Jugendzeitung yaez - Europa-Spezial (1/4)

Page 1

Die Jugendzeitung

Europa-Spezial (1/4) Januar/Februar 2009 Inhalt

Wind of Change Warum die Türkei europäischer wird

Magische Orte Hier entstanden die Verträge der EU

e d n u t erlebt s n L’Auberge Espagnole r t Polens it r e it e t -B U S E n e d r e et So hat P Europa ist kunterbunt – auch im Film


europa

Wind of Change Warum die Türkei europäischer wird – mit oder ohne EU-Beitritt TEXT: Onur Yamac

FOTO: ANNE ACKERMANN

A

m Bosporus scheiden sich bekanntlich nicht nur geografisch Europa und Asien, sondern auch die Geister. Zumindest im Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt der Türkei. Bereits 2005 hat die Europäischen Union (EU) die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei offiziell aufgenommen. Doch während es bis zum möglichen EU-Beitritt der Türkei noch ein weiter Weg ist, leben in Europa bereits Millionen Türken, die meisten davon in Deutschland. Aus den türkischen Einwandererfamilien und ihren Nachfahren in Deutschland sind längst Deutschtürken geworden, die auch außerhalb der Dönerbude ganz schön erfolgreich sind. Beispiele dafür sind neben bekannten Unternehmern wie Kemal Sahin (Santex) und Vural Öger (Öger Tours) auch der Filmemacher Fatih Akin oder Comedian Murat Topal, ein ehemaliger Polizist. Doch die Deutschtürken stecken in einer Identitätsfalle: Hierzulande sind sie die Türken, aber in der Türkei werden sie »Alemanci« (Deutschländer) genannt. Richtig ist, dass sie sich einerseits an die türkische Kultur gebunden fühlen, oft in den Urlaub nach

In der Türkei hat sich in den letzten Jahren einiges bewegt: In vielen Bereichen des staatlichen Handelns wurden europäische Standards übernommen. Doch manche vermeintlichen Verbesserungen sorgen nicht überall nur für Freude: So rebellierten vor einigen Jahren türkische Gefängnisinsassen, nachdem bekannt wurde, dass man sie nicht mehr in großen Sammelunterkünften, sondern in kleineren Zellen nach EU-Standard unterbringen wollte. Sie fürchteten schlichtweg Schikanen der Wärter, die ihrer Meinung nach durch die kleineren Zellen begünstigt würden. Und auch manches Gericht in den sehr ländlich geprägten Gebieten Ost-Anatoliens tut sich mit der richtigen Auslegung von neuen Gesetzen noch schwer. Neben der schrittweisen Einführung von EUStandards treibt die Politik im EU-Verhandlungspoker aber eine noch viel wichtigere Frage: der ZypernKonflikt. Zwar gehört der griechische Teil Zyperns bereits zur EU, doch ballen sich hier die Konflikte, da die Türkei den Inselstaat offiziell nicht anerkennt und es große Spannungen zwischen türkisch-zypriotischer und griechisch-zypriotischer Bevölkerung gibt. Hieran scheiterte trotz einer positiven Abstimmung der türkisch-zypriotischen Bevölkerung im Jahr 2004 der Beitritt ganz Zyperns zur Europäischen Union. Gleichzeitig wurde mit seinem EU-Beitritt kurz danach der griechische Teil Zyperns wiederum mit zum Verhandlungspartner für den Türkei-Beitritt, was viele Türken als Demütigung empfanden. Ein weiteres ungelöstes Problem, für das man derzeit eine Lösung sucht, ist die Kurdenfrage im Osten der Türkei. Dort strebt die kurdischstämmige Bevölkerung nach einem eigenen

»Die Deutschtürken stecken in einer Identitätsfalle« »Türkiye« fahren und dort Verwandte haben, doch andererseits fühlen sie sich innerlich der deutschen Gesellschaft mit all ihren europäischen Werten und Rechten verbunden. Durch die Deutschtürken findet ein Austausch zwischen Europa und der Türkei statt, von dem beide Seiten profitieren.

yaez • januar/februar 2009

Staat. Besonders die neuen Außengrenzen sorgen für Verstimmungen unter EU-Politikern, weil die Grenzen Europas nach einem türkischen Beitritt an Konfliktherde wie Iran oder Irak heranrücken würden. Die Scheu vor den damit verbundenen Konflikten ist in Europa groß – auch wenn ein Beitritt das Klischee von Europa als »Christenclub« sicher entkräften würde. Und so machte 2005 erstmals der Begriff der »privilegierten Partnerschaft« die Runde. Dies würde die Türkei mit besonderen Vergünstigungen wirtschaftlich eng an Europa anbinden, ein türkischer EU-Beitritt entfiele dann aber. Doch auch Europa profitiert von den hier lebenden Türken. Wie eine erfolgreiche wirtschaftliche Anbindung mit beiderseitigem Nutzen aussehen kann, das kann man dank modernisierter Rechtsstandards in der Türkei bereits jetzt an erfolgreichen europäisch-türkischen Kooperationen sehen. Ein Beispiel dafür ist der norddeutsche Energiekonzern EWE, der mit seinem Know-How aus Deutschland einerseits die Modernisierung des maroden Stromnetzes in der Türkei vorantreiben will, aber auch von der geografischen Lage der Türkei als wichtiges Land für Gas- und Öl-Handelsströme profitieren möchte und dort investiert. Zustande kam das Engagement durch den Deutschtürken Bülent Uzuner, der die EWE an den türkischen Markt heranführte. Doch die Türkei ist nicht nur ein Markt für deutsche Unternehmen, sondern auch eine Konkurrenz für sie: viele hochqualifizierte Deutschtürken zieht es mittlerweile zum Arbeiten in die Türkei. Neben ihrer Mehrsprachigkeit schätzt man ihre Arbeitseinstellung und ihr Organisationstalent. Und so modernisiert und europäisiert sich die Türkei erstmal von ganz alleine. Mit oder ohne EU-Beitritt. •


europa , Dame n otre o N v n illione urm, Eiffelt Élysée – M jedes Jahr s p Cham n besuchen auptstadt. ste i r u Reo che H T nzösis Staats- und ar a r f i n die e e b off b auch t Paris bereits s i Doch s f e sie gsch gierun Hier haben Verträgen . t n b o v Verbelie menge Mit dem » 1 n U e ein 195 en. urde chrieb unters n Paris« w einschaft o em trag v opäische G l (EGKS) r ah u t E S cher die nd ropäis it hle u u o e K r n am fü ei und d ndet: gegrü aftsverband opäischen h ur Wirtsc äufer der E ropäische l r Eu o r V e n h ei e frü i d hieß. , ) n Unio schaft (EG in Geme

Zunä ch Luxem st bildeten nu b 25. M urg und d r Belgien, W ie Nie ärz 19 estdeu d 57 de gilt al n »Ve erlande die tschland, F s die rtra ran Ge wurde EG 2007 burtsstund g von Rom . Diese L kreich, Ital änder e träge ien, d « e d r unte er E en 5 bauen h auf ih 0. Geburt uropäische rzeichnet. D aben am s n auf n Uni und e tag gefeiert on (E as Datum rweite U . rn od Alle folgen ). Deshalb er ver d en EU tiefen -Verihn.

Magische Orte Rom, Amsterdam, Nizza, Lissabon – wenn davon die Rede ist, geht es nicht nur um sehenswerte Städte, sondern auch um Verträge der Europäischen Union (EU). Was steckt hinter diesen Schlüsselworten? TEXTe: Anne allmeling illustration: jakob hinrichs

Dass wir i n dem »Ver 16 EU-L trag ände ropä vo rn is und chen Rat n Maastr mit dem eine i u cht« Euro n t erz ge seith z er die meinsam eichnet u u verdan bezahlen e Au ken. könn nd sa darf »Uni ß E e sich in de onsbürge en- und S h den Eu r wurde n, haben rscha r r ges 1992 i wir o c h , e e r i amte n Un ft«: Wer S heitspolit ne Wirtsc vom Euion a ik vo hafts taats ufha lten. bürger ei r. Zudem union nes E U-La gibt es ndes ist,

n ndlunge ie Verha nd ReD ! a d hts -u ste? Nic ie Staats lmeerkü hwierig, dass d te Wer mit it . n M te r n e c s n d o o n s k a e n n g e ache war 11. D ziergan Nizza« mehr m hin: Am n e r s Ein Spa e o u v e m a g P a Im e eine neu kein hten. »Vertr für den en Ende en Schlaf verzic . Seither gibt es lament. g e g fs e r n in sch nd im Pa enomme te auf se gierung te, muss trag ang opäischen Rat u r ll e o V w r n e e d r red ) Eu urde eiterten 2000 w im (erw zember g n u il te ver Stimmen

Problem! Dank ch nach Italien? Kein rei ter Ös er üb d lan zichten mittlerweile Von Deutsch vom 15. Juni 1985 ver s en mm ko Ab ch Iser gen des Schen an ihren Grenzen. Au f Personenkontrollen au r alEU r We de m. n au ate -R Sta 25 zum Schengen die Schweiz gehören rauf da h sic ss mu st, land, Norwegen und rei n oder Zypern nie mä Ru n, rie lga gen Bu pass vorzuzei . lerdings nach nalausweis oder Reise rso Pe n ne sei , en ch ma gefasst

g »Vertra llte der EU für o s h ic Eigentl « die sterdam 4 und von Am eiterung 200 w r chen – die Oste lungsfähig ma id n der Un 2007 ha ehören n. g a h n c te li a 7 Sta schließ 2 e il e m w er rda « on mittl ag von Amste und tr er Der »V n den Staats vo U am E e d r r e u d w chefs s g n rzeichu te r Regie 97 un 9 1 r e b rgänzt 2. Okto rändert und e ht«. e v aastric net, er g von M nde Rea tr r e V den » cheide ine ents eshalb Doch e U scheiterte. D g. E öti r form de ue Reformen n e n wurden

Der »V er net. D trag von Lis amit e r in K sabon« wur angeno raft tr mmen itt, mu de am 13. D andere w ezemb ss er m dem erden. Der ok »Vertr noch von all er 2007 un über e terzeic ag von en 27 ine Ve ratischer un hM rfassun d L Frankr g über effizienter m issabon« so itgliedstaate eich u ll die n nd den achen. Europ folgt. A E a« Ein ge Nie n seine plante U unter Stelle t derlanden a wurde in V r »Ver olksab rat der b trag stimm »Vertr gelehnt und ung ag von dann n Lissab icht w en in on«. eiterve r-


europa

»Meine Sternstunde«

L’Auberge Espagnole – Barcelona für ein Jahr Komödie Frankreich 2002, 121 Minuten R: Cédric Klapisch D: Romain Duris, Audrey Tautou, Judith Godrèche Als DVD im Handel erhältlich

»Polen hat die Chance, die Brücke zwischen Ost und West zu werden«

»Seitdem ist auch mein Minderwertigkeitsgefühl, Osteuropäer zu sein, weniger geworden«

Peter Jagla (Polen)

Michal Kmeĉ (Slowakei)

»Ich bin mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Vom EU-Beitritt Polens hab ich gar nicht so viel mitbekommen, weil ich da mitten im Abiturstress steckte. Auch wenn ich mich als Europäer fühle, gibt es aber eine polnische Prägung in mir, mit der Kirche als einen zentralen Punkt. Die Chance für Polen in der EU ist, eine Brücke zwischen Ost und West zu werden. Manchmal habe ich aber auch Bedenken: Was wird aus den ärmeren Regionen Polen, wenn 2012 der Euro kommt? Auf dem Land leben viele noch in der Vergangenheit. Durch die Reisefreiheit seitdem EU-Beitritt hat sich für die Polen viel verändert: Polen arbeiten längst nicht mehr als »Spargelstecher«, viele machen in London oder Irland ihre eigenen Geschäfte.«

»Am Tag des Beitritts war ich bei der Familie meiner Freundin, ihr Vater hatte Geburtstag. Im Fernsehen liefen die Feierlichkeiten in Irland und ich war ein wenig stolz, dass die slowakische Fahne zwischen all den anderen hing. Der EU-Beitritt symbolisiert für mich, dass die Slowakei auf den demokratischen Weg zurückgefunden hat. Seitdem ist auch mein Minderwertigkeitsgefühl, Osteuropäer zu sein, weniger geworden. Mein Leben hat sich durch den Beitritt gar nicht so sehr verändert – sondern dadurch, dass ich zum Studieren nach Deutschland gekommen bin. Manchmal fühle ich mich als Deutscher, manchmal als Slowene. Aber als Europäer bisher noch nicht, das liegt aber sicher daran, dass ich noch nie außerhalb Europas war.«

+++++++++

wettbewerbe+++++++++

Weiter geht’s online!

Comics: Zeichne deine Sicht von Europa. Eingereicht werden können Comics mit Erlebnissen, Wünschen Kritiken oder Ideen zu Europa. www.eurocartoon.eu

SchülerVZ: Europa-Gruppe von yaez Gehört die Türkei in die EU? Fühlst du dich als Europäer? Was sind deine Visionen für Europa? Was gibt es Aktuelles aus Brüssel? Im SchülerVZ wollen wir mit dir über Europa diskutieren, Meinungen austauschen und dich auf dem Laufen über EU-Nachrichten halten. Und so funktioniert’s: Melde dich bei SchülerVZ an und trete der Europa-Gruppe von yaez bei. Wir warten auf dich! Den Link zur SchülerVZ-Gruppe, alle Beiträge als Podcast und die Vorschau für die nächste Ausgabe findest du hier: www.yaez.de/europa

Visionen: Wie soll Europa im Jahr 2020 aussehen? Entwickle eigene Zukunftsentwürfe und gewinne eine Einladung zum Europäischen Zukunftskongress, um sie zu diskutieren. www.europa-2020.eu Völkerverständigung: Stell dir vor, du wärst in einem anderen europäischen Land geboren. Was würdest du heute machen? Die besten imaginären Figuren gewinnen. www.alterego-europe.eu +++++

NACHRICHTEN-TICKER+++++

▶ Premiere in Prag: Tschechien hat am 1. Januar für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das erste Mal in der Geschichte des Landes, das seit 2004 EU-Mitglied ist. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ ▶ Erfolgreiche europäische Internetendung: Am 11. Januar hat die ».eu«-Domain die Drei-Millionen-Marke überschritten, die dreimillionste Domain wurde von einem Deutschen registriert.

yaez • januar/februar 2009

Vor rund fünf Jahren kam der französische Film »L’Auberge Espagnole – Barcelona für ein Jahr« in die deutschen Kinos. Er begeisterte Kritiker und Publikum gleichermaßen und ist auch auf DVD immer noch sehenswert. Denn die kurzweilige Komödie ist eine Liebeserklärung an das zusammenwachsende Europa. Der französische VWL-Student Xavier (Romain Duris) verbringt – gefördert durch das Erasmus-Programm der Europäischen Union – zwei Auslandssemester in der spanischen Stadt Barcelona. Seine Freundin Martine (Audrey Tautou) ist davon nicht wirklich begeistert, denn sie ahnt schon, wie das Jahr ablaufen wird: Saufen, Partys, Flirten. Xavier zieht nach langem Suchen in eine kunterbunte Wohngemeinschaft ein – mit der Engländerin Wendy, der Spanierin Soledad, der Belgierin Isabelle, dem Dänen Lars, dem Italiener Alessandro und dem Deutschen Tobias. Klar, dass angesichts der unterschiedlichen Kulturen nicht immer alles ohne Reibereien verläuft. Dennoch wird das Jahr in Barcelona für Xavier eines der besten und turbulentesten seines Lebens, denn er hat die europäische Idee wirklich erfahren: Alles ist ziemlich chaotisch, es herrscht ein großes Sprachengewirr – und dennoch gehört man zusammen. •

Autoren: janos burghardt, jochen blind, anne ackermann (fotos)

▶ Milliarden gegen die Krise: Die 27 EUStaats- und Regierungschefs haben sich am 12. Dezember 2008 auf ein 200 Milliarden Euro schweres Maßnahmenpaket geeinigt, um der Konjunktur auf die Sprünge zu helfen. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ ▶ Chance für den Reformvertrag: Irlands Europaminister hat am 10. Dezember 2008 angekündigt, dass die Iren erneut über den EU-Reformvertrag abstimmen werden. Der Vertrag scheiterte am Veto der Iren.

▶ Offene Grenzen: Die 27 EU-Staaten haben am 27. November 2008 beschlossen, die Schweiz in die Schengenzone aufzunehmen. Damit entfallen die Personenkontrollen an den schweizerischen Grenzen. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ ▶ Euro-Einführung in der Slowakei: Die Slowakei hat am 1. Januar als 16. EU-Mitgliedsstaat den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. Der Euro hat die slowakische Krone als Währung abgelöst.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.