonne hinter den Wolken zum Vorschein und strahlt durch die Jalousien in den Beratungsraum der Sondermaschinenbau Engelsdorf (SME) GmbH. Flugs springen GeschäftsfĂźhrer Rainer Delch und der Energiemanager des Energiedienstleisters enviaM, Lutz Volkmar, auf, Ăśffnen die Blenden und schalten das Licht aus. KĂśnnte dies nicht einfach das Energiemonitoring Ăźbernehmen, welches die enviaM erst Mitte Oktober in dem Leipziger Unternehmen installiert hat? Beide lachen kurz auf. „Wenn wir das per Hand machen“, scherzt Rainer Delch, „sparen wir doch auch wieder Energie.“ Die kleine Episode steht symbolisch fĂźr die Zusammenarbeit von Energieversorger enviaM und seinem Kunden SME. Ăœber viele Jahre gewachsenes Vertrauen, persĂśnliche Sympathie zwischen den beiden Protagonisten und eine Prise Humor sowie – selbstverständlich – zählbare Erfolge sind die dafĂźr benĂśtigten Zutaten. Seit drei Jahren nun steht Energiemanager Lutz Volkmar der SME beratend zur Seite. „Na klar, wir vermarkten zwar Strom und Erdgas“, so Volkmar, „aber unsere Kunden verlangen von uns als Dienstleister zu Recht, dass wir sie beim Thema Energieeffizienz unterstĂźtzen.“ Dann schiebt er nach: „Auch wenn das dazu fĂźhrt, dass wir letztendlich weniger Energie verkaufen.“ Und das scheint zu funktionieren, wie das Beispiel SME zeigt. Der Hersteller von Sondermaschinen in Einzelfertigung

lässt derzeit durch die enviaM eine Reihe von MaĂ&#x;nahmen zur Senkung und Kontrolle des Energieverbrauchs durchfĂźhren, die bereits Wirkung erzielen. „Als erstes betrachteten wir den Lastgang des Betriebes“, erklärt Volkmar. Denn im Gegensatz zu einem privaten Haushalt bezahlt ein Unternehmen neben einem Arbeitspreis auch ein Entgelt fĂźr die jährlich gemessene HĂśchstleistung an den Netzbetreiber. Die zu zahlende Summe orientiert sich dabei nicht am durchschnittlichen Verbrauch, sondern am Spitzenwert im Jahr – auch wenn dieser Wert beispielsweise nur wenige Sekunden im Jahr erreicht wird. Denn der Netzbetreiber muss diese Leistung zu jeder Zeit vorhalten. Bei SME betrug dieser vor der Beratung durch enviaM 133 Kilowatt. Aufgrund der simplen Mathematik, die hinter diesen Kosten steckt, kann an diesem Kostenpunkt leicht angesetzt werden. Der SchlĂźssel zum mĂśglichen Einsparpotenzial ist ein kleiner Kasten, der den Stromverbrauch des Unternehmens Ăźberwacht, der sogenannte Energiemonitor. „Dieser liefert dem Kunden zeitnah IstWerte“, so Volkmar, „und benachrichtigt entweder, wenn ein gewisser Wert Ăźberschritten wird oder stellt abschaltbare Abnehmer – wie Heizung, LĂźftung oder Klimatisierung – rechtzeitig ab.“ Damit kĂśnnen eben jene Spitzen vermieden werden, die relativ selten auftreten, aber hohe Kosten verursachen. „Und das funktioniert“, freut sich Delch. Bei SME wird – wenn nĂśtig – die Absaugung der Lackiererei abgeschaltet, die Lackierer machen eben kurz Pause. Sobald der Gesamtverbrauch des Betriebes wieder gesunken ist, wird das BelĂźftungssystem einfach wieder eingeschaltet. „Auf

Vertraute Zusammenarbeit: SME-GeschäftsfĂźhrer Rainer Delch (links) und enviaM-Energiemanager Lutz Volkmar feilen an der gemeinsamen Energieeffizienz-Strategie. Die Energie-Ampel (linkes Foto) und der Kasten mit der Monitoring-Technik (rechtes Foto) machen das Einspar-Potenzial erst mĂśglich. Fotos: Thomas Bothe diese Weise haben wir seit der Installation des Monitoring den Wert von 112 Kilowatt nicht mehr Ăźberschritten, liegen also fast 20 Kilowatt unter dem Ausgangswert“, so Delch. „Und das, ohne dass die Produktion darunter leidet.“ FĂźr ein Unternehmen wie die SME, das in weltweiter Konkurrenz steht, ein enorm wichtiger Faktor. Der seit 2004 selbstständige Betrieb produziert mit 65 Mitarbeitern Sondermaschinen, Montageanlagen, Handling- und FĂśrdertechnik sowie in Lohnfertigung fĂźr Automobilhersteller, -zulieferer, die KonsumgĂźter- und Baustoffindustrie weltweit. „Unser Kundenkreis erwartet von uns LĂśsungen, Preise und Kosten

mĂźssen trotz steigender Energiepreise gehalten oder bestenfalls noch gesenkt werden“, erklärt Delch. Im Personalbereich sowie bei den verarbeiteten Rohstoffen gebe es kein Einsparpotenzial mehr. Auch deshalb fiel sein Augenmerk auf den Energieverbrauch. Nun arbeiten SME und enviaM am nächsten Schritt. „Wir sind dabei, die komplette Produktionshallen-Beleuchtung umzustellen und erhoffen uns dabei 50 Prozent Einsparung“, sagt Delch. Dies wĂźrde eine Kostensenkung um rund 18 000 Euro pro Jahr bedeuten und gleichzeitig auch die Spitzenlast auf unter 100 Kilowatt senken. „Mit dieser Ersparnis hatten wir auch nicht gerechnet“, ge-

steht Energiemanager Lutz Volkmar. Eigentlich kalkulierten er und seine Kollegen von enviaM konservativ. „Wir machen keine Versprechen, die wir nicht halten kĂśnnen.“ Umso schĂśner seien dann solch positive Ergebnisse. Energiemonitoring und Beleuchtungskonzepte sind nur zwei Beispiele, mit denen enviaM Betrieben beim Energiesparen hilft. Insgesamt bietet das Unternehmen knapp 30 verschiedene Produkte und Dienstleistungen an, mit denen ihre Kunden die eigene Energieeffizienz verbessern kĂśnnen. „Man wählt ja Lieferanten heute nicht mehr nur nach dem Preis aus“, sagt auch SME-GeschäftsfĂźhrer Delch. „Der Servicegedanke spielt eine wesentliche Rolle.“ Und Volkmar pflichtet ihm bei: „Wir mĂźssen gemeinsam LĂśsungen finden. Das kann fĂźr unsere Kunden existenziell werden.“ Bei SME sind die richtigen Weichen nun gestellt.

Zur enviaM-Gruppe Die enviaM-Gruppe ist der fßhrende regionale Energiedienstleister in Ostdeutschland. Der Unternehmensverbund versorgt rund 1,5 Millionen Kunden mit Strom, Gas, Wärme, Wasser und verschiedenen Energie-Dienstleistungen. Fßr die Unternehmensgruppe arbeiten mehr als 4100 Beschäftigte.

Der Visionär aus Freiberg Timo Leukefeld hat sein energieautarkes Haus bezogen Es ist geschafft: Der Freiberger Energieexperte, Uni-Dozent und Häuslebauer Timo Leukefeld ist gerade in sein energieautarkes Häuschen eingezogen. In einer Gartensiedlung am Franz-MehringPlatz in Freiberg will er sich nie wieder Gedanken Ăźber steigende Energie- und Heizungspreise machen. Der 44-Jährige hat als Projektleiter ein energieautarkes Haus mitentwickelt und will es nun praktisch erproben. An diesen beiden bewohnten Gebäuden werden in den nächsten drei Jahren neuartige Konzepte fĂźr ein autarkes LĂźftungs-, KĂźhlungsund Wasserversorgungssystem entwickelt. AuĂ&#x;erdem soll die MĂśglichkeit geschaffen werden, WintergemĂźse und -obst einzulagern und so auch im Nahrungsmittelbereich eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen. Der Clou ist natĂźrlich die Energieversorgung: „Mit Sonnenenergie kann ich den Strombedarf komplett, den an Wärme zu etwa 65 Prozent decken“, hofft er. Etwa 15 Mal mĂźsse er im Winter im Kamin des Wohnzimmers ein Feuer entfachen, das die rund 9000 Liter Wasser in einem Speicher erwärmt. „Die rund zwei Festmeter Holz dafĂźr kosten etwa 150 Euro, die Energiekosten eines ganzen Jahres“, hat er errechnet. Das Haus ist auch Tankstelle fĂźr ein Elektroauto. „Es ist besser, den Ăœberschuss-Solarstrom lustvoll mit gutem Gewissen zur verfahren als ins Netz einzuspeisen.“ Die Bauherren gehen jedoch noch zwei Schritte weiter. Zunächst ergänzen sie das solarthermische Heizkonzept des Sonnenhaus-Instituts um die Komponente Solarstrom. Eine Photovoltaikanlage in Kombination mit einem Energiespeicher (Akku) ermĂśglicht es den Bewohnern, den eigenproduzierten Strom auch dann, wenn die Sonne gerade nicht scheint, zu nutzen. Im zweiten Schritt gehen die Solarexperten Ăźber diesen Autarkiegedanken hinaus: Sie kooperieren mit dem Energieversorger enviaM und den Stadtwerken Freiberg und stellen den Speicherplatz eines der beiden Gebäude zur Lagerung von EnergieĂźberschĂźssen zur VerfĂźgung. Produzieren alternative Stromerzeuger, wie Windkraftanlagen, zu viel Strom, bleibt den Versorgungsunternehmen meist nur, diese abzuschalten. Dennoch muss die EinspeisevergĂźtung gezahlt werden, obwohl sie keinen Strom fĂźr ihre Kunden haben. Das bedeutet fĂźr die Versorger „doppelte“ Kosten, ohne jeden Nutzen. Der Langzeitwärmespeicher des Hauses ermĂśglicht es den Stadtwerken, im Winter bis zu 550 Kilowattstunden Strom einzulagern. Die Versorger profitieren

von der Wärme, die mittels dieses Stroms von der Elektroheizpatrone erzeugt wird. Den Hausbewohnern kommt darßber hinaus die Energie zugute, mit der Folge, dass sie den Kaminofen seltener einheizen mßssen. In einem nächsten Schritt stellen sich die beiden Bauherren vor, dass die Energieversorger einen Teil des Gewinns, den

„Unsere beiden Häuser haben Wandstärken von stolzen 43 Zentimetern.“ Timo Leukefeld sie durch Einlagerung oder Entnahme von Energie erwirtschaften, auf die HauseigentĂźmer umlegen. Statt Ăźber staatliche Subventionen werden auf diese Weise echte Anreize geschaffen, sich bei der Entscheidung fĂźr ein Hausmodell in die allgemeine Versorgungslage aktiv mit einzubringen. Bei aller moderner Technik gibt es jedoch bei den beiden Häusern auch viel Bewährtes: „Die Wände sind massiv gebaut“, erklärt Leukefeld. „Wir brauchen kĂźnftig wieder Speichermassen.“ Häuser im Leichtbau seien keine LĂśsung. „Dort Ăźberhitzen sich im Sommer die Räume, die dann teuer gekĂźhlt werden mĂźssen.“ Es gebe nun einen klaren Trend zurĂźck

zur massiven Wand wie zu GroĂ&#x;vaters Zeiten – jetzt mit Hochtechnologieziegeln. „Unsere beiden Häuser haben Wandstärken von stolzen 43 Zentimetern.“ Im Winter wĂźrden sie die Wärme speichern und im Sommer dauert es lange, bis die Hitze in die Räume vorgedrungen ist. Der bisher meist als Dämmstoff eingesetzte Styropor sei umstritten. „Das ist der SondermĂźll der Zukunft. Damit gedämmte Häuser werden kĂźnftig ihren Wiederverkaufswert massiv verlieren“, ist sich Leukefeld sicher. Das energieautarke Haus mit 161 Quadratmetern Wohnfläche kostet schlĂźsselfertig einschlieĂ&#x;lich Bodenplatte 398 000 Euro (ohne Keller und ohne GrundstĂźck). Das sei im Bezug auf Gesamtkosten, echte Autarkie und niedrigen Primärenergieverbrauch eine revolutionäre Entwicklung im Markt, so Leukefeld. Durch die intelligente Energieversorgung mit Wärme, Strom und Mobilität aus der Sonne kĂśnnen die Hausbesitzer jährlich Ăźber 5000 Euro Energiekosten einsparen. Damit schlieĂ&#x;t sich ein Kreis: Freiberg kann gewissermaĂ&#x;en als Wiege der Nachhaltigkeit bezeichnet werden. Hans Carl von Carlowitz, seines Zeichens Oberberghauptmann am kursächsischen Hof zu Freiberg, sah sich mit der groĂ&#x;flächigen Abholzung der Wälder in Sachsen konfrontiert. Deshalb forderte er im Jahre 1713, dass stets nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäĂ&#x;ige Aufforstung wieder nachwachsen konnte. Er begrĂźndete damit das Prinzip der Nachhaltigkeit.

www.timo-leukefeld.de Die beiden energieautarken Häuser in einer Gartensiedlung am Franz-MehringPlatz in Freiberg sind gerade fertig geworden – Timo Leukefeld bewohnt eines davon selbst. Foto: privat

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ENERGIE REPORT

Seite 10

Dienstag, 10. Dezember 2013

Die Rechnung der anderen

Wattstarke Stromkunden entdecken die neue Lust an der Unabhängigkeit, stellen ihre eigenen Anlagen auf und sagen sich los von Ă–kostrom-Umlage, Steuern und Netzentgelten. Acht Prozent aller Industrieunternehmen verfĂźgen laut Deutscher Industrie- und Handelskammer schon heute Ăźber ein eigenes Stromkraftwerk. Tendenz steigend. Das schafft neue Probleme fĂźr Verbraucher und Energieversorger.

Vier Windräder fĂźr BMW Das Werk Leipzig deckt ein FĂźnftel seines Eigenbedarfs mit selbsterzeugtem Windstrom Wenn ein steter Wind weht, hĂśrt man sie nicht. Und man sieht sie auch nur mit etwas Abstand. Sonst muss man den Kopf gehĂśrig in den Nacken legen, um die fast 190 Meter hohen Windräder in ihrer Gänze wahrzunehmen. Aus den hohen Schichten Ăźber dem Leipziger BMW-Werk pflĂźcken sie den Wind, wandeln ihn in Strom. Pro Jahr macht das 26 Gigawattstunden Strom. „Der deckt ein FĂźnftel unseres Eigenbedarfs. Das ist etwas mehr, als ab Herbst fĂźr die Produktion unserer Elektroautos benĂśtigt wird“, sagt Werkleiter Manfred Erlacher. Um Autos in Leipzig CO2-frei herzustellen, prĂźften sie alle Optionen und landeten irgendwann bei der Idee, den Wind zu nutzen. Das rechnete sich. Das Werk agiert nicht selbst als Kraftwerksbetreiber. „Jeder macht, was er kann. Wir bau-

en Autos. WPD baut und betreibt Windkraftwerke“, so Erlacher. Das Bremer Unternehmen WPD ist MarktfĂźhrer der Branche, betreibt die vier Leipziger Windriesen und speist den Strom in die Werksverteilung ein. WPD-GrĂźnder und Inhaber Klaus Meier ist zur Inbetriebnahme seiner TĂźrme im Juli dieses Jahres extra angereist. „Das ist ein wichtiges Projekt mit einer groĂ&#x;en Ausstrahlung“, freute sich Meier. International sei man mit dem Bau von Windkraftanlagen nahe groĂ&#x;er Stromverbraucher in Industriegebieten viel offensiver. Von dort gebe es auch viele Anfragen. Die Vorteile lägen auf der Hand: Der Landschaftsverbrauch sei in Industriegebieten ohnehin hoch. Bei BMW fiele zudem das dumpfe Zischen der Rotoren kaum ins Gewicht, weil die Eigengeräusche des Werkes lauter seien.

BMW-Werkleiter Erlacher lobt die Zusammenarbeit mit den BehĂśrden. Statt in sechs oder sieben sei der Bau bereits in 3,5 Jahren realisierbar gewesen. Viele Gutachten zerstreuten anfängliche Bedenken. Auch Radar und Einflugschneise des nahen Flughafens Leipzig/Halle wĂźrden durch die Rotoren an den 140 Meter hohen TĂźrmen nicht gestĂśrt. „Es war ein verkĂźrzter Marathon“, erinnert sich Erlacher lachend. Trotzdem dĂźrfte es die vier Windstromer laut Baurecht gar nicht geben. Im Juli dieses Jahres verabschiedete die Staatsregierung einen Erlass, wonach solche RotortĂźrme mindestens 1000 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt sein mĂźssen. Zudem schlieĂ&#x;t die Baunutzungsverordnung Windräder in Gewerbegebieten aus, wogegen Photovol-

taik und Biogasanlagen erlaubt sind. „FĂźr die Genehmigungen der Anlagen bei BMW sind die bauplanungsrechtlichen Vorschriften zumindest sehr entgegenkommend interpretiert worden“, sagt der Leipziger Energierechtsexperte Martin Maslaton. Der Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie lobt aber: „Die Selbsterzeugung von Strom durch GroĂ&#x;verbraucher wie BMW ist das sinnvollste, was man machen kann.“ Bezugnehmend auf das Baurecht sagte Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP), dass natĂźrlich auch in Industriegebieten kleinere Anlagen mĂśglich seien. Es mĂźsse aber immer dem Einfluss auf die Nachbarn Rechnung getragen werden. Und die 1000 Meter Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung seien „kein Gesetz und nicht zwingend“.

Foto: dpa

Jedes zweite Unternehmen speist ein Wohngebäude sei mit einer solchen AnlaDeutschlands Stromverbraucher erzeugen ge ausgestattet. Aus den RWI-Zahlen folgt, immer mehr ihrer Energie selbst und redass die konventionellen Energieträger duzieren die Abnahme von Elektrizität aus Erdgas mit gut einem Drittel und ErdĂśl mit dem Stromnetz. Das gilt fĂźr Privathausgut einem Viertel des Verbrauchs als Enerhalte genauso wie fĂźr Betriebe. Zwischen gieträger in Wohngebäuden vorne liegen. 2006 und 2012 habe sich der Anteil von Nach der Ernst&Young-Studie erzeugen Privathäusern mit Photovoltaikanlagen bereits heute 47 Prozent der Unternehmen mehr als verdreifacht, berichtet das Rheimit einem besonders hohen Energiebedarf nisch-Westfälische Institut fĂźr WirtschaftsStrom und Wärme selbst. Ein Viertel plane forschung (RWI). Die Unternehmensberadies. Am beliebtesten seien Blockheizkraftter von Ernst&Young fanden heraus, dass werke, Photovoltaikanlagen sowie Windfast jeder zweite Betrieb Energie selbst kraft und Biomasse. Jedes zweite Unterproduziere, Tendenz steigend. nehmen speise Die Bundesregiebereits ĂźberschĂźssirung sieht diese Ent„Setzt sich der Trend fort, wicklung hin zur dezahlen Mieter und Hartz-IV- gen Strom ins Netz ein. Allerdings sähen zentralen Versorgung Empfänger, die Strom nicht 54 Prozent der benicht nur positiv. Mit selbst produzieren kĂśnnen, fragten Manager ihre dem wachsenden Eidezentrale Erzeugenverbrauch profiam Ende mehr.“ gung nur als eine Ertieren die Erzeuger Georg Erdmann gänzung zu konveneinerseits von FĂśrt i o n e l l e n dermaĂ&#x;nahmen wie GroĂ&#x;kraftwerken. Nur jeder FĂźnfte glaube, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sie dass Deutschland langfristig auch ohne vermeiden zudem Netzkosten – Geld, das GroĂ&#x;kraftwerke auskomme. Nach Ansicht fĂźr den Netzausbau fehlt. Die Versorgung des Deutschen Industrie- und Handelsim Notfall ist durch den Netzanschluss fĂźr kammertages schlagen die Betriebe zwei den einzelnen Abnehmer gleichwohl kosFliegen mit einer Klappe: Sie sparen nicht tenfrei. Umweltminister Peter Altmaier nur Abgaben wie die EEG-Umlage, sie sta(CDU) warnte vor einer Entsolidarisierung bilisieren so einen wichtigen Teil ihres Fixund verlangte: „Jeder, der vom Ăśffentlikostenblocks. „Setzt sich der Trend fort, chen Netz profitiert, muss einen vertretzahlen Mieter und Hartz-IV-Empfänger, baren Beitrag dazu leisten.“ die Strom nicht selbst produzieren kĂśnNach der Studie des RWI fĂźr das Bunnen, am Ende mehr“, sagte Georg Erddeswirtschaftsministerium sind Solarkolmann, Professor fĂźr Energiesysteme an lektoren, Photovoltaikanlagen und Wärder TU Berlin, gegenĂźber der FAZ. mepumpen in deutschen Privathaushalten Auch VerbraucherschĂźtzer warnen vor weiter auf dem Vormarsch. Anfang 2012 Mehrbelastungen fĂźr Haushalte: „Wir forseien auf jedem elften bewohnten Wohndern, das 2014 eine Reform der Netzentgebäude Anlagen fĂźr Solarwärme und auf gelte auf den Weg gebracht wird“, sagt jedem achtzehnten Gebäude zur ErzeuHolger Krawinkel, der in der Verbrauchergung von Solarstrom installiert gewesen. zentrale des Bundesverbandes den BeBinnen sechs Jahren habe sich damit die reich Energie leitet. Damit die Kosten fĂźr Zahl der Wärmekollektoren verdoppelt, die Netzinfrastruktur gerechter auf alle die der Photovoltaikanlagen zur StromerVerbraucher verteilt werden, sollten die zeugung verdreifacht. Da der Ausbau vor Nutzungsentgelte kĂźnftig in Form einer allem des Solarstroms auch 2012 stark zu„Flatrate“ bezahlt werden. Bislang werden nahm, dĂźrfte die Zahl der Photovoltaikansie zumindest im Niedrigspannungsbelagen inzwischen hĂśher sein. Auch die reich je bezogener Kilowattstunde berechZahl der eingesetzten Wärmepumpen net, wovon Eigenversorger profitieren. habe sich verdoppelt, fast jedes zwanzigste

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