Energie 2011 - Sonderausgabe der Leipziger Volkszeitung

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Energie Dienstag, 13. Dezember 2011

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Atomkraft bis 2022 in Europa

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einen nationalen Alleingang. Die erneuerbaren Energien müssen damit schneller als bisher geplant wesentlicher Grundpfeiler der Energieversorgung werden. Seite

Das schafft Risiken, eröffnet

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Ausstieg

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Lücke

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Transport

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Atommüll

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Mobilität

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Einsparung

Was die Energiewende kostet

aber auch Chancen.

Seite

Seite

Der deutsche Strom-Mix

hr Ja

2011

andere

Öl

Seite

42,2

4,2 65

1,3

Prozent

Kernenergie

Wie der Ökostrom zu den Verbrauchern kommt

Wie und wo die Politik ein Endlager sucht

Kohle

Seite 22,5

Wie die Stromversorgung gesichert wird

Jah

Was das Auto zur Energiewende leistet

2 r 202

35

13,4

Seite 16,5 Erneuerbare Energien

Erdgas

Wie effizientes Bauen Energiekosten senkt


ENERGIE REPORT

Dienstag, 13. Dezember 2011

Teure Energiewende

„Ich halte nichts von Subventionen“

EDITORIAL Von Thilo Boss

th.boss@lvz.de

Der deutsche Strommix

Stromerzeugung

Kernenergie

4

29,4 27,3

6,6

Was der Atomausstieg kostet Wenn nur bestehende Kraftwerke ausgebaut, reaktiviert und modernisiert werden müssten

aus erneuerbaren Energien

sonstige

4,2 22,5

kraft und Solarenergie werden die Zahlungen bis zum Jahr 2025 auf den Höchstwert von 21 Milliarden Euro zunehmen. Danach beginnt der gesetzlich festgelegte Abbau der Einspeisevergütungen zu greifen. Dennoch addieren sich die Kosten bis zum Jahr 2030 auf 250 Milliarden Euro. Hinzu kommen sogenannte indirekte Kosten, zum Beispiel durch den erforderlichen Ausbau des Stromnetzes. Sie schlagen zusätzlich mit

Verantwortlich hierfür ist vor allem die Umlage für Ökostrom nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Sie wird auf die Strompreise aufgeschlagen und verteuert somit die Elektrizität. Aktuell liegt die Umlage bei 3,5 Cent pro Kilowattstunde. Laut Gutachten könnte sie 2012 auf bis zu sechs Cent ansteigen. Derzeit summieren sich die jährlichen EEG-Vergütungen auf 12,3 Milliarden Euro. Als Folge des Ausbaus von Wind-

16,5 Erneuerbare

Wenn neue Kraftwerke gebaut werden müssten

1

3,13,2 2,7 6,7 8,5

Erdöl

250 EE-Stromerzeugung in TWh/a

Ziel: 40 Prozent

1,3 200

Prozent Braunkohle

29,3 25,7 23,4

Erdgas

27,7 24,8

1991

13,4

2000

Steinkohle

2009

18,8

Gewinne können auch wachsen, ohne dass die Natur eingeht.

100

Wind auf See

Einstiegsberatung und Information zu betrieblicher Energieeffizienz, erneuerbaren Energien, verfügbaren Förderungen und Finanzierungshilfen Weiterbildung zum Energiemanager seit Oktober 2011

Förderung des Technologietransfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft Interessenvertretung der Unternehmen bei innovations-, energie- und umweltpolitischen Themen Mehr zum Thema bietet unter anderem der „11. Sächsische Energietag“ der IHK am 24. April 2012 in der ZAW Zentrum für Aus- und Weiterbildung Leipzig GmbH Weitere Informationen unter www.leipzig.ihk.de oder unter 0341 1267-1255.

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Wasserkraft

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Erstansprechpartner für Unternehmen zu Innovation und Umwelt:

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Wind an Land

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in Mrd. Euro 65

Photovoltaik Biomasse

Vermittlung von Beratern und Sachverständigen

wirtschaft-bewegen.de/innovation-umwelt

EU-Verbund Geothermie

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Unterstützung bei allen abfall- und wasserrechtlichen Fragestellungen

Wie, weiß die

85 Milliarden Euro zu Buche. Insgesamt belaufen sich die Kosten der Energiewende somit auf die gewaltig anmutende Summe von 335 Milliarden Euro. Und darin sind nötige Investitionen für Ersatzkraftwerke oder Preissteigerungen bei Primärenergieträgern noch nicht einmal eingerechnet. Tragen müssen diese Kosten die privaten Stromverbraucher und die Unternehmen. Zwar bleibt das Gutachten Berechnungen für einen privaten Musterhaushalt schuldig. Doch ist davon auszugehen, dass die Subventionierung der erneuerbaren Energien die Elektrizität empfindlich verteuern wird. Das gilt natürlich auch für die Unternehmen. „Wie die durch das EGG bedingten Kosten bewältigt werden sollen, ist völlig unklar. Die zu erwartenden Preissteigerungen werden die Wirtschaft in unserem Lande schwer belasten“, erklärt denn auch Bertram Bossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Koalitionsspitzen in die Offensive gegangen sind und einen schnelleren Abbau der teuren Solarförderung verlangen. Schließlich hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer wieder darauf hingewiesen, dass die Energiewende weder Bürger noch Wirtschaft überfordern dürfe. Doch was ist die Alternative? Im Energiekonzept der Bundesregierung ist vorgesehen, „hocheffiziente und flexible Kraftwerke“ zu fördern, um die Kraftwerkslücke infolge des Atomausstiegs zu schließen. Seit Anfang Dezember wirbt der Wirtschaftsminister daher für den Neubau von Kraftwerken, ausdrücklich auch für konventionelle, also für Kohle- oder Gaskraftwerke. Das Problem: Ohne Subventionen haben die vom Atomausstieg gebeutelten Energiekonzerne keinen Anreiz, in neue Kraftwerke zu investieren – und die EU-Kommission in Brüssel sieht die deutschen Förderpläne ausgesprochen skeptisch. Ralf Neubauer

2010

2020

Steinkohle

Braunkohle

Gas

Günther Oettinger (CDU), EU-Kommissar für Energie. Frage: Deutschland wagt beim Ausstieg aus der Kernkraft einen Alleingang. Ist Berlin nun Vorreiter oder Bremsklotz einer integrierten Energiepolitik? Günther Oettinger: Der Energiemix liegt in der Verantwortung der EU-Mitgliedsstaaten. Die Kommission wird aber dafür sorgen, dass Energie bezahlbar bleibt, es zu keinen Stromausfällen wie in den USA kommt und wir unsere Klimaschutzziele erreichen. Was sind die dringlichsten Aufgaben, damit die EU bis 2020 ihre ehrgeizigen Ziele erreichen kann? Wir müssen ein europäisches Hochleistungsnetz aufbauen, die Erzeugung von Strom aus den erneuerbaren Energien steigern und das Speicherproblem lösen. Dafür brauchen wir eine integrierte europäische Standortpolitik. Gerade beim Aufbau der transeuropäischen Netze hapert es. An den Grenzen gibt es zu wenig Kuppelstellen. Oder? Das ist Schwerpunkt unserer Arbeit, für die wir sogar eigens eine Agentur eingerichtet haben. Ich rechne damit, dass die Kommission in einem Jahr ein abgestimmtes Konzept für die europäischen Großregionen vorlegen kann. Und Griechenland? Die Solarstromerzeugung soll Ausweg aus der Wirtschaftsmisere sein ... Der Aufbau einer Solarproduktion macht schon deshalb im Gegensatz zu Deutschland Sinn, weil dort statt an 800 rund 3000 Stunden im Jahr Solarstrom produziert werden kann. Aber der Strom muss nach Mitteleuropa transportiert werden. Und der Netzausbau dauert Jahre. Wir brauchen beschleunigte Verfahren, bei denen die Bürger anfangs beteiligt werden und nach rechtsstaatlichen Mitteln demokratisch entschieden wird. Ich halte ein Genehmigungsverfahren über einen Zeitraum von drei Jahren für machbar. Die Solarindustrie in Mitteldeutschland kämpft inzwischen wegen der Billigkonkurrenz aus Asien ums Überleben. Hat sie noch eine Zukunft? Die Solarzellen-Produktion in Mitteldeutschland ist bisher eine Erfolgsgeschichte. Klar ist aber, dass eine Photovoltaik-Platte nicht wirklich Hightech ist. Außerhalb Europas wird es immer Fertigungen geben, die günstiger sind. Wir sollten deshalb nicht erwarten, dass die Solarindustrie in Deutschland weiter wächst. Wenn wir die Zahl der Arbeitsplätze halten, ist das ein Erfolg. Deutsche Hersteller klagen über Wettbewerbsverzerrungen. China etwa würde Bauland kostenlos zur Verfügung stellen und Kredite günstig vergeben. Ist das Vorbild für uns? Ich halte nichts von Subventionen. Interview: Thilo Boss Foto: dpa

Etwa neun Monate ist es her, als in Fukushima die unkalkulierbaren Restrisiken der Kernenergie aufgezeigt wurden und Deutschland daraufhin unverzüglich Konsequenzen zog. Der Bundestag beschloss Mitte des Jahres den schnellen Atomausstieg und die Wende hin zu den erneuerbaren Energien. Schon im Jahr 2020 sollen 35 Prozent unseres Stromes aus den regenerativen Energien kommen, doppelt so viel wie heute. Bis 2050 soll dieser Anteil sogar auf 80 Prozent zunehmen. Das Schöne: Die Energiewende wird nicht nur umweltfreundlich, sondern auch bezahlbar sein. Das verspricht jedenfalls das Energiekonzept der Bundesregierung. Nach dem Parlamentsbeschluss wurde es in Berlin merkwürdig ruhig um das Thema. Erst Ende November flammte die Diskussion wieder auf. Die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU) und Rainer Brüderle (FDP) sowie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt forderten in einem Brief an Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) die Kürzung der Subventionen für die Solarenergie. Im Wirtschaftsministerium stieß dieses Ansinnen auf positive Resonanz. Kosteneffizienz beim Ökostrom sei dringend nötig, sagte ein Sprecher. Man gehe davon aus, dass eine Einigung mit dem Umweltressort in dieser Frage schnell zu erzielen sei. Die Opposition reagierte prompt und warf den Regierungspolitikern eine „Kehrtwende von der Energiewende“ vor. Auch Interessenvertreter zeigten sich entsetzt: „Eine Umsetzung der Vorschläge wäre ein Frontalangriff auf die Energiewende in Deutschland“, erklärte Björn Klusmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Tatsächlich offenbart der Vorgang vor allem eines: Zum Nulltarif ist die Energiewende nicht zu haben. Das hat ein Gutachten der Technischen Universität Berlin im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) längst nachgewiesen. Danach wird der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bis zum Jahr 2030 Kosten in Höhe von 335 Milliarden Euro verursachen.

Montage: Enzo Forciniti

Es ist der Ausstieg vom Ausstieg des Ausstiegs. Aber diesmal dürfte er wirklich der letzte gewesen sein. Selbst eine bürgerliche Koalition wird eine erneute Kehrtwende bei der Kernkraft kaum noch wagen, und im linken Öko-Lager hat sie ohnehin schon seit den Amtszeiten Gerhard Schröders und Joschka Fischers ausgespielt. Atomstrom ist nach Fukushima einer breiten Mehrheit der deutschen Gesellschaft nicht mehr vermittelbar. Dabei ist der letzte Ausstieg vom Ausstieg eigentlich gar kein Ausstieg gewesen. Und auch keine Energiewende, wie es jetzt von der Regierung Merkel verkauft wird. Zwar sollen die deutschen Meiler nun schneller – bis 2022 – vom Netz gehen. Doch die mit der Energiewende verbundenen Ziele, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent zu erhöhen und die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent zu senken, sind auch nach Fukushima unverändert geblieben. Entscheidend für den erfolgreichen Umbau des deutschen Energiemixes wird es daher sein, ob das nun enger gesetzte Zeitfenster ausreicht, die neuen Netze und Speicherkapazitäten für die Überschussproduktion des Ökostroms zu bauen. Allein bis 2022 müssten für den frühzeitigen Atomausstieg 436 Kilometer zusätzliche Netze realisiert werden. Würden aber in Deutschland mit durchschnittlich 20 Kilometern im Jahr die Leitungen weiter im Schneckentempo errichtet, könnte die Bundesregierung die feierliche Fertigstellung der erforderlichen Infrastruktur des Energiekonzeptes von 2011 im Herbst 2239 feiern, wie vor Kurzem ein Vattenfall-Manager vorgerechnet hat. Noch schwieriger ist das Speicherproblem zu lösen. Obwohl in gut acht Jahren mit einer installierten Leistung von 96 Gigawatt (GW) die Produktion aus erneuerbaren Energien den deutschen Bedarf sogar um zwölf GW übersteigen soll, fließen davon nur fünf wirklich ins Netz. Die Sonne scheint eben nicht auf Knopfdruck und der Wind bläst nicht auf Bestellung – oder eben so stark, dass die Ökostromanlage wegen Netzüberlastung abgeschaltet werden muss. Das erfordert Speicherkapazitäten. Unabhängig davon wird Ostdeutschland eine zentrale Rolle in der Energiewende spielen. In den neuen Ländern ist mehr Platz für den Aufbau der regenerativen Energien vorhanden – und auch die genügend grundlastfähige Braunkohle. Aber in beidem liegt Fluch und Segen. Die Investitionen für den Stromtransport in die Ballungsräume im Süden der Republik müssen noch die regionalen Versorger tragen, was den Strompreis über steigende Netzentgelte nach oben treiben dürfte. Und die Braunkohle ist wegen ihrer Emissionen weiter umstritten, was durch die Unsicherheiten bei der Zukunft der Kohlendioxidverpressung noch an Brisanz gewinnt. Gerade dieses Beispiel zeigt das Dilemma der deutschen Energiewende: Es fehlt ein Gesamtkonzept, das neben den technischen Herausforderungen die Finanzierung sicherstellt, zumal es in den öffentlichen Haushalten schon wegen der Euro-Krise keine Spielräume mehr gibt.

Kosten belaufen sich laut einer Studie auf bis zu 335 Milliarden Euro

Quelle: dpa, BMU, IW / Grafik: Enzo Forciniti

Es fehlt ein Gesamtkonzept

Europa pendelt bei Atomkraft zwischen Ausstieg und Dauerbetrieb Weltweit nimmt Bau von neuen Reaktoren Fahrt auf Anfangs argwöhnisch belächelt hat der Atomausstieg der Bundesregierung in Europa eine heftige Diskussion über den Verzicht auf die Technologie entfacht. Aber weltweit wird Kernenergie weiterhin eine wesentliche Rolle spielen. Laut World Nuclear Association sind derzeit 60 Reaktoren im Bau oder geplant. Dabei sei der größte Zuwachs in Asien, unter anderem in China, Indien und Südkorea zu erwarten. Auch Russland und die USA haben ehrgeizige Pläne. Der deutsche Ausstiegsbeschluss war vor allem in Nachbarländern wie Tschechien und Frankreich auf Kritik gestoßen. Nachdem die Stilllegung von acht deutschen Kernkraftwerken Mitte März heftige Preisausschläge an der Leipziger Energiebörse nach sich zog, fürchtete die tschechische Wirtschaft um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Aber sogar im Mutterland der Atomlobbyisten, in Frankreich, formiert sich aufgrund der Hiobsbotschaften über die mangelnde Sicherheit des nationalen Atomparks eine Front gegen die Technologie. Die derzeit in Umfragen führenden Sozialisten gehen mit dem Versprechen in die Präsidentschaftswahlen 2012, bis Mitte des nächsten Jahrzehnts 24 der 58 Reaktoren abzuschalten. Deutschland mit seinen Ausstiegsplänen ist aber bereits vor den jüngsten Entwicklungen nicht allein gewesen. Österreich hat den Verzicht auf Kernenergie in der Verfassung verankert. Das einzige Kernkraftwerk des Landes in Zwentendorf ging schon nach einer Volksabstimmung Ende der 70er-Jahre nie in Betrieb. Jetzt fühlt sich der Nachbar voll bestätigt und fordert einen EU- oder gar weltweiten Ausstieg. Italien hat seit Jahrzehnten keine Atomkraftwerke. Nach der Katastrophe von Tschernobyl entschieden sich die Italiener 1987 in einem Referendum für den Ausstieg. Vor zwei Jahren kündigte Regierungschef Silvio Berlusconi zwar an, wieder in die Kernkraft investieren zu wollen, legte sein Vorhaben nach Fukushima aber auf Eis. In Spanien verfolgt die

Regierung seit Jahren die Linie eines schrittweisen Atomausstiegs. Es sollen keine neuen AKW gebaut und die bestehenden nach 40 Jahren Betriebszeit abgeschaltet werden. Die Schweiz produziert noch 40 Prozent ihres Stroms in fünf Meilern, will aber langfristig aus der Atomkraft aussteigen. Nach Laufzeiten von 50 Jahren soll 2019 der erste Meiler vom Netz gehen, 2034 der letzte. In Belgien ist Atomkraft derzeit mit 55 Prozent die Hauptquelle für Strom. Aber bereits 2003 wurde beschlossen, 2015 mit dem Ausstieg zu beginnen. Dagegen haben vor allem osteuropäische Länder eine Art Schutz- und Trutzbündnis gegen den Ausstieg gegründet. Russland will bis 2030 insgesamt 26 Atomreaktoren bauen. Bisher gibt es 32. Die Ukraine plant bis 2030 die Reaktorzahl fast zu verdreifachen. Nach Abschaltung des letzten Tschernobyl-Reaktors 2000 liefern heute 15 Blöcke knapp 50 Prozent des Stroms. Weißrussland plant bis 2017/18 mit russischer Hilfe ein erstes Atomkraftwerk in Ostrowez an der Grenze zu Polen und Litauen. Auch in Tsche-

chien regt sich kein Widerstand gegen den Ausbau von Temelin. Ebenso wenig in der Slowakei, wo derzeit im AKW Mochovce ein dritter und vierter Reaktorblock gebaut wird. Auch Finnland und Schweden beabsichtigen, alte Atomkraftwerke zu ersetzen oder bestehende zu erweitern. Ungeachtet der Atomkatastrophe hat Japan zwei Reaktoren im Bau. Die Zukunft der neun weiteren Anlagen, die bis 2022 an Netz gehen sollten, ist jedoch ungewiss. Forciert werden aber Verhandlungen mit Russland, Vietnam, Südkorea und Jordanien. Denn Japan will in diese Länder Atomtechnologie exportieren. Wie die Internationale Atomenergiebehörde prognostiziert, werde sich der Anteil von Atomstrom an der weltweiten Stromerzeugung bis 2035 zwischen zehn und 20 Prozent bewegen. Weltweit betreiben 30 Länder insgesamt 212 Kernkraftwerke mit über 430 Blöcken. Birgit Schöppenthau Finnland

4

Schweden

Atomkraftwerke in Europa

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Belgien

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Deutschland

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Frankreich

Spanien

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Tschech. Rep.

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Schweiz

Rumänien

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Quelle: International Atomic Energy Agency / Grafik: Enzo Forciniti

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ENERGIE REPORT

„In der Tendenz wird Energie nicht billiger“

Haushalte senken Energieverbrauch Die privaten Haushalte in Deutschland sind erfolgreiche Energiesparer. 1990 verbrauchte jeder im Schnitt 257 Kilowattstunden (kWh) Energie je Quadratmeter Wohnfläche. Im vergangenen Jahr waren es nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen noch 194 kWh und damit rund ein Viertel weniger. Allein gegenßber 2009 sank der Wert um 7,5 Prozent. Um die Ziele des Energiekonzepts der Bundesregierung zu erreichen mßsste dieser Wert bis 2020 noch einmal um 20 Prozent sinken. In der Industrie stieg der Energieverbrauch zuletzt dagegen sogar wieder an: Den bisher niedrigsten Energieverbrauch erreicht sie 2008 mit 2,4 Megajoule je Euro Wirtschaftsleistung, 2010 waren es schon wieder 2,6 Megajoule. hwb

Spartipp: Duschen Mit normalen DuschkĂśpfen rauschen jede Minute zwischen 15 und 18 Liter warmes Wasser in den Abfluss. Die Energieberater der Initiative CO2online empfehlen deshalb einen Wasserspar-Duschkopf, den es bereits ab 20 Euro gebe und der leicht selbst aufzuschrauben sei. Damit kĂśnnten im Jahr – bei einer täglichen Dusche – zwischen 14 000 und 16 000 Liter Wasser und 140 bis 160 Euro gespart werden. Denn der Wasserspar-Duschkopf mische dem Wasserstrahl Luft bei. Deshalb sinke der Wasserverbrauch pro Minute um die Hälfte. Ăœbrigens: Beim Duschen verbraucht man weniger Wasser als beim Baden. Durchschnittlich reicht das Wasser eines Vollbades fĂźr drei Duschgänge. wer/ade

Bundesnetzagentur: FĂźr Kernkraftwerk in Reserve besteht keine Notwendigkeit darfs decken. Rund zwei Drittel der Erzeugung und auch des Zubaus werden demnach durch Wind- und Sonnenenergieanlagen erbracht. Die Investitionen steigen von 13,5 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf rund 28,9 Milliarden Euro im Jahr 2020. Aber nicht nur der Zubau, sondern vor allem die Integration erneuerbarer Energien in eine dauerhaft grĂźne und sichere Versorgung wird die Herausforderung der Zukunft sein. Hier scheiden sich die Geister. Während der BEE ausschlieĂ&#x;lich auf den Bau von Anlagen setzt, die aus Wind und Sonne sowie Wasserkraft, Biomasse und geothermischen Leistungen gespeist werden, hält die Bundesnetzagentur den Neubau von konventionellen Kraftwerken fĂźr dringend geboten. In einem Bericht an die Bundesregierung kommen Experten zu dem Ergebnis, dass sich die Netzsituation seit Abschaltung der Atomkraftwerke erheblich verschärft hat. Vor allem in Ballungszentren, die einst von Kernenergie abhängig waren und weitab der groĂ&#x;en Windparks stehen, werden kĂźnftig Netzprobleme befĂźrchtet. So erwartet die BehĂśrde bis 2022 einen RĂźckbau von etwa 29,5 Gigawatt heute bestehender Kraftwerksleistung. Neben derzeit im Bau befindlichen Ersatzinvestitionen von 12,9 Gigawatt werden deshalb weitere 16,6 Gigawesen als 2010, so der BDEW. Denn in reich, in die Niederlande und die Schweiz watt Kraftwerksleistungen empfohlen, die den ersten vier Monaten dieses Jahres sei seien zurĂźckgegangen. Lediglich an sehr immer verfĂźgbar sind. die Stromerzeugung aus Windkraftanlawindreichen Tagen wĂźrden hohe EinDie Energiebranche ist sich der Hegen um 1,2 Terawattstunden oder acht speisungen fĂźr LastflĂźsse ins Ausland rausforderung zwischen der schwankenProzent gestiegen. Bei der Photovoltaik sorgen. Laut BDEW sind die Einfuhren den VerfĂźgbarkeit von Wind- und SondĂźrfte Verbandsangaben zufolge der Zunach Deutschland in den ersten drei nenenergie auf der einen und der wachs noch hĂśher ausfallen. Quartalen um 16 Prozent gestiegen, wähVersorgungssicherheit auf der anderen Damit befindet sich Deutschland direkt rend die Ausfuhren um neun Prozent zuSeite bewusst. „Wir arbeiten momentan auf dem Weg, der 2022 im vollständigen rĂźckgegangen sind. Die Bundesrepublik intensiv an der Umsetzung der EnergieAusstieg aus der Kernenergie mĂźndet. In sei vom Netto-Exporteur zum Netto-Imwende und unterbreiten konstruktive seiner Zukunftsprognose „Stromversorporteur geworden. Vorschläge“, versicherte BDEW-Chefin gung 2020“ stellt der Branchenverband Einen weiteren Grund fĂźr die nach wie Hildegard MĂźller. „Es liegt nicht an der Erneuerbare Energien (BEE) ein Szenario vor stabile Versorgung mit Energie ist der fehlenden Bereitschaft, doch es fehlt an auf, in dem Deutschland in ungefähr acht voranschreitende Ausbau von Ă–kostromeinem Fahrplan“, so MĂźller weiter. Das Jahren Ăźber erneuerbare Anlagen mit eianlagen. Aufgrund des Vorrangs fĂźr ersei die entscheidende Aufgabe fĂźr 2012. ner Leistung von 111 Gigawatt verfĂźgt, neuerbare Energien seien konventionelle Birgit SchĂśppenthau die bereits 47 Prozent des BruttostrombeKraftwerke nicht stärker ausgelastet ge-

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Als im FrĂźhjahr dieses Jahres das dauerhafte Aus fĂźr acht deutsche Atomkraftwerke kam, prognostizierten Branchenexperten spätestens mit Beginn des Winters Versorgungsprobleme. Von einem mĂśglichen Blackout war die Rede. Dieser ist bis heute nicht eingetreten. Die Bundesnetzagentur kam auĂ&#x;erdem zu dem Schluss, dass keine Notwendigkeit eines Kernkraftwerkes fĂźr den Reservebetrieb besteht. JĂźngsten Zahlen des Bundesverbandes der Ener gie- und Wasserwirtschaft -RD (BDEW) zufolge haben K7H Strommengen aus erneuerbaren Energien und Energieimporte den Ausfall vollständig kompensiert. Dennoch steht der hiesige Energieerzeugungspark vor einem tiefgreifenden Wandel. Die Richtung ist vorgegeben, die Weichen sind auf eine grĂźne Energieversorgung gestellt. Der milliardenschwere Zubau an erneuerbaren Energieanlagen soll sukzessive konventionelle Kraftwerkskapazitä ten ersetzen. Denn auch ohne die bis März noch -RD am Netz befindlichen K7H Atomkraftwerke stehen Energieerzeugung und Verbrauch derzeit im Einklang. So vermeldeten die Kraftwerksbetreiber in den ersten drei Quartalen 2011 eine Brutto-Erzeugung von knapp 404 Terawattstunden (TWh), der Verbrauch in Deutschland lag bei reichlich 388 TWh. Dabei hatten sich 2011 die Erzeugungskapazitäten bundesweit um rund 9,5 Gigawatt (GW) – davon 8,4 durch die Stilllegung der acht Kernkaftwerke – verringert. „Erhebliche Veränderungen sind im Stromaustausch sichtbar“, heiĂ&#x;t es in einer Studie des BDEW zu den Auswirkungen des Moratoriums. In den Wochen vor dem Moratorium seien durchschnittlich 90 Gigawattstunden Strom täglich exportiert worden. Danach kehrte sich dieser Trend um. Die StromflĂźsse aus Tschechien und Frankreich hätten um 60 Prozent zugenommen. Exporte nach Ă–ster-

„Bisher kann niemand sagen, was das kostet“ Hartmut Bunsen, Sprecher der ostdeutschen Unternehmerverbände und Berlins. Frage: Deutschland steigt frĂźher als geplant aus der Atomkraft aus. Gehen Sie da mit? Hartmut Bunsen: Es bleibt mir doch gar nichts anderes Ăźbrig. Nachvollziehen kann ich die Kehrtwende der Bundesregierung aber nicht. Warum? Immerhin hat es in Fukushima eine Reaktorkatastrophe gegeben. Stimmt. Aber Schwarz-Gelb hatte schon zuvor den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen, und kein anderes Industrieland wagt im Nachklapp einen solchen Salto mortale. Nun sollen die deutschen Meiler bis 2022 vom Netz gehen. Bisher kann niemand sagen, was das kostet, wie wir das in der KĂźrze der Zeit schaffen und wie wir Wettbewerbsnachteile wegen steigender Energiepreise wettmachen sollen. Aber es gibt Ausnahmeregelungen. FĂźr energieintensive Industrien. Der Mittelstand, der in den neuen Ländern das Gros der Beschäftigung sichert, steht im Regen. Er wird erhebliche PreiserhĂśhungen verkraften mĂźssen. Und das wird sich negativ auf das Wachstum und damit auf den Beschäftigungsaufbau in Ostdeutschland auswirken. Sie malen schwarz. Nein. Ich bin kein Atomkraft-Fetischist. Wenn alle anderen europäischen Länder aussteigen, kann auch Deutschland mitziehen. Aber nur dann. Wir brauchen gleiche Sicherheitsstandards und gleiche Wettbewerbsbedingungen und keinen ideologisch bestimmten Aktivismus. Schon heute liegen die Energiekosten in Ostdeutschland 20 Prozent Ăźber dem Bundesdurchschnitt. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der sich sogar noch verschlechtern wird. Verschlechtern? Ja. Energiepolitik ist maĂ&#x;geblich fĂźr das Wachstum. Ein Beispiel bitte. Den Ă–kostrom, den wir fĂźr die Energiewende brauchen, werden wir grĂśĂ&#x;tenteils in den neuen Ländern produzieren. Der muss dann Ăźber neue Leitungen nach SĂźddeutschland transportiert werden. Auf den Investitionskosten bleiben unsere regionalen Versorger sitzen. Dass in der Folge Netzentgelte steigen, liegt auf der Hand. Gibt es keinen Ausgleich, sind Verbraucher und Betriebe in Ostdeutschland die Dummen. Interview: Thilo Boss

EEG – oft kopiert und weiter umstritten Zweifel an umweltpolitischen Effekten Obwohl bis heute heftig umstritten, ist das Gesetz fĂźr den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) zu einem Exportschlager geworden. 47 Staaten, davon 19 aus der Europäischen Union, haben das Gesetz mittlerweile kopiert. Um einen zĂźgigen Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, haben sich selbst Staaten wie China und Indien fĂźr feste Einspeisetarife als FĂśrderrahmen entschieden. Diese festen Tarife werden sich laut Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) weltweit durchsetzen. BEE-GeschäftsfĂźhrer BjĂśrn Klusmann sieht im EEG den zentralen Hebel fĂźr den notwendigen Umbau der Energieversorgung hierzulande. Im April 2000 trat das Gesetz in Kraft und wurde inzwischen mehrfach novelliert. Es fĂśrdert die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Windund Sonnenenergie, Biomasse, Geothermie, Deponie- und Klärgas sowie aus Grubengas. Im Kern legt es EinspeisevergĂźtungen fĂźr Strom aus erneuerbaren Energien fest, die Ăźber dem Marktpreis liegen, und verpflichtet Netzbetreiber – in der Regel bis zu 20 Jahre –, Ă–kostrom zu diesen Sätzen und in vollem Umfang abzunehmen und in den Markt zu bringen. Die dabei entstehenden Mehrkosten mĂźssen in erster Linie die Stromkunden tragen – Ăźber die sogenannte EEG-Umlage. Dem Wesen nach handele es sich beim EEG um nichts anderes als Preisregulierung, bei der die Abnehmer gezwungen werden, Strom aus regenera-

3OLARSTROMFšRDERUNG 57,40 Cent/kWh 51,80

%INSPEISEVERGÔTUNGÌ FÔRÌ0HOTOVOLTAIK !NLAGENÌ BISÌZUÌ ÌK7H 46,57

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HINTERGRUND

Stromimporte fĂźllen die LĂźcke

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Foto: dpa

Norbert RĂśttgen (CDU), Bundesumweltminister. Frage: Deutschland hat sich eine ehrgeizige Energiewende vorgenommen. Andere europäische Länder folgen dem Beispiel aber nicht. Wird das ein Nachteil fĂźr Deutschland sein? Norbert RĂśttgen: Es gibt nicht nur bei unseren europäischen Nachbarn, sondern weltweit ein ungebrochenes Interesse an der Energiewende, die wir beschlossen haben, und eine groĂ&#x;e Aufmerksamkeit fĂźr unsere Politik. Der Umbau unserer Energie- und Stromversorgung ist ein enormer Impuls fĂźr wirtschaftliche Investitionen und technologische Innovationen, das geht mit einem Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit einher. China zum Beispiel, so sagen es mir meine Gesprächspartner, wĂźrde auch ohne Klimawandel in Energieeffizienz und erneuerbare Energien investieren. Auch, um zukĂźnftig im internationalen Wettbewerb mit den hoch industrialisierten Ländern bestehen zu kĂśnnen. Bei uns erwirtschaftet die Branche der erneuerbaren Energien einen Umsatz von circa 30 Milliarden Euro im Jahr und beschäftigt inzwischen rund 370 000 Menschen. Bei dieser Entwicklung sehe ich nur Vor- und keine Nachteile. Zur Energiewende gehĂśrt der Ausbau der erneuerbaren Energien. Was wird die Energiewende den Verbraucher kosten? In der Tendenz wird Energie nicht billiger, das mĂźssen wir den BĂźrgerinnen und BĂźrgern auch ehrlich sagen. Aber sie profitieren auch davon, zum Beispiel durch die neuen Arbeitsplätze, die bei den erneuerbaren Energien geschaffen werden. In der Breite der BevĂślkerung, und Ăźbrigens auch der Wirtschaft, findet unser Kurs groĂ&#x;e Zustimmung. Und die Menschen sind auch bereit, etwas dafĂźr zu bezahlen. Umso erfreulicher ist es, dass die erneuerbaren Energien dynamisch und ungebrochen ausgebaut werden, die Umlage fĂźr diese aber stabil bleibt. Und: Regenerative Energien schonen das Klima und machen uns von Energieimporten unabhängiger. Auch das kommt den BĂźrgern zugute. Fossile Energieträger sind Teil des Energiemixes. Wird es erforderlich sein, dass neue Kohlekraftwerke gebaut werden? Die Reservekapazitäten, die wir haben, sind sehr hoch, im vergangenen Monat ist wieder mehr Strom exportiert als importiert worden. Wir brauchen vor allem flexible Gaskraftwerke, die bei Bedarf schnell hochgefahren werden kĂśnnen und die die erneuerbaren Energien gut ergänzen. Derzeit sind insgesamt 18 Gas- und Kohlekraftwerke im Bau. Mangelnde Kapazitäten sind nicht das Problem, was wir vielmehr brauchen, ist eine zunehmende Vernetzung der erneuerbaren Energien. Interview: Markus Werning

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Foto: pd

Dienstag, 13. Dezember 2011

tiven Energieträgern zu ĂźberhĂśhten Preisen abzunehmen, sagt AndrĂŠ Schmidt, Professor fĂźr Volkswirtschaftslehre an der Universität Witten/Herdecke. „Die Anreizwirkung fĂźr die Stromanbieter ist dabei natĂźrlich unbestritten. So ist es durchaus ein Erfolg des EEG, dass im Jahr 2011 der Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtstromerzeugung 16 Prozent beträgt. Ohne dieses Gesetz wäre ein solcher hoher Anteil nicht erreicht wurden.“ Zugleich bezweifelt Schmidt die umweltpolitische Effektivität des Gesetzes. Einen funktionierenden Emissionshandel vorausgesetzt, steige das Angebot an verkäuflichen Emissionsrechten, wenn durch das EEG der AusstoĂ&#x; von Kohlendioxid sinke. Da der Preis sinke, kĂśnnten sich die GroĂ&#x;anlagen der Industrie im In- und Ausland nun preiswert einen Freifahrtschein kaufen, statt Ăźber Filter nachzudenken. Mit anderen Worten, der deutsche Stromkunde subventioniere in Form hĂśherer Strompreise die CO2-intensiven Anlagen im Ausland, ohne dass dadurch auch nur eine Tonne an CO2Emissionen fĂźr das Weltklima eingespart werde, kritisiert Schmidt. Auch im Bereich der Photovoltaik sei der Ăśkologische Erfolg des EEG infrage zu stellen. FĂźr die 48 000 Beschäftigten flossen laut Schmidt 2008 Subventionen in HĂśhe von 8,4 Milliarden Euro. „Das sind 175 000 Euro pro Arbeitsplatz.“ Allein schon im Vergleich mit dem Steinkohlebergbau mit seinen bescheidenen 75 000 Euro pro Arbeitsplatz wĂźrden sich Zweifel an der FĂśrderung ergeben. Da 48 Prozent aller in Deutschland montierten Solaranlagen aus China stammten und der Weltmarktanteil deutscher Unternehmen auf 15 Prozent gefallen sei, mache die FĂśrderung auch aus dieser Sicht wenig Sinn. „Die ĂźberhĂśhten und gleichzeitig garantierten EinspeisevergĂźtungen haben die Innovationskräfte in diesem Industriezweig eher lahmgelegt.“ Während unter anderem der BEE Verlässlichkeit in der FĂśrderung fordert, wird in Berlin eine weitere KĂźrzung verlangt. Unabhängig davon sinkt die VergĂźtung im Januar bereits um 15 Prozent. Andreas Dunte

Von: Anna Kuhn An: E.ON Betreff: Energie der Zukunft

Wie geht’s mit Energie jetzt weiter? Macht mal eine klare Ansage, E.ON.

Hallo Frau Kuhn, wir gestalten die Zukunft der Energie. Damit sie sauberer wird und bezahlbar bleibt. Schon heute erzeugen wir allein in Deutschland jährlich rund 8 Milliarden kWh Strom aus Wasser, Wind, Biomasse und Sonne. Das entspricht dem Bedarf von ßber 5 Millionen Menschen. Und wir bauen die Erneuerbaren Energien konsequent weiter aus.

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ENERGIE REPORT

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Offshore-Ausbau gerät ins Stocken

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und He dreiht will EnBW dageSpätestens seit Mitte November gen erst angehen, wenn Baltic ist klar: Der Aufbau von Wind2 erfolgreich in Betrieb genomparks auf dem Meer, die sogemen sei, so Eggstein. nannte Offshore-EnergieerzeuDie groĂ&#x;en Risiken beim Bau gung, wird länger dauern, als erhĂśhen auch das Investitionsdie Bundesregierung geplant risiko fĂźr potenzielle Geldgeber. hat. In einem offenen Schreiben So klagt Tennet darĂźber, dass warnte der niederländisches schwierig sei, das notwendideutsche Netzanbieter Tennet ge Kapital fĂźr die Errichtung die Regierung, der geplante Ander AnschlĂźsse der Windparks schluss der Windparks auf der zu erhalten. Alexander Sewohl offenen Nordsee sei „in der bislobt zwar, dass die Bundesreherigen Form und Geschwingierung das Offshore-Kreditdigkeit nicht länger mĂśglich.“ programm der Kreditanstalt Dabei sind die Ziele des BunfĂźr Wiederaufbau (KfW) ausgedes in Bezug auf Offshore ehrweitet hat. So stĂźnden jetzt fĂźr geizig. Bis 2030 soll die Hälfte die ersten zehn Offshore-Winddes deutschen Stromverbrauchs parks jeweils rund 500 Millioaus erneuerbaren Energien genen Euro Startkapital bereit. deckt werden. Das schreibt das Doch insgesamt stehen in Ăźberarbeitete ErneuerbareNord- und Ostsee rund 26 OffEnergien-Gesetz (EEG) vor, das shore-Projekte in der Wartezum ersten Januar in Kraft tritt. schlange. Die Hilfe durch die Den Offshorewindanlagen KfW wird also längst nicht fĂźr kommt dabei eine SchlĂźsselrolalle Vorhaben ausreichen. le zu. Sie sollen dann „25 GigaDer Bundesverband Windwatt Strom erzeugen und damit energie hält die Strategie, alle die Jahresleistung von rund 25 Hoffnung auf Offshore-StromAtomkraftwerken ersetzen“, so erzeugung zu setzen, deshalb ein Regierungssprecher. Bislang sind vor deutschen Das Testfeld Alpha Ventus ist seit zwei Jahren in Betrieb. Bis weitere Windparks in der Nordsee ans Netz ge- fĂźr falsch. „Wir gehen davon KĂźsten allerdings erst zwei hen, kĂśnnte es wegen der technischen Herausforderungen aber noch eine Weile dauern. Foto: dpa aus, dass 2020 rund sieben Gigawatt Strom auf dem Meer erWindparks in Betrieb: Das Testfeld Alpha Ventus in der Nordsee, sowie blem dar. „Die Windräder kĂśnnen wir nur derike Eggstein. Der Energieriese tastet zeugt werden. Von Windrädern auf dem Baltic 1, das erste Projekt des sĂźddeut- bis zu einer Windstärke von vier bis fĂźnf sich daher Schritt fĂźr Schritt ins tiefere Land, also dem Onshore-Bereich, werden schen Stromkonzerns Energie Baden- installieren“, sagt EnBW-Sprecherin Frie- Wasser vor, denn: Bau und Betrieb eines dagegen rund 45 Gigawatt kommen.“ Windparks werden umso komplizierter je WĂźrden nur zwei Prozent der geeigneten WĂźrttemberg (EnBW) in der Ostsee. An weiter die Entfernung zum Ufer und je Flächen auf dem Land fĂźr moderne Winddrei weiteren Projekten wird gebaut. ĂŚ-7 tiefer das Wasser wird. Baltic 1 ist mit räder genutzt, lieĂ&#x;en sich damit 65 ProBard-Offshore 1 und Borkum West 2 in etwa 18 Kilometern noch relativ dicht an zent der Gesamtstromversorgung Deutschder Nordsee sowie Baltic 2 in der Ostsee der KĂźste, Baltic 2 mit Ăźber 30 Kilometern lands decken. „Langfristig bleibt Onshore sollen 2013 ans Netz gehen. dagegen schon ein StĂźck weiter entfernt. der wichtigere Markt“, so Sewohl. Doch bei den Bauarbeiten zeigten sich Clemens Haug Die geplanten Nordseeprojekte Hohe See groĂ&#x;e Schwierigkeiten, sagt Alexander Sewohl, Sprecher des Bundesverbandes Windenergie. Deshalb „kommt es bei )NSTALLIERTEĂŚ7INDLEISTUNG Offshore zu erheblichen VerzĂśgerungen.“ Durch die Naturschutzauflagen mĂźssten die meisten Parks weit vor den deutschen KĂźsten errichtet werden. Die groĂ&#x;en Wassertiefen machten Pionierleistun gen nĂśtig. Zudem brauchten die Unternehmen teure Spezialschiffe fĂźr die Bauarbeiten und seien stark von der Wetterlage abhängig. Die hohen Windgeschwindigkeiten sind später zwar fĂźr die Stromerzeugung gĂźnstig. Beim Bau stellen sie allerdings ein Pro-

Antje Hermenau, Fraktionschefin der GrĂźnen in Sachsens Landtag. Frage: Welche Chancen sehen Sie durch die Energiewende fĂźr Sachsen? Antje Hermenau: Die Chancen bestehen darin, dass die Netze fĂźr Strom aus erneuerbaren Energieträgern nicht mehr vom Atomstrom blockiert werden. Sachsen steht im Vergleich mit anderen Bundesländern beim Ausbau alternativer Energien allerdings ziemlich schlecht da. Das hat zum einen damit zu tun, dass es eine Fixierung auf die Braunkohle gibt. Immer noch wird 80 Prozent der sächsischen Stromproduktion aus Braunkohle gedeckt. Zum anderen sind sie Ausbauziele fĂźr erneuerbare Energien nicht besonders ehrgeizig. Sie liegen bei 33 Prozent des Strombedarfs bis zum Jahr 2020. Das sind rund 7000 Gigawattstunden. Diese Menge hat Sachsen-Anhalt bereits 2009 produziert. Welche MĂśglichkeiten sehen Sie fĂźr den Ausbau von erneuerbaren Energieträgern, insbesondere der Windkraft? Bayern und Baden-WĂźrttemberg haben durchgesetzt, dass Onshore-Windanlagen bei der FĂśrderung stärker berĂźcksichtigt werden sollen. Auch in Sachsen wäre Wind das, was am schnellsten auszubauen ginge. Ich spreche dabei nicht von riesigen Windparks, sondern von mĂśglichst vielen regionalen Energiekreisläufen. Das wĂźrde bedeuten, dass man den Strom auch dort verbraucht, wo er produziert wird. Die Kommunen betreiben dabei selbst kleine Windparks. Wenn sich die Investition amortisiert hat, dann gehĂśren die Einnahmen ihnen. Solche Impulsinvestitionen sollten gezielt unterstĂźtzt werden. Das kann auch Ăźber die kommunalen Stadtwerke laufen, deren Gewinne ebenfalls das Stadtsäckel fĂźllen. Wird es dafĂźr eine Akzeptanz in der BevĂślkerung geben? Meistens wollen die BĂźrger ja kein Windrad vor der eigenen HaustĂźr. Aber alle wollen auch eine Kita oder eine Schule haben und stehen vor dem Problem, dass die Zuweisungen an die Kommunen drastisch zurĂźckgehen. Dann doch lieber eigenes Geld mit dem verdienen, was die Leute immer brauchen – nämlich Strom. Das ist meine Rechnung. Und ich glaube, dass hierfĂźr auch die Akzeptanz der BĂźrger hĂśher ist als fĂźr irgendeinen Investor auf irgendeiner Insel. Solche kommunalen Windparks wĂźrde ich daher von Landesebene aus anschieben. Interview: Sabine Schanzmann-Wey

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Foto: Andreas DĂśring

Stanislaw Tillich (CDU), Ministerpräsident in Sachsen. Frage: Sachsen ist Braunkohleland, betrachtet Energie aber als Zukunftsthema. Ein Widerspruch? Stanislaw Tillich: Ganz im Gegenteil: Die Braunkohle bleibt unsere wichtigste Energiequelle, während gleichzeitig die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Weil die Kernenergie in den kommenden Jahren schneller wegfällt als erwartet, ist es klar, dass die Braunkohle auf viele Jahre fĂźr die industriepolitisch wichtige und zuverlässige Versorgung mit Grundlaststrom sogar noch bedeutender wird. Genau aus diesen GrĂźnden behält die heimische Braunkohle fĂźr Sachsen ihre Bedeutung. AuĂ&#x;erdem ist sie preiswert und steht uns zuverlässig zur VerfĂźgung. Als Auftraggeber, Investor und Steuerzahler ist dieser Industriezweig ein wichtiger regionaler Wirtschaftsmotor. Sind die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung mit Braunkohleverstromung zu erreichen? Das Ziel, die CO2-Emission zu verringern, wird durch die Braunkohlenutzung nicht in Frage gestellt. Mit hohen Investitionen in die Modernisierung und den Neubau von Kraftwerken hat die Braunkohleindustrie in den vergangenen Jahren die Effizienz kontinuierlich gesteigert. Energieeinsparungen und Effizienzsteigerung sind und bleiben aber in fast allen Bereichen die grĂśĂ&#x;te ungenutzte Energiequelle. Erneuerbare Energien haben sich als Jobmotor erwiesen. Wie wird die Landesregierung diesen Prozess weiter vorantreiben? Die Sächsische Staatsregierung weiĂ&#x; um die Wachstumspotenziale dieser Branche. Im Freistaat arbeiten etwa 1800 Industrie- und Dienstleistungsunternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien auf weltweit anerkanntem Spitzenniveau. Hier entwickeln und realisieren rund 10 000 Beschäftigte Technologien fĂźr den Wachstumsmarkt der Zukunft bei einem Umsatz von 2,3 Milliarden Euro allein im vergangenen Jahr. Mit dem Ressourcenzentrum Freiberg, Universitäten und auĂ&#x;eruniversitären Forschungseinrichtungen sind wir zusammen mit den Industriepartnern gut fĂźr die Bereiche Leichtbau, Photovoltaik, Energietechnik und effiziente Nutzung aufgestellt. Interview: Birgit SchĂśppenthau

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Herausforderungen auf dem Meer machen Unternehmen zu schaffen / Investoren halten sich zurĂźck

„Ausbauziele nicht besonders ehrgeizig“

Foto: Wolfgang Zeyen

„Braunkohle bleibt wichtigste Energiequelle“

Kostentreiber Ă–kostrom Wirtschaft fĂźrchtet Wettbewerbsnachteile durch steigende Preise

Aus Verantwortung fĂźr unsere Region.

Quelle: IW / Grafik: Enzo Forciniti

Zukunft braucht Sicherheit

Prozent. Im Nachbarland Frankreich Die Perspektiven sind eigentlich nicht EEG-FĂśrderung 2011 zahlt ein Unternehmen nur halb so viel schlecht: Läuft alles nach Plan, kĂśnnen Subventionsanteil fĂźr die einzelnen wie seine Konkurrenz in Deutschland, Windräder und Solarstromanlagen bunStromarten in Deutschland, die nach dem beklagt der Bundesverband der Deutdesweit schon 2020 14 Gigawatt (GW) EEG gefĂśrdert werden schen Industrie (BDI). Preistreiber ist mehr Strom produzieren als Deutschland dabei vorwiegend die FĂśrderung der erbraucht. Zwei Jahre bevor das letzte Deponie-, Klär, Grubengas 28,6 Prozent neuerbaren Energien, wie eine Untersudeutsche Kernkraftwerk vom Netz geht, Wasserkraft 35,6 chung des Instituts der deutschen Wirtwäre dann das Zeitalter der erneuerbaren schaft KĂśln (IW) zeigt. Bereits 2010 Energien endgĂźltig eingeläutet. TheoreWind an Land 53,0 wurden fĂźr Strom aus regenerativen tisch jedenfalls. Quellen 16,7 Milliarden Euro von den Denn das Ganze hat einen Haken, wie Biomasse 71,0 Stromkunden bezahlt. Davon entfielen Vattenfall-Manager Michael von Bronk nur 4,7 Milliarden Euro auf den Strom erst kĂźrzlich auf einem parlamentariWind auf See 72,1 selbst, aber zwĂślf Milliarden Euro auf schen Abend der ostdeutschen UnternehGeothermie 76,9 die Subventionen. merverbände und Berlins vorrechnete. Durch den vorzeitigen AtomkraftausDer Erfolg der Energiewende hängt nämPhotovoltaik 85,3 stieg fĂźrchtet BDI-Chef Hans-Peter Keitel lich nicht von der installierten, sondern nun nochmals eine Kostenexplosion, die von der gesicherten Leistung ab. Der proden Preis um ein Drittel nach oben treibt. duzierte Ăœberschuss stĂźnde zwar auf dem 8,5 FĂźr ein typisches Industrieunternehmen, Papier, praktisch dĂźrften es aber nur 0,5 Prozent das nicht in einer energieintensiven aus der Photovoltaik und 3,5 Gigawatt Branche tätig ist, erwartet der Verband aus der Windkraft sein, die dann durch Stromsteuer bis 2018 eine zusätzliche Belastung von die Leitungen flieĂ&#x;en. „Das sind keine 7,4 0,5 KWK-Umlage 72 000 Euro. Das wären 44 Prozent fĂźnf Prozent des Bedarfes an gesioder 22 000 Euro mehr, als bislang cherter Leistung“, rechnete der Konzessionsabgabe erwartetet wurde. Deshalb sehen Energiemanager den Firmenchefs auch zwei Drittel der Teilnehmer vor. 8,5 EEG-Umlage einer Umfrage der Amerikanischen Unter dem Strich bedeutet das, Handelskammer unter den 50 dass der Ausbau der Ă–kostromSo setzt sich der grĂśĂ&#x;ten US-Unternehmen in Erzeugung noch ambitionierter Strompreis zusammen Deutschland die steigenden Enerdurchgezogen werden muss als Quelle: BDEW, Stand: 2010 / Grafik: Enzo Forciniti giekosten inzwischen als grĂśĂ&#x;tes bisher geplant. Laut dem PräsiErzeugung, Risiko fĂźr die Wirtschaft. Dieses denten des MĂźnchner Ifo-Instituts MehrwertTransport, 59,1 Problem wird noch hĂśher eingeHans-Werner Sinn mĂźssten als Er24,1 steuer Vertrieb stuft als der Fachkräftemangel. satz fĂźr die deutschen Atomkraftrecent / kWh Thilo Boss aktoren 111 000 Windräder zu den 16,0 bereits vorhandenen aufgestellt werden. Deutschland besäĂ&#x;e dann achtmal so viele Windräder wie KirchtĂźrme. Die meisten Windkraftparks werden auf dem Land (Onshore) entstehen – sie bräuchten fast eine Fläche in der GrĂśĂ&#x;e (VSW), Bodo Finger, warnt zugleich dades Landes Nordrhein-Westfalen. Selbst vor, dass der Umbau zu den Erneuerbawenn leistungsschwächere Anlagen der Elektrogeräte verbrauchen auch dann ren erheblich steigende Strompreise und ersten Generation durch moderne, leisStrom, wenn sie nicht genutzt werdamit Wettbewerbsnachteile nach sich tungsstärkere ersetzt werden (Repoweden, aber im Standby-Modus sind. ziehe. „Dieser Tatsache mĂźssen wir ins ring), die im Gegensatz zu den WindräSie bleiben in Bereitschaft, damit sie Auge sehen“, sagt Finger. dern aus den 90ern inzwischen die bei Bedarf sofort wieder einsatzbereit Insbesondere kĂśnnten darunter die dreifache Leistung erzielen, entspräche sind. Fernseher und Musikanlagen neuen Bundesländer leiden. Schon heute das benĂśtigte Gebiet immer noch der zum Beispiel. Die Hersteller reagierangiere die Bundesrepublik mit ihren GrĂśĂ&#x;e des Saarlandes. ren aber, der Standby-Verbrauch von Strompreisen an der Spitze der europäi„Der Aufbau der Onshore-Parks muss Neugeräten sei kaum der Rede wert, schen Union. „Und in Ostdeutschland maĂ&#x;voll geschehen. Wenn wir in Meckberichtet die Stiftung Warentest. Die liegt der Preis durchschnittlich 20 Prolenburg-Vorpommern, wo es im GegenWerte lägen unter der erlaubten zent Ăźber dem im Westen. Weitere Belassatz zu den sĂźdlichen Ballungszentren Grenze von einem Watt. Nicht aber tungen durch die Energiewende wirken viel Platz dafĂźr gibt, die Landschaft verbei einigen Laserdruckern. 17 bis 18 sich auf die Wirtschaftskraft Ăźberproporspargeln, gefährdet das den mĂźhsam aufWatt haben die Warentester bei ihtional negativ aus“, prognostiziert der Vigebauten Tourismus. Ă„hnlich sieht es mit nen gemessen. Auch deshalb lägen zepräsident des sächsischen Unternehden Windparks im Meer aus. Diese Beidie Stromkosten im Jahr bei bis zu 9 merverbandes Mathias Reuschel. spiele zeigen, dass die Energiewende in Euro – gegenĂźber 3 Euro bei sparsaSchon seit 1999 haben sich in Deutschein integriertes und abwägendes wirtmen Geräten. Die Stromfresser sollland die staatlich verursachten Belastunschaftliches Gesamtkonzept einflieĂ&#x;en ten deshalb ganz ausgeschaltet wergen des Strompreises mehr als verfĂźnfmuss“, mahnt der Sprecher der ostdeutden, wenn sie nicht mehr gebraucht facht. 2010 lag der Anteil Steuern und schen Unternehmerverbände und Berlins, werden, raten die Fachleute. wer Abgaben an dem Strompreis bei den priHartmut Bunsen. Und der Präsident der vaten Haushalten laut Eurostat bei 41 Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft

Spartipp: Standby

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ENERGIE REPORT

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Dienstag, 13. Dezember 2011

„Wir senken kontinuierlich die Kosten“

Hans-Peter Villis, Vorstandschef von EnBW. Frage: Sie wollen die EnBW zu einem grĂźnen Konzern umbauen. Wie weit sind Sie vorangekommen? Hans-Peter Villis: Mit der Inbetriebnahme des ersten kommerziellen OffshoreWindparks in Deutschland, EnBW Baltic, und dem Neubau des Wasserkraftwerks Rheinfelden, eine der grĂśĂ&#x;ten Anlagen in Deutschland, haben wir Pionierarbeit geleistet. MĂśglich war dies, weil wir mit Planung und Bau der Anlagen bereits vor einigen Jahren begonnen haben. Daran erkennt man, dass die EnBW lange aktiv am Ausbau der erneuerbaren Energien arbeitet. DarĂźber hinaus setzen wir auf Energieeffizienz und modernisieren unsere Kraftwerke, denn eine C02-arme Stromerzeugung ist und bleibt unser Ziel. Mit EnBW Baltic 1 waren Sie Vorreiter. Gibt es weitere Pläne? Ja, unser zweiter Offshore-Windpark, der sechs Mal so groĂ&#x; sein wird wie sein Vorgänger EnBW Baltic 1, nimmt konkrete Formen an. Sämtliche GroĂ&#x;aufträge sind vergeben, der Bau der Umspannstation hat begonnen. Nach erfolgreicher Realisierung dieses Windparks werden die Nordseeprojekte EnBW Hohe See und EnBW He dreiht in den Fokus rĂźcken. DarĂźber hinaus planen wir, die Wasserkraft und die Windkraft an Land auszubauen. Allein in den letzten drei, vier Jahren haben wir hier unsere Kapazitäten fast versechsfacht. Diesen Weg werden wir weitergehen. Neben den erneuerbaren Energien sollen Gaskraftwerke ein Standbein sein. Verfolgen Sie diese Strategie weiter? Moderne Gaskraftwerke sind wegen ihrer Flexibilität und guten CO2-Bilanz ideal, um den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien zu flankieren. Aus diesem Grund investieren wir auch. Zum Beispiel bauen wir in DĂźsseldorf gemeinsam mit der Stadt ein hocheffizientes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk. Aber wir verfĂźgen noch Ăźber weitere geeignete Standorte, etwa in Lubmin und in Karlsruhe. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir diese gemeinsam mit Partnern, zum Beispiel der VNG, entwickeln. Die Energiewende kostet viel Geld. Wie viel wollen Sie investieren? In den nächsten zehn Jahren wollen wir acht bis zehn Milliarden Euro in die Erneuerbaren investieren, Ăźberwiegend in die WertschĂśpfung in Deutschland. Damit sind wir mit Spitze. Interview: Thilo Boss

Frank Asbeck, Vorstandschef von Solarworld. Frage: Auch Solarworld macht das Ăœberangebot und der Preisverfall auf dem Solarmarkt zu schaffen. Mit welchen MaĂ&#x;nahmen wollen Sie gegensteuern? Frank Asbeck: Mit unserer wirtschaftlichen Produktion und unserer starken Marke werden wir zu den Gewinnern gehĂśren. Ich bin Ăźberzeugt, dass unsere Verkäufe auch nächstes Jahr zulegen. Wir werden in spätestens drei Jahren polykristalline Solarzellen bauen, die 19 Prozent des Sonnenlichts in Strom umwandeln. Heutige Zellen schaffen im Schnitt 17 Prozent. Bei monokristallinen Zellen wollen wir den Wirkungsgrad von 19 auf 21 Prozent steigern. Wenn wir das bei gleichen Produktionskosten hinbekommen, lässt sich die Elektrizität vom Dach schon 2017 mit rund zwĂślf Cent je Kilowattstunde zu gleichen Kosten erzeugen wie Meereswindstrom. Ein anderer Ansatz ist die Langlebigkeit. Wir arbeiten an Modulen, die mit 50 Jahren doppelt so lange Strom produzieren, als das fĂźr die heutigen garantiert ist. Reicht der technologische Fortschritt angesichts des harten Wettbewerbs aus? In unseren hochmodernen und voll automatisierten Produktionen in Freiberg und in den USA senken wir kontinuierlich die Kosten. Dort stellen wir Solarstrommodule und Solarzellen nach hĂśchsten Qualitäts- und Sozialstandards her. Solarworld ist mit jedem Hersteller auf der Welt wettbewerbsfähig. Unfair wird es allerdings dann, wenn man es nicht mit Unternehmen, sondern mit Staatsregierungen zu tun hat. Denn die Preisgestaltung Chinas hat nichts mit technischem Fortschritt zu tun, sondern ausschlieĂ&#x;lich mit Subventionen, die nach den Richtlinien der WTO illegal sind. Was erwarten Sie von dem Anti-Dumping-Verfahren gegen chinesische Hersteller in den USA und inwiefern ist das Ăźbertragbar auf andere Märkte? Das unfaire Verhalten chinesischer Hersteller ist auf dem deutschen und dem europäischen Markt genau das gleiche wie in den USA. Sie kommen mit Dumpingpreisen auf den Markt und versuchen so, sich aus strategischen GrĂźnden Marktanteile zu sichern. Deshalb ist es aus unserer Sicht sinnvoll, auch auf EUEbene eine Klage einzureichen. Derzeit prĂźfen wir die Optionen. Interview: Sabine Schanzmann-Wey

Enttäuschte Hoffnungen GefĂśrderte deutsche Solarindustrie leidet unter Ăœberkapazitäten und Preisverfall Die Wende der Bundesregierung hin zum Atomausstieg schien fĂźr die deutsche Solarbranche eigentlich so etwas wie ein Konjunkturprogramm zu bedeuten. Stattdessen rutschten die Photovoltaik-Hersteller in diesem Jahr jedoch tief in die Krise. Die Unternehmen verzeichnen rĂźckläufige Umsätze, Verluste und kämpfen teilweise bereits ums Ăœberleben. Was auf den ersten Blick Ăźberraschen mag, hat seine Ursachen schlicht im zunehmenden Wettbewerb. Die deutsche Solarbranche, hochgepäppelt mit einer Ăźppigen EinspeisevergĂźtung, sieht sich einer dominanten Konkurrenz aus China gegenĂźber, die mit gĂźnstigen Produkten den Markt Ăźberschwemmt. Zwar wächst der Absatz von Solarmodulen weiter. „Weltweit dĂźrfte der Zubau in diesem Jahr bei rund 20 Gigawatt liegen“, sagt Bernd SchĂźssler, Sprecher des Branchenmagazins Photon. „Die Produktionskapazität fĂźr Solarmodule beträgt aktuell allerdings rund 50 Gigawatt.“ Die Preise fĂźr die Sonnenstrom-Module sind daher in diesem Jahr um rund 40 Prozent eingebro-

chen. Dabei ist ein deutsches Modul noch einmal rund 40 Prozent teurer als ein chinesisches. Inzwischen heiĂ&#x;t es selbst bei namhaften deutschen Herstellern intern, dass es billiger sei, aus dem Ausland zuzukaufen als selbst zu produzieren. Zu spĂźren bekommt die Entwicklung nicht zuletzt der einstige MarktfĂźhrer Q-Cells. Trotz eingeleiteter SparmaĂ&#x;nahmen verbunden mit einem Stellenabbau, der Verlagerung von Produktionsteilen nach Malaysia und dem Aufbau neuer Geschäftsfelder, macht das Solarunternehmen seinen Aktionären groĂ&#x;e Sorgen. Im dritten Quartal stand unterm Strich ein Minus von 57,1 Millionen Euro. Eine Prognose fĂźr das nächste Jahr gibt Vorstandschef Nedim Cen erst gar nicht ab. Auch das im sächsischen Freiberg produzierende Unternehmen Solarworld musste im dritten Quartal einräumen, sich dem Abwärtstrend nicht mehr entziehen zu kĂśnnen und verĂśffentlichte rĂźckläufige Umsatzzahlen sowie einen Verlust von neun Millionen Euro. Analysten haben daher längst den Daumen Ăźber den So-

larwerten gesenkt. Die Q-Cells-Aktie, die Ende 2007 Ăźber 80 Euro wert war, notiert mittlerweile unter einem Euro. Auch Solarworld, 2007 noch Ăźber 40 Euro wert, rutschte zuletzt unter die Drei-Euro-Marke. Dabei hatte die Branche angesichts der FĂśrderung Ăźber das ErneuerbareEnergien-Gesetz (EEG) lange gut verdient. Kritiker bemängeln, dass sich die Vorstandschefs Ăźber Aktienverkäufe und Dividenden reich gemacht hätten – statt das Geld zu investieren. „Der Kardinalfehler des EEG liegt in der politischen Festlegung der VergĂźtungssätze, die es gut organisierten Lobbyisten zu leicht macht, mehr als nur kostendeckende Tarife durchzusetzen“, kritisiert Holger Krawinkel, Energieexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. So liege der Anteil von Solarstrom derzeit bei nur drei Prozent der Stromerzeugung – sei aber fĂźr etwa die Hälfte der EEG-Umlage von rund 14 Milliarden Euro jährlich verantwortlich. Jeder Stromkunde muss damit fĂźr die EinspeisevergĂźtung rund 3,5 Cent zusätzlich pro Kilowattstunde zahlen. Branchenbeobachter

befĂźrchten daher, dass die Kosten fĂźr die solare FĂśrderung mit einem zu groĂ&#x;en Zubau aus dem Ruder laufen. Eine Deckelung der FĂśrderung bei einem Zubau von 1000 Megawatt in Deutschland, wie sie jĂźngst die Fraktionschefs der Regierungskoalition gefordert hatten, stĂśĂ&#x;t bei der hiesigen Solarbranche jedoch auf heftige Kritik. Eine Umsetzung der VorstĂśĂ&#x;e wĂźrde den Ausbau der erneuerbaren Energien ausbremsen und die Zukunftsbranche Solarenergie gefährden, heiĂ&#x;t es seitens des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). Dabei lagen die Zubau-Prognosen der Branche fĂźr das Jahr 2011 selbst bei einst nur 623 Megawatt. Doch dabei war vermutlich die Dominanz der chinesischen Hersteller nicht mit eingerechnet worden, die den deutschen Herstellern einen groĂ&#x;en Teil der FĂśrderung streitig machen. Laut dem Zentrum fĂźr Solarmarktforschung Berlin beträgt Chinas Marktanteil im Zellen- und Modulgeschäft in Deutschland mehr als 60 Prozent, der deutsche Anteil liegt dagegen bei weniger als 15 Prozent. Sabine Schanzmann-Wey

Kampf gegen die Konkurrenz aus Asien Erstes Anti-Dumping-Verfahren in den USA

Wir Ăźbernehmen Verantwortung FĂźr die langfristig sichere und bezahlbare Stromerzeugung in Deutschland Ăźbernehmen wir Verantwortung – jeden Tag aufs Neue. Im sächsischen Lippendorf erzeugt Vattenfall Strom und Wärme auf Basis heimischer Braunkohle und sichert damit auch WertschĂśpfung und Beschäftigung in der Region. www.vattenfall.de

Dabei kĂśnnten sich deutsche HerstelDie deutsche Solarstrombranche beler eigentlich nicht Ăźber mangelnde kommt derzeit eine Entwicklung zu Subventionen beklagen, meinen BranspĂźren, die die Unterhaltungselektronik chenbeobachter. Neben der Nachfrageschon hinter sich hat: Die Asiaten profĂśrderung Ăźber das Erneuerbare-Enerduzieren billiger. Rund 20 Prozent liegien-Gesetz sei der Bau von Produktigen die Fertigungskosten der Chinesen onsstätten unterstĂźtzt worden. Wie das unter denen der Konkurrenz in DeutschManager Magazin berichtete, entfielen land und Europa, schätzen die Unterdemnach allein auf Q-Cells und deren nehmensberater der Boston Consulting Beteiligungen in den vergangenen sieGroup. Doch damit nicht genug. Was die ben Jahren addiert weit mehr als 200 westliche Branche zudem ärgert, sind Millionen Euro an Subventionen. SolarSubventionen und eine massive finanworld erhielt bislang FĂśrderungen in zielle UnterstĂźtzung chinesischer Solareinem Umfang von insgesamt 137,7 hersteller, etwa in Form zinsverbilligter Millionen Euro. Darlehen. Der Solarworld-Konzern, der Während die Asiaten allerdings von auch in den USA produziert, hat dort der EinspeisevergĂźtung europäischer daher ein Anti-Dumping-Verfahren geLänder profitieren, funktioniert dies in gen chinesische Hersteller angestrengt. umgekehrter Richtung nicht. Chinas Damit werde auch gegen die Verletzung Solarindustrie ist auf den Export ausgevon Sozial- und Umweltstandards in der legt. Im Land selbst werden Solarparks Produktion von Solarmodulen und meist nur dort gebaut, wo der Strom -zellen geklagt, heiĂ&#x;t es seitens der Kläauch gebraucht wird, etwa in der Nähe ger. Nach ersten Untersuchungen stellte groĂ&#x;er Industrieansiedlungen. Auch mit die US-Handelskommission am 2. Deeiner TechnologiefĂźhrerschaft kĂśnnen zember fest, dass chinesische Importe die deutschen Hersteller der Billigkonvon Solarstrommodulen und -zellen kurrenz aus Asien offensichtlich nur beder US-Solarindustrie geschadet hätten. dingt begegnen. Unternehmen wie der Die Klage soll daher weiter verfolgt chinesische Konzern Suntech arbeiten werden. längst auch mit westlichen ForschungsOb es tatsächlich wie gefordert zu instituten zusammen und beziehen die StrafzĂśllen kommt, bleibt jedoch abzuMaschinen fĂźr ihre Produktion nicht zuwarten. „Der Beschwerde gebe ich geletzt aus den USA, der Schweiz und aus ringe Chancen. Eine vergleichbare EinDeutschland. sas gabe der US-Gewerkschaft United Steelworkers Union gegen Subventionen fĂźr die Hersteller chinesischer Windkraft!FRIKAĂŚUNDĂŚ-ITTLERERĂŚ/STEN anlagen im Jahre 2010 verlief ergebĂŚ Ă”BRIGESĂŚ%UROPAĂŚ nislos“, sagt der Leiter des Zentrums fĂźr Solarmarktforschung Berlin, 3Ă”DKOREAĂŚ Wolfgang Hummel. Zugleich verweisen Kritiker der Kla ge auf die Abhängigkeit 0ROZENT der USA von China. 53!ĂŚ Das chinesische Han#HINAĂŚ Ă”BRIGESĂŚ!SIENĂŚ delsministerium reagierte daher auch mit einer ei-ALAYSIAĂŚ genen Untersuchung. Chinesi3OLARZELLENPRODUKTION sche UnternehNACHĂŚ,ĂœNDERNĂŚUNDĂŚ2EGIONEN men hätten von 1UELLE ĂŚ0HOTONĂŚ ĂŚ'RAFIK ĂŚ%NZOĂŚ&ORCINITI der Regierung in *APANĂŚ Peking eine AntiDumpingund SubventionsprĂź$EUTSCHLANDĂŚ fung gefordert, ins besondere fĂźr Importe von Polysilizium aus den USA, hieĂ&#x; 4AIWANĂŚ es. Der Handelskrieg der Solarstromproduzenten scheint damit endgĂźltig entbrannt.

„CCS ist ein wichtiger SchlĂźssel“ Michael Vassiliadis, Chef der IG BCE. Frage: Sie haben als Mitglied der Ethikkommission am Atomausstieg mitgewirkt. Jetzt sind die AKW-Betreiber in Bedrängnis und wollen Stellen abbauen. Droht Deutschland ein Bumerang-Effekt? Michael Vassiliadis: Die Schwierigkeiten, in denen der eine oder andere Energiekonzern steckt, haben sicher auch etwas mit dem Ausstieg zu tun. Allerdings nicht allein, da gibt es noch eine Reihe weiterer GrĂźnde. Grundsätzlich gilt: Die Energiewende ist ein extrem ambitioniertes Ziel, aber sie ist machbar. Ungeklärt ist, wie die Grundlast gesichert wird. Wird das zur Ăœberlebensgarantie fĂźr die Braunkohle? Bislang fehlt es an einem Zukunftskonzept fĂźr die Braunkohle und damit an einem umfassenden Konzept, das die Versorgungssicherheit in der Grundlast garantiert. Die IG BCE erwartet, dass die Politik nun auch Konsequenz zeigt und sich bekennt: Ja, wir wollen moderne Braunkohlewerke mit hohem Wirkungsgrad. Anders ist eine kernkraftfreie Energieversorgung nicht zu sichern. CCS ist in Deutschland offenbar politisch nicht mehrheitsfähig. Hat die Technologie noch eine Chance? CCS ist ein wichtiger SchlĂźssel, um das Zwei-Grad-Klimaziel erreichen zu kĂśnnen. Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, eine sachgerechte LĂśsung auf den Weg zu bringen. Jetzt ist die EU-Kommission am Zug. Bisher waren die Erneuerbaren ein JobMotor. Nun hat die Solarindustrie erhebliche Sorgen. Denken Sie, dass weiter Produktion ins Ausland verlagert wird? Zunächst wurde die Solarindustrie mit Milliardenbeträgen gefĂśrdert. Jetzt, wo eine nennenswerte Anzahl an Unternehmen und Arbeitsplätzen entstanden ist, lässt die Politik die Branche allein. Und das in einer Situation, in der das Ăœberleben der gesamten Photovoltaik in Deutschland fraglich erscheint. Das ist doch absurd. Wie kĂśnnen Jobs gesichert werden? Wir haben den Wirtschaftsminister aufgefordert, ein Nothilfeprogramm fĂźr die deutsche Photovoltaik aufzulegen. Das Geld dafĂźr ist vorhanden, die MaĂ&#x;nahmen kĂśnnen aus nicht abgerufenen Mitteln des frĂźheren „Deutschlandsfonds“ finanziert werden. Interview: Thilo Boss Foto: Christian Nitsche

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„Sämtliche GroĂ&#x;aufträge sind vergeben“


ENERGIE REPORT

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Philipp Rösler, Bundeswirtschaftsminister. Frage: Weihnachten steht vor der Tür. Haben Sie Angst, dass die Deutschen beim Weihnachtsbraten im Dunkeln sitzen? Philipp Rösler: Nein. Um den Weihnachtsbraten und die Tischbeleuchtung müssen wir uns auch in diesem Jahr keine Sorgen machen. Die Kernkraftbetreiber haben nach dem Ad-Hoc-Ausstieg vor Engpässen gewarnt. Ist das alles nur Panikmache? Richtig ist, dass die Versorgungslage in Deutschland in diesem Winter nach dem Abschalten von insgesamt acht Kernkraftwerken angespannter ist als zuvor. Bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne hängt viel vom Wetter ab. Dennoch gibt es keinen Grund, nervös zu reagieren. Das hat die für die Versorgungssicherheit verantwortliche Fachbehörde, die Bundesnetzagentur, bestätigt. Die Grundlastversorgung ist das Rückgrat einer Volkswirtschaft. Bis 2022 will die Bundesregierung das letzte Kernkraftwerk abschalten. Brauchen wir mehr grundlastfähige Kohlekraftwerke? Klar ist, dass wir zusätzliche flexible Kohle- und Gaskraftwerke brauchen, um einen Teil der wegfallenden Kapazitäten aus Kernkraftwerken zu ersetzen. Gleichzeitig sind flexible Kraftwerke notwendig, um die schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszugleichen. Deshalb auch mein Appell: Wir können nicht einerseits den Atomausstieg fordern und gleichzeitig gegen den Bau neuer Kraftwerke und Netze auf die Straße gehen. Das müssen auch die Umweltverbände wissen. Schwierig sieht es beim Ausbau der Netze aus. Machen wir in dem Tempo weiter, ist die erforderliche Infrastruktur im Jahr 2250 fertig ... Beim Netzausbau müssen wir in der Tat eine Schippe drauflegen, wenn wir die erneuerbaren Energien weiter in dem vorgesehenen Tempo ausbauen wollen. Hier gab es noch viele Reibungsverluste zwischen den einzelnen Bundesländern. Die Beschleunigung des Netzausbaus war deshalb ein wesentliches Element der energiepolitischen Beschlüsse vom Frühsommer dieses Jahres. Mit einer stärkeren Bündelung der Zuständigkeiten beim Bund wollen wir nun die Genehmigungsverfahren von zehn auf vier Jahre verkürzen. Und bereits im kommenden Jahr wollen wir einen Bundesbedarfsplan für Netze vorlegen. Bezahlen müssen den schnellen Ausstieg Verbraucher und Betriebe. Wirkt sich das negativ auf die Konjunktur aus? Als Wirtschaftsminister bin ich dafür verantwortlich, dass die Versorgung mit Energie sicher und bezahlbar bleibt. Strom ist nicht nur für Verbraucher, sondern auch für viele Industrieunternehmen ein erheblicher Kostenfaktor. Um die Preise stabil zu halten, habe ich vorgeschlagen, beim Gesetz über erneuerbare Energien noch einmal anzusetzen. Ökostrom ist teuer. Allein die Photovoltaik wird jährlich über das EEG mit mehr als sieben Milliarden Euro subventioniert. Jetzt gibt es sogar die ersten Firmenpleiten. Entwickelt sich die Solarwirtschaft zum Millionengrab? Auch bei den erneuerbaren Energien brauchen wir mehr Wettbewerb, Forschung und marktwirtschaftliche Strukturen. Es kann doch nicht sein, dass die Photovoltaik nur mit drei Prozent zur gesamten Strommenge beiträgt, aber rund die Hälfte der Förderkosten verschlingt. Hier müssen wir gegensteuern, damit Stromverbraucher nicht übermäßig mit Förderkosten belastet werden. Bei der Umsetzung sind wir auf einem guten Weg. Die Fraktionen von Union und FDP haben den Bundesumweltminister jetzt aufgefordert, bis Ende Januar 2012 ein Konzept vorzulegen. Interview: Thilo Boss

Wasserstoff im Netz Pilotanlagen testen die Umwandlung von Ökostrom / Gasleitungen sollen zum Speicher werden steht vor allem die Möglichkeit im Mittelwerden. „Mit dem Hybridkraftkraftwerk Wasserstoff gemischt mit Biogas verWind und Sonne müssen nicht immer nur punkt, Ökostrom zu speichern. „Das Hybringen wir grünen Wasserstoff an die brannt wird. Das Verfahren ist nicht ohne Strom liefern. Per Umwandlung in Wasbridkraftkraftwerk ist ein hochinteresTankstelle“, freut sich Total-DeutschlandVerluste: Weniger als die Hälfte des eingeserstoff wollen Forscher nun die Energie santer Ansatz in dieser Richtung“, sagt Chef Hans-Christian Gützkow. Denn für setzten Stroms kann am Ende wieder geaus Wind und Sonne einfangen und einOliver Weinmann, Chef von Vattenfall Indas 21-Millionen-Euro-Projekt hatte sich wonnen werden, räumt Enertrag ein. Solagern. Das Erdgasnetz könnte dabei zum novation. der Windparkbetreiber Enertrag mit dem lange nur überschüssiger Windstrom fast unbegrenzten Speicher für Ökostrom Unter Experten gilt Wasserstoff längst Mineralölkonzern sowie dem Energieriegenutzt wird, sei das aber kein Problem. werden. Selbst synthetisches Erdgas ließe als heißester Kandidat, um das Grundsen Vattenfall und der Deutschen Bahn – Nebenbei liefert die Anlage noch Wassich herstellen. Und bei Total kann man problem beim Umstieg auf erneuerbare mit seinen E-Loks einer der größten serstoff für Tankstellen. An fünf Total-Staden Wind jetzt sogar tanken. Energien zu lösen: Wie wird der ÖkoStromverbraucher Deutschlands – zutionen in Hamburg und Berlin können So viel alternative Energie auf einem Strom zwischengelagert? Insgesamt 170 sammengetan. Für Partner Vattenfall Brennstoffzellen-Autos damit betankt Fleck gibt es selten: In Prenzlau in der Millionen KilowattstunUckermark stehen drei den müssten gespeiWindräder gleich nechert werden, rechnet ben einer Anlage, die das Fraunhofer-Institut per Elektrolyse Wasfür Windenergie und serstoff herstellt – der Systemtechnik (IWES) dann mit Gas aus dem vor. Und das sei nur benachbarten Biogasmit Wasserstoff als speicher gemischt im Speichermedium zu Blockheizkraftwerk zu schaffen. Strom und Wärme verÜberall in Deutschfeuert wird. Seit sieben land schießen daher Wochen ist das Hybridderzeit Pilotanlagen kraftwerk am Netz – aus dem Boden. Eon und in dieser Kombietwa hat im November nation nach Angaben in Falkenhagen bei des Betreibers EnerFrankfurt (Oder) mit trag weltweit einmalig. dem Bau einer Anlage „Es ist der Grundstein begonnen, die 2013 für die Energiewende“, ans Netz gehen soll. sagt Enertrag-Vorstand Auf große WasserstoffWerner Diwald. Brantanks wie in Prenzlau denburgs Ministerpräwird dabei verzichtet. sident Matthias PlatzStattdessen soll das beeck (SPD) spricht gar reits gut ausgebaute von einem „QuantenGasnetz als Speicher sprung in der moderdienen. Denn bis zu nen Speichertechnolofünf Prozent Wassergie“. stoff kann schon heute Denn das Hybridproblemlos ins Erdgaskraftwerk soll helfen, netz eingespeist werdas Kernproblem der den, erläutert die DeutEnergiewende zu lösche Energie-Agentur sen: Wind und Sonne (Dena). In Gaskraftliefern Energie nicht werken könnte daraus unbedingt dann, wenn bei Bedarf dann wieder sie benötigt wird. Sie Strom werden. Expermuss daher für Flauten ten halten auch eine zwischengespeichert Erhöhung des Wasserwerden. Genau das gelingt in Prenzlau über Im Elektrolyseur wird im Prenzlauer Hybridkraftwerk Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) zerlegt. Foto: dpa stoff-Anteils auf 15 bis 20 Prozent für machden Umweg Wasserbar, ohne dass das Gemisch zu explosiv stoff: Denn im Normalbetrieb liefern die 7ASSERSTOFFæALSæ3TROMSPEICHER wird. Die Dena will dies nun im Rahmen drei Windräder – jedes mit zwei Mega&UNKTIONSWEISEæDESæ(YBRIDKRAFTWERKSæINæ0RENZLAUæ einer neuen Strategieplattform prüfen. watt Leistung – ganz normal Strom ins Noch einen Schritt weiter geht ein PilotNetz. Weht aber zuviel Wind, müssten sie projekt in Stuttgart: Hier wurde gerade eigentlich angehalten werden, um das begonnen, eine seit 2009 bestehende Netz nicht zu überlasten. Stattdessen Versuchsanlage zu erweitern, die aus springt in Prenzlau dann der ElektrolyWasserstoff durch Zugabe von CO2 Meseur an – und spaltet mit dem überschüssigen Strom Wasser in Wasserstoff und than entstehen lässt. Und Methan ist mit Sauerstoff auf. Die Technik ist altbekannt 80 bis 90 Prozent ohnehin Hauptbestand– nur in dieser Größenordnung wurde sie teil von Erdgas – und darf daher unbebisher noch nicht eingesetzt. Den Elekgrenzt ins Netz eingespeist werden. Laut trolyseur als Herzstück der neuen Anlage Greenpeace ließe sich damit das natürlihat Enertrag daher selbst gebaut. che Erdgas aus Russland oder Norwegen Der Wasserstoff wird dann in großen sogar komplett ersetzen. Vor allem aber Tanks gelagert – um daraus bei einer sei die Lagerung von Methan deutlich Flaute im Netz wieder Strom zu produzieeinfacher als die von reinem Wasserstoff, ren. Auf diesem Wege, so Diwald, werde sagt Mareike Jentsch vom IWES. Durch Windstrom erstmals grundlastfähig, was die Umwandlung in Methan stehe dem bisher nur für Kohle, Atom und Gas galt. Ökostrom daher das gesamte Gasnetz Weht Wind, kommt die Leistung direkt einschließlich der bestehenden Gaskaveraus den Windrädern, bei Windstille aus nen als fast unbegrenzter Speicher zur dem Blockheizkraftwerk, in dem der Verfügung. Frank Johannsen Grafik. Enertrag

„Es gibt keinen Grund, nervös zu reagieren“

Sorgenkind Biogas Trotz Kritik blickt die Branche mit Zuversicht auf die Entwicklung der Biogastechnologie. „In Spitzenzeiten kann zwar durch Wind und Sonne mehr Energie gewonnen werden. Aber Biogas ist regulierbar und ergänzt die erneuerbaren Energien“, sagt Andrea Horbelt vom Fachverband Biogas und begründet: „Je nach Bedarf kann der Strom in Form von Biogas zwischengespeichert werden.“ Schwankungen in der Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen könnten ausgeglichen werden. In diesem Jahr sind nach Aussagen des Fachverbandes Biogas mehr als 1100 Anlagen ans Netz gegangen, so dass bis Jahresende rund 7100 Biogasanlagen in Betrieb sein werden. „Die

Anzahl hat sich in zehn Jahren versiebenfacht“, sagt Horbelt. Die Leistung aller deutschen Biogasanlagen hat sich um 490 auf 2780 Megawatt erhöht. Pro Jahr werden aus Biogas etwa 18 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Die Menge reicht für fünf Millionen Haushalte, knapp 13 Prozent aller Privathaushalte in Deutschland. Mehr als 45 000 Menschen beschäftigt die Branche. Biogas entsteht durch Vergärung von Biomasse. Das sind Dünger, Reststoffe wie Bioabfall und Pflanzen wie Mais, Raps oder Zuckerrüben. Für die Verwertung von Biogas ist der Methananteil am wichtigsten, da seine Verbrennung Energie freisetzt. „Bevorzugt wird Mais

Die KWL – Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH versorgt rund 628.000 Menschen in Leipzig und der Region zuverlässig mit frischem Trinkwasser, behandelt das anfallende Abwasser umweltgerecht und gewinnt dabei Energie.

Probenentnahme im Klärwerk Rosental – eine der modernsten Anlagen Deutschlands und die größte der 22 Kläranlagen der KWL.

Energie aus Klärschlamm Bei der Reinigung des Abwassers bleibt Klärschlamm zurück. Davon wurden jährlich bis zu 35.000 Tonnen kompostiert oder als Düngemittel in der Landwirtschaft verwendet. Nun nutzt die

„Griechenland ist kein Zielmarkt“ Johannes Teyssen, Eon-Vorstandsvorsitzender. Frage: Der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Die Bundesregierung hofft jetzt auf Investitionen in den Netzausbau, die Speichertechnologie und die Stromerzeugung aus den Erneuerbaren. Wie viel investiert Eon? Johannes Teyssen: Mehrere Milliarden Euro in den nächsten Jahren, vor allem in erneuerbare Energien. Gerade in diesem Bereich wollen wir stark wachsen. Im vergangenen Jahr hat Eon jedes zweite der weltweit errichteten Windkraftwerke auf See gebaut. Und bereits 2013 werden wir konzernweit zwei- bis dreimal soviel Geld in erneuerbare Energie stecken wie in konventionelle. Auch hierzulande. In Datteln erleben Sie gerade, dass es in Deutschland schwierig ist, ein Kohlekraftwerk ans Netz zu bekommen. Haben inzwischen auch die fossilen Brennstoffe ausgespielt? Wer die Energiewende will, der muss auch akzeptieren, dass wir noch eine zeitlang hocheffiziente fossile Kraftwerke brauchen. Denn ohne eine Absicherung der schwankenden Erzeugung aus erneuerbaren Energien wird der Umbau der Energiesysteme nicht gelingen. Ruhrgas ist der größte deutsche Gasimporteur. Deshalb liegt es auf der Hand, dass Sie Gaskraftwerke bauen. Oder? Eon hat innerhalb der letzten Jahre in Europa und Russland effiziente Gas- und Dampfkraftwerke mit einer Kapazität von rund 10 000 MW gebaut. Zusätzliche neue Anlagen sind derzeit aber nicht wirtschaftlich. Grund dafür ist zum einen der immer noch hohe Einkaufspreis für Gas, zum anderen aber auch die Vorrangeinspeisung für erneuerbare Energien. Die Anzahl der Spitzenlaststunden, in denen neue Kraftwerke laufen müssten, um Geld zu verdienen, hat stark abgenommen. Eon ist in Ostdeutschland bei der Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren gut unterwegs. Der aber muss in Zukunft vom Norden der Republik in den Süden transportiert werden. Sollten die Kosten für den Leitungsbau bundesweit umgelegt werden, damit die neuen Länder keine Wettbewerbsnachteile bekommen? Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt. Als solches muss es nicht nur verstanden, sondern auch finanziert werden. Jeder muss dazu einen Beitrag leisten, gerade beim Netzausbau. Die EU möchte gern Solaranlagen in Griechenland und Spanien bauen lassen. Ist das eine Option für Eon? In Spanien sind wir bereits sehr stark bei Energie aus Sonne und Wind. Wir betreiben dort große Windparks und haben jüngst zwei solarthermische Kraftwerke in Betrieb genommen. Spanien ist damit nach Nordamerika unser drittstärkster Markt im Bereich erneuerbare Energien. Griechenland dagegen ist kein Zielmarkt für uns. Interview: Thilo Boss

Experten rechnen mit deutlich weniger Neuanlagen im kommenden Jahr

Abfallprodukt clever genutzt

Das Klärwerk Rosental ist nicht nur Leipzigs größtes Klärwerk. Vielmehr nimmt es auch eine Vorreiterrole in Sachsen nachhaltige Energiuernutzung ein.

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Dienstag, 13. Dezember 2011

KWL das bei der Schlammfaulung entstehende Gas weiter. Das gut brennbare Faulgas sammelt sich im Gasraum der Faultürme. Von dort wird es in die anliegenden Blockheizkraftwerke geleitet und verbrannt. So gewinnt die KWL thermische und elektrische Energie. „Unsere Blockheizkraftwerke liefern in drei Stunden so viel Energie, wie ein Eigenheim im Jahr verbraucht. Damit decken

wir knapp 60 Prozent unseres Eigenbedarfs an Strom im Klärwerk Rosental“, erklärt Peter Wirth, Energiebeauftragter im Klärwerk Rosental.

Wärme nachhaltig nutzen Doch die KWL nutzt nicht nur die elektrische, sondern auch die thermische Energie. Dank der Wärmeversorgung aus den drei Blockheizkraftwerken kann die KWL im Klärwerk auf Fernwärme verzichten – es ist zu 100 Prozent wärmeautark. „Wir versorgen damit die Faulbehälter und alle Verwaltungsgebäude auf dem Klärwerksgelände mit Wärme aus den Blockheizkraftwerken und sparen so etwa 80 Kubikmeter Heizöl pro Jahr, also rund 65.000 Euro“, sagt Daniel Jentzsch, Fachbereichsleiter des Klärwerks Rosental.

WASSERPREIS SINKT AB 2012 Die KWL ändert ab 2012 ihre Preise. Rund 96 Prozent der Kunden werden dadurch insbesondere im Trink- als auch im Schmutzwasserbereich entlastet. Die KWL sieht sich in der Pflicht, ihre internen Prozesse und Abläufe kontinuierlich zu überprüfen und zu optimieren. So hat das Unternehmen seit 2010 eine Reihe wichtiger Maßnahmen – wie die Energiegewinnung aus Klärschlamm – realisiert, um Kosten zu sparen. Den sichtbaren Erfolg gibt die KWL nun an ihre Kunden weiter. Alles zu den Preisen der KWL finden Sie unter: www.wasser-leipzig.de/ preise

angebaut, weil der den größten Methangehalt bringt“, sagt Martin Hofstetter, Agraringenieur bei Greenpeace. „Biogas hat große Einsatzmöglichkeiten. Groß sind aber auch die Probleme beim Anbau“, fügt Hofstetter hinzu. Laut Greenpeace baut die Monokultur Mais im Ackerboden Kohlenstoff ab, der als CO2 entweicht, das als klimaschädigend gilt. Zudem werde die Pflanze mit Stickstoff gedüngt, was Lachgas verursacht, das nach Expertenmeinung ein 300-mal größeres Treibhausgaspotenzial besitzt als CO2. Ab dem 1. Januar dürfen laut der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nur noch 60 Prozent Mais eingespeist werden. Neu ist auch, dass

bei der Produktion mindestens 60 Prozent der entstandenen Wärme genutzt, Vergütungen gekürzt und mehr Auflagen eingeführt werden müssten. „Wir rechnen im kommenden Jahr lediglich mit einem Neubau von 300 bis 500 Anlagen“, so Horbelt. In Zukunft soll die direkte Einspeisung von Biomethan in das Erdgasnetz eine größere Rolle spielen. 60 Anlagen praktizieren diese Methode bereits. „Das lohnt sich wegen fehlender Vergütungen noch nicht“, bedauert Horbelt. Um die Einspeisung auch durch landwirtschaftliche und mittelständische Akteure anzukurbeln, fordert der Fachverband ein Erneuerbares-Gas-Einspeise- und Speichergesetz. bö

Spartipp: Computer Ein PC verbraucht mehr Strom als ein Notebook. Tragbare Computer kämen im Betrieb mit 9 bis 57 Watt aus, berichtet die Stiftung Warentest. Ein PC verbrauche im Schnitt 127 Watt. Spiele-Computer könnten sogar 300 Watt oder mehr aus der Steckdose ziehen. Das geht ins Geld: Die Stromkosten eines Notebooks liegen laut den Warentestern bei 11 Euro und die des PC bei fast 44 Euro. wer

Klare Sache Aus Ihrem Abwasser machen wir in drei Stunden so viel Energie, wie ein Eigenheim im Jahr benötigt.

Klärschlamm mit Energie Die KWL behandelt das Abwasser in Leipzig und der Region umweltgerecht. In Flusswasserqualität fließt es gereinigt in den natürlichen Wasserkreislauf zurück. Und wirtschaftlich sind wir dabei außerdem: Im Leipziger Klärwerk Rosental gewinnen wir aus dem Klärschlamm so viel Energie, dass damit über die Hälfte des Eigenbedarfes gedeckt wird. Und durch die Nutzung der dabei entstehenden Wärme sparen wir auch noch die Heizkosten.

www.wasser-leipzig.de

KWL – Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH Johannisgasse 7/9, 04103 Leipzig Telefon 0341 969-2222 kundenservice@wasser-leipzig.de Die Unternehmen der KWL-Gruppe Bau + Service Leipzig GmbH Sachsen Wasser GmbH Sportbäder Leipzig GmbH Wassergut Canitz GmbH Wasseraufbereitung Knautnaundorf GmbH


„Wir sind in der Lage, das Netz stabil zu halten“

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Frage: Deutschland besitzt bisher eines der stabilsten Stromnetze Europas. Wird dies bei einem strammen Winter auch nach Abschaltung der acht ältesten Atommeiler so bleiben? Matthias Kurth: Diesen und kommenden Winter bleibt die Situation beherrschbar. Selbst, wenn es einen harten Winter gibt, sind wir in der Lage, das Netz stabil zu halten. Mit Maßnahmen, die allerdings nicht dem Idealfall entsprechen. Deshalb sollten wir uns nicht auf Dauer darauf verlassen, sondern dringend unsere Stromnetze ausbauen. Ist die Akzeptanz in der Bevölkerung für Stromleitungen vor der eigenen Haustür gestiegen? Die meisten Bürger wissen, dass Strom nur über Netze in ihr Haus kommt. Wird es konkret, gibt es allerdings nach wie vor Probleme. Denn dann schlägt die Stunde der Wahrheit: Sind Bürger bereit dies hinzunehmen, weil sie wissen, dass nur so der Ausstieg aus der Kernenergie möglich ist oder nicht? Kein Ausbauprojekt ist bislang an fehlendem Geld oder Willen der Netzbetreiber gescheitert. Alle verschleppten Projekte leiden an langen Genehmigungsverfahren. Durch das neue Beschleunigungsgesetz wird es jetzt zum Glück schneller gehen. Am Ende des Tages wollen wir schließlich nicht Stuttgart 21, sondern eine Debatte, die Lehren daraus zieht und von Anfang auf Dialog mit den Betroffenen setzt. Noch nie gab es so viele Stromanbieterwechsel wie im vergangenen Jahr. Sparen die Bürger dadurch auch wirklich Geld? Seit ich den Job mache, ist der Anteil der Netzentgelte am Strompreis von 39 auf 22 Prozent gesunken. Gestiegen sind hingegen die Kosten für Beschaffung und Vertrieb und staatliche Steuern und Abgaben. Darauf hat die Bundesnetzagentur keinen Einfluss. Diese Entwicklung zeigt, dass der Wettbewerb noch nicht so ist, wie er sein könnte. Nach wie vor haben über 40 Prozent der Verbraucher nicht mal beim eigenen Anbieter den Tarif gewechselt. Dabei könnten viele Bürger bis zu 200 Euro im Jahr sparen. Interview: Maja Heinrich

ENERGIE REPORT

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Die Achillesferse d der Energiewende In Deutschland ist das Stromnetz noch nicht für die Umstellung auf Solar- und Windkraft ausgelegt / Der Bau neuer Leitungen liegt hinter dem Zeitplan zurück / Anlagen müssen deshalb immer wieder heruntergefahren werden Am Wetter liegt es nicht. Im Gegenteil. Es stürmt. Trotzdem produzieren die fünf Windkraftanlagen in Pritzwalk in Brandenburg keinen Strom. Beim Betreiber, dem Unternehmen E.N.O. Energy aus dem Ostseebad Rerik, schütteln die Mitarbeiter verständnislos den Kopf. „Wir haben Sturm“, sagen sie, „aber die Anlagen stehen still, weil die Stromnetze sonst überlastet wären.“ Schon zum sechsten Mal in diesem Dezember. Der Ertragsverlust summiert sich bereits auf 57 000 Kilowattstunden. Das ist fast so viel, wie 13 Zwei-Personen-Haushalte in einem Jahr im Durchschnitt verbrauchen. Mit 57 000 Kilowattstunden könnten sie fernsehen, das Licht ein- und ausschalten, kochen sowie Wurst und Käse im Kühlschrank aufbewahren. Zwölf Monate lang. Pritzwalk ist kein Einzelfall, wie der Bundesverband Windenergie (BWE) berichtet. Ihm zufolge sind im Jahr 2010 vor allem in Nord- und Ostdeutschland so oft Anlagen von den Netzbetreibern abgeschaltet worden, dass bis zu 150 Gigawattstunden Strom verloren gegangen sind. Schätzungen zufolge liefern etwa 20 Kernkraftwerke die gleiche Menge innerhalb eines Jahres. „Das sind alarmierende Werte“, schimpft BWE-Präsident Hermann Albers. Immer mehr Strom gehe verloren, nur weil das Netz nicht ausgebaut sei und deshalb die Windkraftanlagen heruntergefahren würden. 2010 habe der Ausfall bis zu 69 Prozent über dem Wert von 2009 gelegen. „In den nächsten Jahren ist sogar noch von einer steigenden Tendenz auszugehen“, glaubt Albers. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) erlaubt den Netzbetreibern das Herunterfahren der Anlagen. Zwar sind die Unternehmen verpflichtet, die „größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien“ abzunehmen – und zwar „unverzüglich“ und „vorrangig“. So steht es im EEG. Allerdings enthält das Gesetz auch eine Einschränkung: Die Netzbetreiber haben das Recht, Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt herunterzufahren, wenn „andernfalls ein Netzengpass entstünde“. Wer mit Windrädern oder Solarzellen Strom erzeugt, muss deshalb seine Anlage technisch so aufrüsten, dass der Netzbetreiber „die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ferngesteuert reduzieren kann“. Auf 60 Prozent. Oder 30 Prozent. Oder ganz auf Null. Damit das Netz nicht zusammenbricht und ausfällt. Unter bestimmten Voraussetzungen sieht das EEG zwar eine Entschädigung für den Betreiber der Anlage vor, wenn diese heruntergefahren wird. In der Praxis sind aber noch viele Fragen offen. „Es

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Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur.

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mehren sich die Rückmeldungen unserer Mitgliedsunternehmen, dass die Ersatzzahlungen zum Teil sehr verzögert ausgezahlt werden“, beklagt BWE-Präsident Albers. Das Problem kennt auch E.N.O. Energy. Ein Netzbetreiber habe dem Unternehmen zwar zugesagt, Gutschriften über die entgangene Einspeiseleistung

zuzuschicken, berichten Mitarbeiter des Windparkbetreibers. Ein anderer Netzbetreiber rühre sich dagegen nicht. Deshalb werde ihm wahrscheinlich Ende des Jahres eine Rechnung zugeschickt. Ob sich die Sache dann klären lasse, müsse man sehen. Aber wieso droht in einem Industrie-

land wie Deutschland überhaupt ein Netzengpass? Wie kann es sein, dass fast 1,8 Millionen Kilometer Leitungen nicht ausreichen? Wegen der Energiewende. Über viele Jahre sorgten einige wenige große Kraftwerke in Deutschland dafür, dass jederzeit Maschinen liefen, das Licht brannte oder die Straßenbahnen fuhren.

Künftig werden es unzählige kleine Anlagen sein. In den vergangenen Jahren sind zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen bereits rund 22 000 Windräder aufgestellt und mehr als 860 000 Solaranlagen installiert worden. Das stellt die Netzbetreiber vor eine neue Herausforderung. Die großen Kraftwerke stehen

vor allem in Süd- und Westdeutschland. Windparks wurden und werden dagegen überwiegend in Ost- und Norddeutschland errichtet. Weit weg von den Industrieregionen in Süddeutschland. Dort machen sich die Unternehmen deshalb große Sorgen. „Das deutsche Stromnetz muss schnellstmöglich ausge-

baut werden“, fordert Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Andernfalls wären „gravierende Versorgungsprobleme und Standortnachteile die Folge“. Denn bisher sei der Strom 50 bis 100 Kilometer von den Unternehmen entfernt produziert worden. Wenn aber

die Kernkraftwerke sukzessive abgeschaltet würden, könnten die „hiesigen Kapazitäten die Stromnachfrage nicht mehr decken“. Bayern werde „in erheblichem Umfang“ auf Importe aus anderen Bundesländern oder dem Ausland angewiesen sein. Um den Strom der OffshoreWindkraftanlagen im Norden in den Sü-

den zu transportieren, fehlten aber Höchstspannungsleitungen. „Bayern darf den sicheren Stromanschluss keinesfalls verlieren.“ Die Bundesnetzagentur sieht die Leitungen schon heute „am Rand der Belastbarkeit angekommen“, wie sie in ihrem aktuellen Monitoringbericht schreibt.

„Der Ausbau ist ein Gebot der Stunde.“ Bis 2020 seien zusätzlich bis zu 4450 Kilometer Höchstspannungsleitungen nötig, um den Windstrom von der Küste in den Süden zu transportieren. Dort, aber auch anderswo in Deutschland fehlten außerdem Verteilnetze, also Leitungen der unteren Spannungsebenen, um den plötzlich überall produzierten Ökostrom zu verteilen. „Die Netze dürfen nicht der Flaschenhals sein“, sagt Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Stabile Netze und deren Ausbau seien wesentliche Voraussetzungen, damit die Energiewende gelinge. „Das ist aber nicht in wenigen Monaten zu lösen, eine solche Erwartung ist völlig irreal.“ Die gesetzlichen Grundlagen seien geschaffen worden. Die Bundesregierung werde eine Liste mit den Projekten, die für den Netzausbau vordringlich seien, erarbeiten. „Anfang des nächsten Jahres soll vom zuständigen Bundeswirtschaftsministerium ein Netzentwicklungsplan vorliegen“, sagte Röttgen. „Natürlich sind auch die Netzbetreiber in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten.“ Tatsächlich investieren die Unternehmen bereits große Summen. Allein Envia Netz steckt in diesem Jahr 375 Millionen Euro in seine Infrastruktur in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen – etwa 50 Millionen Euro mehr als 2010. Insgesamt geben die Energieunternehmen jedes Jahr mehrere Milliarden Euro für den Ausbau und die Instandhaltung der Netze aus. Allein um die in den nächsten Jahren neu installierten Sonnen- und Windkraftanlagen ans Netz anzuschließen, werden 10 bis 13 Milliarden Euro beziehungsweise 21 bis 27 Milliarden investiert werden müssen – je nachdem, wie stark die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Trotz dieser enormen Summe könnte es am Ende aber nicht am Geld scheitern. „Die eigentlichen Probleme des Netzausbaus liegen in der Akzeptanz der Bevölkerung und der Einsicht, dass der Umbau hin zu einer nachhaltigeren Energieversorgung ohne Netzausbau ins Stocken gerät“, schreibt die Bundesnetzagentur in ihrem Monitoringbericht. Von aktuell 149 Ausbaumaßnahmen seien 73 ins Stocken geraten. Dabei gelten 24 Projekte als so wichtig, dass sie beschleunigt realisiert werden sollten. 12 liegen aber jetzt schon ein bis vier Jahre hinterm Zeitplan. Die Gründe dafür seien unter anderem Widerstand in der Bevölkerung und Klagen gegen Planfeststellungsverfahren. „Die Energiewende kann nur gelingen, wenn der Ausbau der Netze mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt hält“, warnt Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur. Markus Werning

„Noch brauchen wir Kaltreserven der Großen“ Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Frage: Stellen Sie sich vor, es gäbe offenen Wettbewerb ohne Kartelle. Wie viel würden wir für Strom und Benzin zahlen? Andreas Mundt: Es gibt viele Bereiche mit lebhaftem Wettbewerb und niedrigen Preisen. Dort, wo dies nicht der Fall ist, können wir davon ausgehen, dass die Preise über dem Niveau liegen, das sie in einem funktionierenden Markt hätten. Selbst der Mehrerlös eines Kartells ist sehr schwer zu quantifizieren. Es gibt aber viele Studien, die sagen: Im Schnitt sind es 25 Prozent. Das kann man als Anhaltspunkt nehmen. Was sind die Hindernisse für echten Wettbewerb bei Fernwärme und Wasser? Beides sind Monopole. Wir sprechen von Märkten mit gefangenen Kunden, die nicht auf andere Anbieter ausweichen können. Dort ist eine Überwachung durch die Kartellbehörden besonders nötig, damit die Preise nicht überhöht werden. Sie haben die Berliner Wasserbetriebe aufgefordert, die Preise zu senken. Nun gibt es Streit, ob es „Preise“ oder „Gebühren“ sind. Die Berliner Wasserbetriebe nehmen Preise. Dort spielt dieser Streit also keine Rolle. Die Gerichte sagen allerdings, dass die Kartellbehörden bei Wassergebühren nicht zuständig sind, sondern die kommunale Aufsicht. Der Gesetzgeber sollte diese Zweiteilung beenden. Den Verbrauchern ist es letztlich egal, ob sie Gebühren oder Preise zahlen. Was sind die nächsten Schritte für mehr Wettbewerb bei Fernwärme? Wir machen gerade eine breite Untersuchung des Marktes, die Anfang nächsten Jahres beendet sein wird. Dann müssen wir sehen, ob daraus Verfahren folgen. Außerdem fordern wir, dass die Kartellaufsicht hier verschärft wird, um uns die Arbeit zu erleichtern, zum Beispiel, wenn es um Fragen des Nachweises von überhöhten Preisen geht. Beim Strom dominieren zurzeit noch die vier Energieriesen. Wann haben kleineren Unternehmen Marktchancen? In der Tat brauchen wir an wind- und sonnenarmen Wintertagen derzeit noch die Kaltreserven der Großen, um die Netze stabil zu halten. Mittelfristig wird sich das durch die Energiewende ändern. Sukzessives Abschalten der Meiler macht Platz für neue Anbieter. Einen Zeitpunkt zu nennen, wäre allerdings wie ein Blick in die Glaskugel. Interview: Maja Heinrich

Mitteldeutschland wird zur Ökostrom-Batterie Ö der Nation Pumpspeicher erleben Dank Energiewende eine Renaissance: Vattenfall baut Standorte in Erzgebirge und Harz aus / Stadtwerke planen Anlage in Thüringen

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müssen. Die Pumpspeicher seien jetzt aber Die Energiewende kommt mitten im Thürinauch ideal, um Ökostrom zu speichern, sagt ger Wald an: Weil händeringend nach MögGroebler. Denn beim Wirkungsgrad würden lichkeiten gesucht wird, wie Ökostrom gesie alles schlagen, was ansonsten jetzt erspeichert werden kann, rücken die riesigen forscht und erprobt wird: Weit über 70 ProPumpspeicherwerke des Freistaats plötzlich zent des eingesetzten Stroms könne am Ende in den Fokus. Denn sie können helfen, Strom wieder ins Netz gegeben werden – und das aus Wind und Sonne auch dann verfügbar bei modernden Anlagen innerhalb von wenizu machen, wenn kein Lüftchen weht und ger als zwei Minuten. „Damit sind Pumpkein Sonnenstrahl die Solarzellen trifft. Thüspeicher schneller und flexibler als alle anringen sieht bereits einer rosige Zukunft entderen verfügbaren Kraftwerkstypen“.“ gegen – als riesige Batterie der Nation. Dabei erweist sich jetzt ausgerechnet die „Wer hätte Anfang des Jahres auch nur Energiewende als Bremsklotz für den so geahnt, dass uns mit der Energiewende eine dringend nötigen Ausbau. Denn der viele solche Dynamik ereilt“, sagt Gunnar Solarstrom im Netz säge am GeschäftsmoGroebler, Chef Vattenfall Hydro Germany mit dell, klagt Groebler. Geld verdienen die AnSitz in Hohenwarte bei Saalfeld direkt am lagen bisher damit, dass sie nachts billigen Stausee. Plötzlich gelten seine PumpspeiGrundlaststrom aus dem Netz nehmen – und cherwerke (PSW) als ganz heiße Zukunftsdann mittags, wenn die starke Nachfrage die technik. Und Groebler ist Herr über gleich Preise in die Höhe treibt, wieder abgeben. acht dieser Anlagen. Das macht Vattenfall Seit aber immer weniger Atomstrom ins Netz zur Nummer eins auf diesem Gebiet in kommt und Kohlekraftwerke mit CO2-ZertifiDeutschland – und Thüringen zum zweitwichtigsten Standort bundesweit nach Bakaten belastet werden, sind die Preise nachts den-Württemberg und vor Sachsen (siehe längst nicht mehr so tief. Und mittags, wenn Grafik). Denn vier der die Sonne am höchsten acht Vattenfall-Anlagen $IEæGR TENæ3PEICHER ,ÜNDER steht, drängt Solarstehen im Freistaat: "ESTEHENDEæ0UMPSPEICHER +APAZITÜTæINæDENæ strom ins Netz – und Drei reihen sich am Tal- EINZELNENæ"UNDESLÜNDERN æINæ-EGAWATT drückt auf die Preise. sperrensystem der Saa- "ADEN 7ÔRTTEMBERGæ „Das ist absurd“, so le-Kaskaden durch den Groebler, „erneuerbare Freistaat, hinzu kommt 4HÔRINGENæææææææææææææææææææææææ Energien brauchen jede die 2003 in Betrieb ge- 3ACHSENææææææææææææææ Menge Speicher – manommene Anlage in (ESSENæ ææææææ chen uns aber die PreiGoldisthal,, mit 1060 se kaputt.“ Und was ihn Megawatt Leistung die "AYERNæ ææææææ zusätzlich ärgert: Angrößte bundesweit. Und ææææææææææææ.ORDRHEIN 7ESTFALENææ ders als andere Speiohne die Pumpspeicher, ææææææææ.IEDERSACHSENæææææææææ chertechniken, die geda sind sich Experten rade erforscht werden, ææææ3CHLESWIG (OLSTEINæ einig, wird die Energiemuss er für den Strom, wende nicht gelingen. æææ3ACHSEN !NHALTæææ den er zum Pumpen Denn als Speicher für ALLEæANDERENæ"UNDESLÜNDERææ aus dem Netz zieht, Ökostrom seien sie ideganz normal das Netzal, sagt Groebler. „Schließlich ist es die einnutzungsentgelt bezahlen. „Das drückt auf zige Speichertechnik, die schon kommerziell unsere Profitabilität – insbesondere gegenverfügbar ist. Nur wir sind in der Lage, über Pumpspeicherkraftwerken in Österreich Strom aus Wind und Sonne schon jetzt zu oder der Schweiz, die nicht so belastet speichern.“ Das mache es auch möglich, sind.“ Spitzen etwa bei starkem Wind aufzufangen Dabei hat gerade Thüringen mit seinen – statt Windräder anzuhalten, damit das Bergen, Flüssen und Talsperren das PotenziNetz nicht überlastet wird. al, zum „hochinteressanten Energiestandort“ Das Prinzip der Anlagen ist simpel: zu werden, glaubt Wirtschaftsminister MatHerrscht Stromüberschuss, wird damit Wasthias Machnig (SPD). Er will den Freistaat ser aus einem Unterbecken in ein höher gezur Ökostrombatterie Deutschlands umbaulegenes Reservoir, das Oberbecken, gepumpt. en – und Investoren für die Errichtung neuer Soll der Strom zurück ins Netz, wird die naAnlagen anlocken. Schließlich soll sich die türliche Fallhöhe genutzt, um Turbinen und PSW-Kapazität in Deutschland bis 2020 auf Generatoren anzutreiben. Dabei hat beim 14 000 Megawatt verdoppeln. Als erstes Bau der bestehenden 30 Anlagen in DeutschBundesland überhaupt hat Thüringen nun land noch niemand daran gedacht, dass hier ein Kataster vorgelegt, um das Potenzial auseinmal der Schlüssel zur Energiewende liezuloten. 13 mögliche Standorte werden ausgen könnte. Fast alle PSW wurden bereits gemacht. Das größte Potenzial besteht demvor Jahrzehnten errichtet. Damals ging es nach im Thüringer Wald. Als besonders vor allem darum, Lastspitzen auszugleichen, geeignet gelten außerdem bereits vorhandedamit die Kohle- und Atomkraftwerke nicht ne Talsperren, wo nur noch ein Oberbecken ständig rauf- und runtergefahren werden gebaut werden muss. Und Talsperren hat 'RAFIK æJOH 1UELLE æ$EUTSCHEæ%NERGIE !GENTURæ DENA

Schön sauber …

als anderswo: Im Schnitt kommen die 30 der Freistaat reichlich, insgesamt 191. Doch deutschen Anlagen nur auf 220 Megawatt. laut Studie kommen nur drei davon infrage. Weiteren Neubauten gibt Groebler kurzDie meisten sind zu klein, was die Kostenbis mittelfristig aber wenig Chancen. „Das Nutzen-Bilanz schmälert. wird schwierig, dazu sind die öffentlichen Den attraktivsten der neuen Standorte hat Widerstände einfach zu groß und Genehmisich bereits der Stadtwerkeverbund Trianel gungsverfahren zu langwierig.“ Stattdessen gesichert. Das Aachener Unternehmen will setz er darauf, die bestehenden Anlagen ausdie Talsperre Schmalwasser südlich von Gozubauen – zu „repowern“. Mit neuer Technik tha für 500 Millionen Euro umbauen. Das lasse sich der Wirkungsgrad erhöhen, mit Oberbecken soll 200 bis 300 Meter oberhalb größeren Becken die Kapazität erweitern. in den Berg eingelassen werden. 2019, so Bereits begonnen hat Vattenfall damit in Trianel-Projektleiter Markus Hakes, könnte Markersbach im Erzgebirge, wo mit 1050 die neue Anlage ans Netz gehen – und wäre Megawatt das derzeit zweitgrößte PSW mit 400 Megawatt Leistung dann die drittDeutschlands nach Goldisthal steht. Durch größte Ostdeutschlands. Die gespeicherte eine Erhöhung der Dammkronen um gut eiEnergie reicht, um eine halbe Million Hausnen Meter will Vattenfall den Stauraum im halte sechs Stunden lang mit Strom zu verBecken um zehn Prozent erhöhen – „und das sorgen. Von den rund 100 Stadtwerken, die ganz ohne die Beckenfläche zu vergrößern“, dem Verbund Trianel angeschlossen sind, so Groebler. In diesem Jahr wurde an ersten haben bereits 35 Interesse signalisiert – daTestfeldern mit der Dammerhöhung begonrunter auch die Stadtwerke Jena. nen. Drei Winter lang wird nun getestet. Ab Gerade für strukturschwache Regionen 2015 will Vattenfall dann einen „deutlich könnten die neuen Pumpspeicher eine lukrazweistelligen Millionenbetrag“ in den komtive Einnahmequelle werden, wirbt Machnig. pletten Ausbau invesSchließlich gehören tieren. Auch das einzischon die Anliegergege PSW in meinden an den vier Sachsen-Anhalt, Wenbestehenden Anlagen defurth bei Thale im des Landes dank hoher Harz, bekommt eine GewerbesteuereinnahAuffrischung: In den men zu den wohlhaDie Auswahl an Espressomaschinen nächsten beiden Jahbendsten im Freistaat. ist groß. Die Unterschiede beim ren will Vattenfall 40 Denn auch Machnig Stromverbrauch sind es auch. EiniMillionen Euro in neue weiß: Nur wenn die Pläge Modelle sind so sparsam, dass Technik stecken. ne bei Kommunen und die Stiftung Warentest mit 4 Euro Noch ehrgeizigere Anwohnern auf Akzepim Jahr für Energie rechnet. Andere Pläne hat das norwetanz stoßen, können sie brauchen deutlich mehr Strom – die gisch-schweizerische auch verwirklicht werKosten sind viermal so hoch. Ein Konsortium NorGer: den. Bisher stoßen geVergleich lohnt sich also. wer Mittels eines gigantirade die riesigen asschen Unterseekabels phaltierten Becken, die durch die Nordsee soll in die Natur gebaut deutscher Ökostrom nach Norwegen fließen werden müssen, fast überall auf heftige Pro– und dort in den zahlreichen Staudämmen teste. Auch beim derzeit größten Neubaudes Landes gespeichert werden. Denn, da projekt in Atdorf im Schwarzwald. Die Fersind sich alle Experten einig: Auch wenn alle tigstellung verzögert sich durch Standorte, die in Deutschland in Betracht Bürgerproteste seit Jahren. Jetzt wird 2018 kommen, für Pumpspeicher genutzt werden, angepeilt. Mit 1400 Megawatt – ein Drittel wird das nicht reichen. Und in Skandinavien mehr als Goldisthal – wäre es dann das größhatte der Sachverständigenrat der Bundeste PSW Europas. regierung für Umweltfragen schon 2010 geAuch der einzige Vattenfall-Neubau nach waltige Potenziale ausgemacht: 85 Milliarden der Wende lief nicht ohne Probleme. Das Kilowattstunden ließen sich hier speichern, PSW Goldisthal wurde zwar schon zu DDRgenug, um Leipzig, Dresden und fünf weitere Zeiten geplant, doch erst nach einem jahreStädte gleicher Größe ein Jahr mit Strom zu langen Gerichtsstreit mit Umweltverbänden versorgen. Einen Teil dieses Potenzials will konnte es 2003 in Betrieb genommen werNorGer nun erschließen: Spätestens 2016 den. Für Betreiber Vattenfall erweist sich das soll das Kabel bei Wilhelmshaven an das heute als Glücksfall: Denn anders als die deutsche Stromnetz angeklemmt werden. Im meisten anderen Pumpspeicher, meist in den Dauerbetrieb ließe sich damit fast der kom50er- und 60er-Jahren errichtet, ist Goldisplette Strombedarf von Leipzig oder Dresden thal hochmodern. „Wir können innerhalb decken, rechnen die Initiatoren vor. Die Kosvon 90 Sekunden Strom ins Netz geben und ten sind aber gewaltig: 1,4 Milliarden Euro der Wirkungsgrad liegt bei 81 Prozent“, sagt soll das 570 Kilometer lange Kabel kosten. Groebler. „Das ist Weltspitze.“ Und die LeisFrank Johannsen, Robert Büssow tung liegt mit 1060 Megawatt deutlich höher

Spartipp: Espresso

In dicken Rohren läuft das Wasser in Hohenwa arte II südlich von Saalfeld talärts.

Foto: dpa

Puffer im Stromnetz Mehr als 30 Pumpspeicherkraftwerke stehen in Deutschland. Sie funktionieren nach diesem Prinzip:

Stromman ngel

Stromüberschuss

Staumauer wird geöffnet

Pumpen befördern Wasser aus dem unteren in das obere Becken

Wasser treibt Turbinen an Generatoren erzeu ugen Strom

Speicher wird aufgeladen

Speicher leerrt sich Stausee (oberes Becken) Staumauer Gen nerator Turbine Transformator Pumpe Quelle: Deutsche Energie-Agentur / Grafik: dpa

(unteres Becken)

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ENERGIE REPORT

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ENERGIE REPORT

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Dienstag, 13. Dezember 2011

Schiefergas – riesige Vorkommen und großer Streit Experten vermuten gewaltige Mengen tief unter der Erde / Umweltschützer weisen auf die Gefahren des Frackings hin In Zeiten der Energieverteuerung rückt die Gewinnung heimischer Rohstoffe wieder stärker in den Mittelpunkt. Schiefergas steht dabei ganz vorn. Das Erdgas kommt tief unter der Erde in porösem Gestein vor. Obwohl Vorkommen seit Jahrzehnten bekannt sind, lässt sich Schiefergas erst seit ein paar Jahren wirtschaftlich fördern. In den USA hat das Gas einen regelrechten Boom ausgelöst. Zugleich wächst die Sorge vor möglichen negativen Umweltauswirkungen. In Europa wird das größte Vorkommen in Polen vermutet. Im Nachbarland der Deutschen herrscht fast schon Goldgräberstimmung. Geologen rechnen mit 5,3 Billionen Kubikmeter Schiefergas in den polnischen Gesteinschichten. Das Land träumt von einem neuen Energiezeitalter und davon, sich 200 Jahre mit dem eigenen Gas versorgen zu können. Vorräte von fast acht Milliarden Kubikmeter werden in Österreich vermutet. Das Alpenland könnte seinen Gasbedarf damit für 20 bis 30 Jahre decken, schätzt die Österreichische Mineralölgesellschaft OMV. In Deutschland können laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bislang keine verlässlichen Aussagen über Vorkommen gemacht werden. BGR und die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) ermitteln derzeit im Rahmen eines gemeinsamen Projektes das Potenzial an Schiefergas in Deutschland. Im Frühjahr 2012 würden erste Ergebnisse vorliegen. Laut einer Studie der US-Energiebe-

Mit Bohrgestängen wie diesen werden derzeit Probebohrungen in Norddeutschland vorgenommen, um Schiefergasvorräte zu erkunden. hörde (EIA) von diesem Jahr wird in Deutschland mit einem Vorkommen von 230 Milliarden Kubikmeter gerechnet. Dabei handelt es sich aber nur um eine grobe Schätzung der technisch gewinnbaren Ressourcen an Schiefergas. Die genannte Menge entspräche zweieinhalb Jahresverbräuchen Deutschlands, so BGR-Sprecher Björn Völlmar. Allerdings seien in dieser Studie nur Norddeutschland und nur wenige mögliche Gesteinshorizonte berücksichtigt worden. Die Vorräte könnten also weit größer sein. Schiefergas wird aus fossilen Resten

organischen Lebens durch thermischen Einfluss in der Erdkruste gebildet. Es befindet sich noch in dem Gestein (Muttergestein), in dem es entstanden ist, dem Tongestein (Schiefer). Völlmar: „In Deutschland kann man demnach überall dort mit Vorkommen rechnen, wo mächtige Muttergesteine mit ausreichenden Anteilen an fossilem organischem Material so tief in der Erde versenkt wurden, dass sich Erdgas bilden konnte.“ Diese Voraussetzungen seien insbesondere in Norddeutschland, im Ruhrgebiet, dem Rheinland, dem Rheintalgraben und in

der Molasse Süddeutschlands gegeben. Mit Schiefergas verbindet sich aber nicht nur die Hoffnung auf größere Versorgungssicherheit. Denn zu ihrer Erschließung ist eine besondere Technologie notwendig, genannt Fracking. In mehreren hundert Meter Tiefe, unterhalb des Grundwassers, wird durch ein Bohrloch mit Hochdruck ein Wasser-Sand-Gemisch gepresst, das Gestein aufgesprengt und das Gas freigesetzt. Dabei gibt es Risiken: Chemikalien werden eingesetzt, die aufwendig entsorgt werden müssen. Außerdem kann dabei das Trinkwasser

hörde EIA. Doch je mehr gefördert wird, umso stärker wird die Gegenwehr der Bevölkerung. Fälle wie in Pennsylvania, wo das Brunnenwasser für etwa 30 Familien vergiftet ist, stehen für die Gefahren. In Frankreich haben Proteste dazu geführt, dass Fracking verboten ist. Laut BGR ist in Deutschland kein Fall von Grundwasserverschmutzung bekannt. Grundsätzlich spreche nichts gegen die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten, heißt es in einem Grundsatzpapier des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Der Verband, der die Interessen von 1800 Unternehmen der Energie- und Wasserversorgung sowie der Abwasserentsorgung vertritt, fordert „eine differenzierte Betrachtung der konkreten Maßnahmen je nach Untergrund und der wasserwirtschaftlichen Bedeutung der betroffenen Gebiete“. Trinkwasser dürfe nicht gefährdet werden. Zugleich nennt der Verband Erdgas einen hocheffizienten Energieträger, der für die Umsetzung der Energiewende und der Klimaschutzziele gebraucht werde. Unabhängig von dem Weg, den die Schiefergasnutzung in Deutschland und Europa nehmen wird, so BGR-Sprecher Völlmar, erscheine schon heute als sicher, dass das Schiefergas angesichts der weltweiten Aktivitäten und aufgrund seiner Verbreitung auch in Ländern mit bislang geringen heimischen Erdgasvorkommen die Erdgasmärkte der Welt verändern wird. Andreas Dunte

Foto: dpa verunreinigt werden. Das jedenfalls befürchten Umweltschützer Obwohl diese Methoden zum Teil schon seit Jahrzehnten (in Deutschland seit 1961) eingesetzt werden, sind sie aber erst jetzt im öffentlichen Bewusstsein angekommen und führen dort zu intensiven Debatten. Umweltschützer verweisen dabei auf die Schiefergas-Förderung in den USA. Noch vor zehn Jahren bedeutungslos, liegt der Anteil des Energieträgers am amerikanischen Gasmarkt heute bereits bei 14 Prozent. 2035 werden es 46 Prozent sein, schätzt die Energiebe-

Europa setzt auf Gas aus Norwegen Unternehmen beteiligen sich an der Förderung Schätze aus der Tiefe haben Norwegen reich gemacht. Das Land verdankt seinen Wohlstand den Öl- und Gasvorkommen vor seinen Küsten. Obwohl Norwegen nur über knapp zwei Prozent der weltweit nachgewiesenen Erdgasreserven verfügt, ist das Land der fünftgrößte Förderstaat (nach Russland, USA, Kanada und Iran) sowie der drittgrößte Exporteur hinter Russland und Kanada. Deutschlands Gasimporte kommen zu knapp zwei Dritteln aus Russland. An zweiter Stelle steht Norwegen, das 29 Prozent zur Versorgung Deutschlands beisteuert, gefolgt von den Niederlanden mit einem Fünftel. Einen nicht unerheblichen Beitrag liefern zudem heimische Quellen: 13 Prozent des deutschen Gases werden in Deutschland gefördert. Die Abhängigkeit von Russland, aber auch die politischen Unruhen in Nordafrika (obwohl Nordafrika keine Rolle bei der Versorgung Deutschlands spielt) und der internationale Wettlauf um die Energievorräte rücken Norwegen stärker in den Fokus der Europäer. Eine Entwicklung, die dem Königreich zupass kommt. In dem Maße wie die Erdölproduktion sinkt, fahren die Skandinavier ihre Gasproduktion kontinuierlich hoch. 2008 wurde mit 99,3 Milliarden Kubikmeter doppelt so viel Naturgas produziert wie im Jahr 2000 und dreimal so viel wie noch 1995. Die größten Abnehmerländer neben Deutschland sind Großbritannien und Frankreich. Insgesamt beliefert Norwegen schätzungsweise 120 Millionen Haushalte in zwei Dutzend Ländern. Damit die Gelder aus dem Verkauf der Energieressourcen weiter sprudeln, ist Oslo darauf angewiesen, dass regelmäßig neue Vorkommen entdeckt werden. Etwa ein Viertel der norwegischen Gas-Ressourcen sollen noch unentdeckt sein. 20 Prozent seien bereits gefördert worden. Aussagen über die Vorräte an Gas in Norwegen sind mit großen Unwägbarkeiten behaftet. Zuletzt war 2009 ein großes neues Gasfeld entdeckt worden. Es

soll sich rund 400 Kilometer vor der norwegischen Küste, etwa auf Höhe des Polarkreises befinden, und zwar mehr als 5000 Meter unter der Wasseroberfläche. Nach ersten Schätzungen könnte das Feld 100 Milliarden Kubikmeter Gas enthalten. Zum Vergleich: Das Troll-Feld ist das größte in Norwegen und hat mehr als 1300 Milliarden Kubikmeter. Ormen Lange, Norwegens zweitgrößtes Gasfeld, soll eine Kapazität von 400 Milliarden Kubikmetern Gas haben. Nicht zuletzt, weil Gas unter den fossilen Energieträgern als sauber gilt, nimmt die Investitionsbereitschaft der Energiekonzerne vor den Küsten Norwegens zu. Zumeist schließen sich die Konzerne zusammen, um die hohen Summen für die Förderung aufbringen zu können. Das trifft auch für den norwegischen Gasproduzenten Statoil zu, der mehrere Milliarden US-Dollar in die Erschließung von Gasfeldern und den Bau von Transportleitungen investiert hat, allein um Deutschland zuverlässig mit Erdgas beliefern zu können. Auch deutsche Unternehmen investieren in Norwegen. Die BASF-Tochter Wintershall, der größte Erdöl- und Erdgasproduzent, hat über seine Gesellschaft Wintershall Norge ASA vor kurzem neue Produktionslizenzen vom norwegischen Energieministerium zugeteilt bekommen. Mit mehr als 40 Lizenzen ist Wintershall einer der größen Lizenznehmer in Norwegen. Bis 2015 will das Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro in die Exploration und Produktion investieren. Mit dem Kauf eines Förderunternehmens ist auch der Leipziger Gasimporteuer VNG zum Öl- und Gasproduzenten aufgestiegen. Bis 2020 soll die Eigenförderung stark ausgebaut werden. Bereits 2007 hatte das Unternehmen eigene Lizenzen erworben. Ziel des ostdeutschen Unternehmens ist es, bis 2017 zehn Prozent der Gaseinkäufe aus eigener Förderung zu sichern. ade

Erdgasreserven der Welt Bestehend aus Reserven, Ressourcen und Förderung

174

68 Nordamerika

Die Stadt der Zukunft ist eine, die nichts auf morgen verschiebt.

Billionen Kubikmeter

Europa 23

Fernost / Pazifik

27 19

Südamerika

GUS

109

41

Mittel- und Nahost

Deutschland geht neue Wege. Mit Antworten für nachhaltige Stadtentwicklung.

Quelle: BGR / Grafik: Enzo Forciniti

Städte sind die Impulsgeber unserer Gesellschaft. Doch auch beim Klimawandel liegen sie vorn: Auf Städte entfallen heute 75 % des weltweiten Energieverbrauchs und mehr als 80 % der CO2-Emissionen. Und die urbanen Zentren wachsen. Geht der Klimawandel heute vielfach von Städten aus, bieten sich genau hier auch zahlreiche Möglichkeiten, ihn zu bekämpfen. So lassen sich CO2-Emissionen von Gebäuden mit energieeffizienter Technik um bis zu 50 % senken. Aber nicht nur die Zukunft des Klimas entscheidet sich in den Städten: Als Wirtschafts- und Lebenszentren, deren Bruttosozialprodukt dem ganzer Länder entsprechen kann, sind Städte auch Ausgangspunkt für nachhaltige Entwicklung überhaupt.

Berlin, Hamburg, München: Städte bringen Menschen, Wirtschaft und Klimaschutz gewinnbringend zusammen, indem sie konsequent auf zukunftsweisende Technologien setzen. Hamburg, zum Beispiel, ist deshalb „Umwelthauptstadt Europas 2011“. Und Hamburg ist nicht allein: Überall in Deutschland und auf der Welt arbeiten Planer und Entscheider daran, Konzepte für die Stadt von morgen in die Tat umzusetzen. Die Antworten für die Stadt der Zukunft sind da. Und die Zeit für neue Wege ist jetzt. Denn die Welt von morgen braucht unsere Antworten schon heute.

siemens.com/answers

Spartipp: Heizung entlüften Fängt die Heizung an zu gluckern oder wird sie nicht mehr richtig heiß, dann wird es höchste Zeit, sie zu entlüften. Wer regelmäßig überschüssige Luft aus den Heizkörpern lässt – am besten einmal jährlich, bevor die Heizperiode beginnt – der kann die Heizkosten um bis zu 15 Prozent senken. Denn die Luft in den Heizkörpern verdrängt das heiße Wasser, was dazu führt, dass die Heizkörper länger brauchen, um warm zu werden. Eine Heizung zu entlüften, kann jeder. Vorausgesetzt, man besitzt einen Heizkörperschlüssel in Vierkant-

Form. Er ist in jedem Baumarkt zu finden. Wird entlüftet, während die Anlage heiß ist, besteht aber Verbrühungsgefahr. Das Ventil wird so lange offen gehalten, bis Wasser aus der Heizung austritt. Die Entlüftung muss während des Heizbetriebs vorgenommen werden. Wasser und Luft dehnen sich aus, sobald sie warm werden. Einen kalten Heizkörper zu entlüften, bringt nicht viel, da zu viel Luft im Heizkörper bleibt. Vor dem Entlüften müssen die Thermostatventile geöffnet und die Heizung aufgedreht werden. ade


ENERGIE REPORT

Dienstag, 13. Dezember 2011

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„Wir haben eine Vorreiterrolle“

Frage: Die Energiezukunft in Deutschland ist grün. Welche Perspektiven hat da noch ein Bergbauunternehmen wie die Mibrag?

„Wir brauchen flexibel regelbare Kraftwerke“ Foto: Andreas Döring

Frank Büchner, Leiter der Region Ost der Siemens AG. Frage: Deutschland hat die Energiewende eingeleitet. Der Strom soll künftig vor allem mit Wind, Sonne und Biomasse erzeugt werden. Sind Gasturbinen in der Energieerzeugung ein Auslaufmodell? Frank Büchner: Nein, Gasturbinen werden künftig sogar einen deutlich stärkeren Anteil des Stroms liefern. Bisher liegt ihr Anteil in Deutschland unterhalb von 15 Prozent. Doch die 22 Prozent Kernenergie werden bis zur Abschaltung des letzten Kernkraftwerks nicht alleine durch den Ausbau der erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die regenerativen Energiequellen Wind- und Sonnenkraft sind leider nicht beständig verfügbar. Um auch dann ausreichend Strom zu liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, brauchen wir flexibel regelbare Kraftwerke – oder Energiespeicher. Da Speicher auf absehbare Zeit nicht im benötigten Umfang verfügbar sein werden, bieten sich hier hochflexible und hocheffiziente Gaskraftwerke an. Diese haben zudem den Vorteil eines relativ geringen CO2-Ausstoßes. In Irsching steht das modernste Gasund Dampfkraftwerk der Welt, der Wirkungsgrad liegt bei über 60 Prozent – beim Vorgänger waren es 59 Prozent. Wie viel macht ein Prozentpunkt mehr Effizienz aus? Eine Verbesserung der Effizienz um einen Prozentpunkt stellt einen Riesenschritt dar! Die üblichen Optimierungsmaßnahmen zeigen ihre Erfolge eher in Steigerungen im Nachkommabereich. Die Kosteneinsparungen und Gewinnvorteile hängen natürlich von den aktuellen Brennstoff- sowie Strompreisen ab. Sie reichen bei einer Verbesserung des Wirkungsgrades um nur einen Zehntel Prozentpunkt üblicherweise bereits von einem ein- bis zu einem zweistelligen Millionen-Euro-Betrag, der Jahr für Jahr zu erzielen ist. Fast 61 Prozent Effizienz: Ist mehr überhaupt noch möglich? Ja, wir arbeiten kontinuierlich an höheren Wirkungsgraden. Nach unserem Weltrekord mit 60,75 Prozent in Kombination mit einer Dampfturbine ist die Marke von 61 Prozent nun die nächste Hürde, die wir knacken wollen. Mittelfristig werden wir die Effizienz noch deutlich weiter verbessern. Interview: Markus Werning

Foto: pd

Joachim Geisler, Geschäftsführer der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft.

Foto: dpa

Matthias Machnig (SPD), Wirtschaftsminister von Thüringen. Frage: Die Netze halten nicht Schritt mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Rächt sich, dass das Thema Speicherung vernachlässigt wurde? Matthias Machnig: Wir brauchen, um die Energiewende umzusetzen, massive Investitionen in Infrastruktur. Sowohl in die Netze als auch in Speicherkapazitäten. Die Rolle von Pumpspeicherkraftwerken wird sich in den nächsten Jahren verändern. Sie werden verstärkt Regelenergie zur Verfügung stellen, um die Netzstabilität zu garantieren. Wir brauchen in Deutschland eine massive Kraftanstrengung, um die Kapazitäten der Pumpspeicher von sieben auf 14 Gigawatt bis 2020 zu erreichen. Dafür müssen bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wo muss nachgebessert werden? Aus meiner Sicht brauchen wir Investitionsanreize. Wir müssen einen Fördermechanismus finden, damit die Attraktivität und die betriebswirtschaftliche Darstellbarkeit von Pumpspeichern gewährleistet werden. Im Rahmen einer neuen EEG-Novelle ist darüber dringend zu reden. Welche Rolle soll Thüringen bei der deutschen Energiewende spielen? Wir wollen zeigen, dass wir im Unterschied zu anderen die Energiewende nicht nur verbal, sondern real voranbringen. Dazu hat Thüringen hervorragende Voraussetzungen. Die Unterstützung für den Ausbau erneuerbarer Energie in der Bevölkerung ist enorm, 82 Prozent begrüßen beispielsweise Pumpspeicher. Außerdem haben wir in einer neuen Studie in Thüringen 13 potenzielle Standorte mit einer Gesamtleistung von 5,1 Gigawatt identifiziert. Wir sind das einzige Bundesland, das bisher ein solches Kataster vorgelegt hat. Das zeigt, wir haben eine gewisse Vorreiterrolle. Ich hoffe jetzt, dass Investoren die Chance erkennen und auch in Thüringen investieren. Wie profitiert Thüringen von den Pumpspeichern? Wenn wir das realisieren könnten, wäre es ein großangelegtes Investitionsprogramm für Thüringen mit großen Chancen auch für die Bauindustrie. Und zweitens erzielen gerade strukturschwache Regionen langfristig Gewerbesteuereinnahmen, mit denen sie ihre Haushalte sanieren und wieder investieren können. Interview: Robert Büssow

„Braunkohle ist Partner der Energiewende“

Joachim Geisler: Durchaus gute. Die Braunkohleindustrie ist Partner der Energiewende, und nicht etwa ihr Widersacher. Für einen Abgesang auf die Kohle ist die Zeit noch längst nicht reif. Im Gegenteil. Sie wird auf dem Weg in die grüne Energiezukunft mehr denn je gebraucht, wenn auch in einer anderen Rolle. Unsere unternehmerische Verantwortung ist es, die Kohle darauf vorzubereiten. Was meinen Sie damit genau?

Die alten Zechengelände im Ruhrgebiet will die RAG künftig nutzen, um Öko-Energie zu produzieren und zu speichern.

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Die schwarze RAG will grün werden Bergbaukonzern sieht seine Zukunft nach der Steinkohle bei den erneuerbaren Energien Die Steinkohle will grün werden: Auf diesen einfachen Nenner lässt sich die neue Strategie des Herner Steinkohle-Konzerns RAG bringen. Windkraft-Parks auf Bergehalden, Pumpspeicher-Kraftwerke und die Nutzung des Grubenwassers als Wärmequelle – diese drei Beispiele sind für RAG-Chef Bernd Tönjes „unsere neuen strategischen Handlungsfelder“. Nach dem für 2018 festgesetzten Ende der über 150-jährigen industriellen Steinkohlen-Förderung in Deutschland sollen diese erneuerbaren Energien für die RAG „die Brücke in die Zukunft“ werden. Tönjes: „Wir wollen vor allem untersuchen, inwieweit Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien unter Nutzung unserer bergbaulichen Infrastruktur und unserem technischen Know-how zu erzeugen sind, und ob wir einen Beitrag zur Speicherung von Strom aus erneuerbaren Quellen leisten können.“ In Herne laufen schon seit einiger Zeit die Berechnungen und Planungen dafür auf Hochtouren. Schließlich muss sich das Ganze rechnen. Die RAG muss damit Geld verdienen, wenn die Kohle-Subventionen auslaufen. Für die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sind die RAG-Planungen „energiepolitisch sehr reizvoll“. Kraft: „Unsere Landespolitik wird alles Erfor-

ser an die Tagesoberfläche gepumpt. Die derliche tun, um diese Projekte schnell sogenannten Grubenbaue der Bergwerke umsetzbar zu machen.“ können für Pumpspeicherkraftwerke, als Aus ersten Plänen sind inzwischen konWärmespeicher, aber auch als Wärmekrete Projekte geworden. Die RAG sieht quelle für Gebäude genutzt werden. Hal„Grün“ nicht nur als Weiterentwicklung den und Flächen über Tage können als ihres bisher schwarzen UnternehmensStandorte für Windräder, Photovoltaik profils an, sondern auch als Flankierung des SteinkohleAuslaufprozesses, vor allem aber als zukunftsträchtiges Betätigungsfeld für die Zeit nach dem Ende der deutschen Steinkohle. Wenn Sie daheim frieren, ob- tungsband füllen. Ein Meter Denn bei der RAG wohl die Heizung läuft, haben kostet im Baumarkt ab zwölf will man nach Sie vielleicht ein Problem mit Euro. Bei einem Einfamilien2018 nicht einfach Zugluft. Mit einem Teelicht haus mit 150 Quadratmeter so die Lichter auskönnen Sie das überprüfen, können Sie dadurch pro Jahr machen. wie die Energieberater von 1250 Kilowattstunden und 90 Der Konzern C02online erklären. Sie kön- Euro einsparen. Aber vergesnutzt deshalb seinen Spalten mit Schaumdich- sen Sie das Lüften nicht. wer ne Bergbau-Infrastruktur zur Gew i n n u n g oder Biomasse eingesetzt werden. erneuerbarer Energien: Durch den BergBei der Umsetzung arbeitet die RAG bau entstanden zahlreiche etwa 100 Memit Partnern der Region zusammen – dater hohe Halden, bis zu 1300 Meter tiefe runter Stadtwerke, WohnungsbaugesellSchächte, ausgedehnte und unverbaute schaften und regionale Energieversorger. Grundstücke und große Gebäude. Zudem So sind bereits auf der Halde Scholven in wird rund 30 Grad warmes Grubenwas-

Spartipp: Fensterdichtung

CCS-Gesetz wird zur Hängepartie Für Speicherung von Kohlendioxid fehlt rechtlicher Rahmen Die Zukunft der Braunkohle im bundes- chen und das Grundwasser vergiften. deutschen Energiemix hängt am seide- Im Vorfeld der Gesetzgebung regte sich nen Faden. Nachdem der Bundesrat das in Brandenburg, Schleswig-Holstein Gesetz zur unterirdischen Speicherung und Niedersachsen Protest gegen die von Kohlendioxid in den Vermittlungs- Erkundungen potenzieller Lagerstätten. ausschuss von Bundestag und Bundes- Diese Länder sind geologisch am besten rat verwiesen hat, steckt die CCS-Tech- geeignet, lehnen das Gesetz aber ab. nologie in einer Sackgasse. Dabei ist die Frei nach dem Motto: Entweder alle kohlendioxidarme Kohleverstromung oder keiner. Bundesumweltminister Norbert Röttbereits so weit entwickelt, dass Vattengen (CDU) weist Kritik des Stromkonfall den Bau eines zerns Vattenfall zurück, wonach die PoBraunkohlekraftlitik zu wenig Interesse an der CCSwerkes mit CO2Technologie habe. Zwar habe der vom Abscheidung in Bundestag beschlossene Gesetzder Lausitz entwurf die Kohlendioxidvorbereitet Speicherung auf Forhatte. Das Proschungs- und Demonstrajekt wurde jetzt tionsprojekte beschränkt. abgesagt. AufEr stehe dennoch dazu, grund der undass Deutschland an der klaren Gesetzeslage CCS-Erprobung festscheuen die Schweden halten müsse. Es die Milliarden-Investisei wichtig, dass tion. CCS erprobt Dabei erprobt der Enerwird, „mindesgiekonzern die Technik betens, um diese reits seit September 2008 in Te c h n o l o g i e einem Pilotprojekt am Industrieauch exportiestandort Schwarze Pumpe. In der für ren zu können“. 70 Millionen Euro errichteten 30-MegaSollte das Gesetz watt-Anlage wird Kohlendioxid durch nicht in naher Zudas Oxyfuel-Verfahren nach VattenfallAngaben zu rund 90 Prozent abgeschie- kunft auf den Weg gebracht werden, den und verflüssigt. Über Pipelines oder dann drohen nicht nur Konzernen wie in Tanklastzügen sollte das CO2 zu den Vattenfall Rückzahlungen von EU-FörEndlagern transportiert und dort ver- dergeldern in Millionenhöhe. Aufgrund presst werden. Das CCS-Demonstra- der ehrgeizigen Klimaschutzziele könntionskraftwerk in Jänschwalde wäre der te außerdem der Platz der Braunkohle nächste Schritt gewesen, bei dem die im deutschen Energiemix bedroht sein. Technologie im Industriemaßstab einge- Einer Prognos-Studie zufolge sind in Ostdeutschland disetzt wird. Vattenrekt und indirekt fall wollte das 35 000 Arbeitsplät1,5-MilliardenSTICHWORT ze von dem einheiEuro-Projekt mit eimischen Energiener Leistung von Vermittlungsausschuss träger abhängig. 300 Megawatt im Nur bei Einführung Jahr 2015/16 in BeFindet ein Gesetz des Bundestages der CCS-Technolotrieb nehmen. Dort keine Mehrheit im Bundesrat, so kann gie ließen sich Klisollten jährlich 1,7 dieser den Vermittlungsausschuss einmaschutz, erneuerMillionen Tonnen berufen. In ihm sind jeweils 16 Mitgliebare Energien und Kohlendioxid abgeder beider Gremien vertreten. Ihre AufBraunkohlenuttrennt werden. gabe ist es, die unterschiedlichen zung vereinbaren, Die Nutzung von Vorstellungen auszuräumen und einen heißt es bei Progehemaligen GaslaKompromiss herbeizuführen, der für nos. Ohne die Abgerstätten oder salibeide Seiten akzeptabel ist. Der Verscheidung von Kohnen Aquiferen für mittlungsausschuss hat jedoch keine lendioxid werde die CO2-Verpresabschließenden Entscheidungsrechte. der Abbau von Er ist auch nicht befugt, Änderungen an sung ist aber umBraunkohle und die einem Gesetz zu beschließen. Er soll stritten. Experten energetische Nutlediglich Einigungsvorschläge unterbreibefürchten Folgen zung vermutlich ten, die dann der Zustimmung von Bunfür Mensch und drastisch schrumpdestag und Bundesrat bedürfen. bis Umwelt, sollte Gas fen. bis aus Lecks entwei-

Gelsenkirchen zwei 100 Meter hohe Windkraftanlagen mit je 2,3 Megawatt elektrischer Leistung errichtet, die 10 000 Einwohner mit Strom versorgen können. Einen Steinwurf davon entfernt, auf dem ehemaligen Zechengelände Hugo 2/5/8, werden als Biomasse schnellwachsende Bäume angepflanzt. Und die weit ausladenden Dächer der Kohlenmischhallen bieten sich für die Installation von Photovoltaikanlagen geradezu an. Die Hallen der RAG mit rund 10 000 Quadratmeter großen Süddächern stehen im optimalen Winkel zur Sonneneinstrahlung. Und die Schächte unter dem Ruhrgebiet können gleich multifunktional genutzt werden: Sie dienen als Zugänge zur Gebirgswärme oder als intelligente Pumpspeicherbecken. In diesem Fall würde der Stromüberschuss aus Windkraftanlagen dazu genutzt, Wasser aus einem tieferen Becken in ein auf dem Haldengipfel gelegenes Becken zu pumpen. Bei Spitzenstrombedarf fließt das Wasser zurück ins Unterbecken und treibt dabei über eine Turbine einen Generator zur Stromerzeugung an. Die RAG-Tochter RAG Montan Immobilien lässt zurzeit bereits eine Machbarkeitsstudie für ein solches Pumpspeicherkraftwerk erstellen. Axel Schappei

Die Erneuerbaren sollen in Zukunft die Hauptrolle in der Energieversorgung übernehmen, gleichzeitig kommt das Aus für die Atomkraft. In dieser Situation das Potenzial der Kohle zu ignorieren, wäre fahrlässig. Wind- und Sonnenenergie unterliegen naturgegebenen Schwankungen. Und Techniken zur Stromspeicherung sind noch in der Laborphase. Die Erneuerbaren brauchen deshalb einen erfahrenen Copiloten, der jederzeit für Energiesicherheit und vor allem auch für Netzstabilität sorgt bis ein ausreichender Ausbau der Netze erfolgt ist. Genau das wird der Job der Kohle sein. Aber sind Kohlekraftwerke dazu überhaupt in der Lage? Moderne Anlagen, wie wir sie jetzt in Profen planen, sind exakt auf diese Aufgabe ausgelegt. Das sind hocheffiziente und flexible Kraftwerke, die bei Bedarf Schwankungen ausgleichen können. Sie machen damit das Handicap der Erneuerbaren wett. Aber die Ökobilanz der Kohle können auch Sie nicht schönreden … Es geht nicht darum, die Kohle grün zu waschen, sondern schlichtweg um eine Güterabwägung: Kann Deutschland es sich leisten, bei allen ökologischen Nachteilen der Kohle auf ihre unbestrittenen Vorteile zu verzichten? Heimische Braunkohle sichert hier in großem Umfang Arbeit und Wertschöpfung, ist quasi vor unserer Haustür und preisgünstig verfügbar. In modernen Kraftwerken verfeuert, können wir ihre Umwelt- und Klimabilanz in Zukunft deutlich verbessern. Zugegeben: Das macht die fossile Kohle nicht zu einer grünen Energie. Aber doch zu einem wichtigen Brückenpfeiler ins regenerative Zeitalter. Interview: Birgit Schöppenthau


ENERGIE REPORT

Dienstag, 13. Dezember 2011

Überall – nur nicht hier

„Röttgen schafft kein Vertrauen“

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Spartipp: Staubsauger Der Teppich ist nachher sauber. Aber einige Staubsauger brauchen dafür deutlich mehr Strom, wie die Stiftung Warentest gemessen hat. Gute und sparsame Geräte kommen im Jahr mit etwa 55 Kilowattstunden aus, so dass der Verbraucher etwa 13 Euro für den Strom ausgeben muss, wie die Fachleute berechnet haben. Andere Modelle verbrauchten dagegen 75 oder mehr Kilowattstunden und verursachten Kosten von 18 bis 21 Euro – bei gleicher Leistung, warnen die Warentester. wer

In Gorleben (Niedersachsen) keimt Hoffnung auf. In Thurmansbang (Bayern) wächst dagegen die Sorge. Auch in Sumte (Niedersachsen) und in Kirchberg (Sachsen). Denn Bund und Länder wollen Alternativen für Gorleben suchen. Der Salzstock wird zwar weiter erkundet. Eine Vorentscheidung will Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) darin aber nicht sehen. Auch nicht darin, dass seit 1977 bereits 1,6 Milliarden Euro für die Erkundung Gorlebens ausgegeben worden sind. Die Politik stehe vor einer „weißen Karte“, versichert Röttgen. Ganz so weiß ist die Karte aber nicht. Sie hat bunte Flecken. Im Norden, Osten und Süden Deutschlands. Überall dort, wo Geologen im Boden Ton, Salz oder Granit gefunden haben. Sie werden als mögliches Wirtsgestein für ein Endlager gesehen. Der hochradioaktive Atommüll könnte dort eventuell für die nächsten Millionen Jahre sicher verwahrt sein. Sicher ist das aber nicht. Die bunten Flecken sind nur Empfehlungen der Geologen für weitere Untersuchungen. Aber es klingt wie eine erste Vorauswahl. Betroffen sind Orte in Bayern, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen. Dort im Süden und Osten des Freistaates versuchen sich die Menschen zu beruhigen. Sie kennen zwar die Untersuchung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von 1994. Darin haben Forscher mögliche Standorte für ein Endlager aufgelistet. Sie nennen auch Kirchberg, Radeberg, Löbau und Pulsnitz, weil sich dort Granit durch den Boden zieht. Aber andere Fachleute halten Salz und Ton für geeigneter. Michael Sailer zum Beispiel. Im Februar ist er von Röttgen für weitere drei Jahre zum Vorsitzenden der Entsorgungskommission ernannt worden, eines Beratungsgremiums für nuklerare Fragen. Sailer hält nichts davon, kristalline Gebirge für ein Endlager zu erkunden. Auch nicht diejenigen in Sachsen. Sie seien dafür zu zerklüftet. Wasser könne durch die Ritzen dringen, die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung bestehe. Außerdem gebe es in Deutschland viele Standorte im Tongestein oder im Steinsalz, in denen der Atommüll sicherer sei, meint der Kerntechnik-Sachverständige. „Wir gehen deshalb nicht davon aus, dass unsere Region in die engere Wahl kommt“, sagt Kirchbergs Bürgermeister Wolfgang Becher. Sicher sind sich die Menschen in dem Ort aber nicht. Sie würden die EndlagerDiskussion „mit wachsamen Augen“ verfolgen, sagt Becher. Er wünscht sich ein Machtwort des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU). „Eine eindeutige Positionierung, dass wir in Sachsen kein Endlager haben möchten.“ Deshalb will Kirchbergs Bürgermeister dem Ministerpräsidenten einen Brief schreiben und ihn auffordern, öffentlich Stellung zu beziehen. Bisher hat sich Umweltminister Frank Kupfer (CDU) dazu geäußert. Er zitierte eine weitere Studie der BGR. Demnach sind Kristallingesteine wegen ihrer hohen Wasserdurchlässigkeit nicht geeignet – im Gegensatz zu Salzstöcken und Tonformationen. „Deshalb ist es sinnvoll, diese Gesteinsarten zu untersuchen“, meint Kupfer. Es ist nicht der einzige, der auf andere Bundesländer verweist. Dabei hatten alle zugesagt, die Suche nach einem Standort zu unterstützen, wie Röttgen berichtet. „Es gibt keine Tabus.“ Tatsächlich findet es Sachsen-Anhalts Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) zwar gut, wie er sagt, dass eine Alternative zu Gorleben geprüft wird – aber nicht in seinem Bundesland. In Morsleben lagerten schon schwach radioaktive Materialien, damit

Ulrich Kelber, VizeFraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag. Frage: Bund und Länder haben sich zwar darauf geeinigt, bundesweit nach einem Standort für ein Atommüllendlager zu suchen. Gorleben wird aber weiter erkundigt. Läuft es doch auf Gorleben hinaus? Ulrich Kelber: Bundesminister Röttgen schafft kein Vertrauen in eine faire und ergebnisoffene Suche. Den Menschen in Gorleben verweigert er die im Atomrecht und im heute gültigen Bergrecht verankerte Bürgerbeteiligung, gleichzeitig wird in Gorleben erkundet und massiv ausgebaut. Kein Wunder, hat doch Röttgen persönlich noch 2006 einen Gesetzentwurf für eine ergebnisoffene Suche verhindert. Welche Region präferieren Sie? Wir brauchen das wirklich offene Verfahren, dass die Umweltminister Trittin und Gabriel vorbereitet hatten, bevor Merkel und Röttgen es aufgehalten haben. Zuerst werden die Kriterien festgelegt, die ein Endlager benötigt, dann werden die erfolgversprechendsten Regionen anhand der Kriterien gesucht. Am Ende werden zwei bis vier Standorte auch unterirdisch erkundet. Wer die Antworten darauf schon vorher weiß, nimmt diesen Prozess nicht ernst. Bis Sommer soll ein Endlagersuchgesetz vorliegen. Ist das realistisch? Oder wird die Standortfrage ein Thema des Bundestagswahlkampfes? Natürlich könnte bis Sommer 2012 locker ein Gesetz vorgelegt werden. Seit 2006 existiert im Umweltministerium ein fertiger Entwurf, der jetzt nur noch an die neuesten Erkenntnisse angepasst werden müsste. Dafür hätte die Bundesregierung die Unterstützung der SPD. Wenn Röttgen aber nur weiter auf Zeit spielen sollte, Gorleben ungeniert ausbauen lässt, ohne wirklich ernsthaft den besten Standort zu suchen, dann wird die Atompolitik auch wieder Wahlkampfthema. Wird es nicht überall Proteste gegen ein Endlager geben? Muss es einen finanziellen Anreiz für die Bevölkerung geben? Es wird auch gegen einen objektiv ausgewählten Standort Proteste geben. Aber diese werden schwächer sein als in Gorleben, wo die Menschen seit 35 Jahren belogen und betrogen werden. Und in der Tat sollten die, die am Ende die Last für die Gemeinschaft tragen, davon auch einen wirtschaftlichen Vorteil haben. Ich schlage daher einen Fonds vor, der in dieser Region eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unterstützt! Interview: Markus Werning Foto: pd

Foto: dpa

Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. Frage: Umweltminister Röttgen hat angekündigt, dass bei der Endlagersuche Alternativen zu Gorleben geprüft werden sollen. Was erwarten Sie davon? Jürgen Trittin: Heute besteht die Möglichkeit, die Frage der Endlagerung von Atommüll endlich sachgerecht anzugehen. Röttgen hat bisher aber leider dazu nicht viel beigetragen. Während Gespräche über ein Endlagersuchverfahren laufen, stellt die Bundesregierung weitere Millionen bereit, um das Endlager in Gorleben fertigzustellen. So schafft man bei den Bürgern kein Vertrauen, und das ist bei dieser Frage bitter nötig. Sie haben bereits 2005 einen Gesetzentwurf für ein Standortauswahlverfahren vorgelegt. Inwiefern lässt sich darauf aufbauen? Mein Gesetzentwurf ist die Umsetzung der Ergebnisse des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte. Damals wurden erstmals wissenschaftliche Kriterien unabhängig von einem Standort erarbeitet. Der Gesetzentwurf stellt daher immer noch die richtige Arbeitsgrundlage dar. Inzwischen haben sich aber die Rahmenbedingungen verändert. Daher muss man an der einen oder anderen Stelle nachbessern. Laut Winfried Kretschmann soll Gorleben bei der Prüfung im Spiel bleiben, Sie fordern einen Erkundungsstopp. Wie passt das ins Prinzip einer ergebnisoffenen Suche? Ein Endlagersuchgesetz muss von einer weißen Landkarte ausgehen. Einzelne Standorte dürfen nur anhand der im Gesetz festgeschriebenen wissenschaftlichen Kriterien ausgeschlossen oder ausgewählt werden. Als ein möglicher Standort wurde in einem Gutachten auch die Lausitz genannt. Inwiefern spielt dies bei der aktuellen Diskussion noch eine Rolle? Es geht ja darum, den bestmöglichen Standort in Deutschland zu finden. Daher müssen alle Regionen berücksichtigt werden. Geologen gehen aber davon aus, dass mögliche Standorte vermutlich in Niedersachsen, eventuell auch in BadenWürttemberg liegen werden. Im Endlagerauswahlgesetz soll oberirdisch ganz Deutschland untersucht werden. Dann zwei bis vier Standorte auch unterirdisch. Im Vergleich wird dann der Bundestag den bestmöglichen Standort auswählen. Interview: Sabine Schanzmann-Wey

Sorge in Sachsen und Bayern: Die Politik sucht Alternativen zu Gorleben

ob die

Wohin mit dem Atommüll?

Brunsbüttel

Greifswald

Brokdorf Krümmel

Salz Unterweser

Gorleben Emsland

Asse Grohnde

Morsleben

Konrad

Granit

Ton

Ahaus

Jülich EndlagerProjekte Dezentrale Zwischenlager bei den Atomkraftwerken

Biblis

Grafenrheinfeld

Obrigheim Zentrale Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll aus Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren

Philippsburg Neckarwestheim

Gundremmingen

mögliche Regionen für Endlagerstätten und Beschaffenheit

trage Sachsen-Anhalt genug Verantwortung. Außerdem seien andere Regionen viel besser für ein Endlager geeignet. Das meint auch Bayerns Umweltminister Marcel Huber (CSU) und zeigt auf BadenWürttemberg. Wenn in Süddeutschland nach einem passenden Platz für den Atommüll gesucht werden sollte, dann dort. Denn in Baden-Württemberg seien die Tonvorkommen größer als in Bayern. Damit konnte Huber aber Martin Behringer nicht beruhigen. Niemand wisse,

Isar

Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BfS, dpa Karte: GinkgoMaps−Projekt / Grafik: Enzo Forciniti

„Alle Regionen werden berücksichtigt“

Landespolitik ihre Meinung nicht doch noch ändere, sagt der Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Thurmansbang. In der Region haben Geologen Granitvorkommen gefunden. Es sei aber viel zu zerklüftet, Radioaktivität könne durch die Hohlräume entweichen, meint Behringer. Falls die Region trotzdem als Standort erkundet werden sollte, „werden wir uns dagegen wehren“. Sie hätten schon vor vielen Jahren eine Bürgerinitiative gegründet. Vorsorglich.

Die Politik lässt Gorleben weiter erkunden, sucht aber bundesweit nach Alternativen für ein Endlager. Foto: dpa Dirk Hammer noch nicht. Der Norddeutsche hat aber im Internet zum Protest aufgerufen. Sofort, nachdem sich Bund und Länder im November darauf geeinigt hatten, eine Alternative für Gorleben zu suchen. Denn Hammer wohnt in Sumte. Wie alle seine Vorfahren seit 1674. „Ich will nicht der letzte sein.“ Aber unter der Erde liegt ein Salzstock, der ein Kandidat für das Atommüll-Endlager sein könnte, wie die (BGR) 1995 in einer weiteren Untersuchung schrieb. Deswegen macht sich nicht nur Hammer Sorgen. Innerhalb weniger Tage hatte er 150 Unterstützer im Internet. Das macht ihm Mut. Denn in Sumte wohnen kaum mehr Menschen. Das wiederum beunruhigt ihn. Denn es könnte eine Rolle spielen, wie dicht eine Region besiedelt ist. „Dort ist der Widerstand am geringsten.“ Allerdings liegt Sumte in einem Biosphärenreservat. Das müsste ein Ausschlusskriterium sein, meint Hammer. „Oben Biosphärenreservat, unten Atomendlager, das geht doch nicht.“ Aber welche Alternative bleibt dann noch? Gundremmingen im Westen Bayerns vielleicht. Zumindest aus Sicht der BGR. Denn im Boden liegt Ton. Ob er als Atommüll-Grab geeignet ist, müsste untersucht werden, sagt auch Raimund Kamm. Er leitet eine Bürgerinitiative mit 900 Mitgliedern. Seit Jahren kämpfen sie gegen die Kernkraft. Trotzdem wären viele bereit, ein Endlager vor der Haustür zu akzeptieren, sagt Kamm. „Wenn sich herausstellen sollte, dass sich Ton am besten als Deckschicht eignet.“ Denn die Bedenken gegen Gorleben kennt auch er. Dort wäre über dem Endlager kein durchgängiges Deckgebirge, deshalb könne Wasser eintreten, sagen Kritiker. In der Nähe befinde sich außerdem ein Gasvorkommen. Aber irgendwo müsse der Atommüll sicher gelagert werden, meint Kamm. Zwar habe er die Kernkraft nie gewollt. „Wir müssen aber die Verantwortung dafür übernehmen.“ Außerdem würde sich durch ein Endlager in Gundremmingen kaum etwas ändern. Dort steht Deutschlands größtes Kernkraftwerk. Auf dem Gelände ist auch ein Zwischenlager für verbrauchte Brennelemente. Schon heute sei deshalb dort so viel Atommüll wie nirgendwo sonst in Deutschland, sagt Kamm. „Die Gefahr ist also schon da.“ Einige Jahre werden aber noch vergehen, bis die Standortfrage geklärt ist. Bis Mitte 2012 wollen Bund und Länder für das weitere Verfahren ein Endlagersuchgesetz vorlegen. Baden-Württemberg schlägt vor, dass zu Gorleben mehrere Alternativen gesucht werden und 2020 entschieden wird, welche Standorte weiter erkundet werden. Bis dann ein Endlager gebaut sei, vergingen Jahrzehnte, glaubt Kamm. „Es ist heute schon klar, dass unsere Enkel unseren Atommüll aufräumen müssen.“ Markus Werning

STICHWORT

Morsleben Deutschlands einziges Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll liegt in Morsleben (Sachsen-Anhalt) und befindet sich in einem unterirdischen Salzstock. Es wurde zu DDR-Zeiten eingerichtet. Seit 1998 wird kein Müll mehr eingelagert. In dem früheren Salzbergwerk lagern 37 000 Kubikmeter atomarer Abfall. Er stammt aus Forschungseinrichtungen und dem DDR-Kernkraftwerk Lubmin. Der Müll liegt in etwa 500 Meter Tiefe oder darunter. Für eine Verfüllung werden bis zu acht Millionen Tonnen Salzbeton benötigt. Die Schließung wird wahrscheinlich 15 Jahre dauern. dpa

Vorreiter Finnland Im Norden Europas könnte das erste Endlager in Betrieb gehen

Jetzt zu Yello Strom wechseln und 200 kWh Gratis-Strom sichern. Ganz einfach unter 0800 – 19 000 19 oder yellostrom.de r Preis e g n a l a r t M i t ex e 2013! d n E s i b e garanti

als Endlager für hochradioaktiven Müll vorWeltweit produzieren rund 440 Kernkraftwerschlagen kann. Diese werden dann weiter unke Strom. Radioaktive Stoffe werden auch in tersucht. In etwa zehn Jahre soll der Bundesder Medizin, der Forschung und der Industrie rat entscheiden, wo der Atommüll landet. Nach eingesetzt. Dabei fallen Abfälle an. Bisher gibt der bisherigen Planung soll das Endlager 2040 es aber nirgendwo ein Endlager für hochradiozur Verfügung stehen. aktive Stoffe. Auf der Suche nach einem geeigKi USA: In den Vereinigten Staaten sollten mehneten Standort dafür gehen die Länder unterschiedlich vor, wie ein Überblick des rere Standorte untersucht werden. Aber schon Bundesamtes für Strahlenschutz zeigt. 1987 legte sich die Regierung auf Yucca MounKi Finnland: Zwischen 1993 und 2000 wurden tain in Nevada fest, unter anderem nach Protesten der Bevölkerung in den betroffenen Gevier Standorte untersucht. Die Wahl fiel auf die bieten. Es war also eher eine politische und Halbinsel Olkiluoto an der Westküste des Lankeine wissenschaftlich-technische Entscheides, sie gehört zur Gemeinde Eurajoki. Der Ort dung. Die Regierung von Barack Obama enthat mehrere Tausend Einwohner und der Entschied aber 2010, dass scheidung zugestimmt. Er Yucca Mountain kein geerhält als Ausgleich elf eigneter Standort sei. AlMillionen Euro. Ein KernHINTERGRUND ternativen zu Yucca kraftwerk ist bereits in Mountain sind noch nicht der Nachbarschaft. FinnWirtsgestein offiziell benannt worden. land hat sich damit für Ki Japan: Das Land sucht Granit als Wirtsgestein Ki Salz: Es besitzt ein gutes Verformungsentschieden. Es soll in eiebenfalls noch nach dem ner Tiefe von 400 bis 700 geeigneten Standort. In verhalten – eingelagerter Müll würde allMetern errichtet werden. einem ersten Schritt soll mählich umschlossen. Es ist hitzebeDie Inbetriebnahme ist für aufgrund von Literaturständig, der radioaktive Müll könnte in 2020 vorgesehen. 2120 studien eine Auswahl Ruhe auskühlen. Außerdem ist es norsoll das Endlager vervorläufiger Gebiete gemalerweise undurchlässig gegenüber schlossen werden. troffen werden. Weitere Gasen. Aber es ist wasserlöslich. Ki Schweiz: Das Land setzt Ki Ton: Nicht wasserlöslich und ausgeUntersuchungen sollen dann später unter Tage auf Ton als Wirtsgestein. sprochen hitzebeständig. Ton stellt aber fortgesetzt werden. Eine In einer ersten Auswahl eine Herausforderung an die BergbauEntscheidung soll zwiwurden mehrere Regiotechnik dar – wegen der Plastizität lasschen 2023 und 2028 nen ausgewählt, die einsen sich nur schwer Stollen graben. Ki Granit: Hart, stabil und ebenfalls nicht fallen. Der Betrieb des gehender geprüft werden, Endlagers soll dann zwidamit die Nationale Gewasserlöslich. Aber Granit ist sehr oft schen 2033 und 2038 nossenschaft für die Lagezerklüftet, und durch die Hohlräume aufgenommen werden. rung radioaktiver Abfälle könnte Wasser eindringen. wer wer (Nagra) zwei Standorte


ENERGIE REPORT

„Für viele Betriebe wird es immer enger“ Wolfgang Topf, IHKPräsident Leipzig. Foto: André Kempner

Frage: Die Bundesregierung will den Ökostromanteil bis 2020 auf 35 Prozent steigern. Zwei Jahre später soll kein Kernkraftwerk mehr am Netz sein. Ist das nun ein Risiko oder eine Chance für Mitteldeutschland. Wolfgang Topf: Das werden wir sehen. Noch liegt kein Masterplan vor, wie die Bundesregierung die Energiewende finanzieren will und wer in der Wirtschaft die Milliarden an Kosten dafür aufbringen soll. Entscheidend wird sein, wie der Energiemix aussieht. Das scheint doch klar, die erneuerbaren Energien sollen spätestens im Jahr 2050 mehr als die Hälfte des deutschen Energiebedarfes decken. Ich habe ja nichts gegen Zielvorgaben. Nur: Sie müssen realistisch und dürfen keine Wolkenkuckuck-Heime sein. Für uns in Ostdeutschland ist wichtig, dass die Braunkohle in Zukunft eine entscheidende Rolle im Energiemix spielt. Über 33 000 Arbeitsplätze hängen von ihr in den neuen Ländern ab. Deshalb bin ich beunruhigt, dass sich Vattenfall aus dem CCS-Forschungsprojekt in Jänschwalde verabschiedet hat. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn sich Bund und Länder nicht auf ein Gesetz zur Kohlendioxidspeicherung einigen können. Einen ähnlichen Handlungsbedarf sehe ich inzwischen auch in der Solar-Industrie. Für viele Betriebe wird es immer enger. Was meinen Sie damit? In Mitteldeutschland hat sich die Solarindustrie zu einem wichtigen Wirtschaftszweig gemausert. Jetzt ist die Branche in schwierigem Fahrwasser. Die Billig-Anbieter aus Fernost setzen ihr stark zu. Entscheidend ist deshalb, dass unsere Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen bekommen. Dafür muss die Bundesregierung sorgen. Wenn das nicht der Fall ist, kann sich jeder ausrechnen, was passiert. Sie rufen nach Subventionen? Nein, aber die Refinanzierungen der Firmen müssen gleich sein. Das muss geklärt werden. Die Energiewende rechnet sich nur, wenn wir damit Arbeitsplätze in Deutschland schaffen und nicht über hohe Strompreise Industrien im Ausland aufbauen. Interview: Thilo Boss

Aus Kohle wird Erdgas Siemens entwickelt in Freiberg Vergaser, die vor allem in China sehr gefragt sind China will mit Technik aus Sachsen unabhängiger von Erdgasimporten werden. Der Energieversorger CPI Xinjiang Energy hat deshalb bei Siemens acht 500-Megwatt-Kohlevergaser bestellt. Damit kann das chinesische Unternehmen Braunkohle in Synthesegas umwandeln und daraus künstliches Erdgas herstellen. Entweder um damit Strom zu erzeugen. Oder um damit zu heizen. Die Kohlevergaser werden in Freiberg entwickelt. Der Standort im Erzgebirge hat darin viel Erfahrung. Mitte der 50erJahre wurde hier das Brennstoffinstitut gegründet. Ab den 80er-Jahren forschten die Mitarbeiter an der Kohlevergasung. Denn Erdöl und Erdgas musste die DDR überwiegend importieren. Braunkohle förderte sie selbst. In großen Mengen. In Freiberg wurde daran gearbeitet, wie aus der Braunkohle möglichst viel Synthesegas gewonnen werden konnte. 1984 wurde bereits eine großtechnische Demonstrationsanlage mit 200 Megawatt Kapazität in Betrieb genommen. Sie lief bis 2007 mit unterschiedlichen Brennstoffen. „Begonnen wurde mit Kohle“, berichtete Manfred Schingnitz, „dann kam die Wende, und sie wurde auf flüssige Abfallstoffe wie Altöle und Teere als Brenstoffe umgestellt.“ Der 74-Jährige war lange Zeit der Geschäftsführer, heute arbeitet er als Berater am Standort. In Europa spiele Kohlevergasung kaum noch eine Rolle, erzählte Schingnitz. In China dafür umso mehr. Das Land muss Erdöl und Erdgas importieren. Es verfügt aber über große Kohlevorkommen. China baut deshalb große Kapazitäten auf, um die Kohle in Synthesegas umzuwandeln. Unternehmen aus aller Welt hoffen auf Aufträge. Dass CPI die fünf Vergaser bei Siemens bestellte, „ist für uns ein großer Erfolg im hart umkämpften chinesischen Markt“, sagte Roland Fischer, Leiter der Division Fossil Power Generation von Siemens Energy. Die Konzernsparte machte im Geschäftsjahr 2010 einen Umsatz von rund 25 Milliarden Euro und beschäftigte 88 000 Mitarbeiter. Seit 2006 gehört Freiberg zum Konzern. Der Standort firmiert als Tochterunternehmen unter dem Namen Siemens Fuel Gasification Technology. Die Zahl der Mitarbeiter ist deutlich gestiegen: von 23 auf beinahe 100. Weitere könnten in den nächsten Jahren dazukommen. „Wir wollen weiter wachsen“, sagte Christoph Widera, kaufmännischer Geschäftsführer des Standortes. Weltweit steige die Nachfrage nach Kohlevergasern. „Wir haben Rückenwind.“

Spartipp: Topfdeckel

Versuchsanlage zur Kohlevergasung in Freiberg: Hier untersucht Siemens, wie sich die Materialien im Vergaser verhalten. Foto: pd

EIN REBELL, DER DIE WELT NICHT ÄNDERN WILL. PRODUKTION AUSSCHLIESSLICH MIT ERNEUERBAREN ENERGIEN. FÜR UNS DER NÄCHSTE SCHRITT. Cleve Beaufort ist bereit, ungewöhnliche Wege einzuschlagen, wenn sie ihn seinem Ziel näher bringen: Die Herstellung von Autos nachhaltiger zu gestalten. So denkt Beaufort bei erneuerbaren Energien nicht automatisch an Sonne, Wind oder Wasser, sondern an eine nahe gelegene Mülldeponie. Eine Maßnahme, die der Atmosphäre jedes Jahr 92.000 Tonnen CO2 erspart. Mithilfe von Turbinen wird im amerikanischen BMW Werk Spartanburg Methangas, das in Verrottungsprozessen auf der Mülldeponie entsteht, in Strom und Warmwasser umgewandelt momentan über 50 Prozent des Gesamtbedarfs. Besonders stolz sind Beaufort und sein Team, dass ihr Modell mittlerweile auch in anderen Werken umgesetzt wird. Die BMW Group ist zum siebten Mal in Folge nachhaltigster Automobilhersteller der Welt. Erfahren Sie mehr über den Branchenführer im Dow Jones Sustainability Index auf

www.bmwgroup.com/whatsnext

Vor allem, nachdem im Frühjahr in China die weltgrößte Polypropylenproduktionsanlage in Betrieb genommen worden ist – mit fünf Vergasern aus Freiberg. Es sind die ersten dieser Technologie mit einer Kapazität von jeweils 500 Megawatt. Weltweit ist das Interesse daran groß. Und jetzt können sich potenzielle Kunden erstmals in der Praxis anschauen, welche Vorteile eine Anlage in dieser Größenordnung bietet – und dann in Freiberg Vergaser in Auftrag geben. So wie CPI: „Wir schätzen Siemens als kompetenten und verlässlichen Partner“, sagte Wang Haimin von CPI Xinjiang Energy. Natürlich haben die Freiberger Konkurrenz. Darunter sind große Namen. Aber auch Siemens genießt weltweit einen sehr guten Ruf. Und die Sachsen werben mit der hohen Verfügbarkeit und der Zuverlässigkeit ihrer Kohlevergaser. Die Anlage könne schnell hoch- und heruntergefahren werden, sagte Widera. Außerdem müsse sie seltener gewartet werden als zum Beispiel Kohlevergaser, die innen ausgemauert würden. Diese Ausmauerung müsse jedes Jahr erneuert werden. Kohlevergaser aus Freiberg benutzten dagegen ein anderes, selbstentwickeltes Prinzip: den Kühlschirm. Sie hielten deshalb mindestens zehn Jahre. Um nur einen Unterschied zu Konkurrenzprodukten zu nennen. Insgesamt halten die Freiberger mehr als 100 Patente. Die Bestellungen kommen aber nicht nur aus China. Es gibt auch noch andere Regionen, die sich für die Technik aus Sachsen interessieren. Dazu gehört jedes Land, dass über größere Kohlevorkommen verfügt und dass darauf angewiesen ist, andere Energieträger zu importieren. Auftraggeber der Freiberger sitzen zum Beispiel in Südafrika sowie in Süd- und Nordamerika. Aber auch in Australien. Vor allem aber in Asien, insbesondere in China. „Es ist ein riesiger Markt“, sagte Widera. Erdgas ist nur ein mögliches Produkt. Auch Kunststoff, Düngemittel oder Dieselkraftstoff Angenommen, Sie erhitzen jeden Tag können aus dem 1,5 Liter Wasser auf einem ElektroSynthesegas hergeherd: Wenn Sie den Deckel auf den stellt werden. „Die Topf legen, sparen Sie 200 Kilowattgesamte Bandbreite stunden und 40 Euro – pro Jahr, erder Chemie liegt eiklärt die CO2online-Berater. Denn nem offen“, erklärte Sie brauchen zwei Drittel weniger Schingnitz. Energie. Nur durch einen Deckel. wer Markus Werning

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„Wir brauchen ganzheitliche Lösungen“ Mathias Reuschel, Geschäftsführer S&PGruppe. Frage: Die S&PGruppe ist das führende Architektenund Planungsbüro Ostdeutschlands. Mit Blick auf die Klimaschutzziele der Bundesregierung und die Energiewende müssten Sie doch regelrechte Luftsprünge machen. Das sind doch Konjunkturpakete für den Bau. Mathias Reuschel: Die neue Energiesparverordnung ab 2012 oder die Vorschriften für Gebäude, mit denen bis 2020 klimaneutrales Bauen Standard werden soll, sind unbestritten Katalysatoren für die Bauwirtschaft. In welchem Umfang, das ist aber immer noch schwer abzuschätzen, vor allem für Ostdeutschland. Können Sie das genauer erklären? Gern. Nach der Wende sind in den neuen Bundesländern die meisten Wohnhäuser bereits durchsaniert worden. Im Vergleich zum Westen ist bei uns der Standard wesentlich höher. Entsprechend muss weniger investiert werden. Die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung sind also eher ein Konjunkturprogramm für den Westen als für den Osten. Trotzdem gibt es auch Bedarf im Osten. Aber dort, wo nachgerüstet werden muss, wird schon jetzt deutlich, dass es zu Finanzierungsschwierigkeiten kommt, weil die Beleihungsgrenzen vieler Immobilien längst ausgeschöpft sind. Der Sanierungsaufwand wird aber durch den Kernkraftausstieg nochmals steigen und das wird viele Hausbesitzer und Unternehmen finanziell überfordern. Was hat das Ganze mit dem Ausstieg aus der Kernenergie zu tun? Die Minderung der Treibhausgase hat die Regierung doch unabhängig davon beschlossen. Bis 2022 muss der Strom, den die Atommeiler geliefert haben, ersetzt werden. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz. Dazu gehören ebenso dezentrale Versorgungslösungen mit kleinen Blockheizkraftwerken wie die Wärmedämmung. Dafür sind maßgeschneiderte Generalplanungen notwendig, damit sich Investitions- und Betreiberkosten rechnen. Interview: Markus Werning Foto: Christian Nitsche

Dienstag, 13. Dezember 2011


ENERGIE REPORT

Dienstag, 13. Dezember 2011

BMW dreht am Windrad

„Wir erschließen ein völlig neues Marktsegment“

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Der Automobilbauer BMW treibt derzeit das wohl ambitionierteste Fahrzeugprojekt der Branche voran. Der Konzern will ab 2013 in seinem Leipziger Werk Elektroautos mit Karosserien aus Karbon bauen. Das traut sich kein anderer Hersteller zu. Auch bei der Energieversorgung des Werks geht BMW neue Wege: In Leipzig entsteht das weltweit erste Automobilwerk mit einer CO2-freien Stromversorgung direkt auf dem Fabrikgelände. „Wir wissen, dass Kunden von Elektrofahrzeugen auch darauf achten, wie die Energiebilanz in der Produktion ihrer Autos aussieht“, sagt H e l m u t Schramm, Leiter der ElektroautoProduktion im Leipziger Werk. Deshalb werde BMW an dieser Stelle Maßstäbe im Hinblick auf den Umweltschutz setzen. Pro Auto solle der Wasserverbrauch um 70 Prozent, der Energieverbrauch um 50 Prozent sinken – jeweils im Vergleich zum heutigen Produktionsdurchschnitt bei BMW. Die komplette Energie, die zur Produktion der Fahrzeuge benötigt wird, soll zudem direkt auf dem Werksgelände erzeugt werden. Dafür baut der Konzern dort vier 190 Meter hohe Windkrafträder. Daneben setzt BMW zum Beispiel auf eine hohe Wärmedämmung und Ener-

gierückgewinnung aus der Raumluft. Die Konkurrenten haben ähnliche Projekte im Blick: Audi etwa will sich am Bau von Windparks auf hoher See beteiligen. Mit dem Ökostrom will die VW-Tochter künftig Elektroautos produzieren und betreiben. Die Branche ist im Umbruch. Wenn die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius begrenzt werden soll, müssen die CO 2 -Emissionen von PKW auf

von Elektroautos kann es nicht nur darum gehen, den Motor auszutauschen. Das bedeutet auch Leichtbau und neue Fahrzeugkonzepte.“ BMW schreitet dabei derzeit voran – und wird von den Wettbewerbern mit Argusaugen beobachtet. Die große Frage lautet, ob es die Münchner schaffen, Autos mit einer Karosserie aus Karbon zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen. Das Unternehmen ist davon überzeugt und investiert in Leipzig rund 400 Millionen Euro in die Erweiterung des Werks. Ab 2013 soll dort zunächst das Elektroauto i3 vom Band rollen, etwas später dann auch der Hybridsportwagen i8, der Verbrennungs- und Elektromotor kombiniert. Karbon gilt als Werkstoff der Zukunft im Automobilbau, weil er deutlich leichter als Stahl oder Aluminium ist und dennoch als besonders crashsicher gilt. Die Gewichtsersparnis ist entscheidend für eine höhere Reichweite von Elektroautos. Aber Karbon ist auch teuer – und gilt als schwer beherrschbarer Werkstoff. Doch die Münchener lassen sich davon nicht abschrecken. Man habe spezielles Know-how in der Fertigung entwickelt, heißt es aus dem Vorstand. Die Industrialisierung und Automatisierung dieser Fertigungstechnologien gebe es weltweit nur bei BMW. Die Konkurrenten sieht das Unternehmen meilenweit zurück. Nils Vor den Tharen

Helmut Schramm, Leiter der Elektroauto-Produktion im Leipziger BMW-Werk. Frage: Im BMWWerk werden bereits die ersten Elektro-1er, genannt ActiveE, gebaut – auf demselben Band wie die konventionell angetriebenen Modelle. Wo liegen dabei die Herausforderungen? Helmut Schramm: Die Herausforderungen liegen im Umgang mit der Hochvolttechnologie in einem Großserienprozess. Darauf bereiten wir uns mit dem ActiveE vor. Dieses Fahrzeug ist noch ein sogenanntes ConversionModell – also ein existierendes Auto, bei dem wir den konventionellen Antrieb durch einen Elektroantrieb ersetzen. Warum geht das nicht auch beim Elektroauto i3, das Ende 2013 auf den Markt kommen soll? Der BMW i3 ist ein komplett anderes, revolutionäres Fahrzeugkonzept mit völlig neuen Werkstoffen und einer anDie Studien i3 und i8 geben einen Ausblick auf die künftigen BMW-Elektroautos. Foto: pd dersartigen Fahrzeugarchitektur. Diese besteht aus einer Life-Zelle und einem Ressourcenschonung bei BMW Drive-Modul. Die Life-Zelle besteht aus Energieverbrauch je Wasserverbrauch je dem extrem leichten Werkstoff Karbon, 2,99 produziertes Fahrzeug in MWh produziertes Fahrzeug in m³ 3,28 das Drive-Modul mit einem Alumini2,61 2,56 2,56 2,89 2,80 2,75 2,78 umrahmen beherbergt Batteriezellen, 2,31 Elektromotor und den gesamten Antriebsstrang. Ein solches Fahrzeug kann man in die klassischen Produktionslinien Karosseriebau, Lackiererei und Montage nicht integrieren. Dauert es länger, ein Elektroauto zu 2006 2007 2008 2009 2010 2006 2007 2008 2009 2010 bauen statt ein „normales“ Auto? Im Gegenteil, die Produktionszeit halbiert sich sogar. Wir können die Life-Zelle und das Drive-Modul parallel fertigstellen und beide Module danach zusammenfügen. Das ermöglicht uns Evonik plant in Kamenz die größte Batteriezellen-Fabrik Europas im Übrigen völlig neue Möglichkeiten, um bei der ergonomischen Gestaltung Hochleistungs-Batterien für automobile Kamenz soll der Standort für die dersätzliche Hallen sind entstanden, weitere Die Elektromobilität sorgt weltweit für der Arbeitsplätze noch weitere FortAnwendungen steigt nach unserer konzeit größte Batteriezellen-Fabrik in EuroMaschinen werden aufgestellt – der Bewegung – und Deutschland, das Autoschritte zu erzielen. servativen Hochrechnung bis zum Jahre pa werden. In den vergangenen Monaten Standort wächst. erfinder-Land, will dabei nicht abseits Wie viele Elektroautos können nach 2025 auf über 130 Milliarden Euro.“ surrten wieder einmal die Baukräne. ZuSeit Dezember 2008 bündeln Evonik stehen. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 eine der Werkserweiterung jährlich in Leipund der Automobilkonzern Daimler dort Million Elektrofahrzeuge auf die Straße ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Li- zig gebaut werden? zu bringen. Der Batterietechnik-Standort Die Lithium-Ionen-Batterie BMW zeichnet sich dadurch aus, dass thium-Ionen-Batteriezellen. Chemie trifft Kamenz bei Dresden hilft dabei. dank seiner porösen Struktur die LithiumFunktionsweise: Auto. Gegenwärtig arbeiten die Fachleute die Produktionswerke mit flexiblen Der deutsche Spezialchemiekonzern Ionen passieren – sie „wandern“ beim Die Materialien für das Innere der BatterieStrukturen der akdaran, die FertiEvonik hat in der 17 000-EinwohnerAufladen der Zelle von der Kathode durch zelle, Elektroden und der Separator, tuellen Marktnachgungskapazitäten Stadt früh auf E-Mobilität gesetzt – und in werden als Stapel aufgebaut: Anode, den Ionenleiter mit der Trennmembran zur frage folgen könhochzufahren – und den vergangenen Jahren für viel BeweAnode. Beim Entladen der Batterie machen Separator, dann Kathode, Separator, dann nen. Das wird auch zwar auf etwa drei gung gesorgt. Dort, mitten in der Lausitz, wieder Anode, Separator – eine Batteriezelsich die Lithium-Ionen wieder auf den Weg bei den BMW-i-MoMillionen ab dem wurde ein dreistelliger Millionenbetrag zurück zur Kathode – und setzen dabei le besteht aus Dutzenden dieser Einheiten. dellen so sein. Der Jahr 2013. Und investiert, um eine der größten HerausIn der fertigen Zelle lässt der Separator elektrische Energie frei. BMW i3 ist das ersschon ab 2012 solforderungen zu meistern, die mit der te rein als Elektrolen die EnergiespeiElektromobilität verbunden ist: Die EntWenn Sie einen Kühlschrank, FernHochmolekularer Ionenleiter mit fahrzeug entwickelcher aus Sachsen im wicklung und Produktion leistungsfähiger, seher oder Herd kaufen, achten Sie keramischer Trennmembran te Automobil der neuen Elektroleichter und langlebiger Batteriezellen. auf die Effizienzklasse. Die UnterWelt, es ist zudem Smart-Modell zu Unter Fachleuten steht Kamenz heute schiede sind enorm. Beispiel Fernsedas erste Großserifinden sein. für Lithium-Ionen-Batterietechnik. Um her mit 94 Zentimeter Diagonale: Ein enfahrzeug mit eiBereits jetzt ist die die Industrialisierung der Fertigung geht Gerät der Klasse A verbraucht maxiner Fahrgastzelle Batterietechnik zum es Evonik, um höhere Stückzahlen und mal 82 Kilowattstunden pro Jahr, ein Anode aus Karbon. Wir Jobmotor in Kaum die Möglichkeit, Serienfahrzeuge mit D-Modell 218 Kilowattstunden. Mehrerschließen damit menz geworden. Almodernen Batterien anzutreiben. Im kosten für Strom: rund 34 Euro. wer ein völlig neues lein beim BatterieBlickfeld stehen also deutlich mehr als Ionen beim Marktsegment, deskomponenten-Herein paar E-Autos, die irgendwo als EinLadevorgang halb möchte ich an steller Evonik zelexemplare zusammengebaut werden. Litarion und bei der Li-Tec Battery, dem dieser Stelle keine Prognosen abgeben. Welches Marktpotenzial es gibt, zeigt eine Gemeinschaftsunternehmen von Evonik Wir sind uns aber absolut sicher, dass Studie der Universität Duisburg-Essen Kathode und Daimler, sind etwa 400 Stellen ge- das Fahrzeug ein Erfolg wird. unter Leitung des Automobilforschers schaffen worden. vdt Ferdinand Dudenhöffer. „Der Markt für Interview: Nils Vor den Tharen rund 20 Gramm pro Kilometer im Jahr 2050 gesenkt werden, schreibt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. Solch ein Wert sei mit benzin- und dieselbetriebenen PKW technisch nicht erreichbar. „Wir stehen vor einer zweiten Erfindung des Automobils“, sagt deshalb Daimler-Chef Dieter Zetsche. Und Automobilforscher Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach betont: „Bei der Entwicklung

Foto: pd

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Peter Ramsauer (CSU), Bundesverkehrsminister. Frage: Deutschland soll nach dem Willen der Bundesregierung Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität werden. Wie weit sind Sie auf diesem Weg bislang vorangekommen? Peter Ramsauer: Wir haben schon ein ganzes Stück geschafft. Es war von Anfang an klar, dass wir ein dickes Brett bohren müssen. Immerhin muss unsere gesamte Mobilität langfristig größtenteils auf alternative Kraftstoffe und Antriebe umgestellt werden. Und wir wollen dabei auch in Zukunft keinen Verzicht auf individuelle Mobilität. Angesichts der großen Aufgabe ist es richtig, dass alle Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der ‚Nationalen Plattform Elektromobilität‘ an einem Strang ziehen. Wir verfolgen eine langfristige Strategie, die bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen bringen soll. Mein Anspruch ist es, dass hiervon mehr als die Hälfte aus deutscher Produktion stammt. Wo gibt es Probleme? Ich will gar nicht um den heißen Brei herumreden: Noch ist die Reichweite von Batteriefahrzeugen zu gering und die Ladezeit ist zu lang. Die Fahrzeuge sind außerdem noch relativ teuer, was eine massenhafte Verbreitung bislang behindert. Außerdem fehlt es teilweise an internationalen Standards für E-Autos. An all diesen Punkten... ...wird aber intensiv gearbeitet: So treiben wir die Entwicklung neuer Batterietechnologien weiter energisch voran. Auch bei den Ladezeiten gehen wir neue Wege – neben einer Beschleunigung bei der Aufladung an der Steckdose wird an einer induktiven Übertragung geforscht. Dabei wird der Strom aus Schleifen in der Straße berührungslos in die Autobatterie eingespeist. Denkbar ist dies etwa vor Ampeln oder an Bushaltestellen. Auch bei den Standards geht es voran, wir behandeln das Thema intensiv sowohl auf europäischer Ebene wie zusammen mit den USA, China oder Japan. Wird es direkte Kaufanreize geben, wenn mehr deutsche Hersteller ab 2013 Elektroautos auf den Markt bringen, oder bleibt der Bund bei seinem Nein? Kaufanreize sind immer wieder ein beliebtes Schlagwort. Wir sehen ganz klar, dass die Preise derzeit noch zu hoch sind. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass sie in den nächsten Jahren deutlich sinken werden. Unser Schwerpunkt liegt im Moment bewusst bei Forschung und Entwicklung – hier geben wir viel Geld aus, um in wenigen Jahren technisch neue Lösungen zu haben, die auf dem Markt bestehen können. Wir bieten keine direkten Kaufprämien, weil wir auf die Innovationskraft und Marktfähigkeit besonders der deutschen Automobilindustrie setzen. Interview: Nils Vor den Tharen

Konzern setzt bei der Produktion von Elektrofahrzeugen auf erneuerbare Energien

Quelle: BMW / Grafik: Enzo Forciniti

„Wir verfolgen eine langfristige Strategie“

Chemie trifft Auto

Spartipp: Energielabel

Das lange Warten auf die Brennstoffzelle Daimler hält an Technologie fest / Hohe Kosten schrecken Kunden ab

ELEKTROMOBILITÄT – SCHON HEUTE DIE ZUKUNFT ERFAHREN. Bei klimafreundlicher Mobilität warten wir von enviaM nicht bis morgen, sondern handeln schon heute. Wir bringen Elektromobilität in Ostdeutschland auf die Straße und stecken unsere Energie in den Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur für intelligente Ladestationen. Begleiten Sie uns auf dem Weg in eine saubere Zukunft – informieren Sie sich unter 0371 482-2047 oder www.enviaM.de.

Das blitzblaue Auto mit Brennstoffzelle fährt schneidig um die Kurve. Als ein Hindernis auftaucht, stoppt es abrupt, wendet, setzt zurück – und nimmt nahezu geräusch- und emissionslos die Fahrt wieder auf. Diese perfekte Demonstration ökologischer Mobilität ist sofort lieferbar. Freilich nur als Modellbaukasten. Für 49,95 Euro erleben technikbegeisterte Kinder, „wie erneuerbare Energie nutzbar gemacht, gespeichert und in beliebigen Anwendungen wieder verwendet werden kann.“ So der verkaufsfördernde Werbetext. Empfohlenes Alter „ab 12 Jahren“. Für 79,95 ist das Aha-Erlebnis mit einem schnittigen Design-Fahrzeug zu haben. Autofahrer, die von A nach B wollen, sind gegenüber ihrem experimentierfreudigen Nachwuchs klar im Nachteil. Brennstoffzellen-Shopping im Autohaus ist immer noch Science-Fiction. Die Vision, den Verbrennungsmotor abzulösen und die WasserstoffEnergiewirtschaft mit Brennstoffzellenbetrieb auszurufen, ist älter als Mobiltelefone und Internet. Doch während der elektronische Marktplatz Verbraucher und Wunscherfüller in Sekundenschnelle vernetzt, stehen die Ampeln für die Fertigung eines Brennstoffzellen-Serienautos bis heute auf rot. Daimler hält dennoch an der Technologie fest und hat mittlerweile einen Großserienstart für 2014 in Aussicht gestellt. Vorher wollen die Stuttgarter zusammen mit dem Technologiekonzern Linde in Deutschland beim Aufbau von Wasserstofftankstellen aufs Tempo drücken. In den kommenden drei Jahren sollen 20 zusätzliche Stationen errichtet werden. Damit werde sich die Zahl der öffentlichen Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland mehr als verdreifachen, heißt es.

Bei der Revolutionierung des Verkehrs soll es aber keineswegs bleiben. Eine Brennstoffzelle, kombiniert mit einem Solarzellen-Segel, könnte Notstromaggregate, Flughafenschlepper, Trägerraketen, Freizeitboote, Golf-Caddies, Kameras, Kaffeemaschinen, Fernseher, Mobiltelefone oder Laptops mit Energie versorgen. Doch auch das sind Zukunftsprojekte. Auf der Hannover Messe 2011 hatte Heizungsspezialist Vaillant ein mit Wasserstoff arbeitendes Heizgerät an die Wand des Messestandes gehängt. Wer wissen möchte, wo er die Novität kaufen kann, müsse aber weitere fünf Jahre auf eine Antwort warten, sagt ein Unternehmenssprecher. Die Heizung hat zunächst einen circa dreijährigen Unbedenklichkeits-Test vor sich. Danach können die Wärmespezialisten die Vermarktung planen. Der zukünftige Erfolg wird vor allem vom Preis abhängen. Wer mit seiner Heizung zufrieden ist,

Linde und Daimler wollen bis 2014 in Deutschland 20 Wasserstoff-Tankstellen bauen. Foto: pd

kauft kein Produkt, das ihn so teuer kommt wie eine Schweizer Uhr. Bei solchen Luxusgüter-Preisen ist ein Return für Entwicklungs-Investitionen in Milliardenhöhe noch gar nicht berücksichtigt. Die Bundesregierung fördert von 2007 bis 2016 die Technologie mit 500 Millionen Euro. Die Industrie verpflichtete sich, 700 Millionen Euro auszugeben. „Faktisch wird weit höher investiert“, heißt es in einer Studie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Andere Länder stehen nicht nach. Die USA klotzen in der Brennstoffzellen-Entwicklung seit vielen Jahren. Bei solchen Vorleistungen ist eine 0,5-kW-Brennstoffzelle für circa 3000 Euro, die der Münchner Marktführer Smart Fuel Cell mit der Marke „Efoy“ anbietet, nahezu ein Schnäppchen. Doch viele Verbraucher denken bei den sieben bis zehn Kilo schweren grauen Kästchen mit der Attraktivität von Kühlboxen wie der Ingenieur Matthias Stricker, der bereits vor 14 Jahren bei Daimler-Benz eine Diplomarbeit über „Bremsenenergie-Rückgewinnungspotentiale bei Brennstoffzellenelektrofahrzeugen“ schrieb. „0,5 kW für circa 3000 Euro ist nicht wirklich günstig. Ich fürchte, wir müssen noch ein paar Jahre warten, bis sie finanzierbar sind“, sagt er. „Ohne Subventionen“, mahnt der VDI, „wird das Geschäft nicht in Gang kommen.“ Das hat auch der Reisemobilhersteller Hymer festgestellt, der seine über 130 000 Euro teuren TopModelle als besonderen Kaufanreiz serienmäßig mit Brennstoffzellen ausstattete – so gab es auch in der Einöde eine verlässliche Stromquelle für Licht und Wärme. Die Idee war ein totaler Flop. Hymer verkauft die Energieerzeuger inzwischen nur noch als Sonderausstattung. Heide Neukirchen

WASSERSTOFF UND BRENNSTOFFZELLEN Wasserstoff ist im Gegensatz zum Öl kein begrenzter Rohstoff. Es ist das am häufigsten vorkommende chemische Element. Größter Erzeuger ist die chemische Industrie, die Wasserstoff als Nebenoder Koppelprodukt herstellt. Allein damit könnten in Deutschland nach Angaben des Technologiekonzerns Linde 750 000 Fahrzeuge betrieben werden. Die Reichweite von Autos mit Brennstoffzelle ist deutlich größer als die der batteriegetriebenen Fahrzeuge. Eine Mercedes-Benz B-Klasse mit Brennstoffzelle hat nach Unternehmensangaben eine Reichweite von 385 Kilometern, der Elektro-Smart

mit Batterie kann bis zu 135 Kilometer zurücklegen. Umstritten ist aber die Erzeugung des Wasserstoffs. Bislang wird der Energieträger zu 90 Prozent aus dem fossilen Rohstoff Erdgas hergestellt. Während aus dem Auspuff eines Brennstoffzellenautos nur Wasserdampf entweicht, wird bei der Herstellung des Wasserstoffs das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Wird Wasserstoff aber mit Hilfe von Strom aus Windenergie oder Photovoltaik gewonnen, ist die Klimabilanz deutlich besser.

Das Prinzip ist einfach, die technische Umsetzung aber anspruchsvoll: Bei der energieaufwendigen Elektrolyse wird Wasser mit Hilfe von Elektrizität in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Wasserstoff ist ein flüchtiges und reaktionsfreudiges Gas, das nur unter hohem Druck oder extrem gekühlt gelagert werden kann. In einer Brennstoffzelle erzeugen Wasserstoff und Sauerstoff an einer Membran in einer sogenannten kalten Verbrennung Elektrizität. Dabei entsteht auch Wärme. Das Abgas ist Wasserdampf. In einem Auto kann mit einer Brennstoffzelle ein Elektromotor angetrieben werden. dpa


ENERGIE REPORT

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Carl-Ernst Giesting, Vorstandsvorsitzender von EnviaM. Frage: Erneuerbare Energien haben Vorrang. Vor welche Herausforderungen stellt das die Netzbetreiber? Carl-Ernst Giesting: In Ostdeutschland wird spätestens im Jahr 2020 sechsmal so viel Strom aus erneuerbaren Energien produziert, wie tatsächlich benötigt wird. Wir werden deshalb unser Netz auf allen Spannungsebenen weiter ausbauen, um den grünen Strom aufnehmen und weiterleiten zu können. Dafür investieren wir bis 2021 rund 1,3 Milliarden Euro. Eine weitere Herausforderung stellen die starken Schwankungen bei der Einspeisung aus erneuerbaren Energien dar. Es bedarf eines zuverlässigen Netzsicherheitsmanagements, um zu jeder Zeit einen stabilen Netzbetrieb zu gewährleisten. Außerdem erlauben es die vorhandenen Verwaltungsvorschriften nicht, beim Netzausbau das Tempo mitzugehen, das die Erzeugungsseite bei den erneuerbaren Energien vorgibt. Wir brauchen dringend eine Überarbeitung der Genehmigungsvorschriften. In diesem Zusammenhang streben wir auch eine deutlich frühere und koordinierte Bürgerbeteiligung bei Netzausbauvorhaben an. Wie muss das Stromnetz der Zukunft aussehen? Für die Netze der Zukunft gibt es keine Blaupause. Wir brauchen intelligentere Netze, die in der Lage sind, mit den veränderten Lastflüssen umzugehen. Statt einiger weniger Großkraftwerke müssen nun zahlreiche kleine Kraftwerke in das Netz eingebunden und gesteuert werden. Um schwankende Lasten und Einspeisung in Einklang zu bringen, bedarf es neuer Kommunikationstechnologien zwischen den Netzbetreibern, Erzeugern und Verbrauchern. Welche Auswirkungen haben diese Investitionen auf den Strompreis? Die Investitionen in den Netzausbau fließen in die Netzentgelte ein, die von Unternehmen und Privatkunden zu zahlen sind. Die ostdeutschen Kunden trifft das besonders hart, da hier überdurchschnittlich viel erneuerbare Energie zugebaut wird. Schon heute sind die Netzentgelte in den neuen Bundesländern rund 20 bis 25 Prozent höher als in Westdeutschland – und diese Schere geht weiter auf. Deshalb unterstützen wir die Initiative der ostdeutschen Bundesländer für ein bundesweites Umlagesystem der Netzausbaukosten aus erneuerbaren Energien. Interview: Birgit Schöppenthau

von Handwerker- und BauverbänWie die Zukunft aussehen kann, den. Sie fordern eine rasche Plahaben Bundeskanzlerin Angela nungssicherheit, da die InvestitioMerkel (CDU) und Bundesbauminen bereits stark eingebrochen nister Peter Ramsauer (CSU) in seien. „Die Hausbesitzer sind exder vergangenen Woche in Berlin trem verunsichert und nehmen gezeigt. Sie eröffneten mit dem energetische Sanierungen immer „Effizienzhaus Plus“ ein Wohnweniger in Angriff“, sagt auch modell mit Vorzeigecharakter. „Es Christian Stolte, Bereichsleiter produziert so viel Strom, dass neenergieeffiziente Gebäude bei der ben der benötigten Energie zum 1 7 6 Deutschen Energie-Agentur Wohnen auch elektrische Fahr(Dena). zeuge aufgeladen werden könDie größten Energieeinsparponen“, erläutert Ramsauer. „Das tenziale liegen dabei im Bestand: kann der entscheidende Schritt Bestehende Gebäude brauchen für Wohnen und Mobilität der Zulaut Dena etwa dreimal soviel kunft sein.“ Energie zur Beheizung wie NeuDie Erhöhung der Energieeffibauten. Außerdem werden rund zienz ist eine Schlüsselfrage im 85 Prozent des gesamten EnergieEnergiekonzept der Bundesregie5 2 bedarfs in privaten Haushalten für rung. Bis 2050 soll der Energiedie Raumerwärmung und Warmverbrauch um 50 Prozent gesenkt wasser benötigt. Durch fachgewerden. Das Potenzial im Gerechtes Sanieren und moderne bäudebereich ist dabei hoch: Gebäudetechnik könnten bis zu Mit einem Anteil von rund 40 Pro80 Prozent davon eingespart werzent am Endenergiebedarf stellt den. Tatsache sei jedoch, dass biser den größten Verbrauchssektor lang von den möglichen energetidar. schen Einsparpotenzialen bei den Um die Bundesbürger auf den 3 Sanierungen durchschnittlich nur Weg der Einsparungen mitzunehrund ein Drittel genutzt würden. men, setzt die Bundesregierung „Viele wissen gar nicht, dass sie auf das Prinzip „Fordern und För4 Energie sparen können“, sagt Dedern“. Mit der zweiten Novelle der na-Experte Stolte. Wenn das Ziel Energieeinsparverordnung (Enev) der Bundesregierung aber erreicht sollen die Effizienzstandards für werden soll, müsste die SanieGebäude um bis zu 30 Prozent rungsrate von derzeit jährlich ein verschärft werden. Ein entspreMusterrechnung: Prozent der 18 Millionen Wohnchender Entwurf soll voraussichtKomplettsanierung zum Effizienzhaus gebäude auf zwei Prozent erhöht lich im Frühjahr 2012 vorliegen. werden. Dafür bedarf es aus Sicht Zugleich stockt die Regierung die der Dena verlässlicher PerspektiFördermittel für die energetische 1) Dämmung des Daches (30 cm) ven im Rahmen der Enev und der Gebäudesanierung auf. Die bun2) Dämmung der Außenwände (24 cm) steuerlichen Abschreibungsmögdeseigene KfW-Bank soll demnach lichkeiten. Das Fördervolumen ab 2012 jährlich 1,5 Milliarden 3) Dämmung der Kellerdecke (11 cm) muss aus seiner Sicht fünf MilliarEuro zur Verfügung stellen, das 4) Einbau einer Pelletheizung den Euro jährlich betragen. Darüsind 50 Prozent mehr als in die5) Austausch der Fenster gegen Wärmeschutzverglasung ber hinaus sei jedoch auch eine sem Jahr. Hauseigentümer und 6) Solaranlage zur Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung bessere Information nötig. Die Bauherren können dabei von zinsDena setzt dabei auf einen aussagünstigen Krediten und Zuschüs7) Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung gekräftigen Energieausweis für sen profitieren. Dabei werden + Baubegleitung / Qualitätssicherung alle Hauseigentümer sowie qualiEinzelmaßnahmen wie die Dämfizierte Energieberater. Eine Liste, mung von Wänden ebenso geförwo solche zu finden sind, soll in dert wie umfangreiche SanierunKosten Förderung Energieeinsparung Amortisation dieser Woche online gehen. gen oder der Neubau eines „Ein Haus ist ein Gesamtsystem, energieeffizienten Hauses. 68 300 Euro 18 398 Euro pro Jahr 3010 Euro 12 Jahre* bei dem man nicht nur an einer Weiterhin sollen steuerliche AnSchraube drehen kann“, sagt reize für Investitionen geschaffen Freistehendes Einfamilienhaus des Baujahrs 1970, 150 qm Wohnfläche, unsaniert, 4-Personen-Haushalt, Stolte. Wenn es ohnehin einen Anwerden, die zur Energieeinspa- Energiepreis 0,08 Euro/kWh, Energiekosten vor Sanierung: 3600 Euro/Jahr für 45 000 kWh/Jahr lass gebe, etwas zu erneuern, rung führen. Darüber ist jedoch * bei steigerung der Energiepreise um 6 Prozent dann sei es sinnvoll, es auch richein Streit zwischen Bund und Läntig zu machen. Am besten sei es daher, Wohnungs- und Immobilienunternehund Wohnungsverbände laufen gegen dern entbrannt, der nun beim Vermittwenn ein Energie-Berater jeweils indimens (GdW), Axel Gedaschko. Die Bediese Blockadehaltung indes Sturm. lungsausschuss liegt. Die Länder sperviduell einen Fahrplan für das entdenken der Länder hält er nicht für „Die Länder dürfen nicht länger auf ren sich gegen eine zehnprozentige sprechende Haus aufstelle. „Wir braustichhaltig. Die Erfahrung zeige, dass dem Rücken der Mieter und Vermieter Abschreibung für Hausbesitzer, weil chen insgesamt mehr und bessere ein Euro Fördermittel den Anstoß für pokern und das Gesetz schlichtweg sie dadurch Steuerausfälle in einer Sanierungsmaßnahmen.“ weitere acht Euro Investitionen schafblockieren“, kritisiert etwa der PräsiGrößenordnung von 900 Millionen Sabine Schanzmann-Wey fe, sagt er. Ähnlich sehen dies Vertreter dent des Bundesverbandes deutscher Euro im Jahr befürchten. Wirtschafts-

Rainer Brüderle, FDPFraktionschef im Bundestag. Frage: Als Wirtschaftsminister waren Sie der Architekt des Energiekonzeptes, das auch eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke vorgesehen hat. Jetzt sollen die Meiler schon 2022 vom Netz gehen. Wie passt das zusammen? Rainer Brüderle: Eine verantwortungsvolle Regierung musste auf die Katastrophe von Fukushima reagieren. Das hat die Regierung gemacht. Der Ausstieg aus der Kernenergie war bereits Teil unseres Energiekonzeptes. Wir haben jetzt nur das Tempo erhöht. Ist der Ausstieg volkswirtschaftlich vertretbar? Er erfordert eine große Kraftanstrengung. Deutschland ist die stärkste Volkswirtschaft Europas. Jetzt beobachtet uns die Welt, ob wir unsere Ziele schaffen. Und – schaffen wir sie? Wenn nicht wir, wer dann? Ich setze auf die deutsche Ingenieurskunst. Wir müssen das Speicherproblem lösen, hochleistungsfähige Leitungen bauen und moderne grundlastfähige Kraftwerke ans Netz bringen. Das alles muss schnell gehen, und deshalb brauchen wir beschleunigte Genehmigungsverfahren. Verstehen Sie unter grundlastfähigen Kraftwerken auch Kohleverstromung? Auch. Wir werden auf absehbare Zeit auf hocheffiziente Kohlekraftwerke nicht verzichten können und müssen zudem moderne GuD-Kraftwerke bauen. Die Kohleverstromung ist aber sehr umstritten. Mit CCS haben wir eine Technologie, die die Kohle umweltfreundlicher machen kann. Ich setze darauf, dass wir das Gesetz zur Kohlendioxideinlagerung verabschieden. Dann kann sich dieses Verfahren sogar als Exportschlager made in Germany entwickeln. Kohle zählt weltweit zu den wichtigsten Energieträgern. Werden die Strompreise steigen? Zum Nulltarif ist die Energiewende nicht zu haben. Die Kilowattstunde wird teurer werden. Aber wir achten darauf, dass die energieintensiven Industrien nicht über Gebühr belastet werden und keine Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen. Interview: Thilo Boss

Quelle: dena / Grafik: dena, LVZ

Effiziente Gebäude

Deutsche verbinden Notwendiges mit Nützlichem

Energiemetropole Leipzig Cluster Energie & Umwelttechnik der Stadt Leipzig

Viele Bürger sanieren bei anstehenden Investitionen energieeffizient Auf dem Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien will die Bundesregierung den Bürger zum umweltbewussteren Umdenken erziehen. Vor dem Hintergrund der CO2-Reduzierung und dem geplanten Abschalten des letzten Atomkraftwerkes im Jahr 2022 bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verschiedene Programme an, die energieeffiziente Sanierungen und Neubauten unterstützen. „In Deutschland werden 35 Prozent der Energie für Heizen und warmes Wasser verbraucht“, so eine KfW-Sprecherin. Deswegen seien energiesparende Gebäude ein wichtiger Baustein für das Gelingen der Energiewende. Doch kommen diese Programme eigentlich beim Verbraucher an und welche Vorhaben werden am meisten genutzt? Neue Fenster, gedämmte Wände und isolierte Dachflächen: Diese drei Bereiche – betrachtet im Zeitraum 1. Januar bis 30. September – lassen die Deut-

schen nach Aussagen der KfW am häufigsten energieeffizient sanieren. „Das deckt sich mit unseren Erfahrungen. Viele unserer Kunden interessieren sich oft für die drei Themen“, bestätigt Birgit Holfert, Energieberaterin der Verbraucherzentrale. Aus finanziellen Gründen würden einzelne Verbesserungen oft nacheinander in Angriff genommen. Spitzenreiter bei den Einzelmaßnahmen ist die Erneuerung der Fenster. 7652 Förderungen wurden beansprucht. Darlehen in Höhe von 138 Millionen Euro hat die KfW dafür bereitgestellt. „Vor allem Fenster aus den 1960ern sind nicht besonders dicht und sollten ausgetauscht werden. Die Qualität ist heute wesentlich besser. Allein in den vergangenen 15 Jahren hat sich da viel getan“, sagt Holfert. Laut Verbraucherzentrale sind Sanierungen sowohl bei Einzelverglasungen ratsam, als auch bei mehrfach verstärkten Fenstern. Die Gebäudehülle bestehe zu 25 bis 30 Pro-

Energieeffizientes Sanieren 7652

Anzahl der wichtigsten Maßnahmen zur energieeffizienten Sanierung 2011 5484 4646 3043 2435

Fenster

Dämmung Dachflächen

Dämmung Wände

Gas-Brennwertkessel

Außentüren

Dämmung Geschossdecken

Spartipp: Waschmaschine Bei der Waschmaschine lässt sich viel Geld einsparen – zum Beispiel durch die Wahl der Temperatur. Denn die Geräte verwenden zwei Drittel der Energie zum Erhitzen des Wassers. Eine weitere Möglichkeit zum Sparen: Am billigsten trocknet die Wäsche auf einer Leine oder einem Wäscheständer. Bei normal verschmutzter Wäsche ist ein Vorwaschgang nicht nötig – das spart noch einmal zehn Prozent Energie. Unterm Strich kommt dann eine nette Summe zusammen: Bei 160

Quelle: kfw / Grafik: Enzo Forciniti

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Waschgängen pro Jahr mit 30 Grad statt 60 Grad, einem Verzicht auf Vorwäsche und Trockner werden 720 kWh weniger Strom verbraucht, rechnet die Beratungsgesellschaft C02online vor. Die Haushaltskasse wird dann mit rund 140 Euro weniger belastet. In einem Jahr. Die Wäsche wird trotzdem sauber, versichern die Fachleute. Nur bei hartnäckiger Verschmutzung sei eine Temperatur von 60 Grad notwendig, erklären die Energieberater von Yello Strom. wer

zent aus Fenstern. An undichten Stellen trete oft die meiste Wärme aus. Zusätzlichen Schutz bieten Außenjalousien, die den Wärmeverlust eingrenzen können. Auf Platz zwei steht die Dämmung der Dachflächen – insgesamt 6167 Mal haben das die Deutschen in Angriff genommen und wurden dabei mit 179 Millionen Euro KfW-Geldern unterstützt. „Gerade wenn sowieso Kosten für ein neues Dach anfallen, setzen viele noch eins drauf und sanieren energieeffizient“, sagt die Energieberaterin. Wer nach 2002 in ein Haus einzog, muss nach Meinung von Experten noch dieses Jahr sein Dach isolieren. Derzeit werde es zwar noch nicht kontrolliert, aber es sei im Gespräch, die Dachdämmung künftig überprüfen zu lassen. Die Verbraucherzentrale empfiehlt, auch die oberen Geschossdecken zu dämmen. Dabei könne auch durch Eigeninitiative – eine preiswerte Alternative – viel erreicht werden. An dritter Stelle der Einzelsanierungen steht die Isolierung von Wänden. 5484 Bürger haben sich dafür entschieden und insgesamt 183 Millionen Euro von der KfW als Darlehenszusage erhalten. „Gerade die Fassade ist mit rund 70 Prozent der größte Teil am Haus. Durch eine energieeffiziente Sanierung kann der Verbrauch immens gesenkt werden“, sagt Energieberaterin Holfert. Beim energieeffizienten Sanieren zu einem KfW-Effizienzhaus haben sich die meisten Bürger (2227) für das Effizienzhaus 100 entschieden. Das bedeutet, das Gebäude entspricht vom Energiebedarf dem eines Neubaus. Die Interessenten haben dabei entweder einen Zuschuss in Höhe von zehn Prozent beziehungsweise maximal 7500 Euro oder einen zinsgünstigen Kredit (aktueller Zinssatz ein Prozent) mit einem Tilgungszuschuss von fünf Prozent in Anspruch genommen. Bürger mit dem Wunsch nach komplett neuen vier Wänden wählten am häufigsten das Effizienzhaus 70. Das heißt, der Energiebedarf liegt 30 Prozent unter dem eines Neubaus. 17 495 Deutsche wurden bei ihrem Vorhaben mit einem Kredit (1,86 Prozent effektiv) unterstützt. Bauherren hätten die Wahl, ihr Wohnhaus einmalig vollständig oder in einzelnen Schritten zu sanieren. „Die meisten, die ein Haus kaufen oder bauen, wollen günstige Versorgungskosten haben“, nennt Holfert die Motivation vieler junger Leute, energieeffizient zu investieren. bö

Foto: dpa

Energieverbrauch soll drastisch gesenkt werden / Unsicherheit bremst Sanierungsmaßnahmen

„Ich setze auf die deutsche Ingenieurskunst“

Foto: pd

„Für Netze der Zukunft gibt es keine Blaupause“

Netzwerk Energie & Umwelt e.V.

Leipzig vernetzt sich. Europäische Energiemetropole Leipzig · · · · ·

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Leipzigs Anspruch ist es, eine der herausragenden Energiemetropolen in Europa zu werden. Für die strategische Umsetzung wurde das Clusternetzwerk ins Leben gerufen. Im Fokus des neu gegründeten Netzwerkes Energie & Umwelt e.V. steht die Umsetzung von innovativen Ideen in praxistaugliche Projekte. Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ziehen hierbei an einem Strang. Mitglieder des Netzwerkes sind regionale kleine, mittlere und große Unternehmen, führende Forschungsinstitute aus dem Energiebereich sowie das Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Leipzig. Der Verein ist offen für weitere Mitglieder.

Schwerpunkte des Jahres 2012 Ausgewählte Schwerpunkte des Jahres 2012 sind: · -

die Elektromobilität, die Energiespeicherung, das 6. Expertentreffen „Energiemetropole Leipzig“ sowie die Tagung „Energiecluster trifft Wissenschaft“.

Ihr Ansprechpartner Unternehmer die sich für dieses Netzwerk interessieren, wenden sich bitte an: · Stadt Leipzig, Amt für Wirtschaftsförderung, Netzwerk Energie & Umwelt e.V. Thomas Lingk, Tel: 0341 1235859, E-Mail: thomas.lingk@leipzig.de

www.energiemetropole-leipzig.de


„Wir bieten schon jetzt grüne Produkte“ Foto: André Kempner

Thomas Prauße, Geschäftsführer Stadtwerke Leipzig. Frage: Wie werden die Stadtwerke Leipzig die Energiewende mitgestalten? Thomas Prauße: Unsere Ausgangsposition ist sehr gut, weil wesentliche Inhalte der Energiewende, wie etwa die Hinwendung zu den erneuerbaren Energien, seit langem zu unserer Unternehmensstrategie gehören. Wir bieten schon jetzt grüne Produkte. Strom21. natur aus Wasserkraft und völlig CO2frei sowie Wärme21.klima aus Brennwerttechnik und Solarthermie sind hier hervorragende Beispiele. Oder denken Sie an Strom21.smart, bei dem durch den Einsatz sogenannter intelligenter Zähler Energieeinsparungen möglich sind. So unterstützen wird jeden, der die Umwelt und seinen Geldbeutel schonen will. Die Erzeugung mit erneuerbaren Energien praktizieren wir bereits in unserem Biomassekraftwerk in Bischofferode, dem Biomasseheizkraftwerk in Wittenberg-Piesteritz sowie im Windpark Obhausen in Sachsen-Anhalt. In unserer Gas- und Dampfturbinenanlage mitten in Leipzig erzeugen wir umweltfreundlich Strom aber auch Wärme, die dann als Fernwärme bei unseren Kunden ankommt. Bei der Energiewende steht die dezentrale Erzeugung im Mittelpunkt... Dezentrale Erzeugung ist die Domäne der Stadtwerke in Deutschland. Unsere Konzepte der dezentralen Erzeugung werden sich durchsetzen. Die Frage ist aber nicht nur, wie wir uns auf neue Entwicklungen einstellen, sondern wie es die Politik tut. Da muss erst einmal Ehrlichkeit einkehren, indem man den Menschen sagt, dass die Energiewende Geld kostet und zwar ihr Geld. Es wird teurer werden. Dafür sorgen schon Steuern und staatlich veranlasste Abgaben und Umlagen. Werden die Stadtwerke weiter in erneuerbare Energien investieren? Leipzig wird immer mehr von der Erzeugung aus erneuerbaren Energien und dem Einsatz umweltfreundlicher Technologien profitieren. Eine zentrale Rolle kommt den Netzen zu, die die Stadtwerke Leipzig Netz GmbH für die Versorgung Leipzigs zukunftssicher machen werden. Am Standort Leipzig ist außerdem die Errichtung einer leicht regelbaren Spitzenlastturbine mit einer Leistung von 30 Megawatt vorgesehen. Interview: Andreas Dunte

ENERGIE REPORT

Dienstag, 13. Dezember 2011

Sorgenlos

„Erdgasbranche befindet sich im Wandel“

Beim Contracting zahlt der Kunde die Energie, braucht sich um die Anlage aber nicht zu kümmern In vielen Kellern sieht es düster aus. Drei Viertel der deutschen Heizungsanlagen sind nach Branchenangaben unmodern, fressen unnötig Energie und müssten dringend erneuert werden. Doch die Modernisierungsquote liegt lediglich bei drei Prozent im Jahr. Zur Erreichung der Energiespar- und Klimaschutzziele wäre nach Einschätzung der Fachleute eigentlich eine Verdoppelung auf sechs Prozent notwendig. Eine Chance, die Modernisierung anzukurbeln, sehen Fachleute in Contractingmodellen. Dabei übernimmt der Energieversorger je nach Kundenwunsch die Installation und den Betrieb der Anlage und der Kunde bezahlt für Dampf oder Wärme. Eingeführt sind solche Modelle für Großverbraucher von Energie. Neben Kommunen und öffentlichen Einrichtungen können das Unternehmen der Wohnungswirtschaft, Gewerbebetriebe und die Industrie sein. Inzwischen gibt es Angebote aber auch für den Eigenheimbesitzer. Dieser zahlt dann je nach Modell einen unterschiedlich hohen Investitionszuschuss für seine neue Heizungsanlage im Keller und bekommt dann seine Wärme je nach Verbrauch in Rechnung gestellt. Aus seiner Praxis kennt der Handwerksbetrieb Röber & Partner in Halberstadt am Rande des Harzes Contracting. Das auf Heizungs-Sanitär- und Klimatechnik spezialisierte Unternehmen hat zum Beispiel die Heizzentralen für vier Wohnhäuser in Thale ausgetauscht und durch moderne Brennwertgeräte auf Gasbasis ersetzt. „Der Kunde spart damit annähernd 20 Prozent an Heizkosten“, berichtet Betriebsleiter Andreas Röber. Auftraggeber der Firma ist der zur EnviaMGruppe gehörendende Gasversorger Mitgas. „Wir bezahlen den Installateur und die Anlage und liefern Wärme an die Wohnungsgenossenschaft, wie es auch bei klassischer Fernwärme der Fall wäre“, beschreibt Mitgas-Projektleiter Matthias Steinau das Modell. „Die Anlage bleibt in Mitgas-Besitz, und wir tragen das Risiko des Betriebs“, schildert er aus seiner Sicht die Vorteile des Kunden. Dieser profitiert von günstigen und langfristig planbaren Energiekosten. Er muss keine Finanzmittel für die Investition einsetzen, sondern kann sein Kapital vollständig für das eigene Kerngeschäft verwenden. Das hat auch die Cargill Deutschland überzeugt, die Dampf für ihr Pektin-Werk in Malchin in MecklenburgVorpommern von einer von der envia

Biomasse zählt zu den wichtigen Energieträgern der Zukunft. Inzwischen werden selbst Zitronenschalen zur Stromgewinnung verbrannt. Foto: Enzo Forciniti Therm betriebenen Biomasse-Verbrennungsanlage bezieht. Die 35 Millionen Euro teure Anlage sei bereits seit 2003 in Betrieb und verbrenne neben Holz auch 80 000 Tonnen Zitronenschalen von den bei Cargill verarbeiteten Zitrusfrüchten, berichtet envia Therm Geschäftsführer Friedhelm Wiegelmann. Ganz aktuell ist ein Con-

tractingmodell, das die EnviaM-Tochter mit der Fernwärmeversorgung Zwönitz im Erzgebirge auf die Beine gestellt hat. In einer von dem Kraftwerksbetreiber errichteten Biogasanlage werden Abfälle aus der grünen und braunen Tonne zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt. Envia Therm hat die 4,5 Millionen Euro teu-

re Anlage gebaut und betreibt sie auch. Die Fernwärmeversorgung Zwönitz nimmt die Wärme ab und beliefert damit ihre Fernwärmekunden. Die Biogasanlage, die in diesen Tagen ihren Probebetrieb aufgenommen hat, ersetzt ein konventionelles auf Öl- und Gasbasis betriebenes Kraftwerk. Über die Contractingmodelle hinaus hat envia Therm nach Angaben von Wiegelmann in den vergangenen zehn Jahren 90 Millionen Euro in die Ökostromerzeugung gesteckt. Regenerative Energien hätten inzwischen einen Anteil von 13 Prozent an der Stromerzeugung des Unternehmens. Dieser Umbau der Erzeugung kommt auch dem Contractingkunden zugute. Er kann davon ausgehen, dass beim Neubau der Anlagen moderne und hocheffiziente Technik eingesetzt wird, die möglichst effizient arbeitet und gegenüber den „alten Möhrchen“ im Keller erhebliche Mengen an C02 spart. Dabei muss er kein Geld für die Anlage ausgeben, sondern kann sein Kapital vollständig für sein Geschäft verwenden. Auf ein solches Contractingmodell baute auch die Driburg Therme. Weil der Energieverbrauch der Therme in Bad Driburg im östlichen Nordrhein-Westfalen mit Wasserlandschaft, Innen- und Außenbecken und ihrer Vielzahl von Saunen und Dampfbädern extrem hoch war, wurden zwei alte, überdimensionierte Blockheizkraftwerke (BHKW) gegen ein neues BHKW mit einem Gas-Niedrigtemperaturkessel ersetzt. „Wir verbrauchen jetzt etwa 15 Prozent weniger Energie und müssen uns auch um den Betrieb der Anlage nicht mehr kümmern“, freut sich Christiane Seemer, die Geschäftsführerin der Therme. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Laufzeiten beim Contracting. Die RWE Energiedienstleistungen, eine Vertriebstochter des Essener Energiekonzerns, bietet zum Beispiel Verträge ab einer Laufzeit von vier Jahren an. Der Kunde kann danach entscheiden, ob er die Anlage übernehmen will. „Damit wird Contracting auch für Kunden attraktiv, die sich nicht unbedingt über einen langen Zeitraum von zehn oder fünfzehn Jahren fest binden möchten oder können“, sagt Markus Mönig, Geschäftsführer der RWE Energiedienstleistungen. Wie in anderen Modellen kann der Kunde die eingesetzte Technik und den Brennstoff, die Partner bei Planung und Installation und auch den Energielieferanten frei wählen. Hans-Willy Bein

Klein, aber oho Spartipp: Heizung Tropische Temperaturen daheim können richtig teuer werden. Testen Sie, ob Sie die Heizung nicht auch etwas herunter drehen können – und sich trotzdem daheim wohlfühlen. Jedes Grad weniger spart etwa sechs Prozent an Heizenergie, erklären die Energieberater von C02online. Im Wohnzimmer liegt die optimale Temperatur bei 20 Grad. Im Schlafzimmer reichen 17 Grad für einen guten Schlaf. In der Küche heizen außerdem Herd und Kühlschrank mit. Die Temperatur wird an den Thermostatventilen reguliert: Die mittlere Stufe entspricht 20 Grad. Bei einer fünfstufigen Skala liegen zwischen jeder Stufe etwa vier Grad, erklären die CO2online-Experten. Sie haben das Einsparpotenzial für eine Altbauwohnung mit 80 Quadratmetern und Gasheizung einmal ausgerechnet: Mit der optimalen Temperatur können pro Jahr etwa 1500 Kilowattstunden eingespart und die Haushaltskasse wird um rund 100 Euro entlastet werden. wer

STICHWORT

Immer mehr Hausbesitzer entscheiden sich für Miniheizkraftwerke im eigenen Keller Viele Hausbesitzer haben mit ihrer Solaranlage ein eigenes Kraftwerk auf dem Dach. Effizienter für eine Energiewende ist nach Ansicht vieler Experten aber ein Miniheizkraftwerk im Keller. So wie sich die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme in Großkraftwerken bewährt hat, soll in stärkerem Umfang diese Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auch im kleinen Maßstab realisiert werden. „Kleine KWK-Anlagen können gegenüber herkömmlichen Kraftwerken bis zu 33 Prozent Energie und bis zu 16 Prozent CO2 einsparen“, erläutert Bernhard Hörsgen von der Arbeitsgemeinscham für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch. Nach den Vorgaben der Bundesregierung soll bis zum Jahr 2020 ein Viertel des Strombedarfs aus Anlagen mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung gedeckt werden. Inzwischen hat sich selbst der Energieriese RWE von seiner Strategie der Großkraftwerke verabschiedet. Gemeinsam mit dem Heiztechnikhersteller Vaillant ist RWE in das Geschäft mit Minikraftwerken für zu Hause eingestiegen. RWE eifert damit dem Ökostromanbieter Lichtblick nach, der ein ähnliches Konzept mit

dem Autokonzern Volkswagen anbietet. In den Blockheizkraftwerken im Keller wird nicht nur Strom erzeugt. Das Prinzip ist einfach: Bei der Verbrennung zum Beispiel von Erd- oder Biogas entsteht mechanische Energie, die einen Generator zur Erzeugung von Elektrizität antreibt. Die gleichzeitig produzierte Wärme kann genutzt werden. um das Gebäude zu heizen und das Wasser für Bad und Küche zu er-

wärmen. RWE hat zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft Duisburg eine Controlbox entwickelt, die die Anlage nach dem Strom- und Wärmebedarf des Kunden steuert. Außerdem wird sie darauf ausgelegt, künftig überschüssigen Ökostrom aus dem Netz in Form von Wärme zu speichern. Diese Heizkraftwerke eignen sich für Kunden mit einem Wärmebedarf ab 60 000 Kilowattstunden pro Jahr. Die Investitionskosten liegen bei etwa 40 000 Euro. Ab

Blockheizkraftwerk Heizung

Diesel / Gas Verbrennungsmotor

Warmwasser

Generator Grafik: Grafik: Enzo Enzo Forciniti Forciniti

Elektrische Energie durch Stromgenerator

Carsten Heuchert, Vorstandsvorsitzender Verbundnetz Gas. Frage: Der Gasmarkt ist derzeit von Überkapazitäten geprägt. Fluch oder Segen? Carsten Heuchert: Derzeit wohl beides. Die europäische Erdgasbranche befindet sich in einem fundamentalen Wandel und muss sich auf nachhaltig veränderte Marktbedingungen einstellen. Zum einen führt das derzeitige Überangebot an Erdgas zu einer enormen Preisdifferenz zwischen Erdgasbezügen aus alten Langfristverträgen und den Bezügen an den europäischen Großhandelsmärkten. Das ist für Importeure wie VNG die große Herausforderung. Zum anderen gewinnen Spotmärkte für Erdgas, über die auch wir gut ein Drittel unseres Erdgases beziehen, zunehmend an Bedeutung. Ehrgeizige Pipeline-Projekte verbinden Europa immer besser mit den weltweiten Rohstofflagerstätten. Trotzdem investiert VNG in den Ausbau von Speichern. Warum? Mit der Erweiterung unserer Speicher und der Entwicklung neuer Technologien sehen wir uns gerade auf dem richtigen Weg. Früher dienten Erdgasspeicher allein dem Ausgleich saisonaler Schwankungen und der Versorgungssicherheit. Seit Öffnung des Gasmarktes nehmen die kurzfristigen Handelsaktivitäten und somit die Vermarktung von Speicherkapazitäten an Dritte zu. In Zukunft könnte zudem überschüssige Wind- und Sonnenenergie nach der Umwandlung in synthetisches Erdgas in unseren Gasspeichern gelagert werden. 2050 soll der Energiebedarf der Bundesrepublik nahezu aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Ist VNG dann ein Biogashändler? Wir sind jetzt auch schon Bioerdgashändler! Bei aller Schwierigkeit von Prognosen über einen solch langen Zeitraum nur so viel: Egal was passiert, VNG wird auch dann ein fester Bestandteil in der Energiewirtschaft sein. Ich bin überzeugt, dass sich die Kernanforderungen an die Energieversorgung auch in Zukunft nicht ändern werden und gehe fest davon aus, dass sich langfristig der wirtschaftlichste, sicherste und umweltfreundlichste Energiemix – bestehend aus Erdgas, Bioerdgas, Sonne und Wind – durchsetzen wird. Interview: Birgit Schöppenthau Foto: pd

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dem kommenden Jahr sollen auch kleinere Anlagen speziell für Einfamilienhäuser angeboten werden. Mit einer KWK-Anlage im Keller lassen sich nach Darstellung der Arbeitsgemeinschaft bis zu 100 Prozent des Wärme- und bis zu 80 Prozent des Strombedarfs im eigenen Heim decken. Die Energiewirtschaft sucht schon lange nach Möglichkeiten, überschüssigen Ökostrom in Form von Wärme zu speichern. Es geht um Strom, der in Wind- und Solarkraftanlagen erzeugt, in Zeiten geringen Verbrauchs aber nicht benötigt wird. Die Speicherung ist mit dem System möglich, weil die Anlage um einen großzügig dimensionierten Wasserspeicher mit „Ökoheizstab“ ergänzt wurde. Dank intelligenter Steuerung kann so überschüssiger Strom aus dem Netz verbraucht und in Wärme umgewandelt werden. „Mit der Anlage beweisen wir die Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung beim Einsatz auch in kleineren Wohneinheiten“, sagt Ingo Alphéus, Chef der RWE Effizienz GmbH. Der Konzern arbeitet jetzt daran, verschiedene Systeme dieser Art zu einem „Virtuellen Kraftwerk“ zu bündeln. Hans-Willy Bein

KWK-Gesetz Die Bundesregierung will das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz bis Mitte 2012 novellieren. Mit diesem Instrument fördert der Bund über die KWK-Umlage Unternehmen, die ihre Energieerzeugung auf Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen umstellen und die Energie dann in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Auf diese Weise kann unter anderem die Schadstoffemission reduziert werden. Die Nutzungsentgelte werden nach dem in einem Jahr ermittelten Stromverbrauch in Kilowattstunden berechnet. red

Impressum Verlagsbeilage der Leipziger Volkszeitung Chefredakteur: Bernd Hilder Redaktion: Thilo Boss Tel.: 0341/21 81 14 06 Fax: 0341/21 81 17 28 E-Mail: th.boss@lvz.de Art-Director: Enzo Forciniti Anzeigen: Dr. Harald Weiß Herstellung und Druck: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG, Peterssteinweg 19, 04107 Leipzig


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