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DAS BESONDERE PROJEKT

WENN STUDIS EINE AUSSTELLUNG KURATIEREN

›› Bis 21.2.2021, Bildungsstätte Anne Frank, Hansaallee 150, Frankfurt, (069) 560 00 20, Mo-Fr 14-17, Sa+So 12-18 Uhr, bs-anne-frank.de/hingucker Wie lässt sich Kolonialrassismus ausstellen, ohne den kolonialen Blick zu reproduzieren? Wessen Geschichte wird erzählt? Von wem und für wen? Eine aktuelle Ausstellung in der Bildungsstätte Anne Frank geht diesen Fragen nach. UniFRIZZ hat mit den studentischen Kuratoren Tim Mulhanga und Isa Mahmut gesprochen.

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Die Epoche des Kolonialismus produzierte Gewalt. Und sie machte Menschen in Kolonialausstellungen und Völkerschauen zu Exponaten, zu „Hinguckern“. So heißt auch die Ausstellung, die die Politikwissenschaftsstudenten Tim Mulhanga und Isa Mahmut gemeinsam mit Robin Koss und Jeanne Nzakizabandi von der Bildungsstätte Anne Frank kuratiert haben. Sie will den kolonialen Blick zurückwerfen – und die Praxis des Ausstellens selbst zur Diskussion stellen. „Alles begann mit einer Ausstellung in Dresden über Rassismus, die viel Kritik einstecken musste“, erzählt Tim. Sie sollte auch nach Frankfurt kommen. Doch das Historische MuTim Mulhanga Isa Mahmut seum entschied, sich zunächst kritisch damit auseinanderzusetzen. Als Studierende der Rassismusforschung und als Aktivisten (Tim ist Mitglied der Initiative Schwarze Menschen Deutschland, Isa ist stellvertretender Vorsitzender einer Hilfsorganisation, die sich mit dem Genozid an Jesiden mit dem Schwerpunkt Sklaverei gegenüber Frauen und Kindern beschäftigt) wurden sie in die Arbeitsgruppe eingeladen. „Es entstand für uns die Möglichkeit, das, was wir im Studium in der Theorie diskutieren und im Aktivismus thematisieren, auf künstlerischer Ebene umzusetzen“, berichtet Isa, und Tim ergänzt: „Es hat uns sehr motiviert, unter anderem aus der Kritik an dem Dresdener Projekt eine andere Umsetzung der Thematik zu schaffen. Wir hoffen, das ist uns gelungen.“ Neben dem Historischen Museum, das die Stadtlabor-Ausstellung „Ich sehe was, was du nicht siehst“ konzipierte, entwickelte auch die Bildungsstätte Anne Frank eine Ausstellung. Sie übernahm schließlich Teile aus Dresden. Das Kuratorenteam setzte sie in einen neuen Kontext und ergänzte weitere Exponate – zum Teil mit Frankfurter Bezug, zum Teil mit Bezug zu den aktivistischen Hintergründen der Kuratoren. „Es war gar nicht so einfach, aus der Fülle an Material das richtige herauszusuchen. Wir haben uns viel Zeit genommen und alle möglichen Exponate minutiös besprochen und darüber reflektiert, ob sie zur Ausstellung passen“, skizziert Tim die Konzeptionsarbeit. Die Ausstellung behandelt zwei Themenkomplexe: „Koloniale Gewalt“ veranschaulicht, wie Menschen nichteuropäischer Herkunft in „Rassen“ eingeteilt und entrechtet wurden, wie sie in sogenannten Völkerschauen zum Objekt, zu Hinguckern gemacht wurden. „Antikoloniale Kämpfe um Selbstbehauptung/Postkoloniale Widerstände“ zeigt anhand von Biografien Schwarzer Menschen den Kampf um Selbstbehauptung und für rechtliche Gleichstellung. „Wichtig war uns dabei, Gewalt zu thematisieren, ohne sie zu reproduzieren. Wir wollten unbedingt vermeiden, betroffene Zuschauer zu retraumatisieren“, erläutert Tim. „Aus diesem Grund haben wir als zweites Thema Widerstand gewählt. Durch die empowernden Exponate sollen Betroffene beim Betrachten eine Form von Selbststärkung erfahren können“, umreißt Isa die Absicht dahinter. „Darüber hinaus wollten wir Ausstellungspraktiken hinterfragen. Der Zuschauer soll angeregt werden, sich zu seiner Position zu befragen“, fügt Tim an. Eine besondere Herausforderung war der Blickwinkel. Betroffene haben eine ganz andere Perspektive als Menschen, die sich noch wenig mit Rassismus beschäftigt haben. „Wir mussten uns entscheiden: Für wen machen wir die Ausstellung? Wie richten wir sie aus? Wir haben entschieden, uns vor allem an den Betroffenen zu orientieren“, sagt Tim.