Ich mach was mit MINT

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Regenrinne säubern und Fußball spielen. Kaum einer

über die Funktionsweise des menschlichen Bewegungs-

aber ist so hübsch wie Nao, die Kreation eines französi-

und Regelsystems lernen. Auch Emotionen sollen in

schen Herstellers. Katja Mombaur hält den kleinen Ro-

die ­ Maschinenkonstruktionen der Zukunft einfließen:

boter mit seinem kugelrunden Kopf und den hübschen

Denn ein Mensch, der traurig oder wütend ist, bewegt

Kulleraugen wie ein Baby im Arm und erzählt, dass

sich anders und hat eine andere Muskelspannung als

Nao kürzlich bei ihnen im Heidelberger Robotiklabor

ein glücklicher, entspannter Mensch. Um darüber mehr

gelernt habe, nach einer kleinen Kanne zu greifen und

zu erfahren, arbeiten die Heidelberger Forscher eng mit

die Zimmerpflanze zu gießen. Die ihm dafür eingegebe-

Psychologen und Hirnforschern zusammen.

ne Programmierung war eine Bachelor-Arbeit in Katja Mombaurs Forschergruppe „Optimierung in Robotik

Auf der langen Arbeitsliste der Forscher um Katja Mom-

und Biomechanik“ im Interdisziplinären Zentrum für

baur stehen auch Exoskelette. In der Biologie versteht

Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg

man darunter Stützstrukturen, die Organismen äu-

wert. „Unser übergeordnetes Ziel ist es, das Wunder der

ßeren Halt geben. Insekten haben beispielsweise kein

menschlichen Bewegung bis ins Detail zu verstehen“, er-

inneres Skelett wie wir Menschen, sondern ein stabiles

klärt Katja Mombaur, seit dem Jahr 2010 Professorin der

Außenskelett. In der Robotik versteht man unter Exo-

Universität Heidelberg. Denn nur wenn man verstünde,

skeletten „Roboteranzüge“. Sie sollen die menschliche

wie der menschliche Bewegungsapparat funktioniert,

Muskelkraft verstärken und beispielsweise die Pfleger

könnten Roboter optimiert und für vielfältige Anwen-

in Krankenhäusern oder Altenheimen dabei unterstüt-

dungen fit gemacht werden.

zen, kranke Menschen aus dem Bett zu heben. Exoskelette könnten auch querschnittsgelähmten Menschen

Schaut man sich einen gehenden Roboter an, fällt auch sofort auf, dass er sich anders als ein Mensch bewegt. Manchmal sind die Bewegungen sehr langsam, oder sie sind zu zackig. Selbst dann, wenn ein menschenähnlicher, ein „humanoider“ Roboter wie der im Jahr 2000 erstmals in Japan vorgestellte Asimo geschmeidig gehen, eine Tasse Tee auf einem Tablett balancieren, Hände schütteln, Treppen steigen und tanzen kann – wirklich menschenähnlich rennen kann

Bislang ­unerreicht: das Vorbild Mensch

er nicht. als Funktionshilfen dienen oder es Patienten nach einem Gehende oder rennende Menschen bewegen sich flie-

Schlaganfall ermöglichen, trotz gelähmter Beine wieder

ßender und eleganter als Roboter, weil Menschen über

zu laufen. Derartige „Roboter zum Anziehen“ entwickelt

kräftige und elastische Muskeln verfügen, die in idealer

Katja Mombaur, deren Projekte von der Baden-Würt-

Weise zusammenarbeiten. Wie optimal sich mensch-

temberg Stiftung unterstützt wurden, derzeit zusam-

liche Muskelpaare ergänzen, kann man an sich selbst

men mit F­ orschern aus Karlsruhe.

erkennen, wenn man den Arm beugt: Der Bizepsmus-

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kel im Vorderarm zieht sich zusammen; der Trizeps

Sicher, ein Haushaltsroboter, der das Zimmer aufräumt,

auf der Rückseite wird gedehnt. Um den Arm wieder

die Wäsche bügelt oder die Pizza in den Ofen schiebt,

zu strecken, muss sich der hintere Trizeps wieder zu-

wäre auch schön, meint Katja Mombaur und lächelt.

sammenziehen. Menschliche Bewegungsabläufe greifen

Wichtiger aber sind ihr die medizinischen Anwendun-

harmonisch ineinander und werden präzise gesteuert –

gen – und Roboter, die den Menschen in Gefahrensitu-

technisch ist diese Eleganz und Perfektion bislang nicht

ationen ersetzen können. Ein Beispiel, das den großen

nachzuahmen. Dazu müssen die Forscher noch viel

Nutzen der programmierten Helden demonstrieren


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