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Hausmann & Friends #1 - Markus Kebschull

„Christian ist ein Norderneyer Urgestein - im besten Sinne des Wortes“, sagt Sternekoch Markus Kebschull, während wir alle gemeinsam unterhalb vom Restaurant Seesteg zum Vorgespräch für unsere neue Serie „Hausmann & Friends“ an der Wasserkante entlangspazieren. Wir haben mit Christian Hausmann in den vergangenen zehn Jahren schon manche wilde Aktion gestartet. Mit seiner Verbundenheit zur Insel, seiner Weltoffenheit und Erfahrung verkörpert er eine Menge von dem, was Norderney heute auszeichnet. Viele Urlauber haben den 49-Jährigen noch bestens in Erinnerung von seinem Hausmanns Kost&Deli in der Jann-Berghaus-Straße. Dem klassischen Restaurantbetrieb hat der Vollblutkoch inzwischen den Rücken gekehrt, um im elterlichen Hotel-garni einzusteigen. So ganz lässt ihn das Thema natürlich nicht los. Im Frühjahr 2021 hatten wir zusammen die Idee, in einer neuen Reihe die Vielfalt der Kulinarik auf Norderney auf ungewohnte Weise zu beleuchten. Ab jetzt wird sich Christian regelmäßig auf der Insel mit interessanten Menschen treffen, um über verschiedene Aspekte des Kochens zu plaudern. Zum Auftakt besucht er Markus Kebschull und spricht mit ihm über Variation.

Foto. Carsten Muecke

Die beiden Köche kennen sich offensichtlich ganz gut. „Auf einer Insel wie Norderney läuft man sich natürlich irgendwann über den Weg - und die Fotografie war für uns gleich ein Anknüpfungspunkt, weil wir das beide schon sehr lange und sehr gerne machen“, erzählt Christian, während Markus Kebschull seine Kamera rausholt und für einen schnellen Schnappschuss auf den Auslöser drückt. Der Insulaner und der Spitzenkoch verwenden für ihre Fotoleidenschaft sogar zufällig ein ähnliches Kameramodell - eine Systemkamera von Fuji. Markus Kebschull verantwortet seit 2012 als Chefkoch die Kulinarik im Norderneyer Restaurant Seesteg, das mit einem Stern im Guide Michelin sowie 16 Gault Millau Punkten ausgezeichnet ist. „Ohne meine Fototasche gehe ich eigentlich nie aus dem Haus“, gesteht der 52-Jährige. „Ich liebe das Fotografieren.“ Doch jetzt ist erstmal Kochen angesagt. Wir verlassen den Strand und laufen zurück zum Seesteg.

Foto. Carsten Muecke

Die neue Serie „Hausmann & Friends“ bleibt inhaltlich offen für alle Facetten des Kochens. Nur einen festen Programmpunkt soll es jedes Mal geben - Christians Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin überlegt sich ein passendes Gericht zum jeweiligen Thema, inklusive einer nachvollziehbaren Zubereitungsempfehlung. Markus Kebschull hat sich mit Labskaus für einen norddeutschen Klassiker entschieden. Das Rezept ist auf Seite 57 zu finden. Während wir zuschauen, wie der Sternekoch mit Christians Unterstützung seine Kreation Schritt für Schritt auf den Teller zaubert, stellen wir fest, dass dieser Labskaus in keiner Weise unserer gewohnten Vorstellung entspricht. Statt wenig ansehnlichem Einheitsbrei steht vor uns ein klares und ästhetisches Gericht. „Der Moment der Überraschung, etwas womit man bei der Bestellung nicht gerechnet hat - das ist für uns immer so ein bisschen das Ziel“, bringt Markus Kebschull den Kern seiner kulinarischen Philosophie auf den Punkt. Um einen solchen Überraschungseffekt zu erzielen, gibt es unterschiedliche Wege - verschiedene Ebenen der Variation. „Viele Köche bedienen sich klassischer Aromen, indem sie Althergebrachtes auseinanderpflücken und neu zusammenbauen.“ Markus Kebschull erzählt von seinem mit drei Sternen ausgezeichneten Kollegen Sven Elverfeld, der mal mit Aromen von Jägerschnitzel gespielt habe. „Das war am Ende nicht wiederzuerkennen - aber man hatte den Geschmack“, erinnert sich der Norderneyer. „Dabei geht es nicht um den Verfremdungseffekt, sondern darum, die Essenz des Gerichts aufzuspüren und alles was schön daran ist.“

Foto. Carsten Muecke

Christian wirft ein, dass Variation gelegentlich auch aus dem praktischen Arbeitsalltag heraus entstehen kann. Als Beispiel nennt er seinen früher im Hausmanns Kost&Deli besonders beliebten Churrasco-Burger. „Da haben wir als Grundlage Roastbeef genommen, weil eines Abends alles andere ausverkauft war - und es ist ein Knüller geworden.“ Wir hören gespannt zu, wie die beiden erfahrenen Köche sich jetzt gekonnt die Bälle zuspielen und immer neue Aspekte der Variation als Schlaglichter auftauchen. Im Mittelpunkt der Unterhaltung stehen Produkt, Prozess und Präsentation. Es geht um Inspiration, Komposition und Handwerk. Manchmal reiche es fast schon, eine einzelne Komponente auszutauschen für ein verändertes Geschmackserlebnis, sind sich Christian und Markus Kebschull einig. Der Sternekoch hatte beispielsweise als Alternative zu seinem Labskaus Rezept über Königsberger Klopse aus Kabeljau nachgedacht. Er mag das Spiel mit Erwartungen. „Das eine ist der sichere Hafen, das andere ist mal um die Ecke schauen, was es sonst noch so gibt.“

Foto. Carsten Muecke

Foto. Carsten Muecke

Bei aller Variation soll das Essen den Gästen vor allem schmecken. „Die Mischung macht‘s“, weiß Markus Kebschull. Auch im Sternerestaurant Seesteg steht ein klassisches Rinderfilet mit Sauce Bernaise weit oben auf der Beliebtheitsskala. Die Karte bietet aber ebenso eine französische Étouffée Taube. „Für mich das perfekte Fleisch, mit viel Charakter und einem ganz eigenen Geschmack. Wer sich traut, zu probieren, wird begeistert sein.“ Der Küchenchef bedauert ein bisschen, dass ein großer Teil der Gastronomie mit einem Repertoire von nur 30 bis 40 Produkten arbeitet. „Eigentlich ist Kochen insgesamt sehr oft das Gleiche, die gleichen Schritte, tausendmal“, ergänzt Christian. „Variation bleibt ein Schlüssel, den Trott zu durchbrechen - und sei es nur gelegentlich.“

Foto. Carsten Muecke

Markus Kebschull kommt abschließend auf die Haptik zu sprechen. „Das sogenannte Mouth- Feeling, was durch unterschiedliche Texturen im Mund ausgelöst werden kann, spielt aus meiner Sicht eine komplett unterschätzte Rolle.“ Im Seesteg verwendet der Sternekoch bei seinen Gerichten zum Beispiel punktuell kleine Tupfen extrem saurer Gels aus Zitrusfrüchten wie Kalamansi. Das sorge dafür, dass man zwischendurch immer wieder einen kleinen Kick bekommt und wach bleibt - und dass sich nicht alles in Wohlgefallen auflöst. Die unerwarteten Twists erzeugen zusätzliche Spannung. „Ein Gericht kann nicht nur schön, sondern auch interessant sein.“

KABELJAU, LABSKAUS & ROTE BETE

(Rezept Markus Kebschull)

Zutaten | für vier Personen

560 g Kabeljaufilet / 280 g Kartoffeln / 280 g Corned Beef - 1/2 Gemüsezwiebel, in feine Würfel geschnitten - 1 Essiggurke, in feine Würfel geschnitten / Essiggurkenfond - 2 frische Rote Bete, in Salzwasser mit etwas Kümmel, einem Lorbeerblatt und einem Löffel Honig weich gekocht, geschält, in Spalten geschnitten - 0,2 l Rote Bete Saft, reduziert auf 0,1 l und mit etwas Butter emulgiert - 2 EL Butter / Dill - 2 Scheiben Toast in feine Würfel geschnitten und in etwas Öl knusprig gebraten

Zubereitung

Die Zwiebeln in etwas Butter glasig anschwitzen. Das Corned Beef dazugeben, so lange leicht köcheln lassen, bis die Flüssigkeit fast komplett reduziert ist. Nebenbei die Kartoffeln in leichtem Salzwasser weich kochen, abgießen, ausdampfen. Zum Corned Beef dazu pressen, vermengen und nur mit etwas Gurkenfond abschmecken. Kein Salz dazugeben - die Masse ist durch das gepökelte Fleisch in der Regel schon sehr würzig.

Foto. Carsten Muecke

Den Kabeljau von der Haut ziehen und das Filet in etwa 3 cm dicke Stücke schneiden. Ganz leicht salzen und mit etwas Limonen-Abrieb aromatisieren. Diese Stücke dann in einem geölten Metallring von etwa 8-10 cm Durchmesser in Form bringen. Auf ein Backblech mit etwas Backpapier darunter stellen, mit Klarsichtfolie abdecken. Ca. eine halbe Stunde vor dem servieren wird das Blech nun in den Ofen geschoben, der auf 80 Grad vorgeheizt ist. Der Fisch zieht nun ganz sachte gar. Er ist danach wunderbar zart und saftig. Das Ganze richtet man auf dem heißen Labskaus an, umlegt es mit den in Rote Bete Reduktion erhitzten Rote Bete Spalten. Den aromatischen Zusammenhang mit dem traditionellen Labskaus bilden noch die feinen Gurkenwürfel, die wir auf dem Kabeljau verteilen. Für das „Mouth-Feeling“ kommen noch einige knusprige Brotwürfelchen on Top und als Deko ein wenig Dill.

SEESTEG NORDERNEY - www.seesteg-norderney.de - Damenpfad 36A - 26548 Norderney - (04932) 893600