Lisavienna Chemiereport 7-2016

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LISAvienna ist die gemeinsame Life-Science-Plattform von a ­ ustria wirtschaftsservice und Wirtschaftsagentur Wien im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft, F ­ orschung und Wirtschaft und der Stadt Wien.

Im menschlichen Blut sind zahlreiche genetische, epigenetische und proteomische Biomarker zu finden.

Wiener Unternehmen revolutionieren die Blut-Diagnostik

Wiener Blut

Nach wie vor ist Blut das wichtigste Substrat zum Auffinden von Biomarkern für die personalisierte Medizin, auch wenn das Spektrum zusehends auf andere biologische Proben erweitert wird. Zahlreiche Wiener Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind auf diesem Gebiet tätig.

Proteine im Fokus Bei vielen Krankheiten wurde beobachtet, dass bestimmte Proteine bei Erkrankten häufiger oder seltener im Blut vorkommen als bei Gesunden. Um dieses Wissen in der Praxis zu nutzen, wird – beispielsweise in ELISA-Tests – auf die spezifische Wechselwirkung dieser Proteine mit dazu passenden Antikörpern zurückgegriffen. Das Wiener Unternehmen eBioscience hat jahrzehntelange Erfahrung mit der Entwicklung derartiger Tests. „Wir stellen keine Produkte für die Routine-Diagnostik her, sondern Forschungsreagenzien“, erklärt General Manager Irene Rech-Weichselbraun zunächst. Sehr wohl werden die von eBioscience entwickelten Tests in Kliniken verwendet, und zwar im Rahmen der klinischen Forschung zu Krebs oder Stoffwechselerkrankungen. „Unsere Produkte sind oft darauf ausgerichtet, Veränderungen endogener Proteine anzuzeigen, die eine Reaktion des Immunsystems auf ein pathogenes Geschehen darstellen“, so Rech-Weichselbraun. Ein aktuelles Beispiel aus der Tumorbiologie betrifft Checkpoint-Marker, die Signalketten des Immunsystems an- und abschalten können. Mit einem kürzlich auf den Markt gebrachten Assay kann bestimmt werden, wie therapeutisch eingesetzte Moleküle die daran beteiligten Proteine inhibieren oder deren Expression verändern. Seit 2012 gehört eBioscience zum US-Unternehmen Affymetrix, das wiederum vor einigen Monaten von Thermo Fisher Scientific erworben wurde. In diesem Zusammenhang vermel-

det Rech-Weichselbraun einen großen Erfolg für den Standort Wien: „Wir sind nun offiziell das Center of Excellence für die Entwicklung von Immunoassays im gesamten Konzern geworden.“ Das zeige, welches Standing der Standort durch die hier aufgebaute Erfahrung habe. Positiv beeinflusst wurde diese Entwicklung von verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen der Wirtschaftsagentur Wien und weiterer Förderagenturen. Weitere etablierte Player aus Wien im Bereich Assays sind beispielsweise Biomedica Medizinprodukte GmbH & Co KG, Technoclone GmbH oder ViennaLab Diagnostics GmbH.

Antikörper als Testreagenzien Die von Gottfried Himmler und Wolfgang Woloszczuk mithilfe der AWS, der Wirtschaftsagentur Wien und weiterer Geldgeber aufgebaute Firma The Antibody Lab GmbH fokussiert wie eBioscience auf Antikörper für Immunoassays für die Forschung. Einige der betrachteten Marker sind auch für den diagnostischen Einsatz in der Medizin interessant. Ein Beispiel dafür ist Präeklampsie, ein Erkrankung, von der Schätzungen zufolge drei bis acht Prozent der schwangeren Frauen betroffen sind. Viele Hochrisikopatientinnen werden heute erst in einem späten Stadium identifiziert, obwohl Strategien zur medikamentösen Prävention existieren. The Antibody Lab hat einen ELISA-Test auf die inaktive Form eines parakrinen Wachstumsfaktors (NT-proCNP) entwickelt, dessen Plasmaspiegel bei Risikopatientinnen schon in frühen Schwangerschaftsphasen erhöht ist. Auch bei Allergietests kann Blut als Basis verwendet werden. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Nachweis von IgE-Antikörpern. Für die Tests werden Extrakte aus verschiedenen allergieauslösenden Substanzen verwendet. Christian Harwanegg, der viele Jahre in der Diagnostik-Branche gearbeitet hat, war mit dieser auf molekularer Ebene recht ungenauen Situation unzufrieden und gründete im Frühjahr die Macroarray Diagnostics GmbH. Das Unternehmen entwickelt einen Multiplex-Test auf ELISA-Basis, mit dem die Reaktion eines Patienten auf ein-

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ersonalisierte Medizin ist in aller Munde. Der Ansatz gründet darauf, dass Erkrankungen molekulare Charakteristika aufweisen, die sich für die Auswahl einer passenden Therapie nutzen lassen. Sogenannte Biomarker gestatten es, Erkrankungen auf der molekularen Ebene weiter aufzuschlüsseln, Patienten in Untergruppen mit verschiedenen Profilen einzuteilen und darauf zugeschnittene Therapien zu wählen oder zu entwickeln. Diagnostik und Therapie-Optimierung gehen dabei Hand in Hand. Ausgangsmaterial für die meisten Biomarker-Tests sind heutzutage Blutproben.


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zelne, klar definierte Allergene getestet wird. „Wir können beispielsweise unterscheiden, ob jemand mit Ei-Allergie Dotter verträgt, aber Eiklar nicht“, erläutert Harwanegg die Vorteile einer präziseren Diagnostik. Basis der Technologie ist die Bindung der einzelnen Allergene an Nanopartikel. Dadurch steht ein großer Teil der Antigen-Oberfläche für die Bindung mit dem Antikörper zur Verfügung. Neben Förderungen durch das Preseed- und Seed-Programm der AWS hat das Unternehmen vor kurzem eine erste Finanzierungsrunde abgeschlossen, die gestattet, den Personalstand bis Ende des Jahres von derzeit zwei auf zehn Personen aufzustocken. Ein Research-use-Produkt konnte bereits entwickelt werden. Für das kommende Jahr wird die Zulassung und der Markteintritt für ein Produkt angestrebt, das 250 Allergene auf einmal testen kann.

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RNA und DNA als Biomarker Neben Proteinen kommen auch Nukleinsäuren als Biomarker infrage. Das Wiener Unternehmen Tamirna GmbH, dessen Gründung durch AWS Preseed- und Seed-Financing erleichtert wurde, hat sich beispielsweise auf kurze, nicht-codierende RNAs („miRNAs“) spezialisiert, die eine wichtige Rolle in der Genregulation spielen. „Wir haben festgestellt, dass viele altersassoziierte Krankheiten mit bestimmten miRNA-Signaturen verbunden sind“, erklärt CEO Matthias Hackl und hält fest, dass zum Beispiel Osteoporose lange asymptomatisch verläuft, die heute eingesetzte Messung der Knochendichte aber kein guter Indikator für das Risiko von Knochenbrüchen sei. Tamirna entwickelte also einen Test, der miRNA-Muster im Blut mit dem Risiko einer Fraktur verknüpft. Mehrere retrospektive klinische Studien haben eine hohe Korrelation der gefundenen Muster mit der Wahrscheinlichkeit einer Knochenfraktur gezeigt. Seit Juli ist ein neuer Test-Kit für Forschungszwecke auf dem Markt verfügbar, bis 2018 soll die CE-Zertifizierung für den Einsatz in der Routine-Diagnostik folgen. Aber auch die genetische Ausstattung selbst ist eine Quelle für Biomarker im Sinne der personalisierten Medizin, wie ein weiteres Beispiel aus den Förderportfolios von AWS und Wirtschaftsagentur Wien zeigt. Die Platomics GmbH hat einen digitalen Marktplatz geschaffen, über den Ärzte und Labors auf rund 5.000 Apps für die Diagnose der wichtigsten vererbbaren Erkrankungen zugreifen können. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren Entwicklungsarbeit geleistet und können nun den Schritt in den Markt unternehmen“, sagt Ralph Zahn, der als Marketing- und Vertriebsleiter des Unternehmens fungiert. Das AKH Wien und das Wiener Hanusch-Krankenhaus arbeiten bereits mit einem Prototyp des Systems und waren an der

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Entwicklung beteiligt. Nun soll der Verkaufsstart für Kunden in Österreich, Deutschland und der Schweiz erfolgen.

Die Zukunft der Biomarker-Diagnostik Eine Reihe an Forschungseinrichtungen am Standort Wien treibt die Entwicklung der Biomarker-Forschung voran. Das K1-Zentrum CBmed, das sowohl in Graz als auch in Wien Aktivitäten unterhält, fokussiert beispielsweise darauf, neue minimalinvasive Biomarker für Krebs-, Stoffwechsel- und Entzündungserkrankungen zu identifizieren. An der Medizinischen Universität Wien hat das Kompetenzzentrum kürzlich ein neues Core Lab für Proteomik eröffnet, das die Ergebnisse molekular-pathologischer und immunhistochemischer Untersuchungen mit dem In-vivo-Imaging mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kombiniert. Das Ziel ist, molekulare Marker zu identifizieren, die bestimmte Tumortypen oder sogar Unterschiede zwischen verschiedenen Zellen desselben Tumors charakterisieren. Partner des neuen Core Labs, das von Wolfgang Wadsak und Brigitte Hantusch geleitet wird, sind MSD sowie Tissue Gnostics, mit deren Analyse-Tools das Auffinden von Krebszellen aufgrund ihres Phänotypus möglich ist. Seit Mitte September fungiert Wadsak darüber hinaus als Koordinator aller CBmed-Aktivitäten am Standort Wien. Auch Martin Weber, der am „Health&Environment“-Department des AIT das Geschäftsfeld „Molecular Diagnostics“ leitet, glaubt, dass die Verwendung von Blut auch weiterhin einen wichtigen Teil der klinischen Routine ausmachen wird. Großes Potenzial für die Zukunft liege aber bei Speichelproben, da diese einfach und nicht-invasiv gewonnen werden können. „Speichel ist besonders für sogenannte ‚Point-of-Care-Anwendungen‘ geeignet, bei denen direkt am Ort des Geschehens gemessen und schnell ein Ergebnis benötigt wird“, erklärt Weber. Als Biomarker kommen frei zirkulierende Nukleinsäuren, Antikörper, aber auch epigenetische Faktoren infrage. Biomarker-Wissen wird am AIT mit Know-how aus der Bioinformatik und Biosensorik kombiniert, um gemeinsam mit Partnern praxistaugliche Point-of-Care-Anwendungen zu entwickeln.

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