Kein Geld für unsaubere Geschäfte

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Kein Geld

für unsaubere Geschäfte Der Markt für grüne Geldanlagen wächst beständig. Doch das Thema kommt nicht aus der Nische. Vor allem private Anleger haben viel Nachholbedarf TExt Alexander Heintze Illustration Nina Eggemann

W

er Geld anlegt, will Geld verdienen. Kaum ein Bürger, der nicht bei irgendeiner Bank ein Sparbuch oder ein Tagesgeldkonto hat. Kaum einer, der nicht irgendwo ein paar Euro auf dem Festgeldkonto parkt. Oder in Aktien investiert. Doch das mit dem Geldzuwachs funktioniert nicht mehr so richtig. Ein bis zwei Prozent Zinsen gibt es auf dem Sparkonto – die Inflationrate liegt jedoch bei über zwei Prozent. Wer Aktien besitzt, erhofft sich etwas höhere Gewinne. Aber auch hier ist, nach Abzug aller Kosten, Geld verdienen für die meisten Hobby-Aktionäre eher Glücksache. Und immer häufiger interessieren sich die Menschen auch dafür, wie sich ihr Vermögen vergrößert. Geht es zulasten der Umwelt, zulasten der Allgemeinheit oder zulasten anderer Menschen? Gewinne um jeden Preis werden kritischer gesehen. Abzulesen ist das an der wachsenden Bedeutung nachhaltiger Geldanlagen. Derzeit gibt es im deutschsprachigen Raum laut dem Sustainable Business Institute (SBI) 380 Nachhaltigkeitsfonds. Allein im ersten Halbjahr 2012 waren es 40 Fonds, die neu dazu kamen, ihre Strategie auf „Nachhaltigkeit“ änderten oder schon in anderen Ländern zugelassen waren und nun auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertrieben werden. Insgesamt betrug die investierte Summe in den drei Ländern mehr als 103 Milliarden Euro, allein in Deutschland sind es rund 63 Milliarden Euro – ein Plus von elf Prozent gegenüber 2011. Was sich nach einer großen Summe anhört, ist allerdings, gemessen am gesamten Markt, zu vernachlässigen. Der nachhaltig angelegte Teil betrug nur etwas mehr als ein Prozent. Und auch das ist weniger auf das Wachstum zurückzuführen als darauf, dass der konventionelle Markt rund drei Prozent verlor. Zwar verzeichnet das SBI eine jährliche Wachstumsrate von 28 Prozent; damit hat sich das Volumen nachhaltiger Publikums-

Nachhaltig Investieren

fonds und Mandate in den letzten sieben Jahren mehr als vervierfacht. Doch das Wachstum schwächt sich ab. Und ein genauer Blick zeigt, dass vor allem institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Stiftungen das Thema nach vorne gebracht haben. Private Anleger haben noch viel Nachholbedarf. Obwohl viele Banken nachhaltige Produkte in der einen oder anderen Form anbieten, fragen Kunden selten danach, so Professor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management. Ein Grund: Die Banken würden das Thema nicht von sich aus ins Schaufenster stellen. „Nachhaltige Finanzen sind deutlich erklärungsbedürftiger und die Beratung dauert entsprechend länger“, sagt Faust (siehe Interview Seite 90). Da die Banken aber nicht mehr verdienen als mit herkömmlichen Produkten, bieten sie die nachhaltige Variante von sich aus meist gar nicht erst an. Zumal den Beratern häufig das Know-how fehlt. Die Banken schulen sie nicht ausreichend, was dazu führt, dass sie auf kritische Fragen von Kunden womöglich nicht reagieren können. Da lassen sie es dann lieber ganz. Ein weiterer Grund der mangelnden Akzeptanz: Es fehlen immer noch klare Definitionen. Anbieter von Fonds legen selber fest, was sie unter den Begriffen ethisch oder nachhaltig verstehen. Immerhin: Laut dem Verband Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) setzen die Investoren häufiger als je zuvor sogenannte Ausschlusskriterien ein. Heißt: Rüstungsgeschäfte, Direktinvestitionen in Nahrungsmittel, Pornografie, Tabak, Glücksspiel, Atomkraft und Tierversuche etwa werden pauschal nicht berücksichtigt. Am häufigsten trifft es die Hersteller von Streumunition, denen damit der Zugang zum Kapitalmarkt erschwert wird. „Es ist ein großer Fortschritt für uns alle, dass immer mehr Finanzinstitute Herstellern von Streumunition den Hahn zudrehen“, sagt Volker Weber, der Vorstandsvorsitzende des Vereins. „Die Anlagestrategie, Investments in ethisch bedenkliche Bereiche von vorneherein auszuschließen, ist im Mainstream angekommen.“ Rechnet man alle Anlagen, die mindestens ein Kriterium berücksichtigen, zum


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Investoren setzen häufiger als je zuvor Ausschlusskriterien bei der Geldanlage ein. Am häufigsten trifft es Hersteller von Streumunition. Ihnen wird damit der Zugang zum Kapitalmarkt erschwert

nachhaltigen Markt hinzu, wurden 2011 in Deutschland mehr als 618 Milliarden Euro nachhaltig angelegt. Die meisten Investmentfonds und Vermögensverwalter verwenden noch weitere Anlagestrategien, etwa den Best-inClass-Ansatz. Bei dieser Auswahlmethode darf auch in Firmen investiert werden, die nicht 100-prozentig grün sind, aber zu den nachhaltigsten Unternehmen der jeweiligen Branche gehören. Auch die Beachtung von ESG-Kritieren (Environmental, Social, Governance) und Normen wie der UN Global Compact oder Richtlinien, die Kinderarbeit verbieten, fließen zunehmend in die Beurteilung von Investments ein. Andreas Korth, Geschäftsführer des Good Growth Instituts (GGI) in Hennef, befürwortet die verschiedenen Ansätze. Er warnt sogar vor einer zu engen Betrachtung des Nachhaltigkeitsbegriffs. „Je puristischer man ihn sieht, desto eher reduziert man das Thema auf die erneuerbaren Energien“, sagt er. Zudem gehe es um die Wirkung, „die man mit einem Investment erzielt, und nicht darum, in was der Fonds investiert“. So müssten sich etwa beim Best-in-Class-Ansatz Unternehmen jedes

Banken im Vergleich

nachhaltig vs. systemrelevant Nachhaltige Banken

Systemrelevante Banken

72,4% / 72,5%

40,7% / 42,0%

Kredite

19,7%

7,8%

Einlagen

19,6%

10,0%

Eigenkapital

20,1%

11,5%

Gesamteinkommen

16,6%

6,9%

Kredite

15,6%

4,3%

Einlagen

16,3%

7,8%

Eigenkapital

15,1%

10,5%

Gesamteinkommen

11,9%

4,4%

Anteil Kredite/Einlagen an Bilanzsumme (2002-2011) jährl. Wachstumsrate (2002-2011)

jährl. Wachstumsrate (2007-2011)

Eine Studie des internationalen Netzwerks der nachhaltigen Banken zeigt: Grüne Banken wuchsen zwischen 2002 und 2011 nicht nur wesentlich stärker als die systemrelevanten Banken. Sie kamen auch besser durch die Krisenjahre 2007 bis 2011. Bei allen Kennziffern lag die Wachstumsrate deutlich höher (Quelle: The Business Case for Sustainable Banking, GABV, 2012)

Jahr von Neuem qualifizieren, um in diese Fonds aufgenommen zu werden. Das würde Prozesse etablieren, die die Unternehmen besser machten. „Das ist die eigentliche Nachhaltigkeit“, so Korth. Andererseits besteht die Gefahr, dass Firmen gerade einmal die Mindestkriterien erfüllen, damit sie in das Anlageuniversum hineinkommen und dann ihre Bemühungen mehr oder weniger einstellen. Wirkung können Fonds auch durch die Ausübung ihrer Stimmrechte erzielen. Das will etwa die Steyler Bank in St. Augustin bei Bonn machen. Ihr erster eigener Publikumsfonds „Steyler Fair und Nachhaltig – Aktien“, der seit Ende Oktober vertrieben wird, investiert ausschließlich in Marktsegmente, die der Ethik der Steyler Missionare entsprechen. Neben den mittlerweile üblichen Ausschlusskriterien investiert der Fonds vor allem in Firmen, die sich nachhaltig für die Erhaltung des Friedens und der Fairness sowie die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Zudem fließen sämtliche Überschüsse aus den Verwaltungsgebühren des Steyler-Fonds in Hilfsprojekte der Steyler Missionare. Ein besonderes Augenmerk will der Fonds darauf legen, bei unethischem Handeln eines Unternehmens die Firmenleitung zum Umdenken zu bringen. Dieses „sich einmischen“ durch die Nutzung von Stimmrechten sieht Korth ebenfalls als wichtiges Instrument an: „Man kann so mehr erreichen, als wenn man nicht in die Unternehmen investiert hätte.“ Bleibt die Frage, ob sich diese Anlagen finanziell auszahlen. Die Berliner Ratingagentur Scope kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass Aktienfonds mit nachhaltigem Anspruch in den letzten Jahren durchweg schlechter abschnitten als normale Aktienfonds. Mehr noch: Die Anleger mussten teilweise sogar höhere Verluste in Kauf nehmen. Für Scope liegt das Problem in den Einschränkungen, denen die Fondsmanager unterliegen. Sie haben weniger Aktien zur Auswahl. Damit ist klar, welche Fonds schlecht abschneiden: Es sind vor allem ältere, eng umrissene Themenfonds, die stark unter der schlechten Entwicklung der Windkraft- und Solarfirmen in den vergangenen Jahren leiden. Breiter aufgestellte

Fonds sind denen ohne einen nachhaltigen Fokus ebenbürtig. Das zeigt auch eine Analyse des Good Growth Instituts. Anhand von 1000 privaten Anlegerdepots fand Geschäftsführer Andreas Korth heraus, dass die Berücksichtigung gesellschaftlicher Aspekte bei der Geldanlage keine Rendite kostet. Demnach ist es für Anleger egal, ob sie ihr Depot mit nachhaltigen oder konventionellen Produkten aufbauen. Wenn die Mischung stimmt, reduziert sich durch die Streuung das Risiko. Fazit: „Wenn es egal ist, dann kann man auch guten Gewissens zu nachhaltigen Produkten greifen“, so Korth. /

============================ STudie: Nachhaltige Banken stabilisieren das Finanz- und Wirtschaftssystem

Die Diskussion um systemrelevante Banken, die nicht Pleite gehen dürfen, weil sie das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem zum Einsturz bringen, hat viele Bürger aufgeschreckt. Doch gehandelt wird kaum. Das zeigen die Zahlen der nachhaltig agierenden Banken wie GLS Bank, Triodos, Ethikbank, Umweltbank oder Steyler Bank. Zwar steigen die Kundenzahlen seit Jahren stetig an. Doch laut Forum Nachhaltige Geldanlagen führten sie Ende 2011 insgesamt nur 135 000 Girokonten und verwalteten mehr als 20 Milliarden Euro Kundengelder. Ihr Anteil am gesamten Bankenmarkt ist damit immer noch verschwindend gering. Dabei könnten sie das gesamte Finanzsystem stabilisieren. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Global Alliance for Banking on Values, dem internationalen Netzwerk der nachhaltigen Banken. Über den Zeitraum 2002 bis 2011 haben die Autoren 29 als systemrelevant eingestufte Institute (u.a. Deutsche Bank, Commerzbank, HSBC, Citigroup) mit 22 nachhaltigen (u.a. GLS, Triodos) verglichen. Ergebnis: Ihr Geschäftsmodell dient stärker der Realwirtschaft, sie vergeben mehr als 70 Prozent ihrer Bilanzsumme als Kredite. Heißt im Umkehrschluss: Es steht weniger Geld für den vielfach kritisierten Eigenhandel oder für Investmentgeschäfte zur Verfügung. Die herkömmlichen Banken vergeben nur gut 40 Prozent ihrer Bilanzsumme als Kredit. Zudem refinanzieren sich nachhaltige Banken vorwiegend durch Kundeneinlagen und haben eine höhere Eigenkapitalquote. Beides macht sie vor allem in Krisenzeiten deutlich stabiler als andere Banken. Weitere Ergebnisse der Studie in der Tabelle links. www.gabv.org

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Wirtschaft für den Menschen ========================

Erschienen in der Ausgabe 6 Dez. / Jan. 2012 / 2013


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