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Hausmannskost Norderney - Balsam für die Seele

Was wirkt wie Balsam für die Seele, wenn drumherum die Welt aus den Fugen zu geraten droht? Was brauche ich wirklich vom Markt der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten? Viele Menschen entwickeln dieser Tage ein Gespür für die Einfachheit. Eine Rückkehr zum Wesentlichen. In emotionalen Momenten werden Erinnerungen wach, an Wärme, an Geborgenheit. Vielleicht auch der Gedanke an ein liebevoll zubereitetes Essen. An bodenständige Hausmannskost. Auf Norderney führt in diesem Zusammenhang kein Weg an Christian Hausmann vorbei. Zum einen trägt er das Thema im Namen, zum anderen hat er mit ‚Hausmanns Kost und Deli‘ einige Jahre lang ein kulinarisches Aushängeschild geschaffen für eine ehrliche, selbst gemachte Kost mit kreativem Twist. Seit Anfang 2020 ist Christian im elterlichen Hotelbetrieb eingestiegen. Für unser Gespräch hat er uns dort zum Essen eingeladen und kocht in der charmanten Traditionsküche - es könnte passender nicht sein - eine vegane Linsensuppe.

Foto. Carsten Muecke

Während Christian das Gemüse für die Suppe in grobe Stücke schneidet, sprechen wir darüber, was wir mit dem Begriff Hausmannskost verbinden. „Wir haben in der Familie - mein Vater ist ja auch Koch - immer frisch gekocht, ganz bodenständige und regionale Gerichte“, erzählt Christian. Auch in unserer Kindheit gab es daheim einen festen Kanon, Klassiker, an die sich vermutlich die meisten erinnern - von Gulasch oder Eintopf über Kasseler mit Sauerkraut oder Reibeplätzchen mit Apfelkompott bis zu Königsberger Klopsen, Kohlrouladen oder Spinat mit Kartoffelpüree, Fischfilet und Spiegelei. Die Liste ließe sich noch deutlich verlängern. Wir überlegen, was viele dieser Gerichte verbindet - und denken an nahrhafte und bezahlbare Zutaten sowie eine vergleichsweise schnelle und einfache Zubereitung. „Es geht dabei auch ganz viel um Eigengeschmack. Nimm zum Beispiel ein Stück geräucherten, durchwachsenen Speck - der bringt von Haus aus eine Menge mit und gibt dem ganzen Gericht sofort einen intensiven Geschmack“, sagt Christian - und öffnet zwischendurch für jeden von uns eine Flasche Bier. „In der traditionellen Variante musstest Du früher mit dem Essen zum Teil ganze Großfamilien satt bekommen und Energie geben für die tägliche Arbeit. Das war und ist bei uns im Hotel ein bisschen genauso, weil wir hier häufig zusammen mit allen Mitarbeitern essen.“ Einige norddeutsche Evergreens wie Labskaus oder Grünkohl erfreuen sich landauf, landab ungebremster Beliebtheit. Gleichzeitig gibt es von Region zu Region über das Grundgericht hinaus zum Teil deutliche Unterschiede bei der Zubereitung. „Das ist ein Phänomen, da kommt eine lokalpatriotische Komponente ins Spiel. Die Leute in Bremen machen den Grünkohl ganz anders als bei uns in Ostfriesland.“ Die Beispiele unterstreichen, dass viele Menschen mit Hausmannskost offensichtlich ein Gefühl von Zuhause und vielleicht auch eine regionale Identität verbinden. Wo komme ich her? Wo liegen meine Wurzeln?

Die Suppe hat inzwischen gute Fortschritte gemacht und köchelt im Topf sanft vor sich hin. Sowohl Christian als auch wir sind in den 70er und 80er Jahren aufgewachsen. Damals ist die komplett frisch zubereitete Form der Hausmannskost zwischenzeitlich ein wenig in den Hintergrund geraten, weil es immer mehr ‚fortschrittliche‘ Fertigprodukte gab (die Älteren erinnern sich an ‚Bonduelle ist das famose ...‘) und man sich das Kochen so einfach wie möglich machen wollte. „Dosengemüse war der Hit, die Leute fanden das cool - und im Supermarkt gab es außer Petersilie und Schnittlauch kaum frische Kräuter zu kaufen, stattdessen reichlich Maggi oder Fondor an jedem Gericht.“ Erst mit dem Aufkommen einer breiten ökologischen Bewegung setzt wieder ein Umdenken ein. „Durch unsere Familientradition und als Koch habe ich natürlich gelernt, wie es auch ohne Convenience und künstliche Helferlein richtig gut schmecken kann.“ In seinem ‚Hausmanns Kost und Deli‘ hat Christian bis ins letzte Detail alles selbst hergestellt. Die Linsensuppe, die jetzt neben uns im Topf dampft, gab es dort fast täglich als Mittagstisch. „Auch unsere Currys und unser Hotdog waren letztlich eine Form von Hausmannskost - nur eben nicht aus Deutschland.“ Je mehr wir darüber nachdenken und nach Beispielen suchen, desto stärker wird klar, dass die Grundidee von Hausmannskost in jeder Landesküche vertreten ist. „Wenn Du dir Kochbücher anschaust oder im Internet recherchierst - da gibt es überall solche Basics.“ Viele anspruchvolle Gerichte lassen sich ohne handwerkliches Know-how und Erfahrung für den Laien nur schwer nachvollziehen. Hausmannskost senkt die Einstiegshürde, Hausmannskost bedeutet Kochen für jedermann. „Das ist der Witz dabei - das sind manchmal so einfache Sachen, aber wenn die von jemandem gemacht werden, der daran Freude hat, der gerne Leute bewirtet und gerne kocht, dann kann das wahnsinnig gut sein und Menschen wirklich glücklich machen. Das schafft jeder, wenn man nur will und sich traut.“

Mahlzeit. Das Essen ist fertig. Mit einer großen Kelle füllt Christian die Suppe in tiefe Teller und garniert das Ganze mit frischen Kräutern und ein paar Tranchen geräucherter Schillerlocke. Wir probieren - und es schmeckt, wie zu erwarten, großartig. Während wir einen Löffel nach dem anderen in den Mund schieben, fragen wir uns noch einmal, was das einfache Essen oft so lecker macht. Da gibt es die Grundzutaten und die Techniken - aber es liegt sicher auch am Würzen. „Viele Leute unterschätzen total, welche Wirkung bestimmte Gewürze und vor allem die Kombination von Gewürzen in Verbindung mit bestimmten Lebensmitteln auslösen können“, erklärt Christian. Muskat sei zum Beispiel ein absoluter Pusher für Fleischgerichte. „Da haben wir uns damals für den Laden ziemlich intensiv reingefuchst - und es wäre eigentlich schade, wenn wir dieses Wissen nicht in irgendeiner Form weitergeben würden“, sagt Christian und grinst vielsagend. Da werden wir bei Gelegenheit noch einmal nachfragen. Einstweilen genießen wir die Linsensuppe - und verraten gerne das Rezept zum Nachkochen für zu Hause.

Hausmanns Linsensuppe

Rezept für 4-6 Personen

ZUTATEN

150 g rote Linsen, 150 g Tellerlinsen oder Berglinsen, 1 Suppenbund (Möhren, Lauch, Sellerie), 2 Pastinaken, 2-3 Frühlingszwiebeln, 1 Zwiebel, 1 Bund Petersilie

1 Tl gehäuft Kreuzkümmel (gemahlen), 1 Tl gehäuft Koriander (gemahlen), 1 TL gehäuft Paprikapulver (geräuchert, als Ersatz für Speck), 3 Pimentkörner (zerstoßen), 1 TL Liebstöckel (gemahlen), 1 EL Senf, 1 Zweig Thymian, 2 Lorbeerblätter, Salz, Pfeffer (aus der Mühle)

3 L Gemüsebrühe, 1 L Wasser, Olivenöl, 300 g Schillerlocke (geräuchert)

VORARBEITEN

Aus organisatorischen Gründen ist es praktisch, die Vorarbeiten schon am Vortag zu erledigen.

Gemüsebrühe ansetzen. Idealerweise setzt man aus den Petersilienstängeln, Abschnitten und Schalenresten von dem gründlich geputzten und gewaschenen Gemüse mit Salz, Pfeffer und Lorbeer einen Gemüsefond an (hier ca. 3 L). Ersatzweise ist natürlich auch eine Zubereitung mit einem guten Fertigprodukt möglich.

Rote Linsen blanchieren. Die Linsen 5 Min. in leicht gesalzenem, kochendem Wasser abkochen, abschrecken und abseihen. Die roten Linsen werden erst ca. 15 Min. vor Ende der Kochzeit zur Linsensuppe gegeben, damit sie ihre Farbe behalten.

LINSENEINTOPF KOCHEN

Das Gemüse und die Zwiebeln in ca. 1 cm große Würfel bzw. Stücke schneiden. Die Frühlingszwiebeln in feine Röllchen schneiden und die Petersilie hacken.

3-4 EL Olivenöl in einem Topf erhitzen. Das Suppengrün und die Zwiebeln darin bei mittlerer Hitze unter Rühren 3-4 Min. mit den Gewürzen andünsten. Linsen zugeben, kurz mitdünsten, die Gemüsebrühe zugeben und aufkochen. Lorbeerblätter zugeben und unter gelegentlichem Rühren 50 Min. bei mittlerer Hitze kochen, gegebenenfalls Wasser zugeben, wenn es zu sehr einkocht.

Die Garzeit kann bei unterschiedlichen Linsensorten bzw. Produkten etwas variieren, daher sollte man eine Kochzeit von 1 bis 1 1/2 Stunden einplanen. 15-20 Minuten vor Ende der Garzeit die roten Linsen, Senf und Thymian zugeben. Vor dem Servieren den Eintopf mit Salz und Pfeffer abschmecken.

ANRICHTEN

Linseneintopf in einen tiefen Teller geben. Für das Topping die Schillerlocke in kleine Tranchen schneiden und anrichten und mit der Petersilie und den Frühlingszwiebeln garnieren.

HOTEL IHNKEN Familie Hausmann - Damenpfad 14 - 26548 Norderney - (04932) 93430 - hotel-ihnken.de