Elke Scheer: Im Reich der Zwerge
In der Physik lernt man, strukturiert zu denken, Probleme zu analysieren, ein Problem auf seine grundlegenden
Frau Scheer, Sie haben Physik studiert, hätte es
Teile herunterzubrechen und klare Aussagen zu treffen.
eine Alternative gegeben?
Es werden gewissermaßen permanent Strategien zum
Elke Scheer: In meiner Schulzeit habe ich viel Theater
Lösen von Problemen eingeübt. Das kann man in der Tat
gespielt. Theaterwissenschaft zu studieren hätte mich
überall brauchen.
gereizt. Was mich allerdings enorm störte, war, dass man in diesem Bereich immerzu abhängig ist von der
Welche Eigenschaften zeichnen einen guten For-
Meinung anderer. In der Wissenschaft ist das nicht so
scher in der Physik aus?
stark ausgeprägt. Mir waren klar messbare Dinge dann
Seine Beobachtungsgabe, seine Experimentierfreude
doch lieber. In der Schule hatte ich Mathematik und Phy-
und seine Fähigkeit, an schwierigen Stellen hartnäckig
sik als Leistungskurse und war darin gut – so kam das.
zu bleiben und durchzuhalten.
Aber so ganz eindeutig war das nicht. Im Studium habe ich nebenbei weiter Theater gespielt, Regie geführt und
Wollten Sie schon immer Professorin werden?
kleine Stücke geschrieben.
Nein. Bei mir stand das Fach im Vordergrund. Ich habe erst relativ spät angefangen zu überlegen, was ich damit
Dem Physikstudium geht der Ruf voraus, dass es
anfangen kann. Während meiner Diplomarbeit an der
nicht leicht ist.
Uni Karlsruhe habe ich etwas wirklich Neues herausge-
Es ist ein anspruchsvolles Studium, aber es baut Schritt
funden, eine eigene Forschungsleistung erbracht. Daran
für Schritt aufeinander auf. Man darf sich deshalb keine
hatte ich so viel Freude, dass ich dachte, ich könnte auch
ausgeprägten Durchhänger erlauben. Die Mathematik
in der Universität bleiben und weiterforschen. Auch
sollte man nicht gerade als Last empfinden – denn das ist
während der Doktorarbeit hielt der Spaß am Forschen
die Sprache der Physik. Auf keinen Fall aber sollte man
an, und ich begann mit der Nanoforschung. Forschung
sich von der Mathematik oder Anfangsschwierigkeiten
ist spannend – und man hat alle Freiheiten. Nach der
abschrecken lassen!
Promotion, ebenfalls in Karlsruhe, arbeitete ich 18 Monate lang in einem Forschungsprojekt im Commissariat
Physiker, heißt es, haben eine ganz bestimmte
à l’Énergie Atomique in Saclay, Frankreich. Dort habe
Art, an Dinge heranzugehen, was sie für vieler-
ich mit der Erforschung atomarer Kontakte begonnen,
lei Aufgaben auch außerhalb ihres eigentlichen
die ich auch heute noch betreibe. Danach ging ich als
Faches interessant macht.
wissenschaftliche Assistentin ans Institut für Physik der Universität Karlsruhe zurück. Im März 2000 erhielt ich dann den Ruf für die Professur hier in Konstanz.
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